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Review-Ersteindruck: Percy Jackson – Die Serie (spoilerfrei)

Ich habe nie darum gebeten, als Halbblut auf die Welt zu kommen

Percy Jackson mag auf den ersten Blick wie ein einfacher zwölfjähriger Junge wirken. Doch in Wahrheit steckt viel mehr in ihm: Er ist der Sohn eines griechischen Gottes mit einer Sterblichen, ein Halbblut, das zwischen den Welten und damit in großer Gefahr lebt. Sein Problem? Er weiß noch nichts davon; erst als es fast zu spät ist, offenbaren dramatische Ereignisse die Wahrheit und führen ihn ins Camp Half-Blood, wo Kinder wie er in Sicherheit gebracht werden. Doch auch dort wird er bald zum Spielball von Vorgängen, die ihn und seine neuen Freunde zu einer gefährlichen Mission zwingen …

Verpfuschter Film, bessere Serie?

Autor Rick Riordan schrieb die Abenteuer von Percy Jackson einerseits für seinen Sohn, der (wie sein Held) an ADHS und einer Schreib-/Leseschwäche litt, andererseits für seine Schüler, die er damit für griechische Geschichte interessieren wollte. Mit Erfolg: Die Reihe, deren erster Handlungsbogen fünf Bücher umfasst und später mit neuen Helden, Geschichten und Mythologien erweitert wurde, erreichte rasch zahlreiche Fans. Dafür sorgte unter anderem der gelungene Mix von auf den Kopf gestellten Heldensagen, modernen Charakteren, mit denen die Leser mitwachsen und sich in sie hineinfühlen konnten, der humorvolle Tonfall und das hohe Tempo, mit dem Riordan seine junge Zielgruppe, aber auch zunehmend erwachsene Leser durch die Welt von Percy Jackson führte. Kein Wunder, dass bald auch Hollywood auf die Reihe aufmerksam wurde und eine Verfilmung in Auftrag gab. Das Resultat fiel nicht nur bei den Fans, sondern auch beim Autor trotz guter Besetzung durch: Die Produzenten bestanden darauf, die Charaktere älter zu machen, um eine Teenager-Zielgruppe zu erreichen, und sparten auch sonst nicht mit allerhand Tweaks an den Ereignissen, die die Geschichte zum Teil weit von der Buch-Handlung entfernten. Trotz der schlechten Kritiken spielte der Film genug ein, um eine Fortsetzung basierend auf dem zweiten Roman in die Kinos zu bringen – danach kam allerdings das Aus. Nun gibt es eine zweite Chance für das Halbblut Percy Jackson: Ab 20. Dezember erscheint die acht Folgen umfassende erste Staffel der Disney+-Serie, die diesmal unter Beteiligung von Rick Riordan selbst entstand. Steht diese Version unter einem besseren Stern?

Warum Jugend manchmal Trumpf ist

Schon die erste Episode (wir durften bereits die ersten vier sehen) zeigt, dass Riordan und sein Team näher am Buch bleiben wollen. Das beginnt schon mit der altersgemäßen Besetzung: Walker Scobell (The Adam Project) spielt einen Percy, der in seiner unerfahrenen Jugend in ein großes Abenteuer hineingeworfen wird. Der Darsteller muss im Laufe der Episoden ein wenig in die Rolle hineinwachsen; er ist aber von Anfang an eine wichtige Identifikationsfigur für die Zuschauer, die (vor allem ohne Kenntnis der Bücher) mindestens genauso viele Fragen über die Vorgänge in seinem Leben haben werden wie er. Es gelingt ihm aber auch, das zu verkörpern, weshalb das geringe Alter des Helden für die Handlung eigentlich wichtig ist: Die Verlorenheit in seiner neuen Situation, die für die Geschichte wichtige starke Bindung an seine Mutter, seine Resignation, von Gleichaltrigen ausgeschlossen und von Erwachsenen ignoriert zu werden, nimmt man Scobell ab – anders als dem deutlich älteren Logan Lerman im Film. Und auch die Chemie zu seinen Co-Stars stimmt – vor allem jene mit seinem besten Freund Grover (Aryan Simhadri) und Annabeth (Leah Savah Jeffries). Beider Casting wurde von gewissen Fankreisen aufgrund ihrer ethnisch diverseren Besetzung abseits der Beschreibungen im Buch kritisiert; sie können rasch mit ihrem Talent überzeugen und bringen ihre Charaktere gekonnt auf den Bildschirm.

(Zu) flottes Abenteuer?

Anders als dieses zentrale Trio bleiben viele andere Figuren unerwartet flach. Einige wichtige jugendliche Nebencharaktere, wie Ares-Tochter Clarisse oder Hermes-Sohn Luke, bekommen durch das relativ hohe Tempo, in dem die Serie von Plotpunkt zu Plotpunkt läuft, zu wenig Material, um sich wirklich zu etablieren, andere Figuren werden gleich gänzlich ausgeklammert. Aber auch die erwachsenen Figuren werden unerwartet in den Hintergrund gedrängt: Zentaur Chiron bekommt kaum Zeit, als Mentor von Percy zu agieren, Campleiter Mr. D. ist trotz diverser bissiger Kommentare niemals so cartoonhaft überzeichnet wie im Original und Percys Stiefvater Gabe wirkt zu normal für den Macho, der im Buch Percy und seiner Mutter das Leben schwer macht. All das ist – vor allem in Hinblick auf zumindest nach dem Original noch folgende Handlungselemente – hoffentlich auf lange Sicht kein größeres Problem für die Geschichte. Virginia Kull gelingt die gelungene Ausnahme von dieser Regel: Sie zeigt uns Percys Mutter Sally mit ihrer liebevollen, vielleicht aber auch manchmal etwas schrulligen Seite. Aber auch in ihren Szenen merkt man, dass die Serie auf deutlich mehr Pathos setzt als die Bücher, die unter anderem durch den humorigen Umgangston, mit dem Percy die Geschichte erzählt und kommentiert, eine gewisse Lockerheit erhalten. Das lässt die neue Umsetzung teilweise vermissen.

Nicht alles muss wie das Buch sein

Das hohe Tempo der Serie ist aber trotz der erwähnten Nachteile auch von Vorteil für die Serie, die dadurch ständig in Bewegung bleibt. Ja, die ersten beiden Episoden haben eine Menge Exposition zu stemmen (bleiben aber dennoch gerade jenen ohne Vorwissen manche Details schuldig), vermischen sie aber mit genügend Ereignissen, um uns bei der Stange zu halten. Zu einer göttlichen Queste gehören aber auch Action-Sequenzen – und diese sind interessanterweise zurückhaltender inszeniert. Wo andere Serien vor allem aus den Monstern mehr herausgeholt hätten, sind diese Szenen hier eher knapp und knackig. Das mag vielleicht gar nicht so sehr an den (meist CG-)Gegenspielern liegen (die Qualität dieser Figuren ist, wenn auch nicht überragend, durchaus guter Durchschnitt), sondern ist wohl der darzustellenden Unerfahrenheit der Charaktere sowie dem jugendlichen Alter der Zielgruppe (die Bücher mögen erwachsene Fans haben, aber wer eine Serie mit einem Fokus auf ein nahezu volljähriges Publikum erwartet hat, ist hier falsch) geschuldet. Fast ebenso überraschend ist es aber auch, dass die Macher kein Problem damit haben, die Geschichte in einigen Details anders zu erzählen. Auch Buch-Fans dürfen sich also auf Überraschungen einstellen.

Fazit

Die ersten Folgen der Percy Jackson-Serie schaffen es, mich zu überraschen – im Guten wie im Schlechten. Im Guten, weil sich die Serie deutlich mehr an das Quellmaterial hält, das zentrale Trio Percy, Annabeth und Grover mit ihrer Chemie überzeugt, auch in Hinblick auf ihr Alter gelungen spielt und die nötigen Emotionen, die die Story erfordert, rüberbringt. Leider kann man das nicht über die Nebenfiguren sagen, die hier Komplexität vermissen lassen, was der Geschichte aktuell ein wenig schadet. Auch der veränderte Tonfall ist für mich als Buch-Kenner ungewohnt: Habe ich mir eine temporeiche, humorvolle, aber trotzdem emotionale Abenteuergeschichte erwartet, liegt der Fokus doch etwas zu sehr auf dem Drama ohne Ich-Erzähler-Percys humorige Kommentare, während die Serie fast schneller als erwartet durch die Story des ersten Buchs rast – acht Episoden zu bisher je ca. 40 Minuten scheinen nach den ersten Ausflügen kaum genug Zeit, um die ganze Handlung unterzubringen, ohne dabei zu viele Opfer zu bringen. Doch nachdem nun die Grundlagen gesäht wurden, bleibt die Hoffnung, dass die restliche Staffel – und hoffentlich auch noch weitere danach, um die ganze Geschichte von Percy zu erzählen – auf den Stärken aufbauen und die Schwächen korrigieren kann. Denn ja: Gegen die starke Fantasy-Konkurrenz der Marken Game of Thrones oder Herr der Ringe wird man hier nicht antreten können, aber dafür bietet Percy Jackson – Die Serie schon jetzt eine deutlich familientauglichere Alternative mit Potential für mehr.

Percy Jackson РDie Serie startet mit acht Folgen am 20. Dezember mit einer Premiere von zwei Episoden auf Disney+, gefolgt von w̦chentlich neuen Episoden.

Florian Scherz

Bereits früh entwickelte Florian zwei große Leidenschaften: Videospiele und Theater. Ersteres brachte ihn zu einem Informatikstudium und zu Jobs bei consol.MEDIA und Cliffhanger Productions; zweiteres lässt ihn heute (unter anderem) als Schauspieler, Regisseur, Komponist und Lichtdesigner arbeiten. Wenn er gerade keine Musicals inszeniert, spielt oder schreibt, vermisst er auf Shock2 Videospiele von anno dazumal in seiner Blog-Reihe "Spiele, die ich vermisse".

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