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Spiele, die ich vermisse #95: A320 Airbus

Na, habt ihr mich vermisst? Immerhin ist jetzt doch fast ein Monat seit dem letzten Eintrag vergangen, den ich aber gut genutzt habe, um mich auf Hochzeitsreise zu erholen. Und das bringt mich gleich zu einem wichtigen Punkt für die Fortführung dieser Serie (zumindest in näherer Zukunft): Da es mir seit dem Ende meiner Redakteurskarriere immer wieder äußerst schwer gefallen ist, einen guten Grund zu finden, ein neues Spiel zu vermissen, habe ich auf dieser Reise einen Entschluss gefasst. Nein, keine Angst, wir erreichen noch die 100 und diese Zahl könnte sich durchaus noch verdoppeln. Aber ich habe im Zuge der Reise festgestellt, wie sehr mich die Dinge, die ich gesehen habe, an Spiele erinnert haben. Also habe ich begonnen, eine Art „Erinnerungstagebuch“ zu führen. Was das für euch heißt? Sollten sich keine spontanen Eingebungen einstellen, die ein Intermezzo erfordern, werde ich eine ganze Weile von diesem Urlaub zehren und mich an Episoden davon zurück erinnern – hey, so haben wir immerhin alle etwas davon. Beginnen möchte ich da, wo auch der Urlaub begonnen hat – mit einem Flugzeug. Und damit bei einem meiner Lieblingsflugsimulatoren: A320 Airbus.

A320 Airbus wurde von Thalion auf den Markt gebracht (ja, das sind die Macher von Lionheart), während die Entwicklung von dem Luftwaffepiloten Rainer Bopf übernommen wurde. Im Bestreben, einen möglichst detailgetreuen Flugsimulator zu entwickeln, konnte man gleich drei bekannte und wichtige Konzerne im Fluggeschäft als Berater gewinnen: Die Deutsche Airbus GmbH, die Lufthansa und die Boeing-Tochterfirma Jeppesen Sanderson (die sich vor allem mit Flugnavigationsutensilien beschäftigt) unterstützten mit ihrer Expertise die Entwicklung.

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Der Name A320 verrät natürlich schon, dass sich das Spiel auf die Simulation eines einzigen Flugzeugtypens beschränkt – der gute alte Airbus A320, ein mittlerweile doch recht etabliertes, zum Erscheinen des Spiels 1991 aber noch relativ neues Mittelstreckenflugzeug. Spätestens an dieser Stelle ist wohl auch dem letzten klar geworden, dass wir hier nicht von einem actiongeladenen Kampfjet-Simulator sprechen, sondern tatsächlich von einem zivilen Flugsimulator, bei dem es vor allem auf eines ankommt: Gekonnt von „A“ nach „B“ zu gelangen und die Passagiere sicher wieder auf den Boden zu bringen.

Wer schon einmal sein Glück mit so einem Flugsimulator versucht hat, weiß, dass das gar nicht so einfach ist. Natürlich erwartet keiner, dass man mit einem Airbus spektakuläre Abfangmanöver, gefährliche Sturzflüge oder gar Loopings fliegt, die das Können des Piloten ordentlich fordern, aber schon das richtige Aufsetzen auf einer Landebahn kann eine Herausforderung für sich sein – ganz zu schweigen davon, dass man sie erst einmal finden muss. Eine A320 fliegt natürlich nicht im Sichtflug – dafür fliegt sie meist einfach zu hoch – sondern hangelt sich von Funkfeuer zu Funkfeuer die Flugstraßen entlang. Manche nennen das auch den langweiligen Teil des Fluges – ich nenne es den spannenden Teil. Aber dazu später mehr.

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In A320 Airbus geht es allerdings nicht nur ums Fliegen, sondern auch ein wenig um eure Karriere. Zu Beginn des Spieles dürft ihr euch deshalb einen Piloten erstellen und (wenn ihr nicht einen freien Flug durchführt) euch in Ausübung eurer dienstlichen Pflicht ins Cockpit setzen. Die Unterschiede zwischen den beiden Modi sind allerdings relativ klein: Bei ersterem könnt ihr Start- und Zielflughafen selbst wählen, bei zweiterem ist der Ausgangspunkt (und das Wetter) vorgegeben. Allerdings werdet ihr im Dienstmodus regelmäßig aufgefordert, euch für einen höheren Dienstgrad zu qualifizieren bzw. diesen zu bestätigen, wobei ihr bei diesen Qualifikationsflügen mit höherem Rang auf mehr und mehr Komfortfunktionen (Stichwort „Autopiloten“) verzichten und einen höheren Score erhalten müsst. Weiter geht es mit der Einstellung, wieviel Treibstoff, Passagiere und Gepäck im Flieger geladen sein sollen (hier gilt es, entweder gut zu raten oder ausführlich das dicke Handbuch zu wälzen), und schon sitzen wir im Cockpit, das Flugzeug knapp neben der Startbahn, bereit zu starten.

A320 Airbus erspart es euch, langwierig vom Terminal auf die Startbahn zu rollen: Triebwerke anschalten, ein wenig Schub geben, auf die Bahn rollen. Schon hier fällt auf, dass bei all der Detailtreue des Flugmodells die Grafik definitiv nicht mithalten kann: Vektorgrafik in verschiedenen Farbtönen, eine flache Umgebung – es gibt schönere Spiele als dieses, selbst wenn man das Entstehungsjahr berücksichtigt. Das betrifft allerdings nur die Landschaft: Das Cockpit ist nett anzusehen und zeigt wirklich alles, was man braucht, um erfolgreich zu navigieren – zumindest, sobald man einmal verstanden hat, was hier eigentlich was ist und wie man es benutzt.

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Das bringt mich auch zu einem der herausragendsten Merkmale von A320 Airbus, das man sich in den heutigen Tagen des digitalen Downloads und der schmalen Spielehüllen kaum vorstellen kann: Die Ausstattung des Spiels. Abgesehen von den Disketten fanden sich darin nämlich ein dickes Handbuch, das neben den Funktionen des Spiels auch jede Menge über Flugphysik erklärte, sowie ein dicker Block „Approach Charts“ (das sind die Karten der diversen Flughäfen, inklusive genauer Erklärung der Landschleifen, der Position und der Funkfrequenzen für die Funkfeuer der Landebahnen) und große Karten im A0-Format, die Westeuropa (fast) vollständig abdecken (eine spätere Version brachte Nordamerika, wobei man sich für ein Gebiet entscheiden musste) und ein reales Bild des damaligen Luftraums zeichnen – ja, dafür war Jeppesen zuständig. Das war natürlich nicht nur eine schöne Beilage, sondern spielentscheidend. In die Luft kommt man zwar in A320 Airbus schnell, aber irgendwohin gelangen oder gar landen? Keine Chance. Auch eine Art, sein Spiel vor Kopien zu schützen.

Das führt auch gleich zu meinen persönlichen Flugstunden mit der A320. Das erste Mal habe ich das Spiel in die Finger bekommen, als ich mir die Disketten von einem Schulkollegen ausgeborgt habe (ohne Karten, wohlgemerkt) und meinen Amiga 500 damit angeworfen hatte. Sobald ich verstanden hatte, dass man mit dem Ziffernblock die Triebwerke (übrigens links/rechts getrennt oder beide gleichzeitig) steuern kann, war Abheben tatsächlich kein großes Problem mehr, aber danach? Gut, wenden und wieder landen konnte man natürlich noch irgendwie, aber gute Wertungen für den Flug (was maßgeblich vom Landen abhängt, wo man tunlichst genau den Landekorridor etc. einhalten sollte) waren natürlich so nicht zu bekommen. Also fragte ich am nächsten Tag in der Schule nach den Karten – und was dann folgte, war eine wahre Liebesbeziehung (bald darauf mit meiner eigenen Version des Spiels).

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Hatte man nämlich erst einige Grundlagen begriffen, war es gar kein großes Problem, mit einem Flug in A320 Airbus Erfolg zu haben: Starten war, wie schon erwähnt, gleich begriffen; hatte man verstanden, wie die Funkfeuer funktionieren, konnte man leicht Kurs halten – nächstes Funkfeuer auf der Route in einen der beiden NAV-Computer einstellen und das Flugzeug solange drehen, bis man genau darauf zufliegt (was natürlich mit der Kurshalteautomatik noch leichter ging), warten, bis man es erreicht, und dann zum nächsten Funkfeuer wechseln, bis man nahe genug am Zielflughafen ist); und im Endeffekt war sogar das Landen kein Problem – Frequenz der Landebahn in Nav1 einstellen, Automatik einschalten, zusehen, wie der Vogel landet, und erst im letzten Moment wieder das Steuer übernehmen, Nase leicht hochziehen, Luftbremse und Umkehrschub aktivieren, dann Triebwerke drosseln und schließlich ganz abschalten. Parkbremse, fertig.

Zugegeben, es ist ein wenig die Cheat-Variante, weil man eigentlich fast nichts selbst machen muss – Abheben und Kurswechsel sollten kaum jemanden überfordern – aber gleichzeitig reicht das durchaus für die ersten Duty-Flüge und motiviert, dann doch ein paar schwierigere Flüge auszuprobieren. Ganz abgesehen davon, dass für mich der eigentliche Spielspaß abseits des Monitors stattfand. In den Karten eine gute Route für den Flug finden, die Strecke genau planen, dann den Flug durchführen – das machte mehr Spaß, als alle Feinheiten immer unter Kontrolle zu halten oder gar einen vierstündigen Trip durchzuführen und am Ende alles mit der Landung zu versauen. Anders als beim Flight Simulator, bei dem es primär darum ging, das Flugzeug zu beherrschen, konnte man hier mit allen Autopiloten arbeiten und sich wirklich darauf konzentrieren, von A nach B zu gelangen – zumindest, sofern es einem nicht wirklich um die Karriere ging. Mir persönlich reichte das.

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Das führt auch schon zur abschließenden Frage: Warum vermisse ich A320 Airbus? Vor allem aus genau diesem Grund: Dem Spaß mit den Karten, am Routenplan, der von ein wenig Fliegen begleitet wird, kam mir als jemand, der zwar gerne fliegt, aber nicht immer die Zeit hat, sich komplett einzuarbeiten, sehr entgegen. Andere Flugsimulatoren konzentrierten sich, wie oben schon erwähnt, darauf, den Spieler vor allem Pilot sein zu lassen. Hier wurde das Steuern aber fast Nebensache und das Navigieren dafür umso wichtiger, weshalb mein Zimmer manchmal von Karten übersäht war, um mal wieder einen extralangen Trip zu planen. Genau das (in Kombination mit den mächtigen Autopiloten) ist es, was mich A320 Airbus vor allem vermissen lässt. Klar, es gab Fortsetzungen (z.T. unter anderem Namen und auch für PC), aber diese verzichteten dann schon auf (und das ist noch ein wichtiger Punkt, der mich das Spiel vermissen lässt) die Inhalte der Schachtel und kamen stattdessen mit Karten auf CD. War das noch dasselbe? Definitiv nicht. Und, wenn wir das noch hinzufügen wollen: In unserer Zeit sind Flugsimulatoren (und dann noch dazu ernstzunehmende Flugsimulatoren, die nicht total auf Action setzen, ganz zu schweigen von der Untergruppe „zivile“ Flugsimulatoren) sowieso nicht mehr so populär, wie sie einst waren, also gibt es nicht mal mehr besonders viele Alternativen bei der Konkurrenz. Und deshalb vermisse ich dieses Spiel bis heute.

Florian Scherz

Bereits früh entwickelte Florian zwei große Leidenschaften: Videospiele und Theater. Ersteres brachte ihn zu einem Informatikstudium und zu Jobs bei consol.MEDIA und Cliffhanger Productions; zweiteres lässt ihn heute (unter anderem) als Schauspieler, Regisseur, Komponist und Lichtdesigner arbeiten. Wenn er gerade keine Musicals inszeniert, spielt oder schreibt, vermisst er auf Shock2 Videospiele von anno dazumal in seiner Blog-Reihe "Spiele, die ich vermisse".

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