Früher, als „alles noch besser war“ gab es noch keinen „Red Bull“-Energy-Drink, der Flügel verlieh. Stattdessen gab es andere Hilfsmittel, denen eben diese Fähigkeit nachgesagt wurde. So nutzen René Goscinny und Albert Uderzo den altertümlichen Glauben der Normannen, dass Angst Flügel verleihen soll, um ein aberwitziges Abenteuer zu erschaffen.
Dass die Gallier nach ihrer Britannien-Reise kaum zum Verschnaufen kamen, überraschte wohl keinen. Und als es in Pilote 339 mit „Ici Lutéce“ dann eine aberwitzige Parodie auf das Sensationsblatt „Ici Paris gab“ wurde die Neugier der Leser auf das mit der 340. Ausgabe beginnende neue Abenteuer erst recht geschürt. Hier kam es zu folgenden Schlagzeilen mit darauf folgenden Antworten von Asterix:
„Werden wir Asterix und Obelix jemals wiedersehen?“ *
* „Klar doch! Und zwar ab nächster Woche in Pilote!“
„Krach zwischen Asterix und Obelix?“ **
** „Aber klar! Geht schon in Ordnung, denn ab nächster Woche sind wir zurück in Pilote! …“
„Noch kann alles gut gehen“ ***
*** „Aber wir haben doch bereits gesagt, dass wir ab nächster Woche zurück sind!“
„Wer sind sie? Was wird uns verheimlicht?“ ****
**** „Aber wir verheimlichen doch gar nichts. Das sind Normannen, denn die neue Episode der Abenteuer von Asterix: Asterix und die Normannen startet ihr Erscheinen ab nächster Woche in Pilote.“
„Der geheimnisvolle Mann“ *****
***** „Aber der ist überhaupt nicht geheimnisvoll! Der heißt Grautvornix und spielt eine wichtige Rolle in der neuen Episode der Abenteuer von Asterix, die ihr Erscheinen ab der nächsten Woche in Pilote startet.“
Die Namen sind auch diesmal wieder sehr gelungen gewählt. Vor allem wenn man es mit den originalen Namen nimmt. So heißt Grautvornix im Original Goudurix, was vom französischen „goût du risque“ abgeleitet ist und risikofreudig bedeutet. Auch Troubadix, der den Nordmännern so richtig die Angst lehrt hat im französischen Original einen ganz anderen Namen. Denn dort steht der Barde mit seinem Namen Assurancetourix für die Vollkaskoversicherung („assurance tous risques“). Ein ganz besonderes Schmunzeln erzeugen aber auch die Namen der Normannen. Da gibt es den Chef Maulaf, der besonders seine Mahlzeiten in Cremé liebt und einige seiner Männer, die immer wieder für ein Wortspiel gut sind. Seien es Dompfaf, sein Stellvertreter oder auch Völligbaf, Stenograf, Telegraf und Autograf, um nur einige zu nennen.
Ein besonderes Augenmerk legen Goscinny und Uderzo diesmal auf die damals aufkeimende Beat-Musik und Flower Power-Bewegung der späten 60er Jahre. So gibt es Hinweise auf die neuzeitliche Olympia Music Hall zu Paris, in denen sowohl die Beatles, als auch die Rolling Stones 64/65 ihre Karriere in Frankreich starteten. Aber auch der Generations- und Regionskonflikt wird von Goscinny fast schon plakativ dargestellt. So zeigen sich nicht nur die Unterschiede in den Interessen, der etwas älteren Dorfbewohner gegenüber den Trends aus Lutetia, sondern auch die Lebensweise der Stadt im Vergleich mit der ländlichen Provinz von Aremoricae.
Doch nun erst einmal viel Spaß mit dem Review zu Asterix und die Normannen.
Asterix und die Normannen
[Ehapa, 1971]
Die Normannen gelten als kriegerisches, tapferes und furchtloses Volk. Doch genau hier liegt nach dem Glauben des Normannenhäuptlings Maulaf auch ein großes Problem. Dadurch, dass dieses Volk fast alles erreicht hat, glaubt man auch, dass sie alles wissen. Doch es gibt eine Sache, von denen die Normannen nichts wissen. Angst. Also machen sie sich auf den Weg, um die Angst kennenzulernen und dies wollen sie ausgerechnet bei unseren bekannten Galliern erreichen. Dumm nur, dass Asterix, Obelix und das gesamte Dorf ebenfalls keine Angst zu kennen scheinen. Wenn da nicht der Neffe von Majestix, Grautvornix, wäre. Denn dieser sollte eigentlich von Asterix und Obelix mal so richtig zurechtgewiesen und zum tapferen Krieger erzogen werden. Doch in den Augen der Normannen ist er der Meister, der ihnen die Angst lehren soll. Grautvornix jedoch hat zwar Angst, sehr viel sogar im Angesicht der übermächtigen Krieger, aber deshalb kann er diesen die Angst trotzdem nicht beibringen. Zum Glück gibt es jemanden im Dorf, der einfach jedem und allen Angst macht. Troubadix …
Wenn man es ganz genau nimmt, ist die Handlung für diesen Band eigentlich sehr dünn. Und trotzdem kommt auf keiner der 48 Albumseiten Langeweile auf. Im Gegenteil. Das Abenteuer scheint nur so davonzurasen und auf jeder Seite findet sich ein anderer Gag. Goscinny hat hier ein Gagfeuerwerk der Extraklasse abgeliefert, das sich auch heutzutage nicht verstecken braucht. Zwar merkt man in gewissen Szenen dem Band sein Alter schon an, gerade dann, wenn es um Asnpielungen der damaligen Musikszene geht, aber dies wirkt im Gesamtbild eher unwichtig. Der Humor zündet auch so und die Charakterisierung der Normannen ist ebenso überzeichnet wie auch gelungen. Eine Gruppe von Menschen, die alles zu wissen scheint und dennoch an Trugbildern und Aberglauben, wie der Behauptung, dass Angst Flügel verleiht, festhält. Witzig und dennoch fast schon nebensächlich ist die Tatsache, dass Troubadix am Ende des Bandes beim Festbankett singen darf, und stattdessen Automatix, der Schmied gefesselt am Baum hängt. Wie so oft wurde auch in diesem Band ein neuer Running Gag gestartet, der gelegentlich bis heute Bestand hat. Immer wenn es einem Baum an den Kragen geht, bekommt Idefix Traueranfälle. So darf Obelix keinen Baum mehr ausreißen oder umschubsen, ohne dass er den Zorn seines kleinen vierbeinigen Begleiters auf sich zieht.
Uderzo erzeugt wieder einmal genau die richtige Atmosphäre durch seine Bilder. Immer hell und freundlich und trotz der Bedrohung hoffnungsvoll. Sieht man einmal von der kurzen Sequenz im hohen verschneiten Norden, der Heimat der Normannen, ab, hat es fast schon etwas Surreales, dass die Bilder immer die gleiche humorvolle Stimmung vermitteln. So scheint es, als würde Uderzo genau das Gegenteil von dem darstellen, was die Normannen, als kriegerische Bedrohung, für gewöhnlich darstellen. Aber auch ein wenig Experimentierfreude schwingt in diesem Abenteuer mit. Ungewöhnliche Perspektiven zeigt Uderzo genauso selbstverständlich, wie die bekannten Massenprügeleien mit den Römern. Am Beeindruckendsten sind jedoch erneut die Kleinigkeiten am Rande der Geschichte. Wenn man ab und zu einmal innehält, und seinen Blick auf die Seiten der Panels richtet, dann gibt es sehr viel zu entdecken. Nicht nur die Reaktionen von Idefix, sondern grundsätzlich das, was sich an Fauna im Hintergrund abspielt, ist es wert näher unter die Lupe genommen zu werden.
FAZIT:
Viele werden die Handlung in Grundzügen wiedererkennen. Immerhin wurde diese erneut als Basis für einen Film verwendet. Mit Asterix und die Wikinger erlebte dieses Abenteuer die glorreiche Umsetzung zum Animationsspektakel im Jahre 2006. Und auch wenn der Film sehr unterhaltsam ist, geht wie so oft nichts über die Originalvorlage. Spannung gibt es, wenn man ehrlich ist, zwar kaum, dafür aber umso mehr Humor und der trifft fast immer ins Schwarze.
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