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Game-Review: The Wolf Among Us – Episode 1: Faith

Märchenfiguren gibt es wirklich! Sie leben seit Jahren unerkannt in ihren verdeckten Gemeinschaften, integrieren sich, wo sie müssen, halten aber ihre wahre Identität geheim.

Das ist die Prämisse von Bill Willinghams Comic-Reihe „Fables“, der diverse Märchencharaktere ins moderne New York brachte und diesen Mix mit jeder Menge düsterer bis brutaler Elemente und dem Spiel mit dem Unerwarteten anreicherte. Elf Jahre nach dem Debüt erobert die Märchenwelt nun auch den Bildschirm.

The Wolf Among Us Screen

Es war einmal …
The Wolf Among Us versetzt euch in die Rolle von Bigby Wolf, seines Zeichens Sheriff von Fabletown. Sein Job ist es, darauf zu achten, dass sich die diversen Wesen an die Gesetze der Gemeinschaft halten, aber auch für den Frieden innerhalb der Gruppe zu sorgen. Sein Problem ist allerdings, dass er das Stigma, einmal der große böse Wolf gewesen zu sein, nicht ablegen kann – selbst Jahrhunderte nach seinen Untaten misstraut ihm ein Gutteil der Bevölkerung. Das verpasst dem ganzen Spiel einen starken Film Noir-Touch, denn Bigby ist wirklich ein einsamer Wolf (wenngleich meist in Menschengestalt), zurückgezogen, von der Vergangenheit verfolgt, zynisch und eigentlich auf der Seite der „Guten“, aber bereit, Gewalt anzuwenden, wenn es nötig wird. Die Geschichte von The Wolf Among Us beginnt knapp zwanzig Jahre vor den Comics: Bigby wird in einen Wohnblock gerufen, wo er ein junges Mädchen vor dem randalierenden Woodsman rettet. Knapp darauf wird ihr abgeschlagener Kopf in Fabletown gefunden. Gemeinsam mit Snow macht er sich auf die Suche nach ihrem Mörder.

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Märchen Noir
Die erste Frage, die sich aufdrängt, wenn ein Spiel auf einer mehr oder weniger bekannten Vorlage basiert, ist wohl folgende: Wie viel versteht jemand, der kein Vorwissen mitbringt? Tatsächlich sind die ersten Minuten in The Wolf Among Usverwirrend und es dauert ein wenig, bis die letzten Fragezeichen aus unserem Gesicht verschwinden. Zum Glück greift uns das Spiel hier allerdings ein wenig unter die Arme und liefert in einer Art Enzyklopädie notwendiges Hintergrundwissen über getroffene Charaktere und Konzepte der Fables-Welt. Das reicht, um sich zurechtzufinden, aber natürlich gibt es viele Feinheiten, die man erst durchschaut (oder zumindest zu schätzen weiß), wenn man sich mit den Comics beschäftigt. Ist dieses Problem as der Welt geschafft, kann man sich dem Gameplay widmen. Spätestens an diesem Punkt bemerkt man, dass The Wolf Among Us sich stark an The Walking Dead orientiert: Auch wenn als Genre noch immer „Adventure“ angegeben wird, erwartet euch hier höchstens ein entfernter Verwandter der Point’n’Click-Spiele. Vielmehr ist The Wolf Among Us ein interaktiver Comic, in dem ihr wichtige Entscheidungen trefft, Gespräche führt und ab und an in QuickTime-Events (bisweilen zu hektische) Actioneinlagen bestreitet. Jene Punkte, an denen ihr einen Schauplatz erkunden könnt, sind selten – und selbst dann reicht es, alle Hotspots (die vom Spiel einfach angezeigt werden) abzugrasen, um voran zu kommen. Auch wenn Bigby Items einsammelt, benutzt er sie automatisch, das Inventar wird eigentlich nicht benötigt. Es ist aber nicht das Gameplay, das The Wolf Among Us interessant macht, es ist die Erzählweise und die Tatsache, dass eure Entscheidungen wirklich Konsequenzen haben. Das steigert auch den Wiederspielenswert: „Kann ich diese Figur doch retten?“ – „Gibt es einen besseren Weg?“ und (und das ist seit The Walking Dead neu): „Mache ich zuerst das oder das?“. Fragen über Fragen, die ein weiterer Durchlauf oder eine Rückkehr zu einem alten Checkpoint  vielleicht beantworten können, was die Spielzeit der nur rund zwei Stunden langen Episode verlängert. Gerade wenn man das Spiel als Gesamtpaket sieht (es folgen noch vier Episoden, die miteinander verknüpft sind) geht das durchaus in Ordnung. In Ordnung geht auch die Optik: Zwar hat Telltale die Engine noch immer nicht maßgeblich verbessert, aber die Comic-Optik kann überzeugen.

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Grafik: Telltale greift auf ihre übliche, angestaubte Engine zurück – in der Comic-Optik fällt das aber gar nicht so sehr auf.
Sound: Die Musik ist atmosphärisch und die (englischen) Sprecher überzeugen.
Handling: Die QTEs verlangen von euch zeitweise, extrem schnell zu reagieren und wie blöd auf einen Button zu hämmern. Ansonsten gibt es nichts zu bemängeln.
Motivation: Wenn ihr das Ende der ersten Episode erreicht habt, könnt ihr ausprobieren, was andere Entscheidungen bewirken.

Pro und Con

+ atmosphärische Erzählung
+ Entscheidungen haben Auswirkungen
– keine echten Puzzles
– bisweilen hektische QTEs

wolf_among_us.0_cinema_640.0Entwickler: Telltale Games
Genre: Adventure
Plattform: PS3/Xbox 360/PC
Spieler: 1
Erscheint: erhältlich
Preis: ca. 25 Euro
Alter: 16+
Sprache: dt./engl.
Text: dt./engl.

 

Review Overview

Wertung - 8

8

Märchenhaftes Adventure

Als Vorbereitung auf diesen Test habe ich die Comics absichtlich NICHT gelesen, um zu testen, ob man sich auch als Laie in der Märchenwelt zurechtfindet. Die gute Nachricht deshalb zuerst: Nach wenigen Minuten war ich nicht nur in der Märchenwelt gefangen, sondern auch motiviert, mein Leseversäumnis nachzuholen. Eine schlechte Nachricht gibt es allerdings auch: Adventure-Fans, die auf Point’n’Click-Mechaniken bestehen, werden mit The Wolf Among Us wenig anfangen können. Wie schon bei The Walking Dead verzichtet Telltale auf Puzzles und reduziert die Geschichte auf Entscheidungen, Actioneinlagen und das Durchklicken von Hotspots. Deshalb sollte man bereit sein, das Spiel nicht als typisches Adventure, sondern abseits von Genre-Schubladendenken als eine Art interaktives Drama zu sehen, das eure spielerischen Möglichkeiten einschränkt, aber dafür eine dichte, von euren Entscheidungen beeinflusste Story erzählt. Wenn euch dieses Konzept zusagt, werdet ihr mit The Wolf Among Us euren Spaß haben, wenn nicht, solltet ihr euch eher nach Alternativen umsehen. (Florian Scherz)

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