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Review: A-Train: All Aboard! Tourism

Alles auf Schienen?

Die A-Train-Serie kann auf eine lange Geschichte zurückblicken: Seit dem ersten Release 1985 eroberte die Reihe zahlreiche Plattformen (tatsächlich liest sich die Releaseliste wie das Who-is-Who der Computer- und Konsolengeschichte) und kann auf über 20 Einträge in die Seriengeschichte zurückblicken. Dass die Serie bei uns nicht ganz so bekannt ist, liegt vielleicht daran, dass die japanische Wirtschaftssimulation hierzulande etwas inkonsistent und unter verschiedenen Namen (z.B. Railroad Empire oder auch Der Bahn Gigant) veröffentlicht wurde. Es liegt wohl (auch) an diesen Umständen, dass der jüngste Release der Reihe mit Namen A-Train: All Aboard! Tourism unter dem Radar und nur wie eShop erscheint. Doch hat das Spiel das auch verdient?

Zuckersüß …

A-Train hat schon seit langen Jahren den Ruf, eine Hardcore-Wirtschaftssimulation zu sein, in der das Errichten seiner Eisenbahnlinien nur der Gipfel des Eisberges ist und der Fokus auch stark auf dem Managen des „Rundherum“ liegt. Doch ein Release auf einer Plattform wie der Switch spricht doch für ein weichgespültes, einsteigerfreundliches Erlebnis, oder etwa nicht? Ja, das dachten wir auch – und unsere erste Begegnung mit den freundlichen Mitarbeitern unserer neuen Eisenbahnfirma, die ihrem Chef die Grundlagen des Managements beibringen, bestärkte uns zumindest grafisch. Ein Spiel, in dem uns eine Manga-Sekretärin freundlich begrüßt, kann doch nicht knallhart sein, oder? Nun, zumindest auf dem niedrigsten Schwierigkeitsgrad bewahrheitete sich das zumindest irgendwie. Wir arbeiteten die beiden ersten Szenarien durch, die als Tutorial dienen und begriffen so langsam die Grundzüge der Materie. Doch spätestens als wir voller Ãœberzeugung am Schwierigkeitsgrad drehten, kam das grausame Erwachen: Ja, A-Train: All Aboard! Tourism mag süß wirken, aber der Wirtschaftsaspekt ist detailliert, realistisch und dadurch bisweilen grausam; falsche Entscheidungen können sehr schnell in eine Katastrophe führen. Und davon könnt ihr eine Menge machen, denn es geht eben nicht nur darum, euer Bahnimperium aufzubauen (was durchaus sehr tief ins Detail planbar ist – bis hin zu optionalen, minutengenauen Fahrplänen!), sondern auch um Stadtplanung, Unterfirmen und – wie der Titel verrät – Tourismus. Artdink liefert hier eine Menge Content, der zum Teil auch default-mäßig deaktiviert ist, und euch viele Möglichkeiten gibt  – zum Beispiel auch für eigene Szenarien. Wer sich hier wirklich einarbeiten will, muss eine Menge Zeit und Geduld bezahlen.

… und knallhart

Dabei hätte uns das alles schon klar sein können, als im Tutorial (englische) Fachbegriffe aus der Betriebswirtschaftslehre verwendet wurden oder als wir Screens zu Gesicht bekamen, die uns eher an Excel denn an ein Spiel erinnern. Letzteres ist irgendwie symptomatisch für das Spiel, denn es sieht weder gut aus noch ist es so übersichtlich, wie es vielleicht sein könnte. Wie wir das meinen? Nun, erstens ist das Spiel abseits der Anime-Charaktere grafisch ein wenig gar spartanisch geraten – die Switch ist kein Hardwarewunder, aber sie kann deutlich mehr als das, was hier geboten wird. Für einen Titel, in dem es eine Option ist, auch in den Zug einzusteigen und die Landschaft zu genießen, ist die Optik einfach zu karg und detailarm. Zweitens ist das User-Interface unübersichtlich und nicht besonders komfortabel. Hier hätte man deutlich mehr herausholen können und in Anbetracht der vielen Möglichkeiten des Spiels auch sollen. Denn so läuft das Spiel in Gefahr, dass die guten Seiten (die komplexe Wirtschaftssimulation, die uns unsere Ziele auf viele Arten angehen lassen lässt) von den schlechten überdeckt werden.

Fazit

Wertung - 7

7

Für Buchhalter mit Eisenbahn-Faible

Ich kann mich noch gut erinnern, als das erste A-Train in den Westen kam – und sei es nur deshalb, weil damals schon in allen Reviews stand, dass das Spiel vor allem für Fans von harten Wirtschaftssimulationen ein Hit sei, während alle anderen lieber Railroad Tycoon spielen sollten. Etwas blauäugig dachte ich, dass sich das sicher geändert hat. Die 2020er-Jahre sind nicht mehr die 1990er, und wer bringt schon auf der Switch eine Hardcore-Business-Simulation mit Manga-Figuren? Nun, offensichtlich ist Artdink überzeugt, dass es hier eine Zielgruppe gibt, denn „weichgespült“ ist der Titel höchstens im niedrigsten Schwierigkeitsgrad, ab dann braucht man solide wirtschaftliche Grundlagen und einen genauen Plan, wie man vorgehen will, um sein Unternehmen zum Sieg zu führen. Damit hinterlässt A-Train leider einen zwiespältigen Eindruck: Eine knallharte, aber dennoch gut gemachte Wirtschaftssimulation voller Features, in die man sich wirklich hineinknien kann, aber durch veraltete Grafik (was man noch verzeihen könnte) und ein unvorteilhaftes Interface (das ist schon schwerer zu verdauen) abschreckt. Fazit: Für Wirtschaftssimulations- und Switch-Fans mit Eisenbahn-Faible, denen Tabellen wichtiger sind als Grafik und Interface.

Genre: Wirtschaftssimulation
Entwickler: Artdink
System: Switch
Erscheint: erhältlich
Preis: ca. 60 Euro

Florian Scherz

Bereits früh entwickelte Florian zwei große Leidenschaften: Videospiele und Theater. Ersteres brachte ihn zu einem Informatikstudium und zu Jobs bei consol.MEDIA und Cliffhanger Productions; zweiteres lässt ihn heute (unter anderem) als Schauspieler, Regisseur, Komponist und Lichtdesigner arbeiten. Wenn er gerade keine Musicals inszeniert, spielt oder schreibt, vermisst er auf Shock2 Videospiele von anno dazumal in seiner Blog-Reihe "Spiele, die ich vermisse".

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