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Review: Jene Tage, die verschwinden

Der Feind im eigenen Körper

Thriller gibt es auch in der Comic-Landschaft viele. Autor und Zeichner Timothé Le Bouchers wagt mit JENE TAGE, DIE VERSCHWINDEN jedoch einen alternativen Ansatz…

Lubin Maréchal hat eine Leidenschaft. Er ist Akrobat und muss täglich üben, um immer besser zu werden. Tagsüber arbeitet er in einem Supermarkt, um Geld zu verdienen und sich diese Leidenschaft auch finanzieren zu können. Aber eines Tages geschieht etwas Komisches: Nachdem er am Vortag bei einer Ãœbung auf den Kopf gefallen ist, verschläft er einfach den gesamten Folgetag. Zunächst tut er es mit einer Kopfverletzung und der nötigen Regeneration danach ab. Nachdem es aber dann erneut probiert und er auf diese Art und Weise jeden zweiten Tag „verliert“, bekommt er es mit der Angst zu tun. Was ist los mit ihm? Er verliert seinen Job im Supermarkt und kann nicht mehr regelmäßig trainieren. Seine Freundin Gabrielle macht dies über kurz oder lang auch nicht mehr mit.

Lubin ist leidenschaftlicher Akrobat

Durch Videoaufzeichnungen an seinem Computer stellt er fest, dass an jedem zweiten Tag sein anderes Ich, seine zweite Persönlichkeit, die Kontrolle über seinen Körper übernimmt. Dieses ist strukturierter und pragmatischer als er, verdient rasch viel mehr Geld und ist für die Gesellschaft „nützlicher“. In der Psychotherapie erfährt Lubin, dass die Kommunikation zwischen den beiden weitergehen muss – aber hat die andere Seite überhaupt Interesse daran, ihren Platz kampflos aufzugeben und wäre es nicht anders herum sinnvoller (für die Gesellschaft)? Rasch entwickelt sich ein bedrückender Thriller, in dem es um Leben und Tod geht.

Bald fehlen Lubin ganze Tage…

Timothé Le Bouchers entwirft in JENE TAGE, DIE VERSCHWINDEN eine Geschichte, die an Horror- und Thriller-Eigenschaften nicht zu überbieten ist – und das obwohl der Feind nicht von außen, sondern von innen kommt. Vielleicht ist die Vorstellung deshalb umso gruseliger, buchstäblich nicht der Herr im eigenen Haus zu sein. Was geht damit einher, nicht die Kontrolle über den eigenen Körper zu haben? Sehr detailliert wird aufgezeigt, wie Lubin schrittweise die Kontrolle entgleitet und „der Andere“ übernimmt – und welche Konsequenzen dies für Lubins Identität, sein Leben und seine Beziehungen hat. Für die Zeichnungen wurde ein sehr clean-gehaltener Manga-Stil gewählt, der vor allem die Kälte, die das Alter-Ego Lubins „auszeichnet“, perfekt einfängt.

Was ist hier los?

Fazit:

JENE TAGE, DIE VERSCHWINDEN beschreibt einen Abwehrkampf gegen das eigene Ich oder, anders formuliert, gegen einen Teil des eigenen Ich – oder ist es doch eine andere Persönlichkeit? Der Comic von Timothé Le Bouchers ist so vielschichtig und regt sehr zum Nachdenken über die eigene Identität, die Vergänglichkeit des Seins und über den Umgang mit psychischen und körperlichen Erkrankungen an. Der Comic, der im deutschen bereits im Cross-Cult-Verlag erschienen ist, sei aus diesem Grund jedem ans Herz gelegt, der gerne Thriller liest und auch nicht davor zurückschreckt, sich existenzielle Fragen zu stellen.

Info
Seiten: 192
Preis: ca. 36 Euro
Autor und Zeichner: Timothé Le Bouchers
Verlag: Cross-Cult

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