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Spiele, die ich vermisse #84: Tomb Raider

Diese Woche habe ich tatsächlich etwas zu beichten: Ich habe Wasser gepredigt und Wein getrunken. Nein, das meine ich nicht wörtlich – lasst mich erklären: Seit PS4 und Xbox One im Handel sind, habe ich jedem, der mich gefragt hat, erklärt, dass ich mir die Konsolen nicht zulegen werde, bis nicht ein Systemseller (für meinen Spielegeschmack) im Handel ist (was vermutlich erst nächstes Jahr mit FF XV passieren wird). Der Early Adopter in mir stöhnte zwar lautstark, aber ich blieb standfest – bis Amazon die PS4 wieder verfügbar hatte. Jetzt steht sie bei mir zuhause. Was das mit dieser Ausgabe zu tun hat? Nun, hat man eine Konsole, kauft man sich auch Spiele dazu. Und in meinem Fall ist die PS4 die willkommene Gelegenheit, endlich das letztjährige Tomb Raider nachzuholen. Ich habe zwar nur kurz reingeschnuppert – aber gleich kamen die Erinnerungen an mein erstes Abenteuer mit Frau Croft zurück. Und damit ein wehmütiges Zurückerinnern an das erste Tomb Raider.

Heute hat man das Gefühl, als wäre Lara Croft schon ewig Teil der Videospielkultur. Doch in Wahrheit trat sie 1996 das erste Mal ins Rampenlicht, als sie von Jaqueline Natla angeheuert wurde, ein Artefakt aus der verlorenen Gruft des Qualopec zu holen. Doch kaum hat sie das gewünschte antike Stück beschafft, soll sie auch schon aus dem Weg geräumt werden (was sie verhindern kann), erfährt, dass ihr Fund nur ein Teil des Ganzen ist und macht sich auf eigene Faust auf, das Artefakt (genannt Scion) zusammenzusetzen – immerhin hat es etwas mit dem Geheimnis von Atlantis zu tun. Doch war wollte Natla damit überhaupt? Und was ist mit der verlorenen Stadt überhaupt geschehen? Fragen über Fragen, die Lara im Zuge ihrer Reise versuchen wird, zu beantworten …

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Entwickelt wurde Tomb Raider von Core Design, die zu diesem Zeitpunkt schon einen ordentlichen Track-Record hatten. Etliche Spiele, die sie zuvor abgeliefert hatten, finden sich auf der Master Liste für diesen Blog oder haben sich in guter Erinnerung gehalten (etwa Rick Dangerous, das man mit etwas Phantasie durchaus als Vorläufer von Tomb Raider sehen könnte, Chuck Rock oder Jaguar XJ220). Doch ihr Magnum Opus, das Spiel, das sie in die Annalen der Videospielgeschichte eintragen (aber wohl auch ihr Fluch, der zum Untergang des Studios führen) sollte, war Tomb Raider. Erdacht wurde der Titel von Toby Gard, dem auch die Erfindung von Lara Croft zugeschrieben wird. Denn nein, der heutige Archetypus für eine starke, tapfere Heldin eines Videospiels war keineswegs immer so geplant.

Der erste Prototyp setzte noch auf eine männliche Figur, die – je nachdem, wen man fragt – aus verschiedenen Gründen im Laufe mehrerer Iterationen zu Lara wurde. Manche behaupten, man wollte sich mit diesem Schritt aus den unausweichlichen Vergleichen mit Indiana Jones befreien (was es ja fast schon zur Ironie macht, dass LucasArts später zwei Tomb Raider-Klone mit Indy brachte). Andere meinen, es hatte damit zu tun, dass sich das Gameplay eindeutig Richtung Puzzle und Stealth entwickelte, was eher einer weiblichen Figur entsprechen würde. Und Toby Gard selbst erklärte, es hatte damit zu tun, dass er einfach lieber einer weiblichen Figur stundenlang auf den Hintern starren würde als einem Mann. Vermuten wir, dass er das allerdings eher im Spaß sagte. Ernsthafter kann man hingegen wohl Aussagen betrachten, dass Lara ursprünglich eher kaltschnäuzig und militaristisch sein hätte sollen, man dann aber doch ihren Background als englische Lady etablierte, um ihr ein wenig Tiefgang zu verleihen.

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Auch wenn Lady Croft sicherlich im Endeffekt den Großteil der Aufmerksamkeit auf sich zog, muss man durchaus festhalten, dass Tomb Raider auch als Spiel punkten konnte. Vieles hatte dabei wohl auch damit zu tun, dass das Spiel einfach zum richtigen Zeitpunkt in den Handel kam: 3D-Grafik wurde mit dem Generationswechsel auf dem Konsolensektor (weg von den 16-Bit-Maschinen hin zur 3D-Generation PlayStation, Nintendo 64 und Sega Saturn) bzw. zu den 3D-Beschleunigern von 3DFX am PC-Sektor nicht nur machbar, sondern plötzlich auch salonfähig und vom Gamer gewünscht. Das ermöglichte viele neue Gameplaymöglichkeiten – von neuen Ideen über Versuche, alte 2D-Konzepte in die dritte Dimension zu holen. Tomb Raider gehört eher in die zweitere Kategorie, denn auch wenn es als einer der Archetypen des Action-Adventures gilt, steckt in ihm vor allem ein Plattformer, den man in die dritte Dimension geholt hat. Einen großen Teil des Spiels verbringt man immerhin damit, von einem Punkt zum anderen zu springen, sich an Vorsprüngen festzuhalten und gekonnt Abgründe zu überwinden. Tomb Raider war zwar sicherlich nicht das erste Spiel, das das versuchte (immerhin erschien z.B. Super Mario 64 ein paar Monate zuvor), aber es schaffte es gekonnt, jene Elemente, die Prince of Persia einst groß gemacht hatten, in die dritte Dimension zu holen und dadurch dem Erkunden von Ruinen und alten Höhlensystemen durch die Third-Person-Sicht eine ganz neue, für damalige Zeiten ungewöhnliche Atmosphäre zu verpassen. Den Titel Action-Adventure verdient es sich aber natürlich auch: Auf dem Weg durch die Levels gilt es, etliche Puzzles zu lösen, die einerseits Gründe für Umwege sind, andererseits aber natürlich auch erst das Voranschreiten ermöglichen. Und Action gibt es auch genug – immer wieder gibt es Gründe für Lara, ihre Waffen zu zücken und auf Gegner (meist sind es in diesem Teil Tiere) zu richten. Die Balance lag aber dabei definitiv bei den Puzzles und dem Springen. Mir kam das durchaus entgegen.

Damit sind wir auch schon bei meinen ganz persönlichen Erinnerungen an Tomb Raider – und damit eigentlich gleich zu einer Gedächtnislücke: Ich kann euch beim besten Willen nicht mehr sagen, wann oder warum ich mir das Spiel genau gekauft habe. Worüber ich klare Aussagen machen kann, ist hingegen die Plattform: Wie treue Leser bereits wissen, war ich zum Releasezeitpunkt in Sachen Konsolen zwei Generationen zurück, sodass Tomb Raider irgendwann, vermutlich gar nicht so knapp nach dem Release, auf meinem PC Einzug halten durfte. Nein, 3D-Beschleuniger hatte ich keinen, aber es ging auch so. Diese Plattform-Entscheidung halte ich bis heute aus zwei Gründen für einen ganz besonderen Glücksgriff: Erstens zog ich die Tastatursteuerung der per Gamepad vor (als ich mir Teil vier dann für die PlayStation zulegte, fiel mir die Steuerung per Pad tatsächlich so schwer, dass ich kaum das Tutorial beenden konnte – das Keyboard war für hier bei allem Mangel an analogem Input tatsächlich für mich präziser); zweitens erlaubte die PC-Fassung, immer und überall zu speichern, während das auf der Konsole nur an speziellen Speicherkristallen möglich war. Nein, ich bin nicht stolz darauf, aber ich denke kaum, dass ich Tomb Raider jemals beendet hätte, wäre es nicht möglich gewesen, vor jedem kniffligeren Sprung (und von denen gab es viele, wohl auch deshalb, weil es oft nicht mal klar war, wo es eigentlich genau weiterging) mal eben schnell abzuspeichern und nach einem Fehlsprung (was oft entweder „Tod“ oder „langen neuen Aufstieg“ bedeutete) einfach neu zu laden.

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Dabei ist allerdings festzuhalten, dass dieses blanke Platforming, der Kampf Lara (=ich) gegen die Levelgeometrie für mich der absolute Höhepunkt des Spiels war. Klar, manchmal (besonders erinnere ich mich hier an das erste Dinosaurierlevel, bei dem ich ewig nicht herausfand, wie ich weiterkommen konnte) war der Kampf auch ein Krampf, der fast verhindert hätte, dass ich mich durch die alte Stadt, den Untergrund von Rom und Ägypten nach Atlantis vorgekämpft hätte – aber die meiste Zeit hatte ich meinen Heidenspaß dabei, mir den Weg durch die Level zu bahnen. Die Puzzles waren eine nette Draufgabe, auch wenn sie oft ja nur aus Einsammeln und Einsetzen an der richtigen Stelle bestanden, doch passten sie (meistens) zum Spiel und zur Atmosphäre, die die Levels ausstrahlten. Apropos Atmosphäre: Ein Highlight des Spiels war für mich der Soundtrack – oder besser gesagt der großräumige Verzicht darauf. Klar gab es dramatische Musik, wo sie der Dramaturgie diente. Aber oft gab es eben gar keine Musik – und wer schon Spiele oder auch Filme ohne Soundtrack gesehen hat, weiß, dass dann oft die Umgebungsgeräusche umso prägnanter sind. Lara und ich waren hier wirklich alleine in den finsteren Ruinen. Und das ließ mich das Spiel selten vergessen. Das, was ich wohl am wenigsten am Spiel schätzte, waren hingegen die Kampfeinlagen. Gut, kleinere Gegner, wie die bisweilen omnipräsenten Fledermäuse, waren jetzt nicht das Problem, und selbst die Bosse waren nicht unlösbar schwer. Dennoch war es einfach das, was ich am wenigsten gern in diesem Spiel tat.

Vermutlich ist das auch einer der Gründe, warum ich Tomb Raider bis heute vermisse. Je bekannter die Serie wurde, umso mehr verschob sich der Fokus hin zur Action und weg vom einsamen Erkunden von Ruinen. Das war schon in Teil zwei spürbar und kulminierte im berüchtigten Angel of Darkness, bevor man sich wieder auf die Wurzeln zurückbesann (dann aber schon unter der Leitung von Crystal Dynamics, die die Serie nach AoD übernahmen) und dem Erkunden und Erforschen wieder mehr Raum zugestand. Das würde uns aber schon zum Remake des ersten Teils namens Tomb Raider. Anniversary führen, das die Handlung um ein paar Details erweiterte, um es zum Teil einer Trilogie mit Tomb Raider: Legend (erschienen vor Anniversary) und Underworld (das danach in den Handel kam) zu machen.

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Der Fokus auf Erforschen, Plattforming und Action macht für mich den ersten Teil ebenso unvergesslich, wie die Tatsache, dass er der Videospielwelt Lara Croft brachte. Und ich rede hier nicht von den pubertären Fantasien, die sich so mancher per Nude Raider-Patch machte. Lara eroberte nicht nur Spielekenner, sondern auch die Popkultur im Sturm und ist heute eine feste Größe, von der auch Nicht-Zocker schon mal gehört haben. All dieser Ruhm hätte sich allerdings wohl kaum aufgebaut (oder auf Dauer gereicht) wäre nicht das Spiel dahinter äußerst solide gewesen. Ja, es war oft nicht leicht, die Levels waren groß, die Sprünge bisweilen echt knifflig. Tomb Raider war nicht das erste 3D-Action-Adventure, aber es war ein wichtiger Titel, um dem Genre den Durchbruch zu ermöglichen – und alleine schon dafür sollte man es nicht vergessen, auch wenn es wie die meisten frühen 3D-Spiele schlecht gealtert ist. Oh, und zum Abschluss eine ganz persönliche Erinnerung: Die oft sehr dunklen Levels bewegten mich dazu, mir von meinen Eltern für die Dachflächenfenster in meinem Zimmer endlich lichtdichte Rollos zu wünschen, damit ich nicht dauernd mit Reflektionen von Sonnenlicht auf meinem Monitor spielen musste. Ich habe mich damit durchgesetzt – sie allerdings recht spät bekommen An dem Tag, an dem sie montiert wurden, rutschte ich die berühmte Rampe in Atlantis hinab, die das Ende des Spiels symbolisierte … naja, so war ich wenigstens für Teil zwei vorbereitet.

Florian Scherz

Bereits früh entwickelte Florian zwei große Leidenschaften: Videospiele und Theater. Ersteres brachte ihn zu einem Informatikstudium und zu Jobs bei consol.MEDIA und Cliffhanger Productions; zweiteres lässt ihn heute (unter anderem) als Schauspieler, Regisseur, Komponist und Lichtdesigner arbeiten. Wenn er gerade keine Musicals inszeniert, spielt oder schreibt, vermisst er auf Shock2 Videospiele von anno dazumal in seiner Blog-Reihe "Spiele, die ich vermisse".

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