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Spiele, die ich vermisse #187: Mag!!!

Ich möchte diese Ausgabe ausnahmsweise damit beginnen, was ihr in diesem Text nicht findet: Dieses Jahr will ich zum Jahresende nicht in Weihnachtsgefilden schwelgen – erstens gab es schon eine DaCapo-Ausgabe der allerersten Weihnachtskolumne (zu James Pond II: Codename Robocod), zweitens ist es ohnehin jedes Jahr ein zunehmend schwieriges Unterfangen, Spiele mit Weihnachtsbezug zu finden. Aber auch Krankheit (siehe z.B. Life and Death) soll diesmal kein Thema sein – auch wenn mir ein weihnachtlicher Virusbefall die Zeit dafür gegeben hat, diesen Text überhaupt zu schreiben. Stattdessen blicke ich zum Jahreswechsel, der immer zur Reflexion einlädt. Und diesmal mach ich das sogar doppelt: 2023 feierte Shock2 zehn Jahre, aber damit sind auch zehn Jahre seit dem Aus für consol.MEDIA vergangen – eine lange Zeit, seit ich das letzte Mal nicht nur für Online, sondern auch für Print über Videospiele geschrieben habe. Und auch wenn ich weiß, dass dieser Markt nicht mehr das ist, was er einst war (vergleicht dazu auch die Kommentare von Michael und Alex im aktuellen XMAS/Silvester-Podcast), vermisse ich die Arbeit in der Redaktion, die dazu führte, ein gedrucktes Magazin in Händen zu halten. Und damit kommen wir zum Thema: Auch wenn es vergleichsweise wenige Spiele gibt, die sich um das Erstellen von Printmedien drehen (mir würde da vor allem Mad News einfallen), gibt es zumindest ein Spiel, in dem man die Geschicke eines Videospielmagazins übernehmen kann. Sein Name? Mag!!!

Bei Mag!!! handelt es sich um eine Wirtschaftssimulation von Greenwood und Independent Arts, die 1996 für den Amiga und den PC erschien. In Sachen Optik und Steuerung orientierte man sich am typischen Muster vieler Spiele dieser Art aus deutschen Landen: Das Interface bestand aus teilweise animierten Comic-Zeichnungen (siehe zum Beispiel auch Biing!), in denen sich die diversen Funktionen, die ihr zum Erstellen eures Magazins braucht, verstecken (und das ist hier leider ein wenig ernst gemeint – es dauert ein wenig, bis man weiß, was wo zu finden ist und wie das Spiel zu steuern ist). Excel-Charme (vergleiche das ebenfalls von Greenwood stammende Der Planer) gibt es hier nicht, dafür normalerweise viele bunte Bilder und Illustrationen, die euch Schritt für Schritt zu eurem Wunschheft führen. Doch hinter der verspielten Optik verbirgt sich doch auch eine gewisse Komplexität, die euren Weg zum Ziel nicht gerade zu einem Spaziergang machen.

Apropos Ziel: Ihr könnt euch zu Spielbeginn für eines von drei entscheiden (höchster Marktanteil, höchstes Kapital, höchster Score), genauso wie für die Spieleranzahl (es gibt einen Hot-Seat-Modus für maximal vier Spieler, der allerdings von langen Wartephasen geprägt ist, weil jede Runde (=Ausgabe) mehrere Minuten bis hin zu einer Viertelstunde pro Spieler dauert) und einen von fünf Schwierigkeitsgraden. Essenziell ist aber auch die Frage, in welcher Epoche der Videospielgeschichte ihr spielen wollt. Neben einer Kampagne von 1986 bis 1995 könnt ihr euch auch für ein kürzeres Szenario innerhalb einer gewissen Teil-Ära entscheiden. Immerhin änderte sich schon in diesen zehn Jahren die Spielelandschaft massiv und während zu Beginn ein reines PC-Magazin gegenüber C64 und Konsorten keine Chance haben wird, sind Mitte der 90er die 8-Bit-Zeiten endgültig vorbei. Ob ihr im Laufe der Zeit mehrere Magazine starten (bzw auch wieder einstellen) wollt, um euch daran anzupassen, oder euch von vornherein als Multiformat-Magazin platziert, bleibt euch überlassen und bringt seine eigenen Vor- und Nachteile.

Aber auch nach diesen anfänglichen Themen gilt es, wichtige Entscheidungen zu treffen: Das Layout eures Magazins will geplant werden (Kann man sich Farbdruck schon leisten? Vielleicht nur das Cover in Farbe? Ein nüchternes oder verspieltes Layout?), Redakteure (natürlich mit Eigenheiten und Statistiken) wollen angeheuert werden. Dass man schon hier in den möglichen Layouts und Namen gewisse Ähnlichkeiten zu tatsächlichen Magazinen und ihren Mitarbeitern bemerken wird (auch wenn sie leicht verfremdet wurden) liegt wohl daran, dass die Entwickler nicht nur eigene Recherchen angestellt haben, sondern auch mit zahlreichen damals aktuellen Verlagen und ihren Heften zusammenarbeiteten: So finden sich die Daten der ASM/PC-Spiel als optionales Datenpaket für noch mehr Realismus auf den Datenträgern (alternativ gibt es aber auch einen Editor, falls ihr eure Freunde als Redakteure wünscht), aber auch Powerplay und PC Joker waren an dem Spiel beteiligt –  und die damaligen PC Games-Redakteure waren sogar beim Dreh des mehrminütigen Intros (nur in der CD-ROM-Version enthalten) engagiert.

Auch die Spiele und die Studios, denen ihr im Redaktionsalltag begegnen werdet, entsprechen der damaligen Zeit – teilweise mit gewissen Verfremdungen, die aus „Das Schwarze Auge“ schonmal „Das Blaue Auge“ machen. Diese Testmuster – bei entsprechenden Abkommen mit den Studios schon mal exklusiv, falls ihr schon bekannt genug dafür seid – müsst ihr an eure Redakteure verteilen, die die entsprechenden Artikel schreiben. Doch der Alltag eines Spielejournalisten ist definitiv mehr als nur zocken: Sie müssen sich auch noch um alle sonstigen Rubriken eures Magazins kümmern, die ihr entweder zu Beginn ausgewählt habt oder im Laufe der Zeit in der Redaktionskonferenz vorgeschlagen werden. Was wäre schließlich eine Ausgabe ohne Tipps & Tricks, News oder Leserbriefe? Aber wäre es nicht auch gut für die Kundenbindung, wenn ihr eine Hotline einrichtet, die euren Lesern beim Zocken hilft? All das kostet natürlich Arbeitszeit und eure Angestellten sind nicht unendlich belastbar – und mehr Redakteure (oder auch freie Mitarbeiter) auf Dauer teuer. Da helfen natürlich Anzeigen, die aber wieder wertvollen Platz im Magazin brauchen …

Zum Abschluss gibt es dann die schon erwähnte Redaktionskonferenz, in der die Ausgabe finalisiert wird, die Wertungen diskutiert, Seitenzahlen finalisiert und die Kosten kalkuliert werden und die Druckauflage bestimmt wird. Und danach? Hofft ihr natürlich, dass es noch eine weitere Ausgabe geben wird, an der ihr sofort zu arbeiten beginnen solltet. Falls noch Zeit bleibt, könntet ihr natürlich auch Sonderhefte entwerfen, wie sie damals noch üblich waren. Oder euch um sonstige Dinge kümmern, die euch das Spiel entgegenwirft. Ihr ahnt vielleicht schon: Mag!!! lebt von einigen Wiederholungen. Und der Nostalgie – vor allem für jene, die in der damaligen Zeit dabei waren und eventuell sogar Spielemagazine gelesen haben. Trotzdem schleicht sich irgendwann Monotonie ein – und das liegt nicht nur an dem Soundtrack, der ziemlich vor sich hindüdelt.

Falls ihr bis hierhin gelesen habt und euch gedacht habt „interessante Idee, warum habe ich nie davon gehört?“ – gute Frage. Tatsächlich machte Mag!!! nicht viel anders als die Konkurrenz, war spielerisch durchwachsen, aber nicht schlecht, kümmerte sich um ein den Spielern nahes (und definitiv nicht gerade von anderen Spielen überschwemmtes) Thema und bekam zumindest von den beteiligten Redaktionen Aufmerksamkeit (wenn auch erwähnt werden sollte, dass a) laut von mir nicht verifizierten Meldungen andere Magazine das Spiel eher ausklammerten und b) die Wertungen auch von den beteiligten Verlagen durchaus fair waren, wie Wertungsübersichten zeigen. Hier wurde trotz Beteiligung nicht automatisch eine hohe Wertung gezückt). Dennoch ist das Spiel im Vergleich zu anderen Titeln (die zugegebenermaßen dann teilweise doch mehr Qualität hatten) in der Versenkung verschwunden; selbst die Recherche zu diesem Artikel war nicht einfach, weil es nur eingeschränkt Berichte zu dem Titel gibt (dass Suchanfragen nach Mag!!! fast ausschließlich zum Videospiel MAG für die PS3 führen, hilft sicher auch nicht).

Das erklärt vielleicht auch, warum meine eigene Geschichte mit Mag!!! eher kurz, aber scheinbar dennoch eindrucksvoll genug war, dass ich mich heute noch daran erinnere. Zwar habe ich die Amiga-Versionen nie gespielt (diese liefen nur auf Amiga 600 bzw. 1200, die ich nie besaß), fand aber die Testberichte in den Magazinen, die ich damals schon las, durchaus interessant (wenn auch nicht interessant genug für den Kauf eines Vollpreisspiels) und schlug schließlich zu, als die Vollversion auf einer einem Magazin beigelegten CD (könnt ihr euch noch an diese Zeiten erinnern?) veröffentlicht wurde. Und als jemand, der schon immer Interesse an Gaming-Heften hatte (damals aber sicherlich nie erwartet hätte, einmal selbst für ein solches zu schreiben), wurde das Spiel eine ganze Weile zu einem gern gesehenen Gast auf meinem Monitor. Es machte einfach Spaß, die Ausrichtung eines Magazins zu bestimmen, Inhalte auszuwählen und Redakteure zu beschäftigen. Etwas trocken empfand ich dagegen den Wirtschaftsteil, an dem ich im Endeffekt dann auch immer gescheitert bin – wer zu viel will, steht irgendwann ohne Geld da. Und ich gab mich (wie im echten Leben) selten mit Kleinigkeiten zufrieden.

Das war aber nicht das einzige, was mich störte. Das größte Problem von Mag!!! hieß für mich einfach „Mad News“. Der inoffizielle Mad TV-Nachfolger hatte einfach in Sachen „Wirtschaftssimulation über Printmedien“ für mich viel richtig gemacht – mit dem nötigen Humor, aber auch mehr Möglichkeiten (wie zum Beispiel einer besseren Planung des Layouts) und der Langzeitmotivation. Klar, da ging es „nur“ um eine Tageszeitung, während Mag!!! sich um Videospielmagazine dreht, aber im Endeffekt hatte Mad News es geschafft, Druckwerke interessant zu machen, und die Konkurrenz konnte daran einfach nicht anschließen – zumindest nie lange genug, um mich für mehr als ein paar Ausgaben auf Dauer bei der Stande zu halten. Und so verschwand das Spiel irgendwann aus meinem Laufwerk (und irgendwann die Disc in den unendlichen Weiten der viel zu vielen Cover-CDs). Heute finde ich das schade, denn die Idee blieb hängen und ich hätte Mag!!! gern nochmal ausprobiert. Kein Wunder, dass es sich schon seit Jahren auf der Master-Liste für diese Blog-Reihe findet, aber erst jetzt von mir herausgekramt wurde.

Und deshalb vermisse ich Mag!!! noch heute – nicht wegen des Spiels an sich, das man nach heutigen Standards sicher viel besser umsetzen könnte. Sondern dafür, dass es sich als das einzige mir bekannte Videospiel mit dem Thema Videospielmagazine auseinandersetzte, wodurch endlich einmal jeder Chefredakteur sein konnte. Warum dieses Thema in den Jahren darauf nicht mehr aufgegriffen wurde (oder warum ich zumindest nie davon gehört habe)? Keine Ahnung. Heute wäre es natürlich schwierig, da die Welt der Magazine an Bedeutung verloren hat; aber vielleicht aus einem nostalgischen Blickwinkel für uns Retro-Menschen? Ich würds spielen. Aber ganz ehrlich: Ich gehöre ja auch zu der aussterbenden Art jener, die auch gerne noch Videospielemagazine wie damals lesen würden. Oder sich gerne daran erinnern, wie es war, diese zu schreiben …

Florian Scherz

Bereits früh entwickelte Florian zwei große Leidenschaften: Videospiele und Theater. Ersteres brachte ihn zu einem Informatikstudium und zu Jobs bei consol.MEDIA und Cliffhanger Productions; zweiteres lässt ihn heute (unter anderem) als Schauspieler, Regisseur, Komponist und Lichtdesigner arbeiten. Wenn er gerade keine Musicals inszeniert, spielt oder schreibt, vermisst er auf Shock2 Videospiele von anno dazumal in seiner Blog-Reihe "Spiele, die ich vermisse".

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Notable Replies

  1. oooh jaaa! ganz große nostalgiebombe!

    das war nach mad die zweite wirtschaftssim in meinem leben. zum glück hatte ich dann schon ein cdrom-laufwerk, weil die pc-games hatten es als mal als beilage zum heft gepackt. hatte (iirc) auch ein intro mit den redakteuren aus der zeit.

    hach

    das waren die goldenen zeiten der wisims. da waren da noch div fußballmanager wie anstoß 2, pizza syndicate, transport tycoon, holiday island, … seufz

    edit: und oil imperium

  2. Avatar for Jokus Jokus says:

    Ja, kann sein, dass ich die auch von einer PC Games-CD hatte. Oder von irgendeiner anderen. Damals gabs ja oft diese „Magazine“, die vor allem aus CDs mit diversen Spielen bestanden. Hatte einige davon. Viele Spiele sind aber nicht hängen geblieben :wink:

    Und ja, die PC Games-Redakteure haben beim Intro mitgemacht. Und so manche Anspielung auf die Redaktion findet sich natürlich auch im Spiel - ich sag nur Leserbriefe …

  3. Avatar for Vino Vino says:

    Ahhhh das hab ich schon fast vergessen! Dabei hab ich das damals richtig geliebt. Danke für den schönen Artikel! :star_struck:

  4. :heart_eyes: ich liebe diese Spiele. TT spiele ich immer noch, zwar immer seltener, aber wenn dann stundenlang.

  5. Hab ich noch auf CD-ROM. Schade, dass es sowas in der simplen, aber trotzdem interessanten Art nicht mehr gibt.

  6. Avatar for Jokus Jokus says:

    Ihr überrascht mich. Ich war mir sicher, wiedermal was recht unbekanntes ausgegraben zu haben, was nur eine Minderheit kennt. Freut mich, falsch zu liegen!

  7. we are many!

    Captain America Avengers GIF by Marvel Studios

  8. Avatar for Vino Vino says:

    Gibt es durchaus - sowohl auf Smartphones als auch im Indie-Bereich auf PC’s

  9. Mit PC hab ich leider nix mehr zu tun. Mag! rennt aber auch via Dosbox am Mac.

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