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Review: Leftovers Nr. 1

Leftovers Nr. 1

Jim, der kleine Regalauffüller im Sir-Shop-A-Lot.

Jim arbeitet als Regalauffüller in einem Supermarkt, möchte aber eigentlich viel lieber Musik machen. Er ist mit seinem Leben grundsätzlich nicht zufrieden, sucht aber genauso wenig nach einem Ausweg aus diesem Dilemma. Erst als die hübsche Amanda in sein Leben tritt, hat Jim den Arsch in der Hose seinen Job zu kündigen. Er will stattdessen lieber mit Amanda nach Washington um dort Musik zu machen. Doch als er dies seinem Freund erzählt, wäscht der ihm gehörig den Kopf. Jim beginnt seine Entscheidung zu überdenken, und riskiert damit seine Beziehung zu Amanda …

Mit Musikgeschmack ist das so eine Sache. Die Charaktere hingegen sind vortrefflich.

Blättert man Leftovers das erste Mal durch, dann ist es nur einer von vielen Independent-Titeln mit dem ganz typischen Artwork, welches man von vielen Publikationen trennt. Was also sollte den Kunden dazu bewegen, dieses Heft zu kaufen?
Zum einen ist es nur oberflächlich betrachtet einer von vielen Indietiteln. Lässt man sich auf die abgeschlossene Geschichte ein, findet man sehr schnell Zugang zu den Charakteren. Jason Pittman hat einfühlsame Charaktere geschaffen, die man so, oder ähnlich, aus seinem eigenen Umkreis irgendwie kennt, oder wenigstens zu kennen scheint. Auch wenn Jim der anfängliche Verlierertyp zu sein scheint, der nur seinen Träumen nachhängt, kristallisiert sich doch auch schnell heraus, dass da noch mehr in ihm schlummert. Anders als im Übrigen sein Freund Pete oder sein Chef Gary, die wesentlich direktere Typen sind und daher auch einfacher charakterisiert. Denkt man zumindest. Denn auch die beiden zeigen im Verlauf der Geschichte Facetten, die überraschen. „Leftovers“ sind, so wurde mir erklärt, „Reste“ beim Essen. Damit will Jason Pittman wohl verdeutlichen, dass sämtliche Ideen, die er in Leftovers verwendet Fragmente von Ideen sind, die in sich gesehen abgeschlossen sind, schlussendlich aber ein Ganzes ergeben können. Somit ist dieses erste Heft für sich alleine bereits abgeschlossen und im nächsten Heft warten ein paar ebenfalls abgeschlossene Kurzgeschichten auf den geneigten Leser, dennoch soll sich ein roter Faden durch die Ereignisse ziehen. Ich selbst mag solche Ideen sehr gerne und bin auch ein großer Freund von Episodenfilmen, die irgendwie miteinander verknüpft sind und ein großes Ganzes bilden. Jedoch muss ich auch sagen, dass ich diesen „roten Faden“ bis jetzt nicht erkennen konnte. Aber alleine der Gedanke daran macht mich unglaublich neugierig auf das zweite Heft, was dann hoffentlich auch nicht zu lange auf sich warten lässt.

Ein faszinierender Stilbruch.

Optisch hingegen gibt es weniger Überraschungen. Jason Pittman zeichnet souverän und liefert bekannte Indiekost ab. In einfachem Schwarz und Weiß, mit markanten Linien und gänzlich ohne Farben und Grauschattierungen kreiert Pittman eine dennoch reale Welt. Eine Welt, die jedermann kennt. Eine Welt, die aufgrund ihrer Realität auch zugleich beängstigend wirkt. Doch es gibt auch hier ein paar Besonderheiten. Zwar weniger als im Plot, aber dafür auch schneller ersichtlich. Die eine wäre ein ziemlich auffälliger Stilwechsel in den Zeichnungen. Dominierte bisher das satte Schwarz und Weiß nur aufgelockert mit Schraffuren und Rastern verschiedenster Art, so trifft den Leser plötzlich ein bleistiftartiger Sketchstil ins Auge. Graustufen lösen das satte Schwarz ab, die dicken Linien werden von filigranen Bleistiftzügen ersetzt und der gesamte Stil wechselt vom realen Abbild der Welt zu einem fast schon surrealen Zerrbild.
Dies wäre die positive Besonderheit des Artworks. Leider gibt es aber auch eine weniger erfreuliche, die aber glücklicherweise nicht ganz so oft auffällt. Hin und wieder nimmt es Jason Pittman mit der Anatomie und dem Blickwinkel nicht so ganz genau, oder aber er gerät hier an seine künstlerischen Grenzen. Dies fällt aber ehrlicherweise nur dann auf, wenn man darauf achtet. Bis auf eine Ausnahme. Es gibt da eine intime Szene, in der gleich mehrere solcher „Ausrutscher“ zu erkennen sind. Doch zum Glück schmälern sie das durchaus positive Gesamtbild nur geringfügig. Vor allem wenn man bedenkt, dass es sich hierbei um das erste Heft handelt, wo eine Selbstfindung im Normalfall noch im vollen Gange ist.

Ausblick auf Heft #2

„Leftovers“ ist eine angenehme Überraschung, auch dann, wenn Ausgabe Eins ein fast schon klassisches melancholisches Beziehungsdrama ist. Genauso wie man mit Jim mitleidet, möchte man ihm in den Arsch treten und anschreien, dass er selbigen hoch und sein Leben in den Griff bekommen soll. Doch genau dies macht meiner Auffassung nach auch einen großen reiz der Ausgabe aus, und der bereits erwähnte „rote faden“ schürt die Spannung auf die folgende Ausgabe, deren Titelbild im Übrigen ein Sandwurm zieren wird, wie man ihn auch aus der Dune-Wüstenplaneten-Saga kennt. Und der wird sogar im Heft selbst einen Auftritt haben. Da bin ich doch mal gespannt, wie Jason Pittman das einbauen wird.

Copyright aller verwendeten Bilder © 2015 Jason Pittman / Plem Plem Productions

Titel: Leftovers #1
Verlag: Plem Plem Productions
Autor: Jason Pittman
Zeichner: Jason Pittman
Format: Heft
Umfang: 20 Seiten
Preis: 4,90 Euro

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