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Review: Persona 3 Reload

Die Schatten werden länger ...

Kennt ihr das unheimliche Gefühl, dass ihr nicht alles über unsere Welt wisst? Dass bisweilen Dinge geschehen, die ihr nicht bemerkt, weil sie eure Sinne übersteigen? Dann erzählt euch euer Unterbewusstsein eventuell etwas über die Dark Hour, eine zusätzliche Stunde zwischen den Tagen, in der das Leben stehen bleibt und seltsame Dinge geschehen. Nur wenige Auserwählte behalten ihr Bewusstsein in diesem Zeitraum des Zwielichts und stellen sich der Bedrohung durch die dämonischen Schatten. Dies ist ihre Geschichte.

Ein Remake mit Geschichte

Persona 3 war ein Meilenstein in der Geschichte der Shin Megami Tensei-Spin-Off-Reihe Persona. Immerhin war es jenes Spiel, das die Gameplayformel definierte, die bis heute Gültigkeit hat: Ihr übernehmt die Rolle eines jungen Mannes, der gerade auf die Gekkoukan High School in Iwatodai City gewechselt hat und in zwei Welten wandelt. Einerseits führt er sein normales Leben im japanischen Schulsystem – Unterricht, soziale Interaktionen mit zahlreichen Bekannten, diverse Aktivitäten und Geld verdienen mit Gelegenheitsjobs; andererseits besitzt er die geheimnisvolle Gabe, sich mit den mysteriösen Geistwesen, genannt Persona, zu verbinden (und zwar im Gegensatz zu „normalen“ Persona-Nutzern mit mehreren). Deshalb tritt er einem außergewöhnlichen Schul-Club bei: den S.E.E.S., der Specialized Extracurricular Execution Squad, die versucht, die Geheimnisse der Dark Hour zu entschlüsseln. Diese Aufgabe führt euch in den mysteriösen, sich ständig wandelnden Turm Tartarus, der nur in der Dark Hour erscheint und schier unendliche Stockwerke nach oben führt …

Die definitive Fassung?

Persona 3 Reload ist nicht die erste Überarbeitung des Spiels, sondern tatsächlich schon die vierte Fassung, die in den Handel kommt. Anders als bei Persona 4 und 5, wo mit Golden respektive Royal eine definitive Fassung erschien, ist es bei Teil 3 deutlich schwieriger zu beantworten, welche Version sich die Krone aufsetzen darf und ob Reloaded nun diesen Thron erobern konnte. Reloaded orientiert sich zum Release vor allem an der Urfassung und verzichtet auf Erweiterungen, die in den späteren Ausgaben dazukamen: So fehlt die Möglichkeit, wie in Persona 3 Portable (PSP, zuletzt aber auch für alle aktuellen Plattformen released) die Handlung alternativ mit einer weiblichen Heldin zu spielen, und auch „The Answer“, ein spielbarer Epilog aus Persona 3 FES (PS2) wurde vorerst gestrichen, soll allerdings im September als DLC verfügbar werden. Dafür legt Reload aber in vielen anderen Bereichen nach und lernt aus den Erfahrungen seiner Nachfolger, wodurch diese Version zwar vielleicht nicht die von vielen erwünschte absolut vollständige, aber dennoch die rundeste Fassung für einen modernen Spieler wird.

Aus dem Leben eines Teenagers

Typisch Persona verbringt ihr die Tage in Iwatodai, wo ihr meistens den Vormittag in der Schule sitzen müsst. Das reduziert sich zum Glück auf einige wenige Klassenszenen (mündliche Mitarbeit in Form von Beantwortung von Fragen ist aber dennoch erwünscht). Den Nachmittag könnt ihr euch im Normalfall in den diversen Locations der Stadt frei bewegen, was nun (im Gegensatz zur reduzierten Ansicht in Persona 3 Portable) wieder wie im Original in 3D möglich ist. Es ist diese Zeit, in der ihr mit Jobs Geld verdienen oder bei der Polizei (!) Ausrüstung und Waffen einkaufen könnt; in der ihr euch Essenswettbewerben stellt, für die Schule lernt oder auf sonstige Art und Weise eure persönlichen Stats verbessert, die hier in drei Kategorien gemessen werden und zwar nicht im Kampf, aber in der Interaktion mit anderen wichtig sind. Denn – und damit sind wir beim letzten Punkt – in dieser Zeit knüpft ihr auch Kontakte mit anderen Personen, die als Social Links dienen. Diese Sequenzen, die zeigen, dass euer Leben sich nicht nur um Schule und Schatten dreht, haben oft viel Herz und sind interessant geschrieben – vom Buchhändler-Ehepaar, das seinen Sohn verloren hat, über ein Kind, dessen Eltern gerade eine Trennung durchmachen, bis hin zu Bekanntschaften aus der Schule ist alles dabei. Nicht alles ist heute noch 100% zeitgemäß – vor allem ein Social Link mit einem Klassenkameraden, der mit einer Lehrerin anbandelt, wirkt etwas fehl am Platz. Und das, obwohl diese Episoden im Vergleich zum Original ein wenig überarbeitet wurden und nun erlauben, auch jene mit dem anderen Geschlecht vollständig auf die höchste Stufe zu bringen, ohne mit ihnen eine Beziehung einzugehen. Positiv ist auch, dass man das Nachrichten-System aus Persona 5 übernommen hat, das euch informiert, welcher Kontakt heute Zeit hätte, mit euch etwas zu unternehmen – das hilft dabei, den Überblick zu behalten. Und noch eine kleinere Änderung hat es ins Spiel geschafft: Zwar kann man weiterhin – im Gegensatz zu den späteren Persona-Teilen – keine Social Links mit den männlichen Teammitgliedern aufbauen, dafür gibt es zumindest einzelne Episoden, in denen ihr eure neuen Freunde besser kennenlernt. Doch da es nur eine Aktion pro Nachmittag (und eine weitere mit teilweise anderen, aber auch locationmäßig eingeschränkten Möglichkeiten am Abend) gibt, bleibt trotzdem immer die Qual der Wahl, auf was man sich fokussieren sollte. Langweilig wird eurem Protagonisten wohl nie.

In den Höhen des Tartarus

Doch am Abend gibt es natürlich noch eine weitere Aktivität, die ihr nicht zu lange aufschieben solltet: eure Ausflüge in den Tartarus. Dieser Mega-Dungeon ist jener Ort, wo ihr euch Schatten stellt, eure Persona einsetzt – was in diesem Spiel recht grafisch mit einem Schuss in den Kopf mit einem an eine Pistole erinnernden „Evoker“ geschieht – und den Weg nach oben sucht. Die einzelnen Stockwerke des Turms sind dabei – bis auf wenige Ausnahmen – zufallsgeneriert und erreichen deshalb weder das ausgefeilte Design der Persona 5-Paläste noch zumindest die bunte Abwechslung der diversen TV-Sets aus Persona 4 (auch dort war das Layout allerdings dem Zufall überlassen). Das heißt aber nicht, dass ein Trip durch den Tartarus langweilig wäre: Mit eurer vierköpfigen Party (nur euer Protagonist ist fix gesetzt und darf auch als einziger auf keinen Fall sterben) geht es durch die verwinkelten, düsteren Gänge, immer auf der Suche nach dem rettenden Stiegenaufgang, bevor euch die Schatten zu sehr schwächen. So „nebenbei“ gibt es natürlich Schatzkisten zu finden, starken Monstern auszuweichen und insbesondere darauf zu achten, dass euch der Reaper nicht erwischt, der auftaucht, wenn ihr zu lange für das Stockwerk braucht. Vor allem dann, wenn ihr schon geschwächt seid, kann der Ausflug zur Nervenprobe werden: Nehmen wir den Teleporter zurück zum Ausgang, auch wenn das bedeutet, dass wir danach von einem früheren Punkt unseren Aufstieg erneut beginnen müssen? Riskieren wir, doch weiter zu ziehen und hoffen auf einen rettenden zwei-Wege-Teleporter, der uns erlaubt, von hier aus später einen neuen Versuch zu wagen? Der Tod kann uns teilweise erschreckend plötzlich treffen, auch wenn jene, die nach Möglichkeit jeden Schatten bekämpfen und jedes Stockwerk gründlich erkunden, definitiv einen Vorteil haben.

Lasst uns aufräumen

Entschließen wir uns zum Kampf gegen die Schatten, wechseln wir in den Gefechtsmodus – und dieser hat im Vergleich zum Original etliche Verbesserungen erhalten, die die zahlreichen Encounter flott von der Hand gehen lassen. Unverändert ist dabei, dass es sich um Rundenkämpfe handelt und Persona-typisch das Entdecken und Ausnutzen der Schwächen der Gegner der Schlüssel für einen erfolgreichen Kampf ist: Wer die richtigen Attacken (drei Arten von physischen Angriffen plus zahlreiche Elementarzaubersprüche, die für das Remake sogar erweitert wurden) auswählt, schickt den Gegner aufgrund seiner Schwäche zu Boden. Gelingt es euch, alle Feinde zu Fall zu bringen, steht eine All-Out-Attacke zur Verfügung, bei der euer Team gemeinsam auf den Gegner einprügelt – so kann man schnell Schaden machen und Random-Encounter in Windeseile beenden. Auch Statuseffekte oder kritische Treffer können erstaunlich wirksam sein. Der Haken? Auch die Gegner können eure Schwächen ausnutzen und habt ihr nicht die nötigen Sprüche dabei (da eure Partymitglieder nur eine Persona nutzen können und diese nur ein Element zur Verfügung stellen, ist eure Spielfigur aufgrund eurer Vielseitigkeit zentral), kann es schon deutlich schwieriger werden, siegreich aus der Arena zu steigen. Der Lohn der Mühen ist neben Geld und Erfahrung (für die Spielfiguren und die gerade aktuelle Persona) oft auch eine Spielkarte, die euch neben diversen Effekten auch neue Persona und damit neue Möglichkeiten gibt – und sei es nur, dass ihr im Velvet Room aus euren gesammelten Geisterwesen neue, hoffentlich stärkere erschafft.

Und was ist jetzt neu?

Soweit so (nahezu) unverändert, doch wie schon erwähnt wurde am Kampf deutlich gefeilt. Das beginnt schon beim Interface, das sich zwar nicht stilistisch, aber in der Art der Befehlseingabe nun ähnlich zu jenem aus Persona 5 zeigt; von diesem Spiel wurde auch übernommen, dass ihr nun mit einem simplen Tastendruck einen passenden Skill auswählt, um Schaden zu machen – sofern ihr diese Schwachstelle schon entdeckt habt, natürlich. Glücklicherweise werden diese vom System gespeichert und eure Erfahrungen, welche Angriffe besonders wirksam (oder im Gegenzug sogar kontraproduktiv) beim aktuellen Gegner waren, sind jederzeit abrufbar. Ebenfalls aus Persona 5 entstammt die Idee von „Switch“: Habt ihr einen Gegner mit seiner Schwachstelle zu Boden gebracht, bekommt ihr einen Extra-Zug, den ihr allerdings an eure Teammitglieder weitergeben könnt – praktisch, wenn die restlichen Mitglieder der Gegnergruppe auf andere Elemente anfällig sind. All das sorgt dafür, dass die Kämpfe gegen Trashmobs wirklich flott von der Hand gehen und vor allem bei bekannten Gegnern meist vorbei sind, bevor sie richtig angefangen haben. Ein weiteres neues Element nennt sich „Theurgies“ und ist eine Art Limit-Break, die durch spezielle Aktionen der Helden aufgeladen und dann für verschiedene Effekte (darunter natürlich auch Angriffe) genutzt werden können. Und die wohl wichtigste, aber eigentlich winzigste Veränderung sei zum Schluss erwähnt: Anders als in P3 oder P3: FES werden die Partymitglieder wie schon in P3P nicht mehr von der KI gesteuert, sondern können – sofern ihr das wollt – auch direkt von euch kommandiert werden. Das schützt euch vor allem davor, dass die KI unabsichtlich Fehlentscheidungen trifft.

Viel Licht im Schatten

Neben diesen (und zahlreichen weiteren) Überarbeitungen wollen wir aber auch die Präsentation nicht vergessen. Wie auch schon beim Gameplay versucht man sich hier am Spagat, einerseits das Flair des Originals beizubehalten, aber gleichzeitig auch modernen Sensibilitäten zu entsprechen. Das gelingt über weite Strecken – mit Abstrichen. So wie das Spiel selbst vermutlich heutzutage ein etwas besseres Pacing erhalten würde (auch wenn das Jammern auf hohem Niveau ist, denn trotz so mancher Durchhänger unterhält uns der Titel mit vielen Wendungen und neuen Entwicklungen viele, viele Stunden), blitzt vor allem in der Grafik dann doch manchmal das alte Spiel auf: In Zwischensequenzen drehen sich Figuren zum Beispiel bisweilen um die eigene Achse, während eine normale Gehanimation abgespielt wird, bis sie in jene Richtung schauen, die ihrem Weg entspricht. Ist das ein Dealbreaker? Nein, überhaupt nicht. Aber es zeigt doch, dass die Basis des Spiels ein 18 Jahre alter Titel ist. Ähnliches gilt auch für manche etwas eckige Locations und Texturwiederholungen. Dennoch: Gerade für das Alter haben die Entwickler – wohl auch aufgrund der stilisierten Vorlage – viel rausgeholt und den Staub von der Optik entfernt. Ähnliches gilt auch für den Sound: Puristen werden zwar vermutlich kritisieren, dass neue Sprecher verpflichtet wurden, um die deutlich erweiterten Dialoge einzusprechen (dennoch ist nicht alles vertont); aber die neuen Darsteller geben ihren Figuren Charakter und sorgen dafür, dass wir rasch eine Verbindung zu ihnen aufbauen – eine Verbindung, die uns durch die ganze Story tragen wird. Ebenfalls überarbeitet wurde die Musik, die alte Tracks gekonnt remixt und neue hinzufügt. Das Resultat ist auch hier ein großes Ganzes, das als Gesamtpaket überzeugen kann.

Fazit

Wertung - 9

9

die definitive Version

Wie schon im Text angesprochen, stellt sich gerade bei Persona 3 die Frage: Ist Reload nun endlich die definitive Fassung des Klassikers, jene Version, die man jedem Spieler empfehlen kann? Mit dem Remake bleibt der Kern, die Story und der Charakter des Originals erhalten, während vor allem zahlreiche Komfortfeatures das Spiel auch für aktuelle Gamer (und auch jene Fans, die von Persona 5 kommen und sich hier wie ich von der Serie anfixen haben lassen) deutlich angenehmer zu spielen macht. Nein, das Erlebnis ist kein 100%ig modernes Spiel, aber genau das macht den Charme aus und Reload zu einem Remake, wie es sein soll: Bessere Grafik, verbesserter Sound, zahlreiches Feilen an Ecken und Kanten, ohne aber die Seele des Originals zu verlieren. Und deshalb gibt es von meiner Seite eine klare Antwort: Für mich ist das Resultat schon jetzt (aber spätestens mit dem Release von The Answer) die definitive Version des Klassikers. Wer auch nur irgendwie Interesse an Persona hat: Holt euch dieses Spiel.

Genre: Rollenspiel
Entwickler: Atlus
System: PC, Xbox One, Xbox Series, PS4, PS5
Erscheint: erhältlich
Preis: ca. 70 Euro

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Florian Scherz

Bereits früh entwickelte Florian zwei große Leidenschaften: Videospiele und Theater. Ersteres brachte ihn zu einem Informatikstudium und zu Jobs bei consol.MEDIA und Cliffhanger Productions; zweiteres lässt ihn heute (unter anderem) als Schauspieler, Regisseur, Komponist und Lichtdesigner arbeiten. Wenn er gerade keine Musicals inszeniert, spielt oder schreibt, vermisst er auf Shock2 Videospiele von anno dazumal in seiner Blog-Reihe "Spiele, die ich vermisse".

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