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Review: Barbie (Spoilerfrei!)

Bereits seit 1959 bringt die Barbie-Puppe in Kinderzimmern auf der ganzen Welt kleine Mädchen (und Jungs) zum Strahlen. Mit ihr lassen sich Abenteuer erleben, Styling-Sessions absolvieren oder auch einfach nur das normale Leben nachspielen. Dabei ist die PVC-Dame mit den „Ideal“-Maßen nicht vor Kritik gefeit. Sie würde ein schwieriges unrealistisches Frauenbild vermitteln, wurde der ewig lächelnden Schönheit vorgeworfen. Im Laufe der Zeit musste Barbie sich deshalb beständig anpassen. Sie wurde divers, ihre Körperformen nahmen hin und wieder Dimensionen von dir und mir an – und auch beruflich kam Barbie groß raus. Ein neuer Meilenstein in ihrer Karriere ist nun der erste Live-Action-Film. Und der ist rosa, sehr rosa – aber überraschenderweise mehr Kunst als Kommerz.

I’m a Barbie Girl in a Barbie-Woooorld

Barbies (Margot Robbie) Welt ist ein Märchen mit Helen Mirren als grandiose Erzählerin. Alles hat seinen idealen Ablauf: Es wird sich schön gemacht, den anderen Barbies (z.B. Dua Lipa, Emma Mackey) mit ihren tollen Berufen zugewunken und am Abend mit Ken (Ryan Gosling) und seinen Mit-Kens (z.B. Scott Evans, Ncuti Gatwa, Simu Liu) Party gemacht. Doch plötzlich drückt der High Heel – und Barbie muss einen Trip in die Welt der Menschen unternehmen, um ihre Probleme zu lösen. Es entwickelt sich eine abgedrehte Reise durch High Schools, über Strände und sogar ins Mattel Headquarter, in dem Will Ferell als CEO versucht, die Barbie-Krise aufzulösen. Die sich entfaltende Geschichte ist weit reicher an Facetten, Botschaften und Wendungen, als dies die Trailer zum Film vermuten lassen. Generell sind Story, Ausstattung, die Schauspielerinnen und Schauspieler sowie der Stil des Streifens wunderbar konsistent, jedoch weit davon entfernt mit einer glattgebügelten, dem Barbie-Konzern Mattel huldigenden Grundstimmung daherzukommen. Eine feine bis scharfe Prise Selbstironie fehlt nie – etwas das bei Verfilmungen zu großen Marken nicht selbstverständlich ist.

„Hiya, Barbie!“ – „Hi, Ken!“

Über die Schauspielerinnen und Schauspieler braucht man eigentlich nicht viele Worte zu verlieren – wir tun es trotzdem: Das zentrale „Pärchen“, Barbie und Ken, wird von Margot Robbie und Ryan Gosling super in Plastik gegossen. Und das im Idealzustand, aber auch dann als die heile rosa Welt ins Bröckeln gerät und beide Charaktere neue Seiten ihrer Selbst zeigen müssen. Regisseurin und Drehbuchautorin Greta Gerwig („Little Women“, „Lady Bird“) hat schon gewusst, warum sie die beiden Hollywood-Stars in die Puppen-Outfits gesteckt hat. Besser könnte man es eigentlich nicht treffen. Abgesehen davon, dass Margot Robbie sowieso immer glänzt, weiß man als versierter DC-Fan spätestens seit ihrer Verkörperung von Harley Quinn, dass die Australierin Personen an der Grenze zum Nervenzusammenbruch mit Links spielt. Und Gosling? Der hat nicht nur das Sixpack, das ihn zum Ken qualifiziert, er vermag es auch, dem eigentlich profillosen männlichen Anhängsel von Barbie die für den Film nötigen emotionalen Nuancen zu verpassen. Nicht vergessen darf man auch das Mutter-Tochter-Gespann, gespielt von „Ugly Betty“-America Ferrera sowie Ariana Greenblatt („65“), die für ein wenig Familienfilm-Flair sorgen – auch wenn „Barbie“ alles andere als das ist.

Life in Plastic, it’s fantastic!

„Barbie“ ist kein Kinderfilm. Natürlich kann man Kinder mit in den Kinosaal nehmen, weil Gewalt oder Sex quasi nicht vorkommen. Statt der heilen Welt in Rosa dreht sich in den knapp zwei Stunden alles um die Rolle der Frau, die sie in der Gesellschaft – sei es die aus Plastik oder unserer menschlichen – innehat. Greta Gerwig hat eine Geschichte über Female Empowerment geschrieben und ihre Argumente dabei so geschickt und unterhaltsam verpackt, dass jede Person – egal ob Mann, Frau, dazwischen, jung oder alt ins Grübeln kommt. Was heißt es, Mensch zu sein? Was heißt es Frau zu sein? Die Antworten bekommt man nicht alle präsentiert, aber man geht auf jeden Fall mit vielen Gedanken aus dem Kinosaal. Was man dem Film dabei vorwerfen könnte, ist, dass für die Nachvollziehbarkeit der Story gewisse Schattierungen zwischen Mann und Frau auf der Strecke geblieben sind.

Barbie wird den ganzen Film über als DAS Spielzeug für Mädchen gehandelt, Jungs, die sich für Puppen interessieren, scheint es in dem Filmuniversum nicht zu geben. Das würde vermutlich die leicht überspitzte Darstellung der männlichen Komponente der Gesellschaft (machtgierig, aber etwas tollpatschig und leicht dümmlich – und eigentlich auch nur auf der Suche nach einer Umarmung) untergraben. Aber Satire ist eben Satire – und da muss man es nicht allen gezwungenermaßen recht machen; wir sind ja nicht bei Disney. Die Botschaft ist gut rübergekommen – dafür kann man den Hut vor Greta Gerwig ziehen.

Wertung

„Barbie“ unterhält von Anfang bis Ende und vermittelt die innewohnende Gesellschaftskritik flott und amüsant. Es ist alles andere als ein klassischer Familienfilm, auch wenn die gesamte Familie beim Schauen auf ihre Kosten kommen und dabei etwas lernen wird. Es würde mich schwer wundern, wenn sich die 29,2 Zentimeter große PVC-Puppe nicht auch demnächst im Rennen um den 34 Zentimeter großen Gold-Mann befinden würde. Nicht, dass Barbie einen weiteren Mann nötig hätte, aber neben Ken würde sich so ein Oscar richtig gut machen.

Kurzinformationen
Filmlänge: 114 Minuten
Land, Jahr: USA, 2023
Genre: Komödie
Regie: Greta Gerwig

 

 

 

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