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Review: Thymesia

Bloodborne-Hommage, die weiß was sie tut

Wenn sich das kleine taiwanesische Entwickler-Team OverBorder Studio für ihr Erstlingswerk Thymesia gerade From Softwares überaus beliebtes Bloodborne als Vorlage nimmt, ist das Misstrauen schon einmal groß. Zu viele haben schon versucht auf die Soulsborne-Schiene aufzusteigen und sind kläglich gescheitert. Doch mit diesen in einen Topf geworfen zu werden, würde Thymesia mehr als Unrecht tun. Denn OverBorder demonstriert hier nicht nur eindrucksvoll, dass sie die Essenz der Soulsborne-Teile bis ins Herz verstanden hat, sondern bringt auch einige kreative neue Ideen mit, die den Titel klar von der Konkurrenz absetzen.

Thymian Amnesie?

Die Handlung von Thymesia dreht sich dabei um eine mysteriöse Gestalt namens Corvus, der als eine Art Pestdoktor in der von einer Pandemie zerrütteten Welt Hermes dank alchemistischer Behandlung gerade so dem Tod entgeht. Interessant dabei ist, dass sich der Großteil der Geschichte Corvus bereits ereignet hat und nun zusammen mit dem Alchemisten Aisemy versucht wird, die durch eine Amnesie entstandenen Erinnerungslücken zu füllen.

Assassin’s Creed lässt Grüßen

Der Spieler taucht somit in die Erinnerungen Corvus ein und versucht sich nicht durch ein Ableben “de-synchronisieren” und zum letzten stabilen Punkt (hier Leuchtfeuer genannt) zurücksetzen zu lassen. Eine ganz netten Art, das altbekannte Soulsborne-System ohne allzu große Logikfehler ins Spielgeschehen einzubauen, wenn auch nicht gerade Neuland für derartige Mechaniken.

Ich sollte die Pandemie stoppen, aber ich habs vergessen.

Corvus war damit beauftragt die Pandemie aufzuhalten, die nach und nach alle Menschen und Tiere von Hermes in den Wahnsinn treibt oder zu Monstern mutieren ließ. Die Geschichte der drei Areale die Corvus somit besuchen kann, wird hierbei viel über die Welt an sich, aber auch immer wieder durch angenehm kurz gehaltenen Nachrichten und Notizen erzählt und fügen sich so langsam zu einem stimmigen Gesamtbild zusammen.

Versteckte Räume, nicht ganz so versteckte Bedeutung

Die Areale selbst sind nicht nur deutlich von diversen Soulsborne-Titeln inspiriert, sondern derart liebevoll abgekupfert, dass sie oft geradezu direkt aus einem stammen könnten. Überall gibt es etwas zu finden, hinter jeden zweiten Ecke verbirgt sich ein geheimer Gang und die hier versteckten Wege führen stets zu neuen Gegnern, Zwischenbossen und reizvollen Fundstücken. Das sich so langsam zusammenbauende Gesamtbild des Geschehens ist dabei deutlich leichter verfolgbar als in den meisten Soulsborne-Titeln, und wer gut aufpasst, weiß zum Schluss ganz genau, welche seiner wählbaren Aktionen zu welchem Ende führen wird.

Ein zweiter Blick rentiert sich

Zwar sind die einzelnen Levels letztendlich trotzdem nur Netze aus Tunneln und Wegen, die alle zum selben Ziel in Form eines Bosskampfes führen, dafür haben sich die Entwickler aber für jedes Areal ein Set an Unteraufgaben ausgedacht, die dazu motivieren dasselbe Gebiet später erneut zu besuchen. Hier werden dann nämlich nicht nur neue Ziele gesetzt, sondern meist das ganze Level maßgeblich verändert. Auch neue Gegner und sogar neue Bosskämpfe und völlig neue Levelabschnitte werden so freigespielt, die beim ersten Durchlauf überhaupt noch nicht zugänglich waren.

Pandemie: Jetzt wird zurückgeschlagen

Das Highlight von Thymesia ist aber dennoch ohne Frage das Gameplay. Corvus bewegt sich rasend schnell und schlägt mit flotten Säbel- und Dolch-Kombos auf seine Gegner ein um diese zuerst mal mit Wunden zu spicken. Damit sich selbige anschließend nicht einfach wieder heilen, müssen sie jedoch nochmal mit einem deutlich langsameren Klauen-Angriff getroffen werden, der den Schaden dann sozusagen fixiert. Ein Fernkampf-Angriff per geworfener Energie-Feder hält die Gegner außerdem kurzzeitig vom regenerieren ab und kontert zusätzlich anders unblockbare Angriffe. Ist die Lebens- und die Wundleiste des Gegners erschöpft, darf dieser anschließend in einem schön in Szene gesetzten Manöver exekutiert werden.

Nette Waffe! Wäre eine Schande, wenn die jemand einfach kopieren würde…

Das ist aber erst die Basis des Ganzen und so kann Corvus per aufgeladenem Klauen-Angriff zusätzlich eine grüne Plagen-Version der Bewaffnung des Gegners für einen einzelnen Angriff kopieren. Dies gibt dem Spiel eine völlig neue Dynamik, da selbst Boss-Waffen somit kurzweilig gestohlen und gegen diesen selbst eingesetzt, sowie unterschiedliche Gegnertypen gegeneinander ausgespielt werden können.

Ich glaube ich behalt mir die jetzt

Die Waffen unterscheiden sich dabei maßgeblich und bringen völlig unterschiedliche Attacken mit sich, die je nach Spielstil gänzlich anders zum Einsatz gebracht werden können. Besiegte Gegnern, lassen außerdem mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit Splitter fallen, mit denen sich dessen Waffe in einer dauerhaft verwendbaren Version freispielen lässt (die wiederum an eine eigene Energie-Leiste gekoppelt ist). Sogar neue Angriffe und diverse Schadensboni dürfen mit den Splittern im Spielverlauf freigeschalten werden.

Nicht nur die Pandemie raubt Leben

Statt Anpassungsmöglichkeiten über Rüstungen und Waffen, bietet Thymesia außerdem einen wirklich ausgefeilten Fertigkeiten-Baum, bei dem jeder einzelne durch Level-Ups erspielte Punkt spielverändernde Auswirkungen haben kann. Corvus lernt so nicht nur völlig neue Angriffe und Fähigkeiten, sondern erhält zum Beispiel auch die Möglichkeit über Exekutionen Leben zurück zu gewinnen, verändert völlig die Art wie er pariert oder ausweicht oder verwandelt seine geworfenen Federn in einen Teleportations-Angriff.

Wenn ich mich recht erinnere, war ich doch mehr Nahkämpfer

All das kombiniert sich zu einem mitreißenden und, dank ordentlichem Wumms hinter sämtlichen Angriffen, mehr als befriedigendem Kampfsystem, das unter den Souls-likes wahrlich seinesgleichen sucht. Nachdem sich sämtliche der zu dutzenden Taktiken zusammenstellbaren Fertigkeiten auch jederzeit umverteilen lassen, ist es eine echte Freude sich immer wieder neu zu erfinden. Die Kämpfe bleiben dabei zwar stets knackigen, aber auch fair und vor allem gegen die spektakulären Bossgegner ist ein regelmäßiger Paradigmen-Wechsel von Vorteil. Diese reichen nämlich von agilen Humanoiden, bis hin zu Hochhaus-großen Monstern und müssen sich an Kreativität nicht vor ihren großen Vorbildern aus den From Software-Franchise verstecken.

 

Fazit:

Wertung: - 8.5

8.5

Pandemie: Bloodborne-Edition

OverBorder Studio ist hier wirklich etwas beeindruckendes gelungen. Von der ersten Gameplay-Sekunde an, habe ich Thymesia angemerkt, dass hier die Essenz von From Softwares-Designschule durch und durch verinnerlicht und verstanden wurde. Das Resultat ist eine mehr als liebevolle Hommage, die aber Dank des Plagen-Waffen Systems und dem rasend schnellen Gameplay genug eigenen Charm mit sich bringt, um über die etwa 10-stündige Kampagne durchwegs zu begeistern. Der Titel ist dabei zwar schwer, lässt Dank seiner vielfältigen Möglichkeiten Corvus auf den ganze persönlichen Spielstiel anzupassen, aber eine mehr als befriedigende Lernkurve zu, die mich gegen Ende des Spiels wie einen Wirbelwind durch ganze Gegnerhorden schnetzeln ließ, bis der nächste Boss mich wieder auf den Boden der Tatsachen zurück geholt hat. Da lässt es sich auch verzeihen, dass Corvus selbst leider optisch nicht veränderbar ist. Bloodborne-Fans, die sehnsüchtig auf eine Fortsetzung warten und alle, die nach der 500sten Stunde Elden Ring dann doch mal wieder etwas Abwechslung suchen, sollten hier definitiv einen Blick riskieren. Alle anderen können aber aufgrund der leichter zu durchschauenden Mechaniken und Geschichte, ebenfalls mal vorbei schauen und Thymesia als mögliche Soulsborne-Einstiegsdroge verwenden. Ein gewisses Frustpotential, ist aber trotzdem Pflichtausstattung.

Genre: Soulslike
Entwickler: OverBorder Studio
System: PC, PS5, Xbox Series S/X
Erscheint: 18. August 2022
Preis: ca. 30€

 

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