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Review: Final Fantasy XVI

Erwachsen, düster - aber Final Fantasy

Es gibt nicht viele Spielereihen, die auf eine über 35jährige Geschichte zurückblicken können. In der schnelllebigen Videospielbranche, in der selbst knapp zehn Jahre alte Titel schon als Klassiker bezeichnet werden und einst erfolgreiche Marken rasch in der Versenkung verschwinden, ist es alles andere als selbstverständlich, dass ein Franchise seit den 8-Bit-Zeiten der 80er bis zu den heutigen Gaming-Maschinen relevant geblieben ist. Final Fantasy ist eine solche Marke, die ausgehend von den ersten Spielen auf dem NES mit einigen Höhen und Tiefen bis ins Heute für Aufsehen sorgt. Dass ein solcher Erfolg auch erfordert, sich immer wieder neu zu erfinden, zeigt ein Blick auf die Historie der Serie, die nie stehenblieb, sondern immer versuchte, Gameplay und Technik erneut an die aktuelle Technik und die spielerischen Sensibilitäten anzupassen. Wird dies bei Teil XVI ebenfalls gelingen?

Das Lied von Feuer und Chocobos

Die Geschichte der erneut von den Vorgängern völlig unabhängigen Geschichte entführt euch nach Valisthea, ein Land im Bann der Kristalle. Die Hauptstädte der diversen Reiche, die nur teilweise friedlich miteinander auskommen, entstanden bei den sogenannten Mutterkristallen; deren kleinere Kristallsplitter sorgen für Annehmlichkeiten, erlauben sie doch normalen Leuten Magie zu wirken und so Brunnen zu füllen oder das Feuer am Lodern zu erhalten. Doch es gibt auch jene Menschen, die ohne die Kristalle Magie wirken können – und in den meisten Fällen ist das ihr Unglück: Diese sogenannten Träger werden versklavt und ausgebeutet, bis sie ihr Leben aushauchen. Ihr übernehmt die Rolle eines solchen Trägers mit einer hohen Herkunft: Clive Rosfield war der Sohn eines Herzogs, der Beschützer seines jüngeren Bruders Joshua, der als Dominus des Feuers über den mächtigen Phönix gebot und deshalb Thronfolger war. Doch als der Herzog aufgrund einer Intrige ermordet wurde und Joshua in einem Kampf gegen Ifrit fiel, wird Clive versklavt. Als er Jahre später seine Freiheit erlangt, wird er nur von einem Gedanken getrieben: den Mord an seinem Bruder zu rächen …

Story first

Mehr als diese erste Einführung (die ihr übrigens Großteils in der kostenlos verfügbaren Demo erleben könnt), wollen wir euch von der Story allerdings nicht verraten, denn Final Fantasy XVI besinnt sich ganz klar auf eine der Stärken, die die Serie lange Jahre ausgemacht haben: Die episch inszenierte Geschichte ist der Dreh- und Angelpunkt des Spiels, dem sich auch das Gameplay unterordnet. Erwartet euch also keine offene Welt, in der ihr tun und lassen könnt, was ihr wollt und stundenlang die Hauptstory ignorieren könnt, während ihr eure eigene Geschichte erschafft: Hier ist die Erzählung das Ziel, der Weg dorthin klar vorgegeben und viele Story-Abschnitte mitreißend inszeniert, aber dennoch sehr linear. Das heißt aber nicht, dass man ausschließlich der Hauptquest nachlaufen muss: Ab einem gewissen Punkt in der Story könnt ihr über die Weltkarte an allerhand Orte reisen, die ihr schon besucht habt – und gerade die Überlandpassagen haben dann doch mehr zu bieten als nur einen Schlauch, sondern ihre ganz eigenen Geheimnisse: Hier könnt ihr euch Nebenquests oder auch der Jagd auf mächtige Kreaturen stellen, wenn ihr an eurem Level schrauben wollt, mehr Items braucht oder einfach Abwechslung sucht. Trotzdem: Steht euch der Sinn nach der Freiheit eines Open World-Rollenspiels, seid ihr hier falsch. Final Fantasy XVI orientiert sich in dieser Hinsicht eher an seinen klassischen Vorgängern, die eine oft opulent erzählte Geschichte (inklusive oft viel Zeit in Anspruch nehmenden Cutscenes) vor Freiheiten im Gameplay gestellt haben. Wer damit klar kommt, erlebt eine durchdachte, interessante und spannende Geschichte, die allerdings an einigen Punkten auch klare Durchhänger hat – was bei einer Spieldauer von rund 40 Stunden (nur für die Hauptstory, mit Nebenquests auch deutlich länger) allerdings verkraftbar ist.

Nur für Erwachsene?

Im Unterschied zu den klassischen Final Fantasy-Teilen wurde allerdings das Altersrating deutlich nach oben gesetzt. Trotz der Rückkehr zu einem mittelalterlich angehauchten Fantasy-Setting haben wir es hier nicht mehr mit einer märchenhaften Welt im Stil von Final Fantasy IX zu tun. Clives Geschichte ist eher von Game of Thrones inspiriert und bietet eine düstere Welt mit schwierigen Themen (siehe die Träger-Thematik), Intrigen, Gewalt und ja, auch Nacktheit. So werden so manche Bündnisse im Bett besprochen und auf den Schlachtfeldern spritzt das Blut, wenn nach dem Gefecht von den Siegern „aufgeräumt“ wird. Nein, nichts davon ist so explizit, dass es ein erwachsenes Publikum abstoßen wird, aber hier handelt es sich trotzdem definitiv um kein Spiel für Kinder. Diese würden sich aber vermutlich ohnehin vom großen Personeninventar abschrecken lassen. Zum Glück gibt es eine praktische Funktion, die uns fast jederzeit nachschlagen lässt, wer die handelnden Figuren der Szene sind, wie die Geschichte des Ortes ist, an dem wir uns gerade befinden und vieles mehr. Das hilft, den Überblick zu behalten (vor allem wenn manche Figuren etwas zu plötzlich eingeführt werden), ist aber auch nicht unbedingt notwendig, um der Handlung zu folgen. Außerdem muss man FF XVI zugutehalten, dass es (anders als sein Vorgänger) sich niemals nach einem Lückentext anfühlt, den man erst mit DLCs und Zusatzmedien zu einer vollständigen Geschichte ausbauen muss. Hier hat man aus den leidvollen Erfahrungen mit FF XV eindeutig gelernt.

Esper May Cry?

Was sich hingegen alles andere als klassisch anfühlt und dementsprechend viel diskutiert wurde, ist das Kampfsystem. Erschaffen von Ryota Suzuki (Devil May Cry, Dragon’s Dogma, Monster Hunter) ist es actionorientiert und damit weit weg vom klassischen ATB von anno dazumal. So steuert ihr ausschließlich Clive im Kampf, während eure Gefährten von der KI übernommen werden – bis auf kurze Kommandos an euren treuen Hund Torgal habt ihr keinen Einfluss auf ihre Taten. Eure Angriffe beschränken sich dabei auf einen Nah- und einen magischen Fernangriff sowie eine spezielle Fähigkeit, die davon abhängt, welchen Esper ihr gerade ausgenützt habt. Clive sammelt im Laufe des Spiels nämlich die Kräfte von mehreren dieser Wesen, von denen er drei ausgerüstet haben kann. Zusätzlich zu den schon erwähnten Skills erlangt ihr so Zugriff auf die zwei Spezialfähigkeiten pro Esper, die ihr aus dessen Repertoire auswählen könnt. Hier finden sich mächtige Einzelangriffe, Attacken, die mehrere Gegner kurzzeitig ausschalten, aber auch Techniken, die euch heilen. Eure Lieblingsangriffe und Kombo-Techniken könnt ihr im Skill-Tree aufwerten, was zum Beispiel das Zeitfenster für das Ausweichen (per Schultertastendruck) vergrößert. Das ist vor allem beim Kampf gegen stärkere Gegner relevant, denn während Trashmobs normalerweise rasch ausgeschaltet sind, stellen größere Feinde und erst recht Bosse komplexere Hindernisse dar. Hier kehrt auch die bereits aus früheren Teilen bekannte Stagger-Leiste zurück, die, wenn sie gefüllt ist, euren Gegner zeitweise kampfunfähig und damit verwundbarer macht. All das geht nach etwas Eingewöhnung schnell von der Hand und überfordert wohl selbst im Action-Schwierigkeitsgrad (ein noch einfacherer Story-Modus ist auch vorhanden) selbst wenig Action-orientierte Spieler nicht – in vielen Fällen reicht Button-Mashing, um den Gegner zu besiegen. Das liegt aber auch daran, dass das Spiel (zu?) gnädig ist: Haucht ihr zum Beispiel mitten in einem Bosskampf euer Leben aus, könnt ihr direkt zu dem Kampf zurückkehren und müsst ihn nicht mal von vorne beginnen – stattdessen geht es mit aufgefüllten Heiltränken (ihr könnt nur eine begrenzte Anzahl davon mit euch führen) direkt in die aktuelle Phase, in der der Gegner eventuell schon deutlich angeschlagen ist. Wer eine größere Herausforderung will, muss hingegen auf einen zweiten Durchlauf warten, wo man den Schwierigkeitsgrad hinaufsetzen kann.

Hat hier jemand filmreif gesagt?

Auch wenn die Kämpfe an sich flott und spannend sind – es geht auch noch dramatischer. Gerade in den Bosskämpfen spielen cineastische Momente immer wieder eine Rolle, bei denen innerhalb der Gefechte einzelne Kampfsequenzen bombastisch inszeniert werden. Ganz zum Zuschauer degradiert werdet ihr dabei zwar nicht, aber mehr als Quicktime-Events wird hier auch nicht geboten. Ganz rund fühlt sich die Mischung dabei nicht immer an: Habt ihr euch zum Beispiel recht lange damit herumgeplagt, die Energieleiste des Gegners endlich gen Null zu bewegen, nur um dann das letzte Viertel per QTE zu erledigen, fühlt man sich doch manchmal ein wenig um den hart erkämpften Sieg betrogen. Zum Glück nehmen diese Sequenzen allerdings nicht überhand, sondern sind für bestimmte, eindrucksvolle Momente im Spiel reserviert. Ähnliches gilt auch für die Kämpfe der Esper: Diese bringen ihr eigenes, auf die Kontrahenten abgestimmtes Gameplay mit sich. Nicht jede Version davon zündet allerdings. So ist schon der erste derartige Kampf, der das Spiel sogar eröffnet, eine explosiv inszenierte, aber spielerisch nicht 100%ig überzeugende Rail-Shooter-Variante. Das sind allerdings nur kleinere Ausrutscher – etliche dieser Momente wissen nämlich zu gefallen und zeigen, wie sehr diese mächtigen Wesen zuschlagen können.

Woher kenn ich das nur?

Final Fantasy XVI wurde von Creative Business Unit III von Square Enix entwickelt – ein internes Team des Publishers, das wohl vor allem jene von euch kennen werden, die das MMORPG Final Fantasy XIV spielen; denn es war diese Truppe rund um Naoki Yoshida (AKA Yoshi-P), die das eigentlich schon in den Sand gesetzte MMO mit einer völlig überarbeiteten Version 2.0 zu einem der erfolgreichsten Genrevertreter machten. Mit Final Fantasy XVI dürfen nun Yoshida (als Producer) und etliche andere Veteranen des MMOs beweisen, dass sie Final Fantasy auch offline verstehen. Das gelingt ihnen über weite Strecken ausgezeichnet, erklärt aber vielleicht auch manche Eigenheiten des Spiels. So ist die Story, wie schon erwähnt, klar in eine Main Story-Questline und Sidequests aufgeteilt, aber auch die Nebenaufgaben unterteilen sich in solche, die vor allem Erfahrung und Items bringen, und jene, die auch neue Möglichkeiten freischalten (letztere sind an einem Plus erkennbar). Beides werden Spieler des MMOs nur zu gut kennen. Auch die Tendenz der Gegner (vor allem von Bossen), Bereiche des Bodens zu Schadenszonen zu machen (denen man dann hoffentlich noch rechtzeitig entkommen kann), kommt FF XIV-Veteranen sicherlich bekannt vor – auch wenn sich im Details die Kämpfe durch das völlig andere Kampfsystem dann doch drastisch unterscheiden. Aber auch die Tatsache, dass die Story in bisweilen überlangen Cutscenes erzählt wird, ist Spielern des Vorvorgängers sicherlich bekannt. Fast wünscht man sich die Warnung des MMOs, dass jetzt eine längere Filmsequenz kommt, auch in diesem Spiel.

Das dazugehörige Voice-Acting ist übrigens dabei sowohl in der englischen wie auch der deutschen Version gelungen und gibt den teilweise komplexen Charakteren Tiefgang; allerdings empfiehlt es sich, die Sprachversionen nicht zu mischen (z.B. durch englisches Acting mit deutschen Untertiteln), weil sich die Übersetzung von Begriffen aber auch von ganzen Sätzen teilweise deutlich unterscheidet und dadurch unfreiwillig komisch wird. Und auch die Musik von Masayoshi Soken, der seine Sporen bei Teil XIV verdiente, punktet die meiste Zeit mit atmosphärischen Final Fantasy-Klängen, die vielleicht nicht ganz die Qualität eines Nobuo Uematsu erreichen, aber trotzdem die Handlung stets passend unterstreichen. Ab und an überrascht Soken aber auch mit völlig anderen Sounds, von Rock bis hin zu fast Mozart-ähnlicher Klassik. Worin sich Final Fantasy XVI aber ganz klar von dem MMORPG unterscheidet, ist die Grafik: Hier wird über weite Strecken NextGen-Qualität geboten, die vielleicht nicht die Konkurrenz in den Schatten stellt, aber aufgrund der schieren Größe des Spiels doch beeindruckend ist.  Der Preis dafür waren in unserer Testversion noch leichte Performance-Probleme, vor allem bei den Cuts oder wenn viele Personen am Screen unterwegs waren, sank die Framerate deutlich. Ein (ziemlich kleiner) Day 1-Patch soll das Problem aber beheben.

Fazit

Wertung - 9

9

Der Spirit von Final Fantasy ist zurück!

Ich würde mich selbst klar als Final Fantasy-Fan seit über 25 Jahren bezeichnen – aber wer mich kennt, weiß auch, dass ich der Überzeugung bin, dass die Reihe schon seit dem Release von Teil X damit kämpft, ihre Identität in die moderne Videospielzeit zu bringen. Vor allem die drei Offline-Hauptlinientitel XII, XIII und XV versuchten dies auf verschiedenste Art und Weise und fanden dabei genauso ihre Fans wie ihre Kritiker. Auch XVI wagt diesen Spagat – und dies meiner Meinung nach mit einem durchaus gelungenen Mix: Wie die legendären Teile VI bis X setzt das Team rund um Yoshida vor allem auf eine dichte Geschichte mit interessanten Charakteren und ordnet dem Fluss der Story das Gameplay unter. Das wird nicht jedem gefallen: Wer den Ansatz der offenen Welt in XV oder auch XII interessant fand, wird sich hier vermutlich eingeengt fühlen (auch wenn XVI gleichzeitig gekonnt vermeidet, wie XIII fast nur Schlauch zu sein, auch wenn etliche Abschnitte dann doch sehr linear sind). Fans der alten Schule werden hingegen wohl vor allem das Action-Kampfsystem kritisieren. Ja, natürlich vermisse auch ich, die ganze Party steuern zu können, aber im Endeffekt gehen die Gefechte (vor allem gegen die Trashmobs) rasch von der Hand und machen Spaß, auch wenn jene, die es gerne härter mögen, vermutlich selbst den Action-Schwierigkeitsgrad für zu einfach halten werden (nach dem Durchspielen gibt es dann deutlich herausforderndere Optionen). So bleibt mein Fazit ein erfreuliches: Nein, FF XVI ist nicht das perfekte Final Fantasy. Aber es beschwört den Geist der großen Klassiker der Serie herauf, wie es kaum ein Teil seit X geschafft hat. Gewürzt mit der interessanten, wenn auch düster/erwachsenen Story und den Charakteren, die uns ans Herz wachsen, bleibt ein würdiges Spiel in einer der erfolgreichsten Reihen der Videospielgeschichte. Und so kann sie uns gerne noch lange erhalten bleiben.

Genre: Rollenspiel
Entwickler: Creative Business Unit 3
System: PS5
Erscheint: 22. Juni 2023
Preis: ca. 80 Euro

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Florian Scherz

Bereits früh entwickelte Florian zwei große Leidenschaften: Videospiele und Theater. Ersteres brachte ihn zu einem Informatikstudium und zu Jobs bei consol.MEDIA und Cliffhanger Productions; zweiteres lässt ihn heute (unter anderem) als Schauspieler, Regisseur, Komponist und Lichtdesigner arbeiten. Wenn er gerade keine Musicals inszeniert, spielt oder schreibt, vermisst er auf Shock2 Videospiele von anno dazumal in seiner Blog-Reihe "Spiele, die ich vermisse".

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