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Review: Final Fantasy VII: Rebirth

Jenseits der Grenzen von Midgar

Wir haben den Schatten Midgars hinter uns gelassen – doch vor uns steht nun das große Abenteuer: Final Fantasy VII Rebirth setzt dort an, wo sein Vorgänger Remake endete, und führt die Geschichte von Cloud, Barret, Aerith, Tifa und Red XIII weiter. Nicht nur als Mittelstück einer Trilogie, sondern auch aufgrund der völlig anderen Gegebenheiten außerhalb der Megacity steht das Spiel vor einigen Herausforderungen. Konnte es diese meistern?

Die Geschichte geht weiter

Rebirth beginnt dort, wo Remake endete: Unser Heldenteam hat Midgar nach einer spektakulären Flucht aus dem Shinra-Hauptquartier verlassen und macht sich auf, den lange totgeglaubten Ex-SOLDAT Sephiroth zu stellen. Dafür folgen sie mysteriösen Männern in schwarzen Roben, die nach einer „Wiedervereinigung“ mit Sephiroth streben – immer gejagt von Shinra und ihren Gehilfen. Was folgt, unterscheidet sich von dem, was wir in Remake erlebten: Wurden dort ausschließlich die ersten wenigen Stunden des Spiels auf ein vollwertiges Spiel aufgeblasen (was dank zahlreicher Ergänzungen trotz so mancher Durchhänger gut funktionierte), ist in Rebirth deutlich mehr Größe angesagt: Statt der relativ linearen Megacity Midgar ist immerhin nun (fast) die ganze Welt Schauplatz der Handlung, und auch wenn uns das Spiel deutlich an der Hand nimmt und uns von Storybeat zu Storybeat führt, ist das die Gelegenheit, uns die Freiheit einer offenen Landschaft und deutlich abwechslungsreicherer Gegenden und Ansiedlungen vor Augen zu führen. Aber auch in Sachen Story wird nun mehr geboten, denn Rebirth erzählt immerhin einen deutlich größeren Brocken der Story des Originals. Das heißt aber nicht, dass man sich im zweiten Teil der Remake-Trilogie hetzen lässt: Vielmehr nimmt man sich auch hier Zeit, der Geschichte und den Figuren mehr Tiefgang zu geben und die einzelnen Orte genauer zu beleuchten. Und euch auch zumindest zweitweise mehr Freiheit zu lassen.

Die Welt ist mein Spielplatz

Konkret heißt das: Zwar gibt es nach wie vor zahlreiche durchinszenierte, relativ lineare Abschnitte im Spiel, aber dazwischen hat Rebirth keine Scheu davor, euch in seine Variante eines Open World-Spiels zu entlassen. Diese Abschnitte, in denen ihr eine Region in eurem Tempo erkunden könnt, erinnern ein wenig an die altbekannte Ubisoft-Formel: Freigeschaltete Türme lassen auf eurer Karte weitere interessante Punkte erscheinen, die euch vor unterschiedliche Aufgaben stellen – von Kämpfen gegen Monster über Scans von Mako-Quellen und der Jagd nach einem Relikt bis hin zu Informationen über mächtige Monster, die ihr als Summons einheimsen könnt. Wer motiviert ist und alle Punkte der Karte abarbeiten will (immerhin gibt es dafür nützliche Belohnungen), kann seinen Aufenthalt in der jeweiligen Region deutlich verlängern; es ist aber durchaus möglich, diese Aufgaben auszulassen oder nur teilweise zu erledigen. Natürlich helfen die gesammelte Erfahrung und weitere Boni, die sich daraus ergeben, wer aber wirklich nur die Story erleben will, kann sich auch einfach auf die Haupthandlung konzentrieren (und erspart sich dadurch auch so manche lästige Ansprache des aus dem Vorgänger bekannten Jungforschers Chadley). Wer sich nicht zu sehr ablenken lässt, hat auch den Vorteil, dass das Pacing der Geschichte weniger zerrissen ist, denn das Erkunden der Landschaft bremst natürlich die Erzählung der Haupthandlung aus. Hier kann es helfen, dann doch weiterzureisen und die übrigen Aufgaben später nachzuholen. Dennoch wollen wir hier festhalten: Bis auf wenige Ausnahmen fühlte sich das Abarbeiten der diversen Punkte auf der Karte dank Schnellreisen und Chocobo-Unterstützung erfrischend flott an und ließ die Stunden rasch verfliegen.

Pathos und Humor

Die Geschichte von Final Fantasy VII ist mehr als nur Pathos: Das 1997er Original glänzte mit spannenden, aber durchaus schrägen Charakteren, bewegenden wie skurrilen Momenten und Humor genauso wie Tragik. All das wurde auch in Rebirth übertragen, das nun abseits der Mauern von Midgar mit einigen menschlichen wie leichten Momenten überrascht. Wenn Cloud und Barret in Costa Del Sol oder dem Vergnügungspark Gold Saucer mit den Wünschen ihrer Mitreisenden nach Vergnügen konfrontiert werden, hilft das, einige andere harte Momente auszugleichen. Rebirth steht dabei teilweise vor der schweren Aufgabe, bekannte Szenen aus dem Original, die in der damaligen simplen Polygonoptik gezeigt wurden, nun auch in seinem deutlich realistischeren Look umzusetzen. Und während manche Ereignisse (und auch ganze Storyfäden) anders erzählt werden, scheut es dabei nicht davor, solche eigentlich lächerlichen Momente mit Gusto zu zeigen. Andere Momente triefen wieder vor überspitztem, überzeichnetem Pathos. Ist das ein Widerspruch? Nein. Es ist das, was Final Fantasy VII schon im Original ausgemacht hat – eine spannende Geschichte, aber auch eine gewisse Verrücktheit. Hier wird sie anders verpackt und bisweilen abweichend erzählt, aber dennoch bleibt die Essenz vorhanden.

Gemeinsam sind wir unbesiegbar

Apropos Essenz: Materia ist noch immer ein zentrales Element des Kampfsystems, das sich im Großen und Ganzen an die Formel des Vorgängers hält und versucht, eine moderne, actionlastigere Umsetzung der rundenbasierten, taktischen Kämpfe des Originals zu bieten. Konkret heißt das: Ihr steuert eine Figur eurer Wahl, kümmert euch um das Blocken von und Ausweichen vor Angriffen, während der Rest der Party (insgesamt drei Figuren können aktiv in das Gefecht eingreifen) von der KI übernommen wird. Mit der Zeit, aber auch aktiv durch Angriffe mit eurer Waffe, wächst der ATB-Balken des jeweiligen Charakters. Ist ein Abschnitt gefüllt, könnt ihr diesen für eine Aktion nutzen: Das können spezielle Waffentechniken sein, die ihr unter anderem von ausgerüsteter Materia erhaltet oder von euren Waffen oder auch im charakterspezifischen Fertigkeitenbaum lernen könnt; es können aber auch Zauber sein, die euch ebenfalls durch Materia zur Verfügung stehen; und sogar der Einsatz von Items ist nur möglich, wenn ihr das ATB genug aufgeladen habt. Das gilt auch für die anderen Figuren eurer Party – ist deren Balken weit genug gewandert, könnt ihr sie anweisen, auch ihre Fähigkeiten zu nutzen. So gelingt ein Hybrid zwischen den eher actionlastigeren Kampfsystemen der letzten Jahre und der Möglichkeit, die ganze Party zu kommandieren, wie sie die Klassiker anboten.

Wo ist mein Omnislash?

Leider ist die KI zwar gut darin, die anderen Mitglieder vor Schaden zu schützen, aber recht langsam mit dem Aufladen der jeweiligen ATB-Balken – rechnet damit, dass „eure“ Figur wesentlich mehr ihre Fähigkeiten einsetzen können wird als die anderen. Dennoch ist das Zusammenspiel wichtig, denn jeder Gegner hat seine eigenen Bedingungen, wie er unter Druck gesetzt oder schließlich in einen taumelnden Zustand versetzt werden kann, in dem er für gewisse Zeit besonders viel Schaden nimmt. Hier spielen oft Angriffe mit den richtigen Elementen eine gewisse Rolle – und da der Platz für Materia beschränkt ist, muss man hier einen guten Mix in der Party finden (und diesen auch immer wieder optimieren, da das Spiel regelmäßig vorgibt, wer aktuell in die Schlacht zieht). Im Kampf helfen aber auch diverse Synergiefähigkeiten mit den Teammitgliedern, die sogar die Stimmung untereinander verbessern, die Summons von mächtigen Wesen, die euch dann im Gefecht unterstützen, und die Limit Breaks, die euch extra starke Angriffe durchführen lassen.

Mehr Spiele braucht das Land!

Neben all den Gefechten und dem Erkunden haben die Entwickler aber auch einen weiteren Aspekt am Originalspiel deutlich ausgebaut: Minispiele. Zwar sind Aufgaben wie das Chocobo-Rennen oder der Kampf um Ford Condor schon im Original berühmt, aber Rebirth treibt das Prinzip auf die Spitze und bietet eine Vielzahl an Minigames – in leider schwankender Qualität. Für jedes Fort Condor (eine Art Tower Defense-Spiel in ans Original angelehnter Blockgrafik) gibt es leider auch ein Fußballspiel mit Tieren (und Red XIII), das besonders gegen die Uhr aufgrund der suboptimalen Steuerung wenig Begeisterung erweckt, eine Wiederholung des Sit-Up-Spiels aus dem Vorgänger und das leider mit beiden Analogsticks eher schlecht als recht zu steuernde Piano-Spiel, bei dem ihr bekannte Melodien aus dem Soundtrack klimpern solltet, aber meist fast zwangsläufig danebengreift. Die gute Nachricht: Zwar kommt ihr im Laufe der Handlung nicht darum herum, diese Spiele zumindest auszuprobieren, viele davon könnt ihr danach allerdings auch gleich wieder vergessen, wenn ihr nicht auf die Platin-Trophäe oder besondere Gegenstände aus seid, die sich hinter den höheren Rängen verstecken (Tipp: Es hilft auch, den Schwierigkeitsgrad des Spiels zu reduzieren, wenn ihr mit einem Minispiel Probleme habt!). Definitiv das Highlight unter den Minigames ist allerdings Queen‘s Blood, ein taktisches Kartenlegespiel, das uns beim Test Stunden Spaß gebracht hat: Sei es, weil neue Karten neue Möglichkeiten für unsere Taktik bringen oder wir einen kniffligen Gegner endlich besiegt hatten – Queen‘s Blood ist ein würdiger Nachfolger zu Kartenspielen wie Triple Triad & Co.

Oh, der Klang!

Apropos Nachfolger: Der Soundtrack zu Final Fantasy VII ist zurecht einer der legendären Soundtracks der Videospielgeschichte und machte Komponist Nobuo Uematsu zu einem Superstar der Szene. Mitsuto Suzuki und Masashi Hamauzu nehmen die schwere Aufgabe auf sich, diesem Spiel mit vielen bekannten und geliebten Themen gerecht zu werden. Und das gelingt ihnen nahezu vollkommen: Das neue Material folgt nicht nur diversen Stilen, sondern passt sich auch gekonnt ein. Spieler des Originals werden aber vor allem von den diversen Bearbeitungen des Ur-Soundtracks nostalgische Gefühle entwickeln, wie sie sonst nur bei den bekanntesten Film- und Videospielmotiven auftreten. Aber das Lob für den Sound gehört nicht nur der Musik: Auch die Sprecher machen ihre Aufgabe hervorragend und geben den Figuren eine Seele, die die gesamte Handlung erlebbar und emotional macht. Dabei hilft auch die Grafik: Zwar mögen manche weniger wichtige NPCs die berühmt/berüchtigten toten Gesichter haben und manche Figuren heillos überzeichnet sein, aber vor allem der Hauptcast darf bisweilen nuanciert, wenn auch manchmal bombastisch und pathos-behaftet agieren und uns die für das Spiel so zentrale Geschichte nahebringen. Und wenn wir schon bei der Grafik sind: Ja, es gibt ein paar typische Unreal-Engine-Aussetzer (zu spät geladene Texturen oder LoD-Sprünge), aber im Großen und Ganzen überzeugt Final Fantasy VII Rebirth mit weiten Landschaften und abwechslungsreichen Gegenden ebenso wie belebten Dörfern und Städten. Probleme gab es allerdings mit dem Performance-Modus, der zwar relativ stabile 60FPS verspricht, aber einige negative Auswirkungen auf die Grafikqualität hat. Hier wurde vor kurzem ein erster Patch veröffentlicht, der für diesen Test allerdings nicht mehr berücksichtigt werden konnte.

Fazit

Wertung - 9

9

Größer, emotionaler, spektakulärer

Final Fantasy VII Rebirth setzt dort an, wo der Vorgänger aufgehört hat – und damit meinen wir nicht nur in Sachen Story. Wie erwartet öffnet dieser Teil die Spielwelt und erzählt die vertraute Geschichte des Originals weiter – wieder aufgebauscht und aufgebaut, aber dennoch fokussierter auf die Handlung und (zumindest im Hauptstrang der Story) mit etwas weniger spektakulären Abweichungen und Überraschungen (Ausnahmen bestätigen die Regel). Damit geht Rebirth vielleicht gegen die Erwartungen, kann aber dennoch immer wieder mit viel Liebe in den Feinzeichnungen oder auch in spektakuläreren Momenten überraschen. Nein, nicht alles an dem Spiel ist perfekt und im Detail könnte man auch einiges an Kritik anbringen (gerade die Minigames hätten teilweise deutlich mehr Liebe und Polishing vertragen können), aber trotz allem überzeugt das Gesamtpaket auf einem sehr hohen Niveau – nicht nur für Fans von japanischen Rollenspielen könnte das Rennen auf das Spiel des Jahres hier bereits eröffnet sein.

Genre: Rollenspiel
Entwickler: Square Enix
System: PS5
Erscheint: erhältlich
Preis: ca. 70 Euro

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Florian Scherz

Bereits früh entwickelte Florian zwei große Leidenschaften: Videospiele und Theater. Ersteres brachte ihn zu einem Informatikstudium und zu Jobs bei consol.MEDIA und Cliffhanger Productions; zweiteres lässt ihn heute (unter anderem) als Schauspieler, Regisseur, Komponist und Lichtdesigner arbeiten. Wenn er gerade keine Musicals inszeniert, spielt oder schreibt, vermisst er auf Shock2 Videospiele von anno dazumal in seiner Blog-Reihe "Spiele, die ich vermisse".

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