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Review: Paper Mario: Die Legende vom Äonentor

Flach, aber nicht ohne Tiefgang

Eine Schatzsuche im Auftrag von Prinzessin Peach? Da kann Mario selbst dann nicht „Nein“ sagen, wenn die Reise nach Rohlingen führt, eine der finsteren Ecken des Pilzkönigreichs. Doch aus der einfachen Suche nach den sieben Sternjuwelen wird nichts – Prinzessin Peach ist verschwunden! Grund genug für Mario, ihre Spur aufzunehmen, neue Bekanntschaften zu schließen und neue Abenteuer zu erleben – und zwar flach wie ein Blatt Papier!

20 Jahre später

Fans der Paper-Mario-Reihe wissen: Die Legende vom Äonentor ist kein neues Spiel, sondern ein Klassiker. Erstmals erschien er vor zwanzig Jahren auf dem Gamecube und gilt als Höhepunkt der Rollenspiel-Paper-Mario-Teile (und bis heute für viele Fans der beste Teil der Serie), bevor die Reihe danach eine neue Richtung einschlug (siehe auch Kasten „Ein Exkurs: Die Geschichte von Paper Mario“). Umso größer ist natürlich die Vorfreude, dass Nintendo genau diesen Teil auf die Switch bringt, nachdem das Spiel lange Jahre nicht auf aktuellen Plattformen verfügbar war. Und wie immer stellen sich dabei vor allem zwei Fragen: Haben wir es mit einem simplen Port/Remaster oder gar mit einem waschechten Remake zu tun? Und: Kann ein altes Spiel heute noch genauso überzeugen wie damals? Lest weiter.

Ein Exkurs: Die Geschichte von Paper Mario

Die Paper Mario-Reihe hat eine durchwachsene Geschichte hinter sich: Für manche Spieler hat sie aufgrund der innovativen Titel zu Beginn der Reihe Legendenstatus. Und andere, die vor allem die letzten Einträge kennen, verstehen diese Einordnung nicht ganz, handelt es sich doch um solide, wenn auch nicht überragende Spiele. Der Grund dafür liegt in der Geschichte der Mario-Rollenspiele: Nach dem Release des eben erst als Remake neu veröffentlichten Super Mario RPG begann Nintendo (diesmal ohne Squaresoft) mit der Entwicklung eines Sequels, das schlussendlich mit neuem Grafikstil in Paper Mario umbenannt wurde und auf ähnliche Rollenspielmechaniken setzte. Diese Ausrichtung wurde auch für das Sequel Legende vom Äonentor beibehalten, bevor das Rollenspielgameplay im Laufe der weiteren Fortsetzungen mehr und mehr zurückgefahren und der Fokus mehr in Richtung Action-Adventure gelegt wurde. Nach und nach wurde auf eine ausgefeilte Story verzichtet, der Einsatz von neuen Figuren und Gegenden reduziert und in den Kämpfen mehr auf Puzzles denn auf klassische Rollenspielmechaniken gesetzt. Der Grund dafür war einerseits Feedback der Spieler, andererseits aber auch eine Abgrenzung von der Mario & Luigi-Reihe, die ebenfalls auf Super Mario RPG zurückgeht und diese Wurzeln beibehalten durfte. Viele Fans der ersten Stunde und auch die Presse sahen diesen Wechsel allerdings kritisch und kommentierten, dass das Gesamtpaket nicht mehr so richtig zusammenpasse. So gelten die beiden ersten Spiele der Reihe – und insbesondere Die Legende vom Äonentor – nach wie vor als der Höhepunkt der Serie, den spätere Titel nicht mehr erreichen konnten.

Lustig und ernst

Gleich zu Beginn des Spiels bemerken wir den serientypischen, aber dann doch speziellen Tonfall des Spiels: Kenner von Paper Mario wissen natürlich, dass sich diese Spiele nie völlig ernst nehmen, sondern im Gegenteil mit liebenswürdigen Details, witzigen Ideen, pointierten Dialogen und schrägen Situationen punkten. All das gibt es auch hier – insbesondere natürlich zahlreichen Anspielungen darauf, dass die Welt und die Charaktere aus Papier sind. Was aber Neulinge wohl überrascht, ist, dass das Setting auch seine düsteren Seiten hat: Rohlingen ist ein Ort des Verbrechens, wo am Hauptplatz gleich einmal ein Galgen steht und Mafia-ähnliche Organisationen das Sagen haben. Dennoch bleibt das Spiel leicht und durchaus kindertauglich (die USK vergibt sogar ein „ab 0“-Rating), auch wenn für ein Mario-Spiel bisweilen ernstere Themen Teil des Narrativs sind. Apropos Narrativ: Mario ist wie immer ein stummer Protagonist, der sich in expressiver Stummfilmmanier durch die Handlung gestikuliert. Die meisten anderen Figuren – inklusive Marios Bruder Luigi, der mit der Erzählung seiner eigenen Abenteuer eine leider nur zu lesende Storyline bekommt – plaudern hingegen lang und ausgiebig. Erwartet euch allerdings Nintendo-typisch keine Sprachausgabe. Es gibt untermalendes Gemurmel, aber vorgelesen wird euch keineswegs. Die Textmenge hätte man auch sicher kürzen können, aber gleichzeitig verstecken sich hier einige der besten Gags.

Von Ort zu Ort

Generell hält Paper Mario: Die Legende vom Äonentor das Tempo hoch und treibt euch von Location zu Location. Die einzelnen Orte, an denen die Sternensplitter versteckt sind, sind abwechslungsreich designed und stellen euch vor neue Herausforderungen und Rätselarten. Allerdings leiden sie alle mehr oder weniger an einem Problem, das schon das Original plagte: Backtracking. Die Hauptquests schicken euch ab und an mehrfach von einem Ende des aktuellen Abschnitts an die andere oder auch schon zwischen den größeren Bereichen hin- und her – die Nebenaufgaben sind manchmal noch schlimmer. Zwar gibt es im Laufe des Spiels ein paar Möglichkeiten, die Wegzeit zu verringern, aber dennoch bleibt das Gefühl, dass das Spiel etwas zu sehr gestreckt wurde – hier hätte man in der neuen Version gerne noch ein wenig mehr schrauben können, als man getan hat (leichte Verbesserungen gibt es nämlich durchaus), um das damals durchaus übliche Design zu aktualisieren. Die Rückkehr in alte Abschnitte erlaubt es euch aber auch, eure ständig wachsenden Fähigkeiten, mit denen ihr verflucht werdet, sowie die Möglichkeiten eurer Begleiterschar auszunutzen, um neue Geheimnisse zu entdecken.

Bühnenfechten

Der jeweils aktuelle Begleiter steht auch im Gefecht an eurer Seite. Sobald ihr einen Gegner berührt (oder ihn vorab attackiert oder im schlimmsten Fall von seinen Angriffen im Feld getroffen werdet) wechselt ihr in eine eigene Kampfarena, die als papierenes Theater gestaltet ist. Der Kampf an sich ist rundenbasiert und lässt eure zwei Helden jeweils eine Aktion ausführen, bevor die Gegner dran sind. Doch hinter diesem klassischen JRPG-Feeling verbirgt sich auch ein wenig die Mario-RPG-Formel: Gut getimter Button-Einsatz oder perfekt abgestimmte Analogstick-Bewegungen verstärken eure Angriffe oder mindern euren Schaden, während mit Blumenpunkten (ein gemeinsamer Pool für alle Charaktere) gelernte Spezialangriffe ausgeführt werden und Sternenpunkte weitere Aktionsmöglichkeiten liefern. Damit ihr letztere einsetzen könnt, müsst ihr allerdings das Publikum von euch überzeugen – denn ja, der Kampf in einem Theater bedeutet, dass in den Sitzreihen allerhand Schaulustige sitzen und einen ordentlichen Kampf sehen wollen. Führt ihr eure Attacken gut aus oder wehrt ihr euch erfolgreich, schenken euch die Zuseher Sternenergie; verpatzt ihr eure Aktionen, werden sie hingegen aufstehen und gehen. Ab und an versteckt sich aber auch ein ungebetener Gast auf den Sitzplätzen – hier heißt es im richtigen Moment seine Angriffe stoppen, bevor er unerwünschte Items auf die Bühne wirft. Gemeinsam mit den Eigenheiten der Gegner (nicht jeder Feind lässt sich mit jedem Angriff ausschalten – ein Sprung auf einen Gumba mit Stachelhelm ist z.B. keine gute Idee), den Orden, die bisweilen nur Sounds anpassen, teilweise aber auch wirklich nützliche Fähigkeiten freischalten, sowie den diversen Skills eurer Gefährten ergibt sich ein interessanter, wenn auch vielleicht auf Dauer nicht ganz so abwechslungsreicher und leider auch selten herausfordernder Mix. Denn ja, für das gesamte Spiel gilt: Der Schwierigkeitsgrad ist für Hardcore-Spieler sicherlich zu einfach geraten. Das wird Kenner der Reihe aber auch nicht verwundern – hier stand immer schon das Narrativ eher im Vordergrund -, dennoch muss erwähnt werden, dass die neue Version einige Schwierigkeitsspitzen abgeschliffen hat, dadurch aber nun generell euch nur selten vor echte Probleme stellt.

Viel Licht, wenig Schatten

Bis zu diesem Punkt werden Kenner des Originals wohl vor allem wissend nicken – und sich langsam die Frage stellen: „Wurde denn überhaupt etwas am Spiel verändert?“. Die Antwort darauf ist „ja, aber eher behutsam“. Natürlich wurden Optik und Sound des Spiels aufgebohrt; das Update behält den Charme des Originals bei, macht aber gleichzeitig den Titel zum vielleicht schönsten und am besten klingenden Paper Mario-Spiel. Wermutstropfen dabei? Lief das Original noch mit 60 Frames pro Sekunde, wurde die Bildwiederholungsrate für die Switch halbiert. Dort läuft sie zwar (meistens) stabil und aufgrund der Tatsache, dass wir es hier nicht mit einem schnellen Actionspiel zu tun haben, sind 30 FPS auch akzeptabel, dennoch muss es erwähnt werden. Abgesehen vom Präsentationsupdate gibt es einige Komfortfeatures: Das schon erwähnte Backtracking wurde mit ein paar Abkürzungen erträglicher gemacht, es gibt Hinweise, wenn ihr nicht weiterwisst, der Wechsel zwischen euren Gefährten erfolgt nun deutlich schneller über ein Radialmenü, es gibt mehr Speicherpunkte und generell wurde – wie schon erwähnt – am Balancing gefeilt. Klingt nach wenig, zeigt aber auch, dass das Original schon ein gelungenes Spiel war, das in der neuen Version ein bisschen mehr an moderne Sensibilitäten angepasst wird, aber gleichzeitig seine Identität als ein zwanzig Jahre altes Spiel – inklusive damals üblicher Eigenheiten, die man heute nicht mehr so umsetzen würde – behalten darf.

Fazit

Wertung - 8.5

8.5

Paper Mario, wie es sein soll!

Fragt man Fans der Paper Mario-Reihe, was bei den letzten Teilen der Serie falsch lief, verweisen diese gerne auf Die Legende vom Äonentor als Beispiel für alles, was Paper Mario bieten kann: eine witzige Geschichte, schräge Charaktere, echte Rollenspielmechaniken, Tiefgang für unerwartete Charaktere, aber auch großer Humor. Zwanzig Jahre später stellt sich die Frage: Kann das Spiel mit seinem Ruf noch immer mithalten? Ja, es kann – und wie! Natürlich ist nicht alles Gold was glänzt: Manche Designentscheidungen sind ganz klar dem Alter geschuldet und werden selbst durch die Überarbeitungen nur teilweise ausgeglichen, andererseits hätten größere Veränderungen wohl dem Charme des Spiels geschadet. Aber diese kleinen Schatten werden vom Strahlen des Klassikers im neuen Gewand klar überstrahlt. Die Legende vom Äonentor ist wohl der beste Teil der Paper Mario-Reihe – und es bleibt zu wünschen, dass Nintendo das auch einsieht und die Reihe wieder zurück zu ihren Wurzeln führt – immerhin wäre die „Mario in einem Rollenspiel“-Nische seit dem „Aus“ für Mario & Luigi aktuell unbesetzt …

Genre: Rollenspiel
Entwickler: Intelligent Systems
System: Switch
Erscheint: erhältlich
Preis: ca. 60 Euro

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Florian Scherz

Bereits früh entwickelte Florian zwei große Leidenschaften: Videospiele und Theater. Ersteres brachte ihn zu einem Informatikstudium und zu Jobs bei consol.MEDIA und Cliffhanger Productions; zweiteres lässt ihn heute (unter anderem) als Schauspieler, Regisseur, Komponist und Lichtdesigner arbeiten. Wenn er gerade keine Musicals inszeniert, spielt oder schreibt, vermisst er auf Shock2 Videospiele von anno dazumal in seiner Blog-Reihe "Spiele, die ich vermisse".

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