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Review: Helldivers 2

Das echte unechte Starship Troopers-Spiel

Ich schalte mein Stalwart Maschinengewehr auf 1150 Freiheiten pro Patriotismus und rasiere damit eine Schneise durch die wilden Horden wie ein Truthahn-Farmer an Thanksgiving. Statt Keulen fliegen mir aber widerwärtig zuckende Insekten-Teile um die Ohren, während mich Welle um Welle der alptraumartigen Riesenkäfer mit ihren platzenden Innereien gelbgrün lackieren. Doch als ein LKW-großer Behemoth meinen Kameraden mit einem herzhaften Tackle direkt über den Jordan befördert, bleibt mir nur noch mein Schlachtschiff zu bitten, den Bombenteppich auszurollen. Der Effekt ist verheerend und der sonst unaufhaltsame Chitin-Panzer wird in einer gigantischen Pilzwolke über seine anstürmenden Brutsgenossen verteilt. Leider war das Ganze wohl etwas zu effektiv und auch meine Gliedmaßen wurden im Namen der Demokratie in die Atmosphäre gepulvert. Das macht aber nichts, denn mein Nachfolger rast bereits mit Überschall-Geschwindigkeit in seinem Orbitalpod Richtung Kampfzone, um meinen Platz einzunehmen. Willkommen bei Helldivers 2.

For Super Earth!

Ja auch in der Fortsetzung gelingt es den schwedischen Koop-Virtuosen bei Arrowhead Game Studios (Gauntlet, Magicka) ohne offizielle Lizenz perfekt den überzogenen Humor und die Atmosphäre von Starship Troopers einzufangen. Von der ersten Sekunde an trotzt diese Karikatur einer überamerikanisierten Zukunftsvision also vor Sarkasmus und Satire und wie auch im ersten Teil wird bereits im Tutorial ein abgedrehter Höllenritt voller Gedärme, Explosionen und “Demokratie”-Verteilung eingestimmt.

Komm mal runter hier.

Allgemein muss gesagt werden, dass Helldivers 2 seinem Vorgänger extrem ähnelt. Geändert hat sich im Grunde nur ein essentielles Detail: Die Perspektive. Statt von oben herab zieht der Nachfolger seine Spieler nämlich mitten in die Action. Wahlweise in Schulter- oder Egoperspektive muss den furchteinflößenden Insektenhorden der Terminids oder den Terminator-artigen Automatons somit nun von Angesicht zu Angesicht entgegen getreten werden.

Vorn dabei, Semper Fi, HUAH!

Diese Änderung zieht natürlich weitreichende Folgenden mit sich. Denn egal ob der eigenen Helldiver gerade mit ordentlich Karacho aus dem Orbit in die nächste Planetenoberfläche gefeuert wird oder selber Kugeln verteilt wie ein Blei-gefüllter Gartensprenger, der “Hell Yeah”-Faktor wurde hier exponentiell gesteigert.

I’m doing my part!

Strukturell funktioniert das Ganze dabei erstmal wie gewohnt. Bis zu vier todesmutige Helldivers können sich auf einem Schlachtschiff zu einem Squad zusammen schließen, wählen anschließend einen von vier aktuell verfügbaren Planeten aus und tragen über unterschiedlich schwere Missionen ihren Teil zum intergalaktischen Krieg bei.

Explore the Galaxy…

Die Galaxie selbst bietet dabei Dutzende Planeten mit unterschiedlichsten Umgebungen. Von eiskalten Schneefeldern, über staubtrockene Wüsten, bis hin zu dichten Dschungeln und toxischen Giftgas-Feldern, wird hier einiges an Abwechslung geboten. All diese Biome haben dabei auch stets diverse Einflüsse auf das Spielgeschehen und so rutscht euer Soldaten z.B. auf einem Eisplaneten auf gefrorenen Seen herum, kämpft sich langsam durch Tiefschnee und darf dafür im Gegenzug länger mit seiner Laserkanone ballern bevor diese überhitzt.

…and spread Democracy

Welche Planeten gerade zur Verfügung stehen, wird über eine sich stetig ändernde Frontlinie definiert, die von allen Spielern gemeinsam in die eine oder andere Richtung verschoben werden kann. Trotz der überschaubaren Squad-Größe wird das Gefühl des gemeinsamen Schlachtzugs dabei groß geschrieben. So ziehen die Schlachtschiffe der anderen neben einem in Echtzeit in den Krieg, der eigene Orbitalsturz wird stets von Dutzenden Squads im Hintergrund begleitet und selbst auf der Planetenoberfläche wird der Horizont meist von den Orbitalschlägen und Luftangriffen der indirekten Mitspieler gezeichnet.

Freiheit mit Einschränkungen

Das Ganze hat aber auch eine Kehrseite. So kann es teils Tage oder sogar Wochen dauern, bis eine gewisse Planeten-Art wieder mit Missionen zur Verfügung steht und Spieler, die sich eine geradlinige Story-Kampagne mit Struktur gewünscht haben, werden hier tendenziell eher enttäuscht werden.

Guter Generator

Dafür wurden die jeweils prozedural generierten Missionsareale wirklich bis zum Rand mit Inhalten gefüllt, die von einem merklich gut optimierten Algorithmus stimmig zusammengeschlossen werden. Überall gibt es etwas zu finden, seien es kleine Rätsel, Story-Schnipsel, Belohnungen oder einfach mal ein Jetpack. Der Weg durch das Kriegsgebiet gestaltet sich so auch nach Dutzenden Spielstunden noch interessant und weiß immer wieder zu überraschen.

Kurz Denken in der Ballerpause

Auch den Hauptmissionen gelingt es immer wieder die Action mit stimmigen kleinen Sequenzen abzuwechseln. So müssen sich teils zwei Spieler abstimmen, um eine Satellitenschüssel auszurichten, mal will eine Flak beladen oder eine Ölpumpe wieder in Betrieb genommen werden und manchmal gilt es eine Flagge für Super Earth oder einen Bohrer für eine seismische Probe aufzustellen.

Nicht beim Kern gespart

Das Ballern und Zerstören ist dabei aber natürlich stets die Hauptattraktion. Glücklicherweise haben die Entwickler genau auf diese beiden Elemente auch ihren Hauptfokus gelegt und zeigen dabei auch noch unglaubliches Talent. Denn sogar eine mit dem normalen Sturmgewehr abgefeuerter Schuss ist so ein Hochgenuss, dass das Schießen selbst tatsächlich zu einem der stärkste Features des Spiels wird. Wird dann auch noch per Steuerkreuz-Code Eingabe eine der mächtigen Support-Waffen, ein Luftangriff oder gar ein Orbitalschlag geordert, bleibt wahrlich kein Stein mehr auf dem anderen und das Gefühl zeitgleich übermächtig als auch sehr fragil zu sein, wird zu einer fantastischen Balance zusammengeführt.

Come on you apes! You want to live forever?

Ja egal was in Helldivers 2 abgefeuert wird, es erzeugt Druck, Gravitas, Atmosphäre und ein großes Potential, diverse Mitspieler als Kollateralschaden mitzunehmen. In diesem Bereich reiht sich Helldivers 2 mit Leichtigkeit in die absolute Meisterklasse des Genres ein und muss sich selbst vor Titeln wie Destiny, Gears of War oder Doom nicht verstecken.

Waren das nicht schonmal mehr?

So sehr der Titel hier zu glänzen weiß, ist er aber auch nicht ohne Schattenseiten. So ist der Service-Game-Charakter nicht von der Hand zu weisen und einige der wenigen freispielbaren Rüstungsteile und Hauptwaffen befinden sich hinter einer Paywall. Diese ist zwar auch mit Ingame-Währung erklimmbar, fordert dafür aber astronomische Summen und das regelmäßige Erfüllen der stets wechselnden Tagesquests. Möglichkeiten seine Rüstungen und Waffen upzugraden oder einzufärben, sowie jede Form von Transportmittel werden aktuell ebenfalls vergeblich gesucht, während die aus dem Vorgänger bekannte dritte Fraktion wohl auch erst später in den galaktischen Krieg eintreten wird.

Early Access-Flair

Auch technisch ist der Titel ein zweischneidiges Schwert. So werden auf der Konsole angenehm viele Optionen wie ein FOV-Regler geboten und das Spiel präsentiert sich vor allem Dank schöner Licht- und Partikel-Effekte durchaus ansehnlich. Abseits des Full HD-Performance Modus ist er aber leider kaum spielbar und auch auf dem PC sind die grafischen Anforderungen durchaus unverhältnismäßig. Crossplay zwischen PC und PS5 funktioniert wiederum im Grunde tadellos, im Allgemeinen sind aber Abstürze und Clipping-Fehler auf beiden Versionen leider keine Seltenheit. Das ist bei einem Spiel mit Freunden dank sehr schneller Wiedereinstiegsmöglichkeit auch in Mitten der Mission zwar kein allzu großes Problem, bei einem Spiel über das aktuell ohnehin kaum verwendbare Matchmaking sieht die Angelegenheit allerdings schon wieder anders aus.

2. Meinung von Nikolai

Helldivers 2 ist nicht nur eine gelungene Iteration des Vorgängers, die das Twinstick-Shooter
Gameplay aus der Top-Down Perspektive hervorragend in die Third-Person transferieren konnte,
sondern macht auch enorm viel Spaß. Das Missionsdesign ist abwechslungsreich und erfordert
gerade in den höheren Schwierigkeitsgraden gutes Teamplay. Das Gunplay sitzt und das sich ab der
ersten Spielminute einstellende „Starship Troopers“-Feeling motiviert ungemein. Ja, auch auf PS5
gibt es aktuell noch den ein oder anderen Bug und gelegentlich zicken die Server rum. Allerdings
hatte ich in meinen rund sieben Stunden, die ich bis jetzt mit Helldivers 2 verbringen konnte, bis auf
ein paar Verbindungsprobleme, keinen einzigen Absturz. Als eines von Sonys ersten Service-Games
hat Helldivers 2 bislang einen gelungenen Start hingelegt. Wie gut sich das Spiel dann über einen
längeren Zeitraum und nach einigen Content-Updates spielen wird, wird sich zeigen. PS5-Spieler, die
Lust auf einen motivierenden und unterhaltsamen Koop-Shooter haben, kommen aktuell kaum um
Helldivers 2 herum. Von mir eine glatte Kaufempfehlung.

 

Fazit:

Wertung: - 8.5

8.5

How to Service-Game

Müsste ich die wichtigsten Metriken eines guten Shooters zusammenfassen wären das Schuss- und Trefferfeedback, Gewichtsgefühl und Atmosphäre. Genau in diesen drei Faktoren brilliert Helldivers 2 wie kaum ein anderer Titel der letzten Jahre. Ich würde sogar so weit gehen zu sagen, das Arrowhead Game Studios Sprung in die dritte Person ein absolutes Vorzeige-Werk ist und als Leitfaden für zukünftige Spieleentwickler herangezogen werden sollte. So schwer der in Gamedesign-Kreisen gerne verwendete Begriff Game Juice (zu dt. Spielesaft) auch zu definieren ist, hier fließt er jedenfalls in strömen. Hätte ich trotzdem gerne eine kohärente Story-Kampagne, funktionierendes Matchmaking, weniger Clipping-Bugs, keine Inhalte hinter Paywalls, Panzer und Mechs wie Im Vorgänger, sowie mehr Gestaltungsoptionen für meinen Charakter gehabt? Klar. Aber wenn schon ein Service-Spiel mit Early Access-Stimmung, dann sollte es sich zumindest so geil anfühlen wie Helldivers 2.

Genre: Shooter
Entwickler: Arrowhead Game Studios
System: PS5, PC
Erscheint: 8. Februar 2024
Preis: ca. 40€

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