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Spiele, die ich vermisse #75: Skirennen

Im Fernseher läuft Skifahren, draußen vor dem Fenster hat sich endlich die weiße Pracht eingefunden – und ich packe meine Taschen, um mich eine Woche lang auf die weißen Hänge zu begeben. Wenn das nicht nach einem Aufhänger klingt, etwas zu vermissen, weiß ich auch nicht weiter. Nachdem ich euch quasi vor einem Jahr erzählt habe, was wir neben dem Sport im Skiurlaub machen (siehe den Eintrag zu DSA: Die Schicksalsklinge), möchte ich mich dieses Mal dem eigentlichen Main-Event widmen – der Action mit zwei Brettern an den Füßen und (hoffentlich) jeder Menge Schnee unter uns.

Doch ein Thema zu finden ist noch lange nicht alles – schließlich muss man dann auch noch das passende Spiel finden. Und tatsächlich ist das in diesem Fall gar nicht so einfach. Die österreichische Nationalsportart (oder zumindest jene, zu der wir den größten Bezug haben UND auch noch sehr erfolgreich sind) ist eher ein Stiefkind auf den Monitoren und Fernsehern. Denkt einfach kurz nach: Klammern wir Snowboard-Spiele aus (von denen es mehr gibt – das Board ist offensichtlich „cooler“ als die zwei Bretteln), streichen wir ein paar obskurere Freestyle-Titel und wollen uns auf jene Games konzentrieren, in denen man tatsächlich in Rennen unterwegs ist und die eine gewisse Qualität aufweisen, blickt man recht rasch auf eine recht leere Fläche im Spieleregal. Und selbst Spiele wie die Ski-Challenge (einer der wenigen Titel, der diese Kriterien erfüllen würde) scheitern an der letzten Hürde: Ich muss gute Erinnerungen an dieses Spiel haben (was nicht heißen soll, dass die Ski-Challenge ein schlechtes Spiel ist – es soll einfach nur heißen, dass ich den Titel viel zu wenig gespielt habe).

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Warum wurde ausgerechnet Skifahren nie mit State of the Art-Spielen bedacht, während vor allem Fußball und Football, aber auch Basketball, Hockey und Tennis regelmäßig mit High-Budget-Titeln versorgt werden? Die Antwort darauf liegt wohl in der internationalen (und sicher auch im speziellen bei der US-Amerikanischen) Popularität dieser Sportarten. Aber damit gab ich mich nicht zufrieden und blätterte weit zurück in meiner spielerischen Vergangenheit: Gab es eine Zeit, in der es ein Spiel rund um Skifahren gab, das mit Umsetzungen anderer Sportarten mithalten konnte? Und schließlich wurde ich in meinen Erinnerungen fündig: 25 Blog-Ausgaben nach meinem letzten Ausflug zum legendären Philips G-7000 (meine bisherigen Erinnerungen dazu findet ihr hier und hier) biege ich in Ausgabe 75 einmal mehr zu meinen spielerischen Wurzeln ab und erinnere mich an die erste Konsole, mit der ich jemals spielen durfte – genauer gesagt an das Videopac-Modul #25 namens Skirennen.

Wie der Name schon sagt, geht es in diesem Spiel um Skirennen – und das sogar in allen drei Disziplinen, die damals (Release war 1979) im Alpinen Skiweltcup gefahren wurden: Slalom, Riesenslalom und Abfahrt (der Super-G wurde erst 1982 eingeführt). Gefahren wird im Spiel allerdings ausschließlich in einer Art Parallelbewerb, sprich: Ein Spieler sieht seine Strecke auf der linken, der andere auf der rechten Seite des Screens. Gefahren wird gleichzeitig, allerdings ist jeder für sich unterwegs (sprich: jede Hälfte „scrollt“ für sich, soweit man das bei einem einheitlich weißen Hintergrund mit „Torbäumen“ scrollen nennen kann), auch wenn es durchaus möglich ist, in die Streckenhälfte des anderen Spielers zu fahren, da es keine Trennlinie gibt.

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Die drei Disziplinen unterscheiden sich primär im Torabstand: Im Slalom sind die Tore sehr eng gesetzt und erfordern schnelle Reaktionen und flinke Kurven (oder regelmäßiges, aber irgendwie kontraproduktives Bremsen). Der Riesenslalom bietet eine längere Strecke, aber weitere Torabstände, und in der Abfahrt geht es vor allem darum, so schnell wie möglich nach unten zu kommen (wobei es natürlich auch hier Tore gibt, die die Kurssetzung markieren und passiert werden müssen). Apropos Tore: Die G7000 ist als Videospielkonsole der zweiten Generation natürlich aus heutiger Sicht alles andere als ein Grafikwunder, allerdings sind die Skifahrer zumindest deutlich als Skifahrer zu erkennen. Etwas anders sieht es für die Tore aus: Diese sehen in etwa aus wie die Felsen/Bäume aus Revolverhelden – ich würde sie auch hier eher „Bäume“ nennen – aber sie erfüllen ihren Zweck.

Und gleich nochmals „apropos Tore“: Gerade während ich diese Zeilen tippe, läuft der erste Durchgang im Slalom von Kitzbühel und man merkt, wie gnadenlos die FIS-Regeln sind: Wer ein Tor nicht korrekt passiert, scheidet aus und ist aus dem Rennen. Dass diese Regel nicht optimal für ein Videospiel ist, das auch Spaß machen soll und nicht dazu führt, dass man entweder frustriert aufgibt oder vor dem ersten Erfolg den Kurs auswendig lernen muss, ist klar. Deshalb geht Skirennen (so wie eigentlich auch alle anderen Skispiele, die mir einfallen) einen etwas gnädigeren Weg und verzeiht Fehler: Wer in ein Tor hineinfährt und stürzt, verliert Zeit, wer gar einen Torfehler begeht, setzt die Zeitnehmung gleich ganz außer Kraft. Soll heißen: Grundsätzlich gewinnt in allen Disziplinen jener Skifahrer mit der besseren Zeit. Wenn allerdings ein Spieler einen Torfehler begeht, zählt nicht mehr die Zeit, sondern jener Spieler heimst den Sieg ein, der bis zum Ende weniger Fehler gemacht hat. Das entspricht sicherlich nicht den FIS-Regeln, sorgt aber dafür, dass man nicht gleich frustriert den Joystick in eine Ecke wirft, nur weil man einen Fehler macht (und vor allem im Slalom waren die Fehler vor allem in meinem Fall eher zweistellig).

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Damit bin ich auch schon bei meinen persönlichen Erinnerungen an Skirennen, die allerdings – wie so viele Spiele am G7000 – aufgrund der Tatsache, dass ich so früh mit der Konsole in Kontakt kam, eher verwaschen sind. Ich kann mich weder genau erinnern, wann ich zum ersten Mal das Spiel gespielt habe, noch was meine Gefühle dabei waren – vielleicht abgesehen von „cool, ich kann auch am Fernseher Skifahren“ (ich bin doch recht früh auf den zwei Brettern gestanden, was nicht heißen soll, dass ich damals mehr konnte, als ein wenig herumrutschen) und „hey, toll, die Skifahrer machen, was ich ihnen sage“.

Was ich aber recht sicher weiß: Das Spiel hatte einen hohen Frustfaktor – trotz schon erwähnter Tatsache, dass man ja eigentlich nicht ausfallen konnte. Vielleicht lag es an meinem doch recht jungen Alter, aber ich fuhr regelmäßig in Tore hinein, an Toren vorbei und irgendwann war es mir dann egal und ich fuhr einfach im Schuss nach unten. Natürlich hätte ich die Strecken auswendig lernen können, aber das war mir damals einfach auch zu viel Aufwand. Tatsache ist nämlich: Das Spiel hat tatsächlich nur einen Kurs pro Disziplin, was den Titel herausfordernd macht, bis man die Strecke kennt, aber danach „nur noch“ verlangt, dieses Wissen korrekt zu nutzen – der Wiederspielenswert sinkt an diesem Punkt. Andererseits: Vergessen wir nicht, dass wir hier von einem Titel ganz vom Anbeginn der Videospielgeschichte reden – da darf man meiner Meinung nach nicht Maßstäbe von heute anlegen.

Das führt aber auch schon zu meiner abschließenden Frage, warum ich Skirennen auch heute noch vermisse. Und wie immer ist es bei diesen uralten Spielen gar nicht so einfach, diese Antworten zu geben. Die erste, die mir in den Sinn kommt, lautet natürlich „Nostalgie“. Gerade haben wir von „Maßstäben“ gesprochen, und legt man heutige an, verliert Skirennen sofort nach Punkten – wer nicht dabei war, kann heute nicht verstehen, warum man gerade dieses Spiel vermisst, denke ich. Aber damals war es eines meiner ersten Sportspiele. Noch dazu war es damals mit anderen Spielen technisch ebenbürtig. Wo man heute ein Skispiel mit mehreren Disziplinen, das sich tatsächlich mit den Production Values von FIFA und Co. messen kann, mit der Lupe suchen müsste (und vermutlich nicht finden würde), waren damals alle Sportspiele auf diesem Niveau. Tatsächlich hatte ich ein zweites Sportspiel auf der G7000 namens „Tischfußball“ – damit wollte man wohl Fußball auf die Konsole bringen, ohne sich dem Problem der vielen laufenden Spieler zu stellen – und Internetrecherchen ergaben, dass es durchaus auch Spiele wie Fußball, Hockey oder Volleyball gab, die aber allesamt unter gewaltigen spielerischen Einschränkungen litten. Die zweite Antwort auf die Frage lautet: Dieses Spiel hat mir beigebracht, wie Slalom regeltechnisch funktioniert. Das mag jetzt nicht übermäßig wichtig sein, aber ja, ich habe bei dem Spiel tatsächlich etwas gelernt (abgesehen davon, dass man nach diesem Spiel, wie schon erwähnt, glauben müsste, dass Torfehler relativ egal sind). Und die dritte (und letzte) Antwort: Weil es danach kaum mehr ein Skispiel gab, das mich vom Hocker reißen konnte. Ja, die Ski-Challenge macht durchaus Spaß, aber sie limitiert sich auf Abfahrten und Zeitenjagd im TrackMania-Stil. Und natürlich gab es andere Spiele, die manche Disziplinen aus den Skirennen mit einbauten. Doch wenn ich heute an virtuelles Skifahren denke, lande ich automatisch bei diesem Spiel, bei den Pixelmännchen-Skifahrern und baumförmigen Torstangen. Eingebrannt ist eben eingebrannt.

Bleibt noch ein letztes Schlusswort: Nächste Woche gibt es keine neue Ausgabe, da ich meinen Urlaub genießen werde. In zwei Wochen sollte es allerdings einen neuen Blogeintrag geben – und ich glaube, ich habe gerade das Thema dafür gefunden … aber mehr dazu dann Anfang Februar. Bis dann!

Florian Scherz

Bereits früh entwickelte Florian zwei große Leidenschaften: Videospiele und Theater. Ersteres brachte ihn zu einem Informatikstudium und zu Jobs bei consol.MEDIA und Cliffhanger Productions; zweiteres lässt ihn heute (unter anderem) als Schauspieler, Regisseur, Komponist und Lichtdesigner arbeiten. Wenn er gerade keine Musicals inszeniert, spielt oder schreibt, vermisst er auf Shock2 Videospiele von anno dazumal in seiner Blog-Reihe "Spiele, die ich vermisse".

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