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Review: Senua’s Saga: Hellblade II

Perfekt, so wie es ist!

Vor sieben Jahren sorgte das britische Entwicklerstudio Ninja Theory mit Hellblade: Senua’s Sacrifice für einen Überraschungshit. Das technisch und atmosphärisch glänzende Action-Adventure rund um die junge Senua nahm sich auf respektvolle und künstlerische Weise dem Thema Psychosen an. Nun ist Senua in einer neuen Geschichte zurück und hat mit noch mehr dunklen Einflüssen ihrer realen und geistigen Welt zu kämpfen. Wir haben uns das dank eines Review-Codes von Xbox für euch angeschaut.

Mystisches Island

Senua’s Saga: Hellblade II setzt die Geschichte fort: Senua beschließt, den grausamen Wikingern, die im ersten Teil ihr Dorf überfallen haben, einen Besuch abzustatten, um das Übel dort im Keim zu ersticken. Zu diesem Zweck lässt sie sich gefangen nehmen und als Sklavin im Schiff der Nordmänner nach Island verschleppen. Genau dort steigt man ins neue Abenteuer ein, das die Spielenden fortan im Stil einer aus Filmen bekannten Plansequenz – ohne wirklich merkbare Zäsuren – durch das rund achtstündige Erlebnis führt. Hat sich der erste Teil schon sehr cineastisch angefühlt, hat Entwickler Ninja Theory hier noch einen draufgesetzt. Nach einer kurzen Einblendung der Controller-Belegung wird man ohne Tutorial und jegliche Anzeige auf dem Screen ins Geschehen geworfen, dessen Gameplay jedoch sofort ins Mark übergeht. Man steuert Senua über ein pittoreskes Island, kämpft mit einer überschaubaren Auswahl von Moves gegen eine ebenso überschaubare Palette von Gegnern und löst Rätsel. Zurückgekommen sind die Passagen aus Teil 1, in denen man in der Umgebung versteckte Runen erspähen muss, um verschlossene Tore zu öffnen. Es gibt aber auch neue Herausforderungsmechaniken, die im Grunde simple Schalterrätsel darstellen, aber visuell ansprechend inszeniert sind und deshalb als Ganzes sehr befriedigend wirken. Gelöst werden alle dieser „Kopfnüsse“ in Windeseile, aber es wäre dem Gesamterlebnis auch nicht zuträglich, dass man Stunden an einer Herausforderung knobelt. Vielmehr gehen Erkundungen, Zwischensequenzen und Kämpfe nahtlos ineinander über, was die Immersion perfekt macht.

Sagenhafte Verbesserungen

Die Duelle gegen Gegner sind nun zumeist 1:1-Kämpfe, die Taktik erfordern: Das Ausweichen, Blocken und Angreifen mit starken und schwachen Attacken passiert wirklichkeitsnah schwerfällig. Mit Button-Mashing kommt man nicht weit, sondern sollte sich genau überlegen, was man tut und wann man Senuas „Superattacke“ nutzt, die einen bei großen schildbewährten oder fiesen Feuerspuckenden Unholden sehr nützlich sein kann. Ein dynamischer Schwierigkeitsgrad sorgt aber dafür, dass man im Laufe des Spiels selten ins isländische Gras beißt. Und für alle, die mit dem Blocken und der Wahl des richtigen Angriffs partout nicht zurechtkommen, gibt es in den Spieleinstellungen die Option, das Verteidigen und/oder Angreifen automatisch ablaufen zu lassen. Das mag für den einen oder die andere vielleicht wie „cheaten“ klingen, aber bei manchen Kämpfen, bei denen man sich dank der gekonnten Inszenierung gerade mitten in einem Action-Film mitwirkend fühlt, ist es gar nicht übel, wenn die spielerische Herausforderung zugunsten des Erlebnisses und der Emotionen der Spielenden in den Hintergrund tritt. Kurz: Was an manchen Stellen des Spiels teilweise auf dem Screen abgeht ist dermaßen einmalig, dass man wenig Lust verspürt, sich den Zauber des Ganzen durch eine erzwungene Wiederholung nehmen zu lassen, nur weil man ein einziges Mal falsch einer Feuerfontäne ausgewichen ist. Im Test wurde z.B. ab und zu zwischendurch das automatische Blocken aktiviert, was den Spaß am Geschehen nicht negativ beeinflusst hat. Durch die anderen zahlreichen Optionen, die die Zugänglichkeit verbessern, kann weiters jede Person am Controller für sich entscheiden, ob sie Senuas Reise härter oder gemütlicher erleben möchte. Bei der Review-Session wurde etwa das Wackeln der Spielkamera ein paar Stufen nach unten geschraubt. Zwar unterstreicht diese den Charakter stressiger Abschnitte im Spiel, aber was nützt das, wenn vor dem Fernseher Motion Sickness emporkommt. Dass man derartige Unannehmlichkeiten umgehen kann und auch für Optionen wie z.B. Filter für Personen mit Farbenfehlsichtigkeit oder Einstellungsmöglichkeiten der Bewegungsunschärfe gibt es großes Lob an die Entwickler.

Fantastische Umsetzung

Auf der technischen Seite zeigen die Leute von Ninja Theory wieder, warum sie seit Jahren für hohe Qualität in Sachen Games gelten. Für Senua’s Saga: Hellblade II gibt es nicht einen tollen englischen Voice-Cast (keine deutsche Tonspur!), es wurde zudem gefühlt alles digital erfasst, was nur geht. Ganze Landstriche in Island wurden digitalisiert und die Motion-Capturing-Artists wurden samt Kostümen und Gesichtsbemalung gescannt. Das sorgt nicht nur für eine ausgesprochene visuelle Brillanz, sondern auch für ein selten erreichtes Level an Realitätsnähe. Und auch beim Gameplay selbst fühlt man sich der Wirklichkeit sehr verbunden. So dauert es eben einen Moment, bis Senua sich einen Vorsprung hochzieht oder eine Leiter hinunterklettert, indem sie sich zuvor auf den Hintern setzt. Ganz wie man das auch im Real-Life machen würde. Diese spielerische Entschleunigung ist keineswegs unangenehm. Da es in den relativ linearen Arealen wenig zu erkunden sowie quasi kein Backtracking gibt und vielmehr der Weg das Ziel ist, empfindet man gar nicht den Drang, schnell von A nach B zu kommen. Man erlebt Senuas Reise und „genießt“ die Zeit auf Island. Wobei an dieser Stelle angemerkt werden muss, dass das Spiel wie auch der Vorgänger keine leichte Kost ist. Durch das Element von Senuas geistiger Lage wechseln sich – auch schon mal abrupt – Momente, in denen man über ein sonniges Flussufer blickt mit dunklen Passagen, in denen die Stimmen im Kopf der Protagonistin laut und bedrohlich werden. Wenn man mit Kopfhörern spielt und die ständig präsenten, teils zynischen, teils analysierenden Kommentare Senuas‘ Psyche auf einen einprasseln und durcheinanderquasseln, sollte man sichergehen, dass man sich auch selbst gerade in der geistigen Verfassung fühlt, sich auf das kognitiv fordernde Erlebnis einzulassen. (Hanns Peter Glock)

Fazit

Wertung - 9

9

Das rein digital erscheinende Senua’s Saga: Hellblade II ist kein klassisches Action-Adventure-Erlebnis mit weitläufigen erkundbaren Arealen, das Kampfsystem ist wenig raffiniert und bleibt von Anfang bis zum Ende ohne jegliche Weiterentwicklung, bei den Rätseln braucht es Hirnschmalz nur in homöopathischer Dosis und man spielt keine 100 Stunden und mehr daran. Das und sicher noch einige andere Punkte könnte man dem Titel vorwerfen – muss man aber nicht! Senua’s Saga: Hellblade II ist perfekt, so wie es ist. Ninja Theorys jüngstes Werk bietet eine spannende und interessante Geschichte, ein zugängliches sowie unterhaltsames Gameplay und ist technisch vom Feinsten. Der Mix aus klassischem Spiel und cineastischem Erlebnis ist kohärent und die in etwa 50 Euro Verkaufspreis sind für die rund achtstündige Spielzeit und den großen Aufwand, den Ninja Theory betrieben hat, um dieses einzigartige Werk zu erschaffen, mehr als angemessen. (Es ist auch im Game Pass enthalten.) Der geistige Zustand der Hauptfigur und dessen Inszenierung sind aber etwas, dessen man sich bewusst sein sollte, bevor man sich ins Abenteuer stürzt. Senua’s Saga: Hellblade II ist nämlich eine tolle, aber keinesfalls leichte Kost. So würde ich jetzt nicht unbedingt eine Spielsession empfehlen, um übermüdet von einem harten Tag noch ein wenig abzuschalten. Es ist vergleichbar mit den Werken von Hollywood-Größe David Lynch: Twin Peaks oder Mullholland Drive sind auch Glanzstücke, die man aber auch nicht allen und zu jeder Zeit empfehlen kann.

Genre: Action-Adventure
Entwickler: Ninja Theory
System: Xbox Series, PC
Erscheint: erhältlich
Preis: ca. 50 Euro

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