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Review: Palworld

Pokémon of Duty oder Survival-Perle

Wenn es um Sandbox-Survival Games geht, dann kämpft das Genre mit Metroidvanias um den größten Leichenberg an netten, aber unvollendeten Titeln, die wohl für alle Ewigkeit im Early Access-Limbus verweilen werden. Das japanisch Entwicklerteam Pocketpair hat mit dem 2020 auf Steam gestarteten Craftopia möglicherweise ebenfalls bald so eine Leiche im Keller. Ob der somit synchron laufende zweite Early Access Sandbox-Survival Titel Palworld trotzdem seinem Hype gerecht wird, sehen wir uns in den folgenden Zeilen im Detail an.

Survival-Template

So ist Palworld im ersten Schritt ein mehr als typischer Genre-Vertreter. Per Spitzhacke und Axt werden Unmengen an Steinen und Bäumen zerkloppt um Ressourcen zu sammeln, neue Bau Rezepte freizuspielen und langsam den eigenen Lagerplatz zu einem kleinen Dorf mit Schmelzöfen, Beerenfarmen und Kühlschränken auszubauen. Immer bessere Rüstungen schützen vor Schaden und den Elementen, während Bögen, Schusswaffen und Speere zur Verteidigung dienen. Zusätzlich darf auf Berge geklettert und per Gleiter Abgründe überwunden werden, während mit jedem Level-Up verteilte Skillpunkte, Tragekapazität, Ausdauer, Leben usw. erhöhen.

Das ist mal nicht viel und danach?

Wäre dies alles, was Palworld zu bieten hat, würde wohl kaum jemand über den Titel reden. Vor allem weil sowohl Sammeln als auch Bauen im besten Fall zweckdienlich und teilweise doch sehr hakelig umgesetzt sind und auch die lediglich 5 unterschiedlichen Rüstungs-Designs weder visuelle Abwechslung noch Tiefgang bringen. Das Phanpy im Raum und das absolute Alleinstellungsmerkmal des Titels sind aber natürlich die namensgebenden Pals.

Sweatshop-Pals

Statt mit Tieren ist die Welt von Palworld nämlich ausschließlich mit doch sehr unverblümt von Game Freaks Taschenmonstern inspirierten Kreaturen bevölkert. Diese können per bastelbaren Pal Sphären gefangen und anschließend entweder zur Optimierung diverser Crafting-Vorgänge genutzt, oder mit auf Abenteuer genommen werden und unterstützen dabei mit ihren vielfältigen Fähigkeiten.

Schnapp sie dir alle

Die über 100 unterschiedlichen Pal-Arten beleben dabei breitflächig die hand-designte Spielwelt in diversen Biomen und jeder Neufang bringt stets abwechslungsreiche und kreative neue Anwendungsmöglichkeiten mit sich. So sind manche Pals besonders gut darin, Sachen im Lager zu jeweiligen Kisten zu tragen, andere können Felder bestellen und wieder andere lassen sich kurzzeitig zu einem Flammenwerfer umfunktionieren oder ballern mit Maschinengewehren um sich.

Keine Haltestellen am Abenteuer-Zug

Sowohl das Aufsetzen von immer besser laufenden Produktionsketten als auch das Bestreiten von gemeinsamen Abenteuern und Kämpfen mit den Pals waren hier klar der Fokus der Entwickler und sind dabei genauso befriedigend wie sie entsprechend auch sein müssen. Musste ich vorher ewig an der Werkbank stehen, stocken meine Pals nun in Windeseile meine etwaigen Verbrauchsgüter auf, sodass ich direkt ins nächste Abenteuer starten kann. War mein Gleiter zu Beginn mehr ein falsch benannter Fallschirm, trägt mich der schwebende Rochen Celaray Kilometer weit über die Landschaft usw.

Zuckerbrot und Peitsche

Diese Erfahrung, zuerst stark Zeit-fressende Probleme mit Hilfe der Pals immer effizienter erledigen zu können, ist dabei eine der größten Stärken des Spiels und zieht sich auch noch weit in die späteren Spielstunden. Bis zu fünf Pals können auf Erkundungstouren mitgenommen werden und unterstützen den Spieler dabei sowohl aktiv als auch indirekt. So hat jedes Pal ein zufälliges Set an passiven Fertigkeiten, die entweder es selbst beispielsweise zu einer besseren Arbeitskraft machen, oder aber auch den Spieler mehr Verteidigung oder Bewegungsgeschwindigkeit spendieren.

Talentierte Freunde

Die Pals können außerdem natürlich auch ordentlich austeilen und lernen selbständig mehrere Attacken, die auch durch gewisse Früchte erweitert oder ausgetauscht werden können. Zusätzlich hat jedes eine Fähigkeit, die sie gemeinsam mit oder für den Spieler ausführen und sogar per Fusion mit mehreren Artgenossen in vier auswirkungsstarken Levels upgraden können. So können größere Pals oft mit einem dazu passenden Sattel geritten werden, während sich kleinere für besonders Starke, vom Spieler gezielte Angriffe in den Arm oder auf die Schulter nehmen lassen. Aber auch nützliche Fähigkeiten wie ein Ortungs-Sonar oder eine Heildusche finden sich im Repertoire der Pals.

Jetzt gibt es Ärger…

All das macht Spaß, ist abwechslungsreich und sowohl die Spieler-Waffen als auch die Attacken und Fähigkeiten der Pals haben ein zufriedenstellendes Trefferfeedback. Die actiongeladenen Kämpfe gegen besonders starke Boss-Versionen mancher Pals bieten dann auch durchaus eine Herausforderung und verlangen taktisch kluges und vorsichtiges Vorgehen. Im Gegensatz zu den meisten Survival-Titeln hat Palworld außerdem mit dem klar von Team Rocket inspirierten Syndicate auch eine Antagonisten-Gruppe.

…und es kommt noch härter!

Diese haben sich überall in der Welt verteilt und kämpfen gegen Pals oder versuchen das Spieler-Lager in Raid-Wellen zu überrennen. Außerdem warten die jeweiligen Syndicate-Anführer wie eine Art Arenaleiter in den quer über das Land verteilten Syndicate Türmen als Bosskämpfe auf die Spieler. Zusätzlich dazu gibt es noch diverse in der Welt verteilte Menschen-Siedlungen, mit Händlern und stellenweise witzigen Dialogen.

Keine Motorräder oder Schlüsselringe

Visuell präsentiert sich der Titel allgemein solide, wenn auch nicht bahnbrechend. Flora und Fauna sind durchaus schön anzusehen und auch wenn keines der Pals mit tatsächlichem Fell daherkommt, entsprechen sie durchaus dem Traum hochauflösender Pokémon. Und ja, die Pal-Designs sind tatsächlich häufig auf direkte Inspirationsquellen zurückführbar, zeigen aber trotzdem durchaus eigenen Charm und fügen sich Dank dem Fokus auf mehr tierartige Formen auch gut in die Welt ein. Letztendlich war ja auch Pokémon nicht das erste Spiel, das seine Höhlen mit lila Fledermäusen besiedelte.

Wer will schon Erwachsen sein

Leider sind aber nicht alle Elemente des Spiels so stimmig. So sehen die meisten Dörfer und Syndicate Lager aus, wie ein aus zufällig gewählten 3D-Assets zusammengeklebter Müllhaufen, während viele Settings wie direkt aus Elden Ring kopiert scheinen. Auch Maschinengewehre und Pistolen vermitteln den Flair einer nicht ernst gemeinten Community-Mod und brechen die Atmosphäre mehr als nötig gewesen wäre. Hier hätte das Spiel eine etwas kohärentere Design-Richtlinie gut getan, auch wenn dann vielleicht das Statement des (übrigens trotzdem völlig Blut und Gedärme-losen) “Erwachsenen”-Pokémon etwas weniger deutlich ausgefallen wäre.

Jetzt nicht ablenken lassen!

Das Spiel hat auch noch mit diversen kleineren Bugs zu kämpfen, die aber glücklicherweise nicht schwer genug wiegen, um das Spielgeschehen allzu negativ zu beeinflussen. Einige davon, wie das aktuell noch sehr fehleranfällige Pathfinding der Ki, befinden sich auch schon auf der Roadmap der Entwickler und die laut Entwickler bisher zu 60% vorhandenen bieten bereits dutzende Spielstunden. Positiv zu erwähnen sei außerdem, dass der Multiplayer zumindest für bis zu vier der maximalen 32 möglichen Spieler auch ohne dedizierten Server völlig barrierefrei funktioniert und die Entwickler dankbarerweise auf korrupte Server-Geschäftsmodelle wie gewisse Genre-Kollegen verzichtet haben. So bleibt nur zu hoffen, dass Palworld aufgrund seines massiven Erfolgs etwas länger Pocketpairs volle Aufmerksamkeit erhalten wird und die Entwickler ihren Fokus weiterhin auf die Basis des Titels richten, um diesen gezielt aus der Probephase zu führen, anstatt den typischen Fehler zu machen und bereits mit ersten DLCs zu liebäugeln.

Fazit:

Wertung: - 8.5

8.5

Ein Traum für Taschen-Monster Fans

Völlig abseits der Kontroverse ist Palworld ein wirklich solides Survival-Spiel, das einige kreative Ideen wohlüberlegt umsetzt und die restlichen Lücken mit Genre-Standards auffüllt. Der Titel hätte also durchaus auch ohne die “Pokémon”-Designs seine Daseinsberechtigung und bietet gerade für ein Early Acccess-Spiel schon eine durchaus runde Erfahrung. Er ist aber vor allem ein riesiger, wohlverdienter Stinkefinger an das reichste Medien-Franchise der Welt, dass sich nun einfach zu lange auf seinem Monopol ausgeruht hat. Wenn ich gemeinsam mit Feuerfuchs Foxparks gegen das riesige Pflanzen-Mammut Mammorest antrete oder auf meinem Kanninchen-Drachen Chilled reitend eine ganze Horde an Pals mit seinem spektakulären Drachenatem versenge, dann befriedigt das genau die Wünsche, die sich Game Freak nun seit Jahrzehnten weigert auch nur anzusehen. Das alleine reicht im Grunde um seinen massiven Erfolg durchaus zu rechtfertigen. Auf die realistischen Schusswaffen und aufgesetzten "Erwachsenen"-Komponenten hätte ich dabei aber im Grunde auch verzichten können.

Genre: Survival
Entwickler: Pocketpairs
System: Xbox One, Series S/X, PC
Erscheint: Early Access erscheinen
Preis: ca. 30€

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