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Review: Xenoblade Chronicles X

Die Erde ist zerstört – und ausnahmsweise waren wir nicht schuld daran. Die Menschheit geriet zu einem Spielball in einem interstellaren Krieg zweier uns völlig überlegener Lebensformen, die unseren Planeten für immer vernichteten. Doch die Menschheit überlebte und flüchtete in gigantischen Raumschiffen ins Ungewisse. Viele dieser rettenden Archen schafften es zwar nicht einmal aus der Erdumlaufbahn, doch einigen wenigen gelang es, sich auf den Weg zu neuen, bewohnbaren Himmelskörpern zu machen. So auch die White Whale, die es immerhin schaffte, auf dem Planeten Mira eine Bruchlandung hinzulegen. Der Himmelskörper ist bewohnbar – aber kann er auch zu einer neuen Heimat für die Menschheit werden?

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Kurze Zeit nach dem Crash lässt euch Xenoblade Chronicles X die Kontrolle über euren frisch nach euren Vorstellungen erschaffenen Charakter übernehmen. Ihr erwacht in einer Stasiskapsel mitten in der Wildnis, bekommt einen Crash-Kurs, was seit dem Absturz passiert ist, und begebt nach NLA („New Los Angeles“), das die neue Heimat der Menschheit darstellt. Dass wir uns unseren Avatar selbst basteln dürfen, ist eines der ersten Anzeichen, dass wir es hier nicht mit einem typischen JRPG zu tun haben. Deshalb wollen wir es hier gleich aussprechen: Xenoblade Chronicles X distanziert sich – wie schon sein Vorgänger Xenoblade Chronicles – von den typischen Konventionen des Genres und fügt eine gute Portion Neuerungen hinzu, die vor allem aus den West- und MMORPG-Genres stammen.

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Einige Cutscenes und Erläuterungen später habt ihr eure erste Party, einen Job (bei BLADE, einem Zusammenschluss mehrerer Einheiten, die unter anderem als Scouts, Soldaten oder Polizisten auf der neuen Welt dienen) und könnt euch ins Abenteuer stürzen. Und zwar relativ blindlings, denn Xenoblade Chronicles X nimmt euch kaum an die Hand, sondern lässt euch ab diesem Punkt großteils die Freiheit, selbst festzulegen, was ihr als nächstes tun wollt. Auch wenn es natürlich Quests gibt, die erledigt werden können und in manchen Fällen auch müssen, hält euch niemand ab, einfach loszuziehen und euch um ganz andere Dinge zu kümmern. Mehrere Kontinente mit einer riesigen Landmasse und einer gerade für Wii U-Verhältnisse unglaublichen Grafikpracht warten darauf, von euch entdeckt zu werden. Wer hier stur auf einem Weg von Punkt A nach B rennen und nicht nach rechts und links schauen will, verpasst etliche Sehenswürdigkeiten und wertvolle Erkenntnisse.

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Dieses Hands-off-Konzept zeigt sich allerdings nicht nur in eurer Freiheit. Xenoblade Chronicles X nimmt euch auch beim Gameplay nicht gerade an die Hand. Ja, es gibt natürlich Tutorial-Texte, die etliche Gameplay-Konzepte erklären, sobald sie das erste Mal auftreten; doch wer wirklich alle Feinheiten des Spiels meistern will – und das ist im Verlauf der Handlung fast nötig, um bei größeren Herausforderungen eine Chance zu haben –, sollte sich darauf gefasst machen, auch mal das Handbuch oder einen Guide aufzuschlagen und darin zu recherchieren, wie das Spiel nun im Detail tickt. Und glaubt nicht, ihr habt genug gelernt, nur weil ihr alles verstanden habt, was auch das Spiel momentan bietet: Im Laufe eures Abenteuers erhaltet ihr regelmäßig neue Möglichkeiten und Gameplaymechanismen hinzu. Nur ein Beispiel: Die Skells – die schon in den Trailern in den Fokus gerückten Mechs – könnt ihr erst ab etwa der Halbzeit der Hauptstory freischalten, ermöglichen euch dann allerdings, auch gegen sehr starke Gegner zu bestehen. Dass sie ihre ganz eigenen Gameplaykonzepte und Beschränkungen mitbringen, ist völlig klar. Und bis ihr mit ihnen fliegen könnt und endlich so richtig die detaillierte Landschaft genießen könnt, vergeht noch deutlich mehr Zeit.

Die Hauptstory umfasst übrigens nur eine Handvoll Missionen, aber um sie freizuschalten, müsst ihr zahlreiche andere Aufgaben und Bedingungen erfüllen, die leider nur zum Teil offensichtlich sind (und bisweilen wiederum ihre eigenen Vorabbedingungen mit sich bringen), zum Teil aber auch ein bisschen Raten erfordern. Umso süßer ist es dann, wenn ihr die entsprechende Mission tatsächlich endlich angehen könnt. Auch sonst ist bisweilen Geduld gefragt: Nur weil ihr einem Monster im Startgebiet begegnet, heißt das nicht, dass ihr auch eine Chance haben werdet, es gleich zu Beginn umzulegen. Xenoblade Chronicles X gelingt es, eine lebendige Welt zu gestalten, in der eben nicht alle einfachen Gegner im Startgebiet herumlaufen – hier grasen Level 3-Gegner neben Monstern, die für weitaus erfahrenere Helden gedacht sind. Das Spiel informiert euch per UI darüber, von welchem Level wir reden, was aber nicht heißt, dass ihr nicht von zu starken Gegnern angegriffen werden könnt, wenn ihr ihnen leichtsinnigerweise zu nahe kommt. Ihr seid eben ein Teil dieses Ökosystems und habt euren Platz in der Nahrungskette – und der ist leider nicht immer an der Spitze. Deshalb solltet ihr euch gut überlegen, wie ihr zu eurem Ziel gelangen könnt, ohne auf dem Weg den Tod zu finden. Zum Glück ist die Landschaft von Xenoblade Chronicles X nicht nur riesig, sondern auch auf vielerlei Arten erkundbar. Umwege, genaues Hinsehen und ein bisschen experimentieren zahlen sich definitiv aus.

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Sollte es doch zum Kampf kommen, weil ihr einem Gegner zu nahe gekommen seid oder gar einen Angriff provoziert habt, wird nicht in eine eigene Kampfarena gewechselt, sondern einfach das passende Kampf-UI eingeblendet. Dieses funktioniert ähnlich wie in einem MMO, sodass euer Avatar grundsätzlich automatisch angreift, ihr aber passende Skills per Hotbar auslösen könnt. Danach heißt es allerdings warten, bis der Cooldown abgelaufen ist, bevor ihr diesen Skill erneut einsetzen könnt. Zu Beginn werden euch eure kleine Handvoll Skills sowie der Wechsel zwischen Nah- und Fernwaffe genug auf Trab halten, später kommen allerdings, wie schon erwähnt, weitere Kampfsysteme dazu, durch die Timing und die richtige Taktik immer wichtiger werden. Zum Glück habt ihr eure Party dabei, die euch automatisch im Kampf unterstützt und euch hin- und wieder darauf hinweist, dass nun eine bestimmte Art von Skill sehr effektiv wäre. Ihr tut gut daran, solche Aufforderungen zu beachten. Übrigens könnt ihr auch die Avatare anderer Spieler in eure Party holen und auch einige wenige Quests im „echten“ Multiplayer absolvieren. Nötig ist das allerdings nicht. Wer möchte, kann Xenoblade Chronicles X auch völlig solo genießen.

Review Overview

Wertung - 8.5

8.5

Skyrim meets JRPG

Xenoblade Chronicles X ist kein „typisches“ JRPG und man kann es zwar mit seinem direkten Vorgänger Xenoblade Chronicles vergleichen, aber wohl kaum mit seinen berühmten Vorfahren und Xeno-Namensverwandten Xenogears und Xenosaga. Warum? Weil Monolith Soft hier ein Spiel geschaffen hat, das man wohl am ehesten mit Skyrim und Co. vergleichen müsste, aber mit den typischen linearen JRPG-Klassikern, die vor allem ihre Story erzählen wollen, eher wenig gemein hat: Hier gibt es eine riesige Welt, die zum Erkunden einlädt; wer sich nur auf die eigentliche Geschichte konzentrieren will (was aber aufgrund der Unlocks für die Storymissionen ohnehin nicht ohne weiteres möglich ist), verpasst viele Inhalte mit ihren ganz eigenen Erfahrungen. Dieses Konzept macht Xenoblade Chronicles X besonders – hier wird eine Welt und das Überleben darin zur eigentlichen Handlung, das Erleben und Erkunden eines fremden Planeten zum Fokus. Andererseits ist es auch der Fallstrick für das Spiel, denn ein Spieler, der eigentlich lieber an der Hand genommen und von Storypunkt zu Storypunkt geführt werden will und der sich nicht für das Erkunden der Welt interessiert, wird sich hier verloren vorkommen. An diesem Punkt aufzugeben wäre allerdings schade, denn Xenoblade Chronicles X ist ein interessantes, komplexes Spiel mit vielen kleinen, aber feinen Gameplay-Systemen, die wir hier gar nicht alle erwähnen könnten, ohne den Rahmen des Reviews zu sprengen. Davon abgesehen gibt es aber auch Kritik, die nicht unerwähnt bleiben sollte: Das UI ist reichlich überfrachtet und füllt bisweilen den Großteil des Screens mit diversen Statusanzeigen aus; das Gamepad fühlt sich überbelegt an und die kleine Schrift erlaubt es fast nicht, den Titel nur am Pad ohne TV zu spielen, denn es stellt selbst auf einem größeren Fernseher ab gewissen Distanzen unsere Augen schon auf eine harte Probe; Sammelquests fühlen sich genauso nervig an wie in den meisten MMOs und das Balancing ist nicht völlig ausgegoren, sodass unnötig schwierige Passagen euren Fortschritt aufhalten können, vor allem, da manche Quests unbedingt erledigt werden müssen, bevor ihr euch neuen Aufgaben stellen könnt. Kurz zusammengefasst: Xenoblade Chronicles X ist definitiv nicht perfekt und es ist nicht für jede Art von Spieler gemacht. Aber wer sich darauf einlässt und mit den Fehlern und der offenen Welt leben kann, bekommt ein wunderbares JRPG-Spielerlebnis geboten, das seinesgleichen sucht.

Genre: Rollenspiel
System:
 Wii U
Entwickler: Monolith Soft
Erscheint: 4. Dezember
Preis: ca. 60 Euro

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Florian Scherz

Bereits früh entwickelte Florian zwei große Leidenschaften: Videospiele und Theater. Ersteres brachte ihn zu einem Informatikstudium und zu Jobs bei consol.MEDIA und Cliffhanger Productions; zweiteres lässt ihn heute (unter anderem) als Schauspieler, Regisseur, Komponist und Lichtdesigner arbeiten. Wenn er gerade keine Musicals inszeniert, spielt oder schreibt, vermisst er auf Shock2 Videospiele von anno dazumal in seiner Blog-Reihe "Spiele, die ich vermisse".

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