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Special: Battlefield 5 – Virtuelle Kriegsspiele

Call of Duty lässt den Singleplayer dieses Jahr aus, Battlefield 5 dagegen leistet sich mit seiner Solo-Kampagne einen Hauch von Kriegskritik: Aber geht die auch weit genug?

„Krieg bleibt immer gleich!“ tönt es am Anfang von Bethesdas Online-Trauma Fallout 76 aus den Boxen – und „Der Krieg sollte alles zutage fördern, wozu der Mensch imstande ist“ während der ersten Minuten von Battlefield 5. Inzwischen sind wir damit beschäftigt, im Eilverfahren zu sterben und einen Soldaten nach dem anderen zu „verschleißen“, in deren Schicksale uns das Programm kurze Einblick gewährt. Um uns auf diese Weise zu vermitteln, dass Krieg im echten Leben so gar kein Spaß ist. Und man nach einem Kopfschuss im Schützengraben nicht wieder aufsteht, um ein weiteres Mal kräftig durchzuladen.

Weltkriegs- und Nazi-Kritik made in Germany: „Through the Darkes of Times“ von Paintbucket lässt Euch eine Widerstandsgruppe spielen

Auch im abermals als Kurzgeschichten-Sammlung präsentierten Einzelspieler-Modus bürstet EA DICE seinen Shooter auf Kriegs-Kritik und erzählerischen Anspruch. Erzählt in filmisch aufgezogenen Filmchen und zu dramatischen Klängen, wie die Protagonisten in den Sog des Konflikts geraten. Dabei versucht man sogar, eingefahrene Rollen-Klischees wie das des grundsätzlich bösen Nazis halbwegs aufzuweichen – lobenswert. Schade nur, dass man nach Abbruch des Intro-Schnickschnacks sofort zum üblichen Action-Programm übergeht: Das vermeintliche Anti-Kriegsspiel wird wieder zur Schießbude für die Massen – denn Anti-Krieg verkauft sich nicht so gut wie Krieg. Nur sind hochtrabende Einleitungsworte allein noch lange nichts, was die anschließend ausgeführten Bildschirmmorde rechtfertigen könnte. Oder müsste. Schließlich hat der Gamer jederzeit die Wahl, ein Spiel nicht zu starten, nicht zu kaufen – oder sich einfach friedfertig über den Haufen schießen zu lassen. „Peace! Und jetzt erschieß mich endlich, Spiele-Nazi!“
Als Gamer hat man sich in dem Moment, in dem man ein Battlefield, ein Call of Duty oder ein Fallout kaufte, bereits dafür entschieden, zum gewissenlosen Pixel-Killer zu werden. Ein pseudo-pazifistisches Alibi-Intro ändert daran nichts – und ist ungefähr genauso sinnvoll wie der Vorspann- oder Verpackungs-Text eines 30 Jahre alten Horizontal-Shooters, der uns pathetisch erklären will, warum wir gleich Stakkato-artig den Baller-Button malträtieren. Und übrigens: Bei „Mario“ und „Zelda“ hopse ich Mini-Monster platt, um eine Prinzessin zu befreien. Interessiert mich das? Nö, denn in solchen Spielen ist der Weg das Ziel.

Der „Battlefield 5“-Singleplayer ist vor allem Spielvorbereitung auf den Mehrspieler-Modus

Bitte nicht falsch verstehen: Weder möchte ich hier den Part des Kriegsspiel-Anklägers übernehmen noch glaube ich, dass die Auseinandersetzung auf einem Multiplayer-Schlachtfeld so etwas züchten würden wie bereitwillige Massenmörder oder eine Pro-Warfare-Mentalität. Ein „Battlefield “ ist ebensowenig ein Kriegstreiber wie ein Call of Duty, für das sich Hersteller Activision in diesem Jahr gleich ganz vom gewohnten Singleplayer-Spektakel verabschiedet hat.
Auch ich schätze ein gepflegtes Bildschirm-Massaker. Und habe im Laufe von 35 Jahren Gamer-Karriere bzw. 25 Jahren Spiele-Branche vermutlich mehr digitales Dasein ausgelöscht als in der gesamten Erdgeschichte Lebewesen gestorben sind – ohne jede Reue oder dabei auch nur eine Träne für die Gefallenen und ihre Hinterbliebenen zu vergießen. Denn Spiel ist Spiel und muss auch Spiel bleiben. Ja, „Krieg bleibt immer gleich“ – aber ein Spiel ist eben kein Krieg. Wenn ich in Battlefield 5 durch schlammverspritzte Gräben robbe und gezielte Todesschüsse verteile, um mein Team zu verteidigen, dann ist das für mich ähnlich emotional wie ein geplätteter Gumba in Super Mario Bros.. Es geht um den gelebten Spielmechanismus – und wo dieser Mechanismus dominiert, tritt in die Gefühlsebene in den Hintergrund. Ich schlage kein Lebewesen, sondern einen Spielmechanismus. Oder messe meine spielerische Kompetenz an der eines anderen Gamers.

Spielen im Story-Modus von „Battlefield 5“ zumindest vordergründig eine wichtige Rolle: starke Frauen

Trotzdem ist der weitgehend unreflektierte „Dienst“ an der virtuellen Waffe gerade in solchen Spielen bedenklich, die realitätsnahe oder sogar historische Konflikte behandeln. Wie gering das Bewusstsein dafür geworden ist, wie leicht aus vermeintlich harmlosen Konflikten Flächenbrände und am Ende sogar Kriege entstehen können, zeigen die aktuellen Debatten und die gesamte weltpolitische Lage. Geschichtsvergessenheit macht sich breit. Und das ist gar kein Wunder – weigert sich das größte erzählerische Medium der Gegenwart (ja, ich rede von Spielen) immer noch hartnäckig, diejenigen Werte und Gedanken zu vermitteln, für die mal ältere Medien wie Bücher und Filme zuständig waren. Spiele weigern sich, die Verantwortung zu übernehmen, die Film, Fernsehen & Co. nicht mehr übernehmen können, weil ihre einstigen Zuschauer heute in Battlefield 5 mit Panzern durch die Pampa rollen, in PUBG Granaten zünden, bei Fortnite Kopfschüsse verteilen oder im Zombie-Modus von „Black Ops 4“ die Untoten zu Gammelfleisch-Happen verarbeiten. Spiele und Serious-Games wie „Attentat 1942“ oder das für 2019 angekündigte „Through the Darkes of Times“ von der Berliner Indie-Schmiede „Paintbucket“ bemühen sich zwar, mit cleverer Konflikt-Kritik diesen Job zu erledigen – aber zwischen dem lautstarken KAWUMM!!!! und Kettenrasseln der AAA-Geschütze haben sie mit ihrem selbst auferlegten Aufklärungs- und Erziehungs-Auftrag vergleichsweise geringe Chancen.

Erzählerisches Drama bietet die „Battlefield 5“-Kampagne nur Videosequenzen

Nein, Spiele sollen nicht zum Spielverderber werden – aber wenn sie als Medium erwachsen und wirklich ernstgenommen werden möchten, dann müssen gerade die großen „Erzähl-Fabriken“ wie Electronic Arts oder Activision endlich daran arbeiten, einen Spagat hinzubekommen, für den sie bisher höchstens mal zur vorsichtigen Dehnübung übergegangen sind. Ihr Auftrag muss es sein, dem Gamer nicht nur ein spielerisches Regelwerk zu vermitteln, sondern ihm auch noch zu erklären, warum er es anwendet. Und gegebenenfalls sollten sie ihm zumindest hin und wieder die Freiheit geben, sich anders zu entscheiden.
Selbstverständlich kauft niemand ein „Battlefield“, um einfach untätig auf dem „Feld der Ehre“ stehen zu bleiben und darauf zu warten, dass man ihn um mäht. Vor allem im Multiplayer-Modus nicht. Derart betrachtet hat sich Activision in diesem Jahr clever aus der Verantwortungs-Affäre gezogen, während EA DICE an seinem Singleplayer-Bestreben scheitert, der Kampagne einen Schuss Kriegskritik zu injizieren, obwohl sie am Ende doch nur die übliche Kopfschuss-Kirmes bietet. Was umso bedauerlicher ist, da sich EA in diesem Jahr die große Chance geboten hätte, außer Konkurrenz die Rolle des Erzählers zu übernehmen, während den Gamern bei der Konkurrenz heißes Mehrspieler-Blei um die Ohren fliegt. Stattdessen bietet man nur ein Hand voller Miniatur- und Möchtergern-Kampagnen an, die wenig mehr sind als ein Gameplay-Tutorial für den Multiplayer-Mods. DAS ist die eigentliche Tragik der diesjährigen „Battlefield“-Episode. Noch vor allen Bugs oder dem diskussionswürdigen Umstand, dass EA ein Drittel des Spiels erst Wochen oder Monate nach Veröffentlichung nachreicht.

Immer noch wichtig, aber nicht mehr so übermächtig wie in anderen „Battlefield“-Teilen: Flugzeuge und andere Vehikel

Natürlich könnte ich jetzt anspruchsvolles Singleplayer-Kino wie „11-11: Memories Retold“ von den „Wallace & Gromit“-Machern Aardman als glorreiches Beispiel ins Feld führen. Um EA’s Shooter-Entwicklern mit klugschwätzerisch erhobenem Zeigefinger zu zeigen, wie man’s richtig macht. Das lasse ich aber ganz bewusst – denn trotz seiner teilweise cleveren Kriegs-Kritik ist die mit Ölgemälde-Filtern belegte Weltkriegs-Geschichte über weite Strecken ungefähr so spannend wie eine Familienpackung Valium… und als solches nur bedingt dafür geeignet, um einem Massen-Publikum genau die Sorte Problembewusstsein zu verabreichen, an dem es aktuell so sehr mangelt. „11-11“ trifft geistreiche Design-Entscheidungen, indem es zum Beispiel die Shooter-typische Bleipuste durch eine Kamera ersetzt, mit der Kriegs-Knipser Harry das Geschehen dokumentiert. Zunächst noch unschuldig und spielerisch – später voller Furcht und Trauer. Es setzt einem der beiden Protagonisten eine Linse vors Auge, die ihn für Gezeigte zunächst unempfindlich macht und es ihn nur bedingt als „real“ wahrnehmen lässt. Ein Schelm, der darin eine Analogie für das Verhältnis des Gamers zum virtuellen Konflikt sieht, von dem er durch die Mattscheibe getrennt ist.
Doch bei all seinen Bemühungen und klugen Stilmitteln ist ein „11-11“ vermutlich nicht das Kriegsspiel, das wir brauchen. Denn bereits beim Kinofilm waren es vor allem diejenigen Werke, die ein Millionenpublikum zum Nachdenken anregen konnten, die – abgesehen von ihrer kritischen Botschaft – auch gelungene Unterhaltungsfilme waren.

Kriegskritische Töne à la Aardman Animations: „11-11: Memories Retold“ ist kein Shooter, sondern ein ruhiges Erzählspiel. Leider wird der in einer Art Ölfarben-Grafik gehaltene Titel nicht genug Spieler erreichen.

Vielleicht braucht gelungene Kriegskritik sogar die Maschinengewehrsalven der Multiplayer-Schlachtfelder und die Herausforderung eines interaktiven Action-Films – aber was sie vor allem braucht, das ist Persönlichkeit. Figuren, um deren Schicksal wir uns sorgen. Opfer ebenso wie Täter, die vielleicht noch zum Opfer werden. Kurzum: Sie muss eine packende Geschichte erzählen! Die darf auch ruhig „over the top“ sein, solange sie uns die richtigen Werte vermittelt. Und Geschichte stilisierend portraitiert, ohne sie dabei zu entstellen oder zu verzerren.

Wo ist der interaktive Spielberg, der uns auf der einen Seite packende Action bietet, während er sie auf der anderen mit genau der richtigen Menge und Sorte an Gehalt anreichert? Wo ist die Shooter-Kampagne, die uns ebenso rührt wie unterhält und herausfordert? Und wo das VR-„Battlefield“, bei dem wir in unseren eigenen, heraushängenden Digi-Gedärmen wühlen, um sie uns dann kreischend vor die Linse zu halten? Wenn dieses Battlefield kommt, dann stürzen wir uns umso lieber in den Mehrspieler-Modus. Weil wir dann nicht mehr das Gefühl haben, einfach nur eine leere Hülse zu konsumieren, die jemand zwar gekonnt auf Erfolgsformel gebürstet, darüber aber leider den Inhalt vergessen hat.

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