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Review: Tales of Kenzera: Zao

Metroidvania eines Trauernden

Die Menschheit nutzte seit jeher diverse Medien um ihre Traumata zu verarbeiten und erschuf damit über die Jahrhunderte oft ihre schönsten Werke. Der Prozess des Schaffens hat seine therapeutische Wirkung dabei zutiefst im Menschen verankert und eine Schöpfung, direkt aus den Tiefen der eigenen Psyche geholt, vermittelt stets eine natürliche Resonanz zu seine Betrachtern. Selbst wenn sie teils etwas grob oder unraffiniert wirkt, wissen solche Werke trotzdem zu begeistern. All dies trifft auch auf Tales of Kenzera: Zao zu, dass ein tendenziell eher generisches Metroidvania als Medium zum Verarbeiten des Todes eines geliebten Menschen aufgreift.

Haben sie es schonmal mit Game-Development probiert?

Ja es ist wahr. Werden Bücher, Gemälde und Lieder nur allzu gerne als Trägermittel für die Trauma-Bewältigung zu Hilfe gezogen, greifen wohl die wenigsten zu Spielen, um ihre Gedanken und ihren Schmerz in kreative Bahnen zu lenken. Das liegt natürlich teilweise an der Komplexität des Mediums selbst, dass es kaum erlaubt, etwas im Alleingang zu schaffen. Der bekannte Seriendarsteller Abubakar Salim (House of the Dragon, Raised by Wolves) ließ sich davon aber nicht abhalten und verarbeitet mit Unterstützung von Surgent Studios seine Erfahrungen rund um den Verlust seinen Vaters (ein Software-Entwickler), ihm zu Ehren in Form eines Videospiels.

Ein trauernder Assassine

Salim finanzierte das Projekt dabei nicht nur mit, sondern agierte auch als Creative-Direktor, schrieb an der Geschichte und den Dialogen und spricht Hauptcharakter Zao sogar selbst. Eine Aufgabe, der der Sprecher von Assassin’s Creed Origins Protagonist Bayek of Siwa, natürlich ebenfalls absolut gewachsen ist.

Gib mir meinen Baba zurück!

Salim selbst ist zwar in England geboren, wurde aber klar mit Einflüssen kenianischer Kultur aufgezogen, was sich auch deutlich in der Welt von Kenzera widerspiegelt. Auch die Geschichte hat dabei eine deutliche Meta-Ebene. So dreht sich eigentlich alles um den jungen Zuberi, der ein von seinem verstorbenen Vater geschriebenes Buch liest, dass sich um den Schamanen Zao dreht. Dieser versucht, einen Deal mit Kalunga, dem Gott des Todes auszuhandeln, um seinen ebenfalls verstorbenen Vater aus dem Reich der Toten zurückzuholen.

Mega Man und Mega Man Zero

Kalunga ist dabei nicht das typische Skelett, sondern ein weiser alter Mann, der Zao daraufhin bei seiner Aufgabe begleitet, drei mächtige Geister zu überzeugen, dass auch ihre Zeit gekommen ist. Zao stehen dafür zwei mächtige Masken zur Verfügung. Eine Mondmaske, die ihm die Fähigkeit gibt, Projektile zu schießen und eine Sonnenmaske, die mit ihren Feuerspeeren eher im Nahkampf brilliert.

Besser gut kopiert

Beide Masken geben Zao außerdem Metroidvania-typische Bewegungsfähigkeiten wie Doppel- und Wandsprünge sowie einen Dash. Diese werden dann im Spielverlauf noch, durch größtenteils ungefiltert von den Ori-Teilen entliehene Optionen wie eine Gleitfähigkeit oder einen zielbaren Dash, erweitert.

Nicht zu viel Ablenken lassen

Allgemein wird der Metroidvania-Anteil in Tales of Kenzera: Zao tendenziell eher klein geschrieben und glänzt auch nicht unbedingt mit Kreativität. Die drei(einhalb) weitreichenden Areale des Titels beherbergen immer auch die für sie benötigten neuen Fähigkeiten und bieten nur sehr rudimentär versteckte Geheimnisse und größtenteils leicht bewältigbare Geschicklichkeits-Passagen und Rätsel.

Schieß oder Schlag, wie du Lust hast

Auch das Kampfsystem ist eher zweckdienlich und schafft es zwar Nah- als auch Fernkampf-Treffer mit ordentlich Feedback und netten Lichteffekten befriedigend zu halten, motiviert aber selten, die an sich im Zentrum stehende Schnellwechsel-Mechanik der Masken auszunutzen. Mit lediglich sieben Gegnertypen und vier Bossen mit überschaubaren Mechaniken halten sich somit sowohl Abwechslung als auch Herausforderung in Grenzen.

Nicht schwerer nur länger

Gegen Ende des Spiels bekommt der Titel dann in einzelnen Abschnitten eine Spitze in der Schwierigkeit, die aber leider eher seine Schwächen deutlicher herausstreicht, als eine spannende Herausforderung zu bieten. So bekommen die bekannten Gegner stellenweise ein zusätzliches, eingefärbtes Schild verpasst, das nur von einer der beiden Masken Schaden erleiden kann und sich nach kurzer Zeit ohne Schaden wieder regeneriert. Dadurch wird aber nicht unbedingt mehr taktisches Denken gefordert, sondern die ab diesem Zeitpunkt relativ chaotischen und etwas Effekt-überladenen Kämpfen ziehen sich einfach etwas länger.

Wannabe Physik

Auch verwendet das Spiel ein rudimentäres Physik-System um Gegner durch den Raum fliegen zu lassen. Dieses wird aber merklich durch sehr grobe Kollisionsabfragen gehandhabt und sorgt dafür, dass zum Beispiel Gegner in der Luft zu jonglieren eher seltsam als kontrolliert abläuft. Dass besagte Gegner einem dann zwar nicht durch Berührung Schaden zufügen, aber einfach durch an der falschen Stelle stehen, den Weg blockieren können, macht das ganze Unterfangen leider auch eher nervig als wirklich spaßig.

Jetzt neu, mit ein bisschen mehr Schaden

Zao hat auch einen simplen Fertigkeitenbaum mit knapp 16 für die beiden Masken freispielbaren Skills. Diese bringen teils zumindest nette kleine Gameplay-Veränderungen wie einen Schadenbonus, durch perfekt getimtes Nachladen der Mondmasken-Schüsse, der Innovationsgehalt hält sich aber auch hier in Grenzen. Auch die Entscheidungen in welche Fähigkeit zuerst investiert wird, wird gegen Ende des Spiel irrelevant, da ohnehin alle freigespielt werden können. Die in der Welt auffindbaren Talismane, die meist nur leichte Wert-Steigerungen für gewisse Attacken oder Situationen mit sich bringen, versprechen dabei leider auch nicht viel mehr Tiefgang.

Wo bin ich?

Stärker tritt der Titel in seiner Präsentation auf. Kenzera zeigt sich im liebevoll gestalteten Low-Poly Stil mit abwechslungsreichen Lichtstimmungen, hochauflösenden Texturen und malerischer Flora. Dass hier teilweise gekaufte Asset-Sets verwendet wurden, ist zwar durchaus erkennbar, diese wurden aber schön in das Gesamtbild eingefügt und stören daher nicht. Einzig das mitsamt Zao’s Effekt-geladenen Fähigkeiten, Partikelstürmen und leuchtenden Gegner, teilweise bei den Kämpfen und Plattformer-Sequenzen die Übersicht flöten geht, hätte wohl mit ein wenig mehr Maß und Varianz vermieden werden können.

Hier geht’s ums Loslassen

Der wichtigste Punkt und klare Hauptfokus von Tales of Kenzera ist aber natürlich seine Geschichte. Hier ist die persönliche Erfahrung, die zur Entstehung dieses Spiels geführt hat, wahrlich spürbar und spiegelt sich auch in seinen einzelnen Story-Kapiteln wider, die jeweils eine andere Art von Verlust thematisieren. Das Ganze ist dabei nicht gerade subtil und auch etwaige Wendungen gestalten sich relativ vorhersehbar. Dennoch macht die Liebe, die hier merklich eingeflossen ist, die Erfahrung glaubwürdig und die durchwegs vertonten Dialoge bis zuletzt spannend zu verfolgen.

Fazit:

Wertung: - 7.5

7.5

Solides Metroidvania mit Meta-Ebene

Die größte Stärke von Tales of Kenzera: Zao ist Abubakar Salim’s Herz, das offensichtlich in jeden kleinen Teil des Projekts geflossen ist. Im Grunde ist der Titel ein solides aber generisches Metroidvania, dass keine großen Risiken eingeht und weit hinter Genre-Eliten wie den beiden Ori-teilen, Metroid Dread oder dem kürzlich erschienen Prinz of Persia: The Lost Crown zurück bleibt. Aber Kenzera ist nunmal in erster Linie nur das Medium, in dem Salim sein eigenes Trauma verarbeitet und ihn bei diesem Prozess für gute 12-15 Stunden begleiten zu dürfen, ist durchaus eine Erfahrung wert.

Genre: Metroidvania
Entwickler: Surgent Studios
System: PC, Nintendo Switch, PS5, Xbox Series X/S
Erscheint: 23.04.2024
Preis: ca. 20 Euro

 

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