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Review: Return to Monkey Island

Mein Name ist Guybrush Threepwood und ich will Pirat werden!

Ahoi, Piraten, setzt die Segel und wetzt die Säbel fürs Beleidigungsfechten! Über 30 Jahre nachdem Guybrush Threepwood zum ersten Mal ankündigte, unbedingt Pirat werden zu wollen, darf Serienerfinder Ron Gilbert gemeinsam mit einigen anderen Mitgliedern des Originalteams zurück in die Karibik reisen. Ein gelungener Trip oder Schiffbruch? Wir haben uns durchs Piratenleben gepuzzelt.

Eine Geschichte, tief aus der Karibik

The Secret of Monkey Island gehört zu den absoluten Kultklassikern, von denen jeder, der sich für Videospiele interessiert, wohl schon einmal gehört hat. Ganze Generationen von Spielern müssen zumindest schmunzeln, wenn sie „wie passend, du kämpfst wie eine Kuh“ hören – von den zahlreichen anderen Gags ganz abgesehen. Der Erfolg des ersten Teils sorgte dafür, dass weitere vier Sequels – und ein Remake der ersten beiden Ausgaben – erschienen. Während unter Fans die Qualität von Monkey Island 1 und 2 völlig außer Frage steht (wenn auch manche eher obskure Puzzles heute kritisch gesehen werden – hallo, Monkey Wrench), spaltet Teil 3 bereits die Gemüter (es gibt aber eine klare positive Tendenz), bevor man sich bei Flucht von Monkey Island zumindest einig ist, dass er leider ein deutlicher Absturz war. Telltales Tales of Monkey Island schnitt hier zwar besser ab, leidet aber unter einem nie aufgeklärten Cliffhanger, weil nach einer Staffel Schluss war. Kein Wunder, dass Ron Gilbert, der nach den ersten beiden Teilen LucasArts ver- und die Piratensaga hinter sich ließ (obwohl er bei Tales of Monkey Island zumindest als Berater an Bord war), spätestens seit dem Kauf des Lucas-Imperiums durch Disney verkündete, dass er gerne die Rechte erwerben und „sein“ drittes Monkey Island präsentieren möchte – eine Möglichkeit, das etwas seltsame Ende von Teil zwei aufzuklären und gleichzeitig alles, was nach ihm entstanden ist, zu verwerfen. Nun hat er in Zusammenarbeit mit LucasArts, Disney Interactive und Publisher Devolver Digital die Gelegenheit dazu.

Versprechen gehalten, oder?

Startet ihr Return to Monkey Island, wirkt es auf den ersten Blick so, als hätte sich Ron Gilbert auch an diese schon seit Jahren angekündigte Idee gehalten – die erste Sequenz greift tatsächlich unmittelbar die berühmte Jahrmarktszene von MI2 auf. Das ist allerdings nur eine Einleitung und trotzdem vielleicht nicht das, was ihr erwartet habt; danach startet aber eine neue Story, die nicht etwa in ein alternatives Monkey Island 3 abbiegt, auch nicht (wie manche erwartet haben) einfach eine Verbindung vom Ende von Teil 2 zum Intro von Teil 3 legt, sondern eindeutig nach allen anderen Spielen spielt. Zwar stammen die meisten Anspielungen (von denen es zahlreiche gibt) aus den ersten beiden Teilen, aber etliche Kleinigkeiten oder Auftritte gewisser Figuren machen klar, dass die Ereignisse aus Curse of Monkey Island, Flucht von Monkey Island und auch der Tales of Monkey Island stattgefunden haben müssen. Leider löst Gilbert dabei die offen gebliebenen Handlungsstränge des letzten Spiels nicht auf, was zumindest in Hinblick auf eine Figur, die auch in Return to Monkey Island eine gewisse Rolle spielt, ziemlich schade ist. Aber es ist vermutlich der Preis dafür, dass er und sein Team eine ganz eigene Geschichte erzählen dürfen, in der das bislang nie gelüftete Geheimnis von Monkey Island eine große Rolle spielt, da sowohl Guybrush als auch sein berühmter Gegenspieler, der Zombie-Pirat LeChuck, endlich wissen wollen, was es damit auf sich hat. Ob einer der beiden sein Ziel erreicht? Das wollen wir euch nicht verraten – nur hinzufügen, dass das Ende bereits jetzt heftig unter Fans diskutiert wird …

Nostalgietrip

Das aus dieser Geschichte resultierende Abenteuer ist vor allem ein Nostalgietrip für Fans der Reihe. Schon die Rückkehr nach Mêlée Island, auf der Guybrushs erstes Abenteuer startete, ist für Fans wie eine Heimkehr. Hier die SCUMM-Bar, dort das Haus der Gouverneurin, da das Gefängnis, dort der Wald und das Haus der Schwertmeisterin. Trotzdem hat sich viel im Detail verändert – Carlas Haus ist mittlerweile ein Museum (auch hier: viel Nostalgie), eine neue Gouverneurin hat das Ruder übernommen („unsere“ Gouverneurin Elaine engagiert sich stattdessen für soziale Anliegen) und die Geschäfte in der Innenstadt kämpfen alle gegen die Schließung. Ja, in Return to Monkey Island kommt auch die Sozialkritik nicht zu kurz (zum Beispiel auch durch einen Seitenhieb auf Corona-Leugner), aber trotz allem passiert all das mit dem typischen Gilbert-Humor, der sofort wieder zündet und uns ziemlich genau das liefert, was Fans erhofft haben: einen Anschluss an die zwei ersten Monkey Island-Teile. Der Pferdefuß? Wer die Nostalgie für diese Spiele nicht mitbringt, wird vermutlich auch die Begeisterung darüber nicht verstehen. Gerade in der ersten Hälfte des Spiels findet sich sehr viel Hommage und zahlreiche Anspielungen und die Freude über wiederkehrende Locations und Figuren laufen einfach ins Leere, wenn man keine Vorkenntnisse mitbringt. Da hilft auch das Scrapbook nicht, das die bisherigen Abenteuer von Guybrush kompakt zusammenfasst: Wer Return to Monkey Island wirklich genießen will, sollte zumindest die ersten beiden Spiele gespielt haben. (Und bevor ihr fragt: Das sollte man als jemand, der auch nur irgendwie Interesse für Adventures hegt, sowieso tun. Jetzt habt ihr nur noch einen Grund mehr dafür).

Die Last der Vorgänger

Return to Monkey Island hat die schwere Aufgabe, in die Fußstapfen seiner Vorgänger zu treten, gleichzeitig aber moderne Sensibilitäten anzusprechen. Gelingt das? Großteils. Das Spiel erfindet das Genre nicht neu, sondern hält sich an viele Konventionen – man sollte alles einsammeln, was nicht niet- und nagelfest ist (weshalb das Inventar gegen Ende des Spiels ziemlich übergeht), man muss sich auf viele Gespräche und noch mehr Fußmärsche hin- und zurück gefasst machen. Gleichzeitig wissen die Entwickler, dass manche Dinge nicht mehr ganz so zeitgemäß sind und finden moderne Antworten. Die Verbensteuerung ist Geschichte, stattdessen gibt es pro Hotspot maximal zwei Aktionsmöglichkeiten (zuzüglich zur Option, einen Inventargegenstand damit zu benutzen), was die Steuerung sowohl per Touchscreen oder Gamepad durchaus komfortabel macht – die Maus bleibt trotzdem Steuerungsgerät der Wahl. Die Rätsel sind nicht mehr ganz solche Braintwister, sondern durchaus logisch, ohne ständig zu offensichtlich zu sein – ein bisschen Grübeln darf schon sein. Ein wenig Selbstbeherrschung solltet ihr allerdings mitbringen, um das Spiel genießen zu können: Return to Monkey Island hat nämlich ein eingebautes Hint-System, das euch mit Tipps aus der Patsche helfen kann, wenn ihr das wollt, und euch langsam von vorsichtigen Hinweisen in die richtige Richtung bis zur Lösung alles verraten kann; die Versuchung ist natürlich groß, hier (zu) rasch nachzuschauen und sich dann zu ärgern, weil man die Lösung wohl mit etwas Nachdenken oder etwas gründlicherem Vorgehen auch selbst finden hätte können. Übrigens: Wer es noch einfacher will, kann wie in Monkey Island 2 in einen Easy-Modus wechseln, der die Puzzles deutlich entschärft und den Fokus vor allem auf die Geschichte legt. Gesamt gesagt: Return to Monkey Island erfindet das Adventure-Genre nicht neu, sondern schätzt die alten Konventionen – und das wird die Zielgruppe der Monkey Island-Fans wohl ähnlich sehen –, passt sich aber in Sachen Steuerung und Komfort durchaus den heutigen Zeiten an.

Sieht aus wie ein Pirat, klingt wie ein Pirat …

Viele Diskussionen gab es schon im Vorfeld über den Look des Spiels. Klar, Guybrushs Geschichten haben von Spiel zu Spiel anders ausgesehen – der kleinste Sprung war noch jener von EGA-Grafik auf VGA-Pixeloptik zwischen den ersten beiden Teilen, aber später bekamen wir noch die Cartoon-Optik von Teil 3 und die 3D-Grafik von Flucht von bzw. Tales of Monkey Island zu sehen. Für Return to Monkey Island verzichteten die Macher auf den (von manchen Fans herbeigesehnten) Pixellook und setzen auf einen eigenen, an Kinderbücher erinnernden Grafikstil. Das brachte Ron Gilbert eine Menge Kritik ein, passt aber eigentlich hervorragend zum Spiel. Abgesehen vom etwas seltsamen Look der Nasen der Figuren (was vor allem in Close-ups heraussticht) wächst uns die Optik im Test rasch ans Herz. Mehr noch: Eigentlich passt dieser Look sehr gut zur Rahmenhandlung der Story und schafft uns dennoch die schon erwähnte Nostalgie bei bekannten Orten und Figuren herbeizuzaubern. Nostalgie gibt es auch beim Sound: Hier werden Originalmelodien mit neuen, modernen Arrangements abgespielt und neue Karibiktöne entführen euch in die Piratenwelt. Und auch die Sprecher schaffen es, Nostalgie hervorzuzaubern, was natürlich daran liegt, dass man soweit als möglich auf die bekannten Synchronsprecher der Figuren zurückgreift, die zwar erst nach der Ron Gilbert-Ära ihre Arbeit begonnen haben (die ersten beiden Teile erhielten die Sprachausgabe erst mit der Special Edition), aber trotzdem mit den Figuren assoziiert werden. Einziger Pferdefuß: Die Sprachausgabe ist nur auf Englisch vorhanden, was beim Spielen auf Deutsch vor allem in der Standardeinstellung, dass der Sprechtext nicht zusätzlich angezeigt wird, für Verwirrung sorgen kann. Hier kann es schonmal passieren, dass man auf einen englischen gesprochenen Satz eine deutsche Antwort auswählen muss, die sich vielleicht auf einen Wortwitz bezieht, der in der Übersetzung verloren ging. Auch wenn die Übersetzung grundsätzlich gelungen ist: Hier ist es wohl besser, entweder sich die Sprechtexte anzeigen zu lassen oder alternativ einfach auf Englisch zu spielen.

Fazit

Wertung - 8.5

8.5

"Mein" Monkey Island ist zurück!

Ich kann mich noch an den Tag erinnern, als LucasArts bekannt gab, keine Adventures mehr entwickeln zu wollen. Ich war entsetzt und fühlte mich, als würde eines meiner Lieblingsgenres gerade vom Erdboden verschwinden. Wer hätte damals gedacht, dass wir zwanzig Jahre nach dieser Ankündigung ein neues Monkey Island von Ron Gilbert spielen können würden? Und mehr noch: Wer hätte erwartet, dass dieses neue Monkey Island auch noch so gelungen ist? Nein, Return to Monkey Island wird wohl die beiden ersten Teile nicht in der Gunst der Spieler überholen. Aber ich wage zu behaupten, dass das Rennen um Platz drei eröffnet sein könnte (für mich ist es jedenfalls so). Und das, obwohl Return to Monkey Island kein perfektes Spiel ist: Es ist nicht der Heilsbringer, der das Point’n’Click-Adventure-Genre in eine neue Ära führt und bisherige Gegner von seinen Tugenden überzeugt. Das will es aber auch gar nicht sein. Es ist eine Hommage an die Zeiten von früher, ein Liebesbrief an die Fans der bisherigen Teile – und wohl ganz gezielt für solche gemacht, auch wenn man nicht ganz auf moderne Sensibilitäten vergessen hat. Als Fan bin ich mit einem großen, breiten Grinsen in das Spiel hinein- und auch wieder rausgegangen – vielleicht ein wenig gedämpft durch das für mich nicht ganz optimale Ende, aber im Bewusstsein, dass „mein“ Monkey Island zurückgekehrt ist, und zwar genau wie ich es schätze: Mit abgedrehtem, aber meist zielsicheren Humor. Mit einigen abstrusen (aber diesmal nicht ganz so abgedrehten) Rätseln. Aber vor allem mit all seinem Charme und den Charakteren, die mich seit über 30 Jahren begleiten. Mehr kann ich als Fan nicht verlangen.

Genre: Adventure
Entwickler: Terrible Toybox
System: PC, Mac, Switch
Erscheint: erhältlich
Preis: ca. 20 Euro

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Florian Scherz

Bereits früh entwickelte Florian zwei große Leidenschaften: Videospiele und Theater. Ersteres brachte ihn zu einem Informatikstudium und zu Jobs bei consol.MEDIA und Cliffhanger Productions; zweiteres lässt ihn heute (unter anderem) als Schauspieler, Regisseur, Komponist und Lichtdesigner arbeiten. Wenn er gerade keine Musicals inszeniert, spielt oder schreibt, vermisst er auf Shock2 Videospiele von anno dazumal in seiner Blog-Reihe "Spiele, die ich vermisse".

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