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Spiele, die ich vermisse #92: Der Planer

Während ich mit Überraschung feststelle, dass die E3 gerade in den Startlöchern scharrt (seit meinem Aus als Redakteur ist die Messe nicht mehr etwas, das schon mindestens zwei Monate zuvor ihre Schatten ins Leben wirft – und zum Glück muss ich diesmal meinen Schlafrhythmus nicht umstellen), fordert ein anderes Großereignis momentan einen Großteil meiner Aufmerksamkeit: In knapp zwei Wochen feiere ich Hochzeit, und dementsprechend sind wir in die heiße Planungsphase gegangen und unzählige letzte Details müssen noch festgelegt werden. Während mir in meiner langen Spielegeschichte kein Spiel eingefallen ist, das mich eine Hochzeit planen lässt, muss ich doch bei der Vielzahl an zu entscheidenden Kleinigkeiten samt dem ständigen Blick aufs Budget ein wenig an eine Wirtschaftssimulation denken. Und das gibt mir Gelegenheit, ein Spiel zu vermissen, das eigentlich gar nicht so richtig in mein „Beuteschema“ passt. Sein Name? Der Planer.

Der Planer versetzt euch in die Rolle eines jungen Managers, der sich zu Beginn des Spiels aus mehreren Angeboten einen Job in der Speditionsbranche heraussucht. Egal, für welches ihr euch entscheidet, eines ist rasch klar: Die Firma ist marode und eure Hilfe dringend nötig, um sie wieder auf einen grünen Zweig zu führen (kein Wunder, denn scheinbar macht hier der Manager den Großteil der Arbeit). Gleichzeitig muss euch klar sein, dass euer Engagement immer eines auf Zeit ist: Euer Vertrag lässt euch einen gewissen Zeitraum, um strenge Vorgaben zu erreichen – das Erhöhen von Frachtkapazitäten, ein gewisses Budgetziel und und und. Das gelingt euch, oder ihr fliegt in hohem Bogen raus und könnt euch einen neuen Job suchen.

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Während ihr diese Ziele immer im Hinterkopf behalten solltet, geht es doch vorrangig ums Alltagsgeschäft. Und das sieht wie folgt aus: In eurem Büro landen immer wieder Aufträge, die von euch verlangen, eine gewisse Menge an Fracht bis zu einem gewissen Zeitpunkt an einen gewissen Ort zu bringen, wofür ihr euch einen gewissen Lohn erwarten dürft. Das sind natürlich erste Faktoren, mit denen ihr kalkulieren könnt: Habt ihr überhaupt die Frachtkapazitäten und Fahrer, um den Auftrag pünktlich durchzuführen? Ist der Preis hoch genug, um eure Kosten zu decken? In eurem Computer, der auf eurem Schreibtisch steht, könnt ihr Kalkulationen durchführen (und auch alternative Transportwege wie Bahn, Flugzeug oder Schiff berücksichtigen) und jene Aufträge, die ihr sicher nicht durchführen wollt, auch gleich löschen. Gerade bei jenen Buchungen, die der Auftraggeber gerne per Fax bestätigt haben möchte, solltet ihr doppelt sauber kontrollieren, denn ist dieser erst bestätigt, gibt es kein Zurück mehr – führt ihr den Auftrag nicht durch, kostet euch das eine saftige Konventionalstrafe.

Habt ihr kalkuliert und euch entschieden, welche Fahrten ihr durchführen wollt, führt euch der nächste Weg in euren Fuhrpark. Der Weg von Büro zu Büro wurde im Stil von MadTV realisiert – sprich, es gab ein dreistöckiges Haus (Zweigstellen waren nur zweistöckig), in dem jeder Raum für gewisse Funktionen diente, von Werbung über euer Büro, das Fax und das Personalbüro. Obwohl ihr eindeutig der Chef seid und sich die Führungsetage bis zum Tag der Abrechnung nicht einmischt (das war in MadTV zugegebenermaßen ein wenig anders), müsst ihr dennoch Laufbursche spielen und von A nach B rennen, um euren Berufsalltag zu meistern. Der häufigste Weg ist dabei wohl jener, den ich vorhin angesprochen habe – derjenige, der vom Büro zum Fuhrpark führt.

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Dieser Ort ist nämlich die zweite wichtige Schaltzentrale des Spiels. Hier wählt ihr jene Aufträge aus, die ihr erfüllen wollt, und bestimmt danach, mit welchem LKW ihr diesen durchführen wollt. Dabei bestimmt natürlich die Art des Auftrages, welches Fahrzeug ihr benötigt – wer Kühlfracht transportiert, kann dies nicht mit dem Tieflader tun. In allen anderen Belangen habt ihr (wenn der Fuhrpark dies hergibt) die volle Entscheidung: Schickt ihr einen Kleintransporter (nur für Pritschenfracht), einen Sattelschlepper los oder lieber einen normalen LKW (der Sattelschlepper hat keine eigene Frachtkapazität, dafür passt die Zugmaschine natürlich zu einer Vielzahl verschiedener Anhänger)? Welchen Anhänger und welchen LKW nehmt ihr für den Transport (auch hier geht es wieder um Frachtkapazitäten, aber auch technische Ausstattung und Benzinverbrauch)? Und last but not least: Welchen Fahrer setzt ihr ein? Jeder darf pro Tag nur acht Stunden fahren, also müsst ihr mit einer Übernachtung rechnen, wenn die Reise länger dauert. Und immerhin ist Zeit auch Geld – denn je früher das Gespann zurück ist, desto schneller könnt ihr es auf die nächste Reise schicken. Dabei muss eine Fahrt nicht zwangsläufig den Auftrag in seiner Gesamtheit erfüllen – ist der LKW zu klein, fährt man eben zwei- oder gar dreimal. Dass das auf die Kosten geht, ist allerdings auch klar.

Natürlich gibt es noch weitere Details zu beachten – Annoncen für euer Angebot schalten, Mechaniker eure Fahrzeuge kontrollieren und eventuelle Defekte beheben lassen, Interviews geben oder in den PKW steigen und zum Bahnhof, Flughafen oder auch zum Autohändler fahren. Später könnt ihr sogar Zweigstellen errichten, was dann wiederum dazu führt, dass ihr kostengünstiger operieren könnt – immerhin müssen eure LKWs nicht mehr nach der Fahrt leer zurück, sondern können auch in der Zweigstelle parken, von wo sie erneut für Aufträge eingesetzt werden können. Dass das ordentlich an der Komplexitätsschraube dreht, steht außer Frage.

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Wie schon erwähnt, sind eure Jobs nur Arbeit auf Zeit. Was ist dann also das Spielziel? Das ist zutiefst persönlicher Natur. In einer ganz eigenen Ebene der Geschichte müsst ihr euch nämlich auch um euer Privatleben kümmern. Das beginnt schon damit, dass ihr beim Frühstück mit eurer Frau Familiengeschäfte besprecht und euch (so ihr nicht zu spät nachhause kommt) am Abend zu eurer Familie ins Wohnzimmer setzen könnt, wo weitere (bisweilen teure) Entscheidungen fallen. Ein glückliches Familienleben ist nicht nur für eure Energie notwendig, sondern auch für das endgültige Ziel nicht ganz unerheblich: Nur wer eine hundertprozentige private Bekanntheit erreicht, indem er sein Geld in teure Luxusgüter investiert, kann das Spiel gewinnen. Jaja, Geld regiert eindeutig die Welt.

Entwickelt wurde Der Planer binnen acht Monaten vom jungen deutschen Softwareunternehmen Greenwood Entertainment, das übrigens später Teil der Phenomedia AG wurde, die ihren größten Hit im Jahr 2000 mit Moorhuhn-Jagd abliefern sollte, aber in einem großen Finanzskandal geschlossen wurde und Greenwood mit sich riss. Noch zuvor, nämlich 1997, wurde aus Greenwood heraus allerdings Piranha Bytes (Gothic) gegründet, das den Untergang durch ein Management-Buy-Out überstand und, was wohl ein wenig überflüssig zu erwähnen ist, heute noch aktiv ist.

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Doch genug dieser Entwickler-Geschichtsstunde: Kehren wir wieder ins Jahr 1994 zurück, als der Planer erschien – und damit zu meinen ganz eigenen Erinnerungen. Wie so oft war es Zufall, dass ich das Spiel in die Finger bekam, denn weder der Titel noch die Packung noch sonst irgendetwas an ihm hätten mich jemals dazu verleitet, Geld für Der Planer auszugeben. Aber der Bruder eines guten Freundes hatte das Spiel gekauft, war davon enttäuscht und reichte es im Freundeskreis herum. Eigentlich keine guten Voraussetzungen, aber irgendwie machte das Spiel dann doch rasch „klick“.

Vermutlich war es die Verwandtschaft mit MadTV, die mich zuerst ansprach und mich über das trockene Zahlenjonglieren so lange hinwegsehen ließ, bis ich Der Planer gern spielte (und wirklich nicht wusste, warum – es machte einfach Spaß). Ich schickte meine LKWs von A nach B, versuchte, die Bilanz auszugleichen und Frachtvorgaben zu erfüllen und so nebenbei die Familie glücklich zu halten. Meine wichtigsten Werkzeuge dabei waren der schon erwähnte Computer im Arbeitszimmer, aber vor allem der Laptop, der in einer DOS-artigen Oberfläche (samt Bootsequenz, die auf den ersten Blick nach „oh mein Gott, mein Computer ist abgestürzt“ wirkte) Informationen unterwegs zugänglich machte. Nein, er konnte nicht alle Aufgaben übernehmen, sodass ich auch immer wieder ins Büro zurück musste, aber er war ein unverzichtbarer Begleiter.

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Dennoch muss ich festhalten, dass ich niemals besonders GUT in diesem Spiel war. Aus den meisten Verträgen wurde ich schändlich hinausgeworfen, egal, wie sehr ich mich bemühte. Und beim Spiel mit Zweigstellen versagte ich kläglich. Egal, welche Version von der Planer ich spielte – später folgten via Cover-CDs nämlich auch noch Der Planer: Extra, das quasi eine Fortsetzung darstellte, weil ihr hier schon eure eigene Firma besitzt, sowie Der Planer: Gold, das die Handlung in die USA verlagerte –, ich blieb länger dran, als ich mir im Nachhinein vorstellen konnte (da das Gameplay ja doch irgendwie eintönig war), und scheiterte von Mal zu Mal. Spaß hatte ich damit trotzdem. Ganz im Gegenteil übrigens zu den Folgespielen. Der Planer 2 und 3 probierte ich nämlich noch, verlor aber sehr schnell jegliches Interesse daran, die Folgespiele sah ich mir gar nicht mehr an.

Also warum vermisse ich Der Planer? Weil es die wohl letzte trockene Wirtschaftssimulation war, die ich wirklich gern gespielt habe. Ich weiß zwar, wie gesagt, gar nicht, warum sie mich gefesselt hat – Wirtschaft ist normalerweise ein Thema, mit dem man mich meilenweit jagen oder auch zum Einschlafen bringen kann. Hier war ich allerdings fasziniert und versuchte, über die Runden zu kommen, erfolgreich zu wirtschaften und schwarze Zahlen zu schreiben. Ja, das Gameplay war eigentlich wirklich eintönig – Auftrag annehmen, kalkulieren, durchführen –, aber irgendwie machte es auf seine ganz eigene Art und Weise Spaß. Und hey, immerhin habe ich dadurch gelernt, was sich hinter dem Begriff „Logistik“ verbirgt. Und manchmal wünsche ich mir Wirtschaftssimulationen wie diese wieder zurück, bei denen der Funke auf mich überspringen konnte – ohne wirklich zu wissen, was den Reiz ausgemacht hat …

Florian Scherz

Bereits früh entwickelte Florian zwei große Leidenschaften: Videospiele und Theater. Ersteres brachte ihn zu einem Informatikstudium und zu Jobs bei consol.MEDIA und Cliffhanger Productions; zweiteres lässt ihn heute (unter anderem) als Schauspieler, Regisseur, Komponist und Lichtdesigner arbeiten. Wenn er gerade keine Musicals inszeniert, spielt oder schreibt, vermisst er auf Shock2 Videospiele von anno dazumal in seiner Blog-Reihe "Spiele, die ich vermisse".

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