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Spiele, die ich vermisse #13: Wing Commander

Gut, liebe Leute, ich gebe es auf. Jedes Spiel dieser Kolumne soll irgendwie mit der Woche zusammenhängen, in der sie geschrieben wird – aber der Plan war, dass es dann doch nicht immer ganz so offensichtlich sein soll. Deshalb habe ich ja auch Lemmings auf die lange Bank geschoben, trotz des „Untergangs“ von Psygnosis. Aber diese Woche geht es einfach nicht anders: Auch, wenn ich es eigentlich vermeiden wollte, drehen sich meine Gedanken einfach um einen nach den Ereignissen dieser Woche nicht aus dem Kopf zu bekommenden Titel. Er mag offensichtlich sein. Aber ich vermisse ihn trotzdem diese Woche. Wovon ich eigentlich rede? Klar: Wing Commander.


Auch wenn ihr es vermutlich bereits gelesen habt, fasse ich an dieser Stelle ganz kurz zusammen, warum es dieses Spiel heute in meinen Blog schafft: Nach fast zehn Jahren abseits der Spieleindustrie (seine letzten Spiele erschienen 2003) kehrt Chris Roberts in die Industrie zurück, in der er groß geworden ist und in der sein Name bis heute Fans Freudentränen in die Augen treibt: die Welt der Videospiele. Zwar müssen wir noch bis 10. Oktober warten, bis wir genauere Infos bekommen, aber ein erster Teaser sowie zwei Concept Arts machen Hoffnung, dass Roberts nicht nur wieder Videospiele machen, sondern auch wieder ins All zurückkehren will. Und bis wir wissen, was er genau vorhat, gibt uns das Gelegenheit, eines jener Spiele zu vermissen, die die Space Combat-Simulatoren groß gemacht haben und gleichzeitig die Space Operas auf den Monitor brachten: Wing Commander. Im Vorfeld zu diesem Blog habe ich mich gefragt, ob ich mich der ganzen Serie widmen soll, diesen Plan aber rasch wieder verworfen; immerhin würde euch dann ein richtiges Textmonster erwarten. Aus diesem Grund werde ich mich im Folgenden primär auf den bahnbrechenden ersten Teil konzentrieren – aber keine Angst, die Sequels werden auch noch ihren Platz in späteren Ausgaben finden!

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Wir schreiben das Jahr 1990, als Origin Systems ihrer Tagline „We create worlds“ wieder einmal gerecht werden: Statt in die Fantasywelten von Ultima geht es diesmal ins weite All in einer gar nicht so weit entfernten Zukunft. Die Menschheit befindet sich im Krieg mit der katzenartigen Alienrasse der Kilrathi – stolze Krieger, die nicht nur im Nahkampf dank ihrer Klauen tödlich sind, sondern, wie ihr bald feststellen werdet, auch als Piloten eine gute Figur machen. Ihr hingegen seid ein namenloser Neuling, der seinen Namen und sein Callsign selbst wählen darf (intern hieß der Charakter übrigens Bluehair – nach den blauen Highlights in seinem Haar; erst mit dem dritten Teil und den Filmsequenzen wurde der Name fix vorgegeben und lautete Christopher „Maverick“ Blair, was eine Verkürzung von Bluehair sein könnte). Euer aktiver Dienst führt euch auf die TCS Tiger’s Claw, ein Trägerschiff der Bengal-Klasse – und schon bald ins Fadenkreuz diverser Kilrathi-Jäger.

Das eigentliche Gameplay des Titels führte euch natürlich in den Weltraum als Pilot verschiedener Jäger mit unterschiedlichen Eigenschaften. Manche waren schwach gepanzert und dafür äußerst wendig, andere hingegen waffenstarr und träge. Egal, mit was es ins All ging, eure Aufgabe war immer vollkommen klar. Zwar gab es verschiedene Missionstypen, von Erkundungsflug über Angriffe bis hin zur Eskorte, aber das Prinzip blieb immer gleich: Fliegt eure vorgegebene Route ab (dafür gab es mehrere Navigationspunkte, dir ihr auswählen und optional per Autopilot oder eben manuell anfliegen konntet) und schießt alle Feinde ab, denen ihr begegnet. Der Schwierigkeitsgrad stieg dabei sukzessive an, was gemeinsam mit der Story (dazu später mehr) ein wenig das doch eigentlich recht repetitive Gameplay übertünchte – Wing Commander war ein wenig wie die ersten Shooter: Man geht in einen Raum, ballert alles nieder, was sich bewegt, und geht weiter. Auf eine komplexe Energieversorgung, wie sie später X-Wing bieten sollte, wurde verzichtet. Dafür gab es die Möglichkeit, per Kommunikationsgerät seinen Flügelmännern Anweisungen zu geben, Gegner zu ärgern – und nicht zuletzt von der Tiger’s Claw eine Landegenehmigung zu holen, um aufsetzen zu können.

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Interessant war auch die Technik, mit der hier alles realisiert wurde. Heutzutage wären Polygon-Schiffe selbstverständlich, damals griff man auf Bitmapgrafiken zurück, die an die passende Position im Raum verschoben wurden. Dadurch gelang es, detaillierte Raumschiffe mit einigen netten Details darzustellen (vergleicht man hier zum Beispiel mit dem polygonbasierten X-Wing, ist der Unterschied eindeutig – was vor allem daran liegt, dass X-Wing keine Texturen, sondern nur simples Shading bot), gleichzeitig hatte die Technik aber auch einige Nachteile. Wer zu nahe heranflog, sah nur noch riesige Pixelhaufen, Rotationen und Wendemanöver wurden nicht sauber animiert, stattdessen wurde an den richtigen Stellen zwischen Bildern aus verschiedenen Perspektiven „umgeklappt“. Dennoch sah es damals einfach sensationell aus – heutzutage hingegen wirkt es eher schlecht gealtert.

Neben der eindrucksvollen Technik (die ihren Preis hatte – zum Spielen der PC-Version wurde unbedingt ein 386er empfohlen, der damals High-End war, außerdem verbrauchte das Spiel mit seinen über zehn Disketten – ich glaube, es waren elf – wertvollen Platz auf den ohnehin nur ein paar Megabyte großen Festplatten) war es aber vor allem das zweite Spielelement, das Wing Commander legendär machte: die Art und Weise, wie die Geschichte Teil des Spiels wurde. Wer an Top Gun im Weltraum denkt, hat schon das richtige Bild vor Augen. Zwischen den Missionen konntet ihr nämlich in der Bar der Tiger’s Claw herumwandern, mit euren Kameraden über dieses und jenes plaudern und erfuhrt so ein wenig mehr darüber, warum ihr hier eigentlich Einsätze fliegt und wie der Krieg steht. Dadurch wurden eure Flügelmänner mehr als gesichtslose Namen, sie wurden zu Persönlichkeiten – und damit erinnert man sich noch heute an Paladin, Iceman und natürlich Angel und Maniac (Ich sag nur: „Heben sie sich ihre Raketen für wichtige Ziele auf“). Präsentiert wurden diese Gespräche, ebenso wie die Einsatzbesprechungen, der Start eures Raumschiffs, eure Beförderungen, etc, in schön inszenierten und animierten Cutscenes, die dem ganzen Spiel den Touch eines Kinofilms gaben – kein Wunder, dass man sich schon bald einen Wing Commander-Film wünschte (ein klassischer Fall von „seid vorsichtig, was ihr euch wünscht, es könnte in Erfüllung gehen – wer den Film gesehen hat, weiß warum).

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Bahnbrechend war auch, dass die Story nicht einfach nur Füllmaterial war, sondern durch das Gameplay bestimmt wurde: Es war nämlich durchaus vorgesehen, dass man diverse Einsätze nicht erfolgreich absolviert. Wing Commander bot eine verzweigende Missionsstruktur – je nach den Erfolgen bei den diversen Missionen in einem System ging es in einem anderen weiter, was zu einem guten oder schlechten Ende der Kampagne führen konnte. Bis zum allerletzten System war es dabei allerdings noch möglich, das Ruder herumzureißen – auf die eine oder andere Art.

Meine persönliche Geschichte mit Wing Commander begann auf der falschen Seite eines Plattformkriegs. Wer sich an 1990, also den Releasezeitpunkt von Wing Commander, erinnert, weiß wohl, dass sich in Sachen Computer damals noch ein Kampf mit vier Teilnehmern abspielte: Der C64 lag in den letzten Zügen, hatte aber starke Verkaufszahlen in Hinterhand – den hatte ich zu dem Zeitpunkt, als das Spiel erschien, aber Wing Commander wäre auf dem Rechner unmöglich gewesen. Die damalige NextGen stellten die diversen Amigas dar (von denen der Amiga 500 aufgrund der Verkaufszahlen und des günstigen Preises vorne lag – diesen sollte ich schon bald darauf mein Eigen nennen) sowie der Konkurrent von Atari namens Atari ST (der sich nicht nur als Spielemaschine, sondern vor allem als Rechner für Tonstudios einen Namen machen sollte). Und dann gab es da noch die PCs, die damals Vorurteile aufbauten, die sie bis heute (wenn auch heute bei Weitem nicht mehr so berechtigt) mit sich tragen: Teuer in der Anschaffung, kompliziert zu verwenden (wir reden hier immerhin von der DOS-Ära) und rasch veraltet. Kein Wunder, dass es noch eine Weile dauern sollte, bis ich einen von ihnen in die Finger bekommen konnte, aber ausgerechnet auf diesem System lief Wing Commander zu Beginn exklusiv. Ich musste also in den Chor derer einstimmen, die auf eine Amiga-Umsetzung pochten, als ich durch diverse Magazine Wing Commander entdeckte und unbedingt spielen wollte.

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Und damit wären wir gleich noch einmal bei „vorsichtig, was ihr euch wünscht“: 1993 erschien diese Version auch tatsächlich, also schon deutlich nach dem Erscheinen von Wing Commander II für den PC und nur ein Jahr vor Wing Commander III. Die Entwickler hatten früher immer erklärt, dass der Amiga 500 zu leistungsschwach für das Spiel sein würde – und die Portierung gab ihnen recht. Dass die Farben dabei reduziert wurden, war noch das geringste Problem. Viel schlimmer: Die Weltraumszenen liefen mit gefühlten drei bis fünf Frames pro Sekunde und wurden dadurch zur Ruckelorgie – mit dem Nebeneffekt, dass sich dadurch auch der Schwierigkeitsgrad drastisch reduzierte, wie ich feststellen musste, als ich 1994 einen PC und damit auch Wing Commander auf der Originalplattform in die Hände bekam: Asteroidenfelder, die auf dem Amiga eher lästig als schwierig waren, wurden plötzlich zur tödlichen Falle. Dabei spielte aber wohl auch mit, dass Wing Commander in späteren Jahren aufgrund einer fehlenden Softwarebremse zu einer gewissen Berühmtheit gelangte: Wer das Spiel auf einem zu modernen Rechner spielte, raste in Windeseile aus dem „Spielfeld“ heraus. Erst spätere Versionen (bzw. zahlreiche Tools) bremsten Wing Commander wieder auf ein erträgliches Maß.

Doch zurück zur Amiga-Version: Was heute ein Grund wäre, dem Entwickler mit Klagen zu drohen und den Verbraucherschutz einzuschalten, machte mir damals dennoch unglaublich viel Spaß – auch wenn ich insgeheim damals noch auf einen Amiga 1200 hoffte, der dank besserer Hardwaredaten ein deutlich besseres Spielerlebnis bot – ganz zu schweigen, dass man hier auch die verbesserte CD32-Version laufen lassen konnte. Und das ist nur der Beginn der Portierungen – beispielsweise gab es ja dann noch Versionen für das Sega Mega-CD, Super Wing Commander für 3DO und eine SNES-Version. Aber auch aktuell kann man den Titel natürlich noch spielen – beispielsweise als EA Replay-Version für die PSP, aber auch via GOG.com in einer heute noch lauffähigen PC-Version.

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Also, warum ist Wing Commander für mich ein Spiel, das ich vermisse? Weil es jener Titel war, mit dem für mich die Ära der Space Combat-Simulatoren begann – ein Genre, das ich bis heute liebe; weil es mir beigebracht hat, wie wichtig mir eine gut inszenierte Story in einem Spiel sein kann und dass ein Spiel mehr sein kann als die Summe seiner Teile; weil die verzweigende Missionsstruktur für mich ein Grund war, das Spiel wieder und wieder zu spielen; weil es der Anfang einer Serie war, die nie stehenbleiben wollte, sondern immer auf dem Weg zum nächsten Teil Innovationen bieten wollte; weil es eines der ersten Spiele mit einer dynamischen Musikuntermalung war; weil es meine Phantasie in ein Universum voller bösartiger Katzen zog, in der ich der heldenhafte Pilot sein konnte; und auch deshalb, weil ich nicht nur Wing Commander, sondern das ganze Space Combat-Genre irrsinnig vermisse – Chris Roberts, ich zähle auf dich

Florian Scherz

Bereits früh entwickelte Florian zwei große Leidenschaften: Videospiele und Theater. Ersteres brachte ihn zu einem Informatikstudium und zu Jobs bei consol.MEDIA und Cliffhanger Productions; zweiteres lässt ihn heute (unter anderem) als Schauspieler, Regisseur, Komponist und Lichtdesigner arbeiten. Wenn er gerade keine Musicals inszeniert, spielt oder schreibt, vermisst er auf Shock2 Videospiele von anno dazumal in seiner Blog-Reihe "Spiele, die ich vermisse".

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