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Spiele, die ich vermisse #79: Star Wars: TIE-Fighter (in memoriam Aaron Allston)

Manche Meldungen verlangen sofortige Reaktionen: Gerade als ich an den ersten Absätzen der neuen Ausgabe (zu einem etwas anderen Thema, aber passend zu den Ereignissen der Woche) tippte, flatterte mir via Facebook und Twitter entgegen, dass Aaron Allston mit nur 53 Jahren von uns gegangen ist. Der Mann sagt euch nichts? Dann habt ihr euch vermutlich nicht so stark mit den Star Wars-Romanen beschäftigt wie ich: Er ist der Erfinder der Gespensterstaffel (AKA Wraith Squadron), das sozusagen das A-Team unter den X-Wing-Piloten und das geheime Gegenstück zum berühmten Rogue Squadron darstellt. Das Resultat war eine meiner Lieblingsbuchserien des gesamten Extended Universes, denn trotz der ernsten Situationen, in denen sich die Helden befanden, waren die Lösungen oft sehr schräg und der Weg dorthin von vielen Lachern meinerseits geprägt. Deshalb möchte ich mich in dieser Ausgabe einmal mehr ins Star Wars-Universum begeben und meine Erinnerungen an Weltraumschlachten in einer weit, weit entfernten Galaxis Aaron Allston widmen, der einige der besten Charaktere des EU erschaffen hat. Möge die Macht mir ihm sein!

Das hat aber noch nicht ganz beantwortet, welches Spiel ich heute vermissen werde, oder? Gut, dann beantworten wir das auch gleich: Natürlich ist die Gespensterstaffel eigentlich auf Seite der Republik unterwegs, aber ob der Tatsache, dass ich X-Wing schon abgearbeitet habe, in Verbindung mit dem Gerücht, dass der Bösewicht für Episode VII angeblich gefunden ist, und der Tatsache, dass gerade dieses Spiel einige Anknüpfungn am Extended Universe (allerdings nicht bei Allston) nahm, begebe ich mich dann doch diesmal auf die dunkle Seite des Imperiums und erinnere mich an den wohl besten Teil der X-Wing-Reihe – TIE-Fighter.

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Nach dem Erfolg von X-Wing war klar, dass ein Sequel zum Spiel nicht weit sein konnte. Tatsächlich setzte TIE-Fighter auch am Ende seines Vorgängers (wenn man die Datendisks mitrechnet) an: B-Wing hatte die Rebellen nach Hoth gebracht, TIE-Fighter begann nach der Schlacht auf dem Eisplaneten, reichte aber vorerst nicht in die Ereignisse von Episode VI herein (das änderte sich durch die Bonusmissionen, die Teil der Collector’s CD-ROM waren – diese endeten quasi parallel zur Schlacht um Endor. Dazu aber später mehr).

Einmal mehr übernahmen Lawrence Holland und Edward Kilham das Ruder des Projekts und zogen aus dem abartig schweren Vorgänger dabei etliche Lehren: Vorbei waren die Tage, in denen ein Pilot, der abgeschossen wurde, unwiederbringlich tot oder gefangengenommen war (wenn er nicht Glück hatte und gerettet wurde). Vorbei waren aber auch jene Zeiten, in denen die Missionen auf einem „Alles oder Nichts“-Prinzip aufgebaut waren: In X-Wing musste man alle Missionsziele erreichen oder sein Scheitern eingestehen. TIE-Fighter hingegen bot (meistens) drei Arten von Zielen an: Jene Aufträge, die direkt von einem Offizier kamen, waren die Primäraufgaben, die unbedingt erledigt werden mussten, da man sonst die Mission wiederholen musste (Verzweigungen a la Wing Commander gab es noch immer nicht). Eine mysteriöse Figur gab euch hingegen oft optionale geheime Ziele, die euch in der Secret Order aufsteigen ließen, wenn ihr sie erfüllen konntet – gelang euch das nicht, konntet ihr aber dennoch zur nächsten Mission weiter gehen. Und dann gab es da noch die Bonusziele, die der Spieler innerhalb der Mission selbst entdecken musste – wenn nicht, gab es eben keine Auszeichnungen und Punkte dafür.

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Die größte Änderung zwischen X-Wing und TIE-Fighter war aber natürlich euer Seitenwechsel. Diesmal hieß es nicht Platz in einem X-, Y-, A- oder B-Wing nehmen, sondern auf sie Jagd machen. Euer Fuhrpark wuchs dabei beachtlich an, denn die Anzahl der Raumschiffe, in denen ihr Platz nehmen konntet, wurde (wenn man die X-Wing-Datendisks, die den B-Wing brachte, mitrechnet) fast verdoppelt. Zu Beginn eurer Karriere nahmt ihr vor allem in TIE-Fightern (durchschnittlich schnell und wendig und sozusagen „Allzweck-Fighter“), TIE-Bombern (behäbig, aber mit jeder Menge Lenkwaffen ausgestattet) und TIE-Interceptoren (schnell und wendig) Platz, die allesamt allerdings einen ordentlichen Schönheitsfehler haben – sie besitzen keine Schutzschilde, sodass zwei, drei Treffer  euch in diesen fliegenden Todesmaschinen zum Feuerball werden lassen. In diesen Einsätzen seid ihr aber oft Teil eines größeren Geschwaders, was diesen Nachteil durchaus ausgleichen kann.

Diesen Nachteil haben spätere Raumjäger nicht: Das Assault Gunboat kannte man schon aus X-Wing und war mit Schutzschilden, Hyperdrive und jeder Menge Lenkwaffen (und Ionenkanonen) ausgestattet, allerdings ein wenig schwerfällig. Der TIE Advanced war quasi die Weiterentwicklung von Darth Vaders Raumjäger aus Episode IV und erinnerte an einen Interceptor mit Schutzschilden. Sehr spät im Spiel folgt der übermächtige TIE-Defender, der ein sehr fortschrittlicher Raumjäger ist und es durchaus mit mehreren Gegnern aufnehmen kann, sowie in den Datendisks das Missile Boat, eine Weiterentwicklung des Assault Gunboats.

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Zu den neuen Jägern kamen auch neue Waffen, die die Missionsmöglichkeiten des Vorgängers stark erweiterten. Klar, Laserkanonen für Dogfights, Ionenkanonen, die ein Schiff nur lahmlegten, aber nicht zerstörten, und Protonentorpedos sowie Concussion Missiles kannte man schon. Jetzt gab es aber gerade für die Bomber und sonstige Lenkwaffenschiffe eine relativ große Auswahl an Möglichkeiten, die sich in Potenz, aber natürlich auch Geschwindig- und Wendigkeit stark unterschieden. Außerdem gab es Traktor- und Jammingstrahlen, die in speziellen Einsätzen verwendet werden konnten. Auf der Gegenseite gab es dagegen eine verbesserte KI, die euch das Leben durchaus schwer machen konnte. Deshalb gab es diesmal auch Schwierigkeitsgrade und – nicht zuletzt – die Möglichkeit, Cheats zu aktivieren. Gut, die gab es bei X-Wing auch schon, aber wer dort die Unverwundbarkeit oder unendlich Munition aktivierte, hatte damals die Mission offiziell nicht beendet. Hier gab es „nur“ einen heftigen Punkteabzug.

Ein Problem bei vielen Spielen, bei denen man auf Seiten der Bösen spielte (ich spreche hier nicht von Dungeon Keeper und Konsorten, bei denen ja die Bösen irgendwie dann doch immer die Sympathieträger waren), war oft, dass man diese Fraktion gar nicht so richtig unterstützen wollte. TIE-Fighter gelang es allerdings recht geschickt, diesem Problem auszuweichen. Die Gegner waren nämlich gar nicht so oft die Rebellenallianz (obwohl es hier genügend Einsätze gab), sondern sehr oft Piraten oder abtrünnige imperiale Truppen, wobei insbesondere Großadmiral Demetrius Zaarin die Rolle des Oberbösewichts einnahm. Damit entfernte sich TIE-Fighter natürlich weit von dem, was wir in den Filmen kennen – während X-Wing mit Ereignissen wie der Frage, wie die Pläne des Todessterns auf die Tantive IV kamen oder dem Angriff auf den Todesstern beschäftigte (sich aber dazwischen natürlich meilenweit von den Filmen entfernte), streift TIE-Fighter die Ereignisse von Episode V und VI nur am Rand und machte damit Platz für eine der bekanntesten Figuren des Extended Universe: Thrawn.

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Wer Großadmiral Thrawn nicht kennt, hat wohl nie die Bücher von Timothy Zahn gelesen, mit denen der Aufstieg des Extended Universe überhaupt erst begann – und sollte das unbedingt nachholen, denn der charismatische Anführer des Imperiums ist eine genial geschriebene Persönlichkeit abseits von den typischen Schwarz/Weiß-Klischees – hin und wieder hätte ich ihm fast gewünscht, den Sieg über die neue Republik davon zu tragen. TIE-Fighter spielt aber natürlich deutlich vor Erben des Imperiums (dem ersten Buch der Thrawn-Trilogie), sodass wir es hier zwar schon mit einem brillanten Analysten und Anführer zu tun haben, der aber (wohl auch aufgrund der Tatsache, dass er kein Mensch ist, sondern ein Chiss) noch den Rang eines Vizeadmirals bekleidet. Wie er zum Großadmiral wurde wird in TIE-Fighter ebenso beantwortet wie die Frage, warum ausgerechnet er, der die Schlacht von Endor vielleicht auch nach dem Ableben des Imperators und der Zerstörung des zweiten Todessterns noch wenden hätte können, nicht anwesend war. In den Genuss letzterer Erklärung kamen allerdings nur jene, die auch die Collector’s CD-ROM kauften, denn während die erste Datendisk normal in den Handel kam, waren die zweite Erweiterung nur im Gesamtpaket erhältlich.

Dass ich TIE-Fighter spielen musste, war mir vom Zeitpunkt der Ankündigung des Spiels klar. Zu diesem Zeitpunkt war ich schon total versessen auf X-Wing und TIE-Fighter musste als Sequel einfach den Weg auf meine Festplatte finden. Tatsächlich habe ich mir das Spiel allerdings eine ganze Weile lang nicht gekauft, sondern mir von einem Videospielgeschäft, wo das möglich war, ausgeliehen. (Dass das gerade auf dem PC, wo man damals ja noch von Disks installierte und die Datenträger nicht mehr benötigte, ein seltsames Konzept war, steht auf einem anderen Blatt – immerhin blieb das Spiel ja lauffähig, selbst als man die Disks zurückgebracht hatte). Und vom ersten Ton der Star Wars-Overtüre, die diesmal nach den ersten Takten in den Imperial March umschwenkte, war ich gebannt, und spätestens nach dem ersten Auftritt von Thrawn im Intro gefesselt. Immerhin hatte ich zu diesem Zeitpunkt die Bücher mit ihm bereits mehrfach verschlungen (tatsächlich würden sie mich noch eine ganze Weile begleiten – sie waren tatsächlich auf der Literaturliste meines Englisch-Matura-Spezialgebiets).

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Der erste „Schock“, dass ich auf der imperialen Seite kämpfen musste, blieb in den vielen Verbesserungen hängen: Kein Sichern von Piloten nach jeder Mission mehr! Fairere Missionen! Und auch die verbesserte Grafik (die Modelle der Raumschiffe waren nicht mehr nur per Flatshading (einer fixen Farbe pro Polygon), sondern dank Gouraud-Shading diesmal verlaufend „bemalt“ – bis zu Texturen dauerte es allerdings noch bis zum Sequel. Allerdings gibt es von TIE Fighter (wie auch schon von X-Wing) eine spätere Neuauflage mit der X-Wing vs. TIE Fighter-Engine. Auch dass die Missionen nun deutlich komplexer waren, kam bei mir gut an – und der Ehrgeiz, zumindest die Sekundärziele zu absolvieren und in der Order of the Emperor aufzusteigen, hatte mich schon bald gepackt.

Weniger glücklich war ich hingegen mit den fliegenden Kisten, in denen ich zu Beginn meiner Karriere fliegen musste. Hatte man in X-Wing noch das Gefühl, dass das Leben der Piloten etwas wert ist, waren die TIE-Fighter, -Bomber und –Interceptoren Wegwerfprodukte (egal, wer drinnen saß). Das lag vor allem an den fehlenden Schutzschilden, was schon kleinere Fehler oder kurze Unaufmerksamkeiten (vor allem, wenn der Gegner Lenkwaffen einsetzte) schwer bestrafte. Außerdem sorgte es dafür, dass die Energieverteilung zwischen Laserwaffen, Antrieb und Schilden gar nicht mehr so wichtig war. Natürlich gab sich das mit der Zeit, wenn man auf die besseren Raumschiffe zurückgreifen konnte – da hatte man tatsächlich das Gefühl, in den Rängen aufzusteigen und ein bekannter Pilot zu werden (und es half natürlich der Lernkurve, dass man sich erst dann mit den Schilden beschäftigen musste).

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Inklusive aller Datendisks umfasste TIE-Fighter übrigens insgesamt 13 Kampagnen (zum Vergleich: X-Wing hatte am Ende fünf) – was allerdings jetzt nicht zu sehr auf den Umfang schließen lassen sollte. Diese umfassten nämlich nur vier bis sechs Missionen (in den Datendisks dann sieben bis acht) im Vergleich zu den zwölf bis vierzehn pro Kampagne in X-Wing (und 20 in den Datendisks). Der Vorteil dieser Struktur lag darin, dass man als Spieler leichter Hänger vermeiden konnte. Es standen nämlich meist mehrere Kampagnen gleichzeitig zur Verfügung, sodass man, wenn man an einer Mission verzweifelte, einfach Kampagne wechseln konnte. Dass das aufgrund des gesenkten Schwierigkeitsgrades gar nicht mehr so nötig war, steht allerdings auf einem anderen Blatt. Abgerundet wurde das Paket mit den üblichen Trainingsmissionen (diesmal wurde durch ein Tunnelsystem geflogen) sowie Simulatormissionen.

Also, warum vermisse ich TIE-Fighter? Weil ich Raumkampfsimulatoren generell sehr vermisse und TIE-Fighter trotz des ersten Vorbehaltes, auf der falschen Seite zu kämpfen, die Krone der X-Wing-Saga (und zumindest bei mir auch des gesamten Genres) ist. Weil TIE-Fighter mir die Gelegenheit gab, Thrawn besser kennenzulernen und Raumjäger von innen kennenzulernen, auf die ich sonst eher schoss. Und nicht zuletzt: X-Wing hatte das Universum geöffnet, aber TIE-Fighter war eine konsequente Weiterentwicklung, bei der das, was gut war, übernommen wurde, aber man sich nicht scheute, das, was nicht funktionierte, abzumildern oder zu verändern. Und so bleibt TIE-Fighter für mich auch heute noch die Krone meiner X-Wing-Sammlung – knapp vor X-Wing Alliance und X-Wing (und mit deutlichem Abstand zu X-Wing vs. TIE-Fighter). Und selbst jetzt, zwanzig Jahre später, gebe ich die Hoffnung nicht auf, eines Tages wieder die taktischen Gefechte der Reihe in neuer, frischer Form zu erleben – oder, dass ein Neurelease der Saga die alten Klassiker auf moderne Rechner bringt.

Florian Scherz

Bereits früh entwickelte Florian zwei große Leidenschaften: Videospiele und Theater. Ersteres brachte ihn zu einem Informatikstudium und zu Jobs bei consol.MEDIA und Cliffhanger Productions; zweiteres lässt ihn heute (unter anderem) als Schauspieler, Regisseur, Komponist und Lichtdesigner arbeiten. Wenn er gerade keine Musicals inszeniert, spielt oder schreibt, vermisst er auf Shock2 Videospiele von anno dazumal in seiner Blog-Reihe "Spiele, die ich vermisse".

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