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Review: Aliens: Dark Descent

Das perfekte Alien-Spiel?

Als das von Hans Rudolf Giger designte Alien aus Dan O’Bannon’s Scifi-Horroruniversum erstmals 1979 auf der Leiwand zum Leben erwachte, gaben sich Schock und Faszination beim Publikum die Klinke in die Hand. Das Alien-Franchise hat sich seitdem zu der wohl beständigsten Marke des Genres gemausert und blickt mit seinen acht Hauptfilmen und diversen Spin-offs auf einige Kult-Klassiker von großen Regisseuren wie Ridley Scott(Blade Runner), James Cameron(Avatar) und David Fincher(Gone Girl) zurück. Auch einige Spieleentwickler versuchten sich an dem Material, wobei es nur wenigen gelang, die bedrückende Atmosphäre der Filme würdig einzufangen. Tindalos Interactive (Battlefleet Gothic: Armada) verfolgte daher nun einen neuen Ansatz und packt das Franchise statt in einen Egoshooter(wie die meisten) in ein isometrisches Taktik-Strategiespiel. Der Versuch gelingt vortrefflich und Aliens: Dark Descent schafft es, den Facehugger direkt auf den Kopf zu treffen.

Gut Ding braucht Weile

Das liegt unter anderem daran, dass das französische Entwicklerteam das Tempo seiner Filmvorlagen perfekt aufgegriffen hat und sich entsprechend ordentlich Zeit nimmt, sein spannungsgeladenes Scifi-Ambiente aufzubauen. Als Deputy Administrator Maeko Hayes wandert ihr so durch die Gänge der Raumstation Pioneer und lernt nach und nach die Steuerung des Titels kennen, während sich langsam die Ereignisse verdichten, die euch letztendlich mit der Fregatte USS Otago und einem Haufen Marines auf dem Alien-verseuchten Planeten Lethy bruchlanden lassen.

Im Weltraum hört dich (fast) niemand schreien

Die Geschichte weiß dabei durchaus zu überzeugen und schafft es nicht zuletzt wegen ihrer überaus soliden Sprecher eine gute Mischung aus moralischen Dilemmas, Verzweiflung, Todesangst und Hoffnung zu vermitteln, die sich nicht vor ihren geistigen Vorlagen verstecken muss. Bis dem eigenen Marine-Squad dann in der ersten Mission tatsächlich die ersten Aliens vor das Impuls-Gewehr laufen, vergehen durchaus ein paar Stunden des steigenden Spannungsaufbaus. Eine Siegesformel, die der Titel auch in den späteren Missionen stets beizubehalten weiß.

Matrix im falschen Franchise

Gameplay-technisch wurde dafür ein kreativer Ansatz gewählt, bei dem das Geschehen zwar in Echtzeit gesteuert wird, dieses aber jederzeit in Zeitlupe versetzt werden kann, um die nächsten Schritte ausreichend gut vorausplanen zu können. Auch wird der Marine-Squad nicht einzeln und auch nicht direkt gesteuert, sondern agiert als selbstdenkende Einheit, der lediglich konkrete Befehle gegeben werden können. So kann der Squad entweder laufend oder vorsichtigen Schrittes durch die meist stockdunklen Gänge geschickt werden, während diese dynamisch in Ecken leuchten, sich umsehen und auf potentielle Gefahren schießen.

Da ist eine Wand oder? Jeff hör auf mit dem Blödsinn und komm endlich!

Gilt es dann z.B. Ressourcen zu sammeln, ein Terminal zu hacken, einen Marine zu verarzten oder einen Geschützturm aufzubauen, läuft dynamisch ein Soldat zum gewünschten Ziel, während die Restlichen ihm Deckung geben. Das funktioniert sowohl mit der Maus als auch dem Controller überraschend gut und lässt das Gefühl aufkommen, tatsächlich einen Trupp denkender, fühlender Wesen zu kommandieren. Auch wenn deren Pfad-Findungs-Algorithmus nicht immer ganz zufriedenstellend arbeitet und noch etwas Optimierung vertragen könnte.

Otago-quaters

Neben den Ausflügen zu insgesamt sieben weitläufig verwinkelten Scifi-Arealen, gilt es, sich in der als Stützpunkt fungierenden USS Otago auf die nächste Mission vorzubereiten. Hier wurde sich mehr als nur ein wenig von Konkurrent XCOM abgeschaut und so dürfen in den Baracken eure Marines nach Lust und Laune designt, in der Technikabteilung neue Waffen gebaut, im Labor nach experimentellen Technologien geforscht und in der medizinischen Abteilung verletzte Soldaten verarztet oder deren Trauma therapiert werden. Bei Missionen gerettete Menschen erhöhen weiters die Effizienz der jeweiligen Stationen. Soweit so bekannt, erreicht Dark Decent dabei zu keinem Zeitpunkt den taktischen Tiefgang oder Grad an Selbstverwirklichung, den ein XCOM zu bieten hat.

Warte ich „regeneriere“ kurz eine Granate *hngh*!

Auch während der Missionen wird die taktische Komponente eher auf einem mittleren bis seichten Niveau gehalten. So gilt es zwar, mit Patronen und Heilpaketen zu haushalten, sämtliche Hauptwaffen verwenden aber beispielsweise denselben Munitions-Pool. Alle speziellen Waffen, wie das Scharfschützengewehr, der Flammenwerfer oder auch Minen oder Schrotflinten, haben wiederum gar keine Munition, sondern werden mittels sich über Zeit regenerierenden Kommando-Punkten wie Spezialfähigkeiten ausgelöst.

Burnout-Marine

Ein generisches Tech-Werkzeug wird dann für praktisch alle weiteren Anwendungen, vom Hacken von Terminals und Kameras, bis hin zum Zuschweißen von Türen benötigt. Letzteres sorgt bei den oft mehrstündigen Missionen dafür, dass ein Raum kurzzeitig gesichert wird, in dem die Marines etwas verschnaufen und ihren Stresslevel reduzieren können. Steigt dieser nämlich zu hoch, wartet das nächste Trauma schon an der Ecke. Sämtliche Ressourcen können neben generischen Update-Teilen und Alien-DNA fürs Labor, in den jeweiligen Levels zu Hauf gefunden werden, ihre Nutzung ist aber durch die Tragekapazitäten der Marines beschränkt.

Alien-Arschtrittmaschine auf Abruf

Ein weiteres taktisches Werkzeug ist der ARC (zu dt. Arche) genannte, gepanzerte Truppentransporter, der in diversen Arealen separat kommandiert werden kann. Dieser kann Überlebende abtransportieren und dank seines massiven Geschützes mit so ziemlich jeder Bedrohung den Boden lackieren. Er wird aber auch benötigt, um während einer Mission mit euren Marines kurzfristig den Rückzug anzutreten.

Ich kann Ihnen nichts vormachen, was Ihre Chancen angeht.

Eine der weitreichendsten taktischen Entscheidungen, die Alien: Dark Decent von einem verlangt, ist nämlich einzuschätzen, wie viel euer Soldatentrupp in einer Mission ertragen kann. Die meisten Areale lassen sich kaum in einem einzigen Besuch abschließen und oft ist es klüger, an einem anderen Tag und mit einer frisch ausgeschlafenen Gruppe zurückzukehren. Sämtlicher Fortschritt, inklusive allen umgeschossenen Aliens und aufgestellten Geschütztürmen, bleibt dabei erhalten. Es gibt jedoch einen Haken. Mit jedem vergangenen Tag breitet sich der Xenomorph-Befall am ganzen Planeten weiter aus und umso mehr Zeit in den anfänglichen Arealen verbracht wird, umso mehr Aliens bevölkern die späteren Bereiche.

Piep…Piep….Piep…Piep..Piep..Piep..Piep.Piep.Piep!Piep!Piep!

Während sämtliche Systeme gut genug ineinander greifen, um ausreichend Strategie in die adrenalingeladenen Ausflüge zu Raumhäfen, Kolonien und Minenschächten zu bringen, sind die Areale selbst die größte Stärke des Titels. Dank des ikonischen Motion-Trackers können zwar Gegner eigentlich stets auf der Mini-Map verfolgt werden (sofern sie sich bewegen), dennoch sind die düsteren Gänge, überwucherten Wände und verregneten Außenbereiche, stets so aufgebaut, dass ein durchgehendes Gefühl der Anspannung vermittelt wird.

Vielschichtiger Terror

Auch werden die wenigen Gegnertypen stetig im kreativen neuen Kontext verwendet, sodass die etwa 20-stündige Kampagne durchwegs frisch und fordernd bleibt. Mal sind die Xenomorphs in einem Stasis-Zustand, mal lauern sie in Lüftungsschächten, mal strömen sie massenweise aus einer explodierten Hauswand und mal werden sie von bewaffneten Fanatikern unterstützt. Zusätzlich steigert jedes Aufeinandertreffen ihren allgemeinen Aggressionslevel, woraufhin mit etwas Pech ein stärker gepanzerter Kollege oder ein ganzer Schwarm gerufen wird.

Schiarch, hässlich, zum Kotzen oder abstoßend? Du hast die Wahl.

Es gibt aber auch Schwächen. So werden die grundsoliden Sprecher der Hauptcharaktere, leider in den Missionen mit sich ständig wiederholenden stupiden Einzeilern der Marines abgewechselt, die gerne mal mit ihrem unpassenden Gelaber die Atmosphäre komplett in den Dreck ziehen. In starken Kontrast zu dem stimmigen Grafik- und Sounddesign präsentieren sich die Gesichter der Soldaten und Charaktere außerdem im besten Fall noch als Karikaturen oder Fratzen eines menschlichen Gesichts, was einem glücklicherweise aufgrund der Perspektive nur in den Menüs sauer aufstoßen lässt. Die Tatsache, dass der beschränkte Charaktereditor einen diese ausschließlich durch etwa zwei Dutzend gleichwertig-unansehnliche Alternativen austauschen lässt, wirkt dabei aber trotzdem fast schon komödiantisch.

Die ewige Wiederkunft des Gleichen überlebt nur der Übermensch

Neben diesen eher oberflächlichen Kritikpunkten liegt das größte Problem bei Aliens: Dark Decent aber in seinem inkonsistenten Schwierigkeitsgrad. Zwar lassen sich zu Beginn diverse Einstellungen zu Lebensenergie und Erkennungs-Radius der Gegner treffen, keine von diesen ändert aber etwas an der frustrierenden Kombination aus willkürlichen Ereignissen und extrem infrequent gesetzten Speicherpunkten. Wenn mich eine vollkommen unvorhersehbare „Falle“ eine halbe Stunde und drei Zwischensequenzen zurücksetzt, fühlt sich das leider nicht nach einer spannenden Herausforderung, sondern nach einer unnötigen Zeitverschwendung an, die mich mehrfach fast dazu gebracht hätte, den Controller dauerhaft zur Seite zu legen.

PS. Die Mehrfach berichteten Abstürze und fatalen Bugs dürften zum Zeitpunkt dieser Review weitesgehend herausgepatcht worden sein, oder traten während meiner gesamten Spielzeit(PC-Version) zumindest nicht in Erscheinung.

Fazit:

Wertung: - 8.5

8.5

Alien-Traum mit Speicher- Problem

Aliens: Dark Decent hat mich wirklich positiv überrascht. Tindalos Interactive ist es hier beeindruckend gelungen, die Alien-Formel trotz isometrischer Perspektive spannend und würdig als taktisches Strategiespiel umzusetzen. Zusammen mit dem unverbrauchten Gameplay und der interessanten Geschichte zählt der Titel damit definitiv zu den besten Videospiel-Umsetzungen des Alien-Franchise. Leider treibt das unpassende Speichersystem, aber einen Nagel in den sonst runden Erfolg. Dass das Tappen in “Fallen”, die James Moriarty persönlich nicht vorhersehen könnte, mit ewig alten Rücksetzpunkten bestraft wird, hat mich selbst als alten Souls-Veteran mehrfach an die Frustrationsgrenze gebracht. Hier hoffe ich, dass ein manuelles Speichersystem oder zumindest eine höhere Frequenz an Rücksetzpunkten noch nach-gepatched werden. Sonst werden wohl selbst auf dem leichtesten Schwierigkeitsgrad nur wenige die Muse haben, die ansonsten formidable Kampagne bis zum Ende mitzuverfolgen. Für den mehr als fairen Preis dürfen Alien- und Taktik-Strategie Fans aber trotzdem definitiv einen Blick riskieren.

Genre: Taktik-RTS
Entwickler: Tindalos Interactive, Focus Entertainment
System: PS5, PS4, Xbox Series X/S, Xbox One, PC
Erscheint: 20.06.2022
Preis: ca. 40€

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