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Review: Das große Los

Joris Mertens gilt als einer der aufstrebendsten franko-belgischen Comic-Künstler. Der ehemalige Set und Graphic Designer verzauberte bereits viele mit seinem Comic-Märchen Beatrice, welches voraussichtlich im September im Splitter Verlag erscheinen wird und komplett ohne Text auskommt. Ohne Text muss Das große Los nicht auskommen, steht Mertens Erstlingswerk aber in Sachen Inszenierung und Stimmung in nichts nach.

Eindrucksvoll wird die triste Stimmung durch Mertens mittels Kohlestift eingefangen

Wofür das alles?

François ist ein alter Griesgram, der kurz vor seiner Pensionierung steht. Er wohnt in einer nicht näher benannten, französischen Stadt, vermutlich in den 70er oder 80er Jahren, und arbeitet Tag ein Tag aus als Lieferant für eine Wäscherei. Eine Aussicht auf eine Lohnerhöhung gibt es nicht. Der Laden liefe nicht gut. Es sind schlechte Zeiten, die Wirtschaft… Man kennt das ja. Nun soll er noch einen neuen Fahrer, einen Verwandten der Chefin einschulen, der sich als nerviger Dilettant herausstellt – und es regnet wie aus Kübeln.

Einziger Lichtblick in seinem tristen Alltag stellt Maryvonne dar, die in einer Trafik arbeitet und ihm wöchentlich einen Lottoschein verkauft, in welchen er stets dieselben Zahlen einträgt. Er erhofft sich mit dem großen Hauptgewinn von 10 Millionen Francs ein besseres Leben für sich und Maryvonne, den Ausbruch aus der trüben Gegenwart. Als er bei einer Lieferung einen unerwarteten Fund macht, ändert sich alles für François – aber ist es das wirklich wert?

Maryvonne ist der Lichtblick im Leben von François

Innere Zerrissenheit toll dargestellt

Das große Los wirft Fragen auf, ohne diese zu beantworten. Stattdessen werden Leser*innen mit ihren Gedanken allein gelassen. Wofür arbeiten wir eigentlich? Geht es mir wirklich besser, wenn ich mehr Vermögen angehäuft habe? Habe ich vielleicht bereits alles, was ich benötige für ein gutes Leben und sehe es nur nicht? François wirkt unglücklich und innerlich zerrissen, gleichzeitig scheint ihm viel gleichgültig zu sein. Einzig bei Maryvonne und dem Wunsch nach dem großen Los scheint er sich dann doch sicher zu sein.

Die Handlung wird eindrucksvoll mittels Kohlestift und bunten Farben zum Leben erweckt. Schnell wird den Leser*innen bewusst, dass Mertens früher unter anderem als Set Designer und Storyboard Artist gearbeitet hat. Er scheint ein Händchen dafür zu haben, Stimmungen einzufangen und Szenerien zu entwerfen. Rasch wird man beim Lesen in die Geschichte hineingezogen, sodass man sich gelegentlich selbst gerne Gummistiefel (aufgrund des ständigen Regens) anziehen würde.

Es regnet…

Fazit

Das große Los wirft einen melancholischen Blick auf einen Mann, der von einem besseren Leben träumt, aber stets diesen einen Hauptgewinn davon entfernt zu sein scheint. Unweigerlich stellt man sich die Frage, ob nicht vielleicht etwas Anderes für ein glückliches Leben ausschlaggebend ist. Joris Mertens fängt die transportierte Stimmung wunderbar mittels Kohlestrich ein und lässt seine Leser*innen in eine glaubhafte Welt eintauchen, nur um sie dann mit einigen Fragen allein zurückzulassen. Leseempfehlung!

Info
Seiten: 144
Preis: ca. 35 Euro
Autor und Zeichner: Joris Mertens
Verlag: Splitter Verlag

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