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Spiele, die ich vermisse #71: Secret of Mana

Eigentlich war das Rezept für diese Ausgabe vollkommen klar: Knapp vor Weihnachten muss ich doch einfach ein altes Spiel mit einem Weihnachtsthema präsentieren, oder? Tja, einfacher gesagt als getan, denn: Wie viele erinnerungswürdige Spiele mit diesem Thema (und damit meine ich jetzt nicht einfach einzelne Abschnitte a la Kingdom Hearts II) fallen euch ein? Ich habe mir den Kopf zerbrochen, dann gegoogelt, aber alle Spiele, die mir Hirn oder Suche ausspuckten, kannte ich entweder gar nicht, nicht gut genug, hatte ich schon (letztes Jahr gab es an dieser Stelle ja James Pond II) oder boten nicht genügend Stoff für einen Eintrag (Christmas Lemmings). Also verwarf ich das Weihnachtsthema zunächst wieder und widmete mich einer anderen Inspiration: Diese Woche habe ich endlich mit A Link Between Worlds begonnen (bzw. es schon wieder fast beendet), was mich natürlich zu A Link To The Past führen würde. Doch ich gehe einmal mehr den ein wenig unerwarteteren Weg, folge diesem Gedankenpfad eine Wendung weiter und lande damit tatsächlich doch noch bei einem Spiel mit leichten Weihnachtsanklängen (wie das funktioniert, erkläre ich euch später). Sein Name? Secret of Mana.

Kinder der Super Nintendo-Ära werden bei diesem Titel wissend mit dem Kopf nicken, für alle anderen eine kurze Erklärung: Secret of Mana ist ein Action-Rollenspiel von Squaresoft, das 1993 (bei uns 94) für die zweite Nintendo-Konsole erschien. Im Spiel schlüpft ihr in die Rolle eines Jungen, der gemeinsam mit anderen Burschen beim Spielen ein altes Schwert findet und – geleitet von einer mysteriösen Stimme – aus dem Stein zieht. Mit dieser Tat ermöglicht er es, dem Bösen auf die Welt zurückzukehren, da es sich bei dem rostigen Stück in Wahrheit um das mittlerweile entkräftete Manaschwert handelte, das einst ein Ritter nutzte, um die Welt vor dem Missbrauch von Mana zu schützen und für immer zu versiegeln. Ihr werdet ob eurer Taten aus eurem Heimatdorf verbannt und begebt euch auf eine Reise, um dem Schwert wieder seine ursprüngliche Stärke zurückzugeben und das Land vor dem Bösen zu schützen. Was folgt, ist ein großes Abenteuer, das euch quer über die gesamte Welt – und natürlich zum Showdown mit den bösen Kräften – führt.

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Zugegeben: Die Story des Spiels ist jetzt nicht gerade außergewöhnlich für ein JRPG. Doch die Ausführung machte den Unterschied: Anders als in der Final Fantasy-Reihe, die Squaresoft schon damals zu einer bekannten Marke gemacht hatte (international gesehen – in Europa war damals noch keines der Spiele erschienen), war Secret of Mana anders und nahm Anleihen bei Zelda (womit wir die erste der im ersten Absatz erwähnten Querverbindungen erreicht hätten): Statt euch für Zufallskämpfe in spezielle Kampfarenen zu befördern, wurde hier einfach direkt in den einzelnen Regionen der Welt gekämpft – Gegner liefen frei in der Gegend herum, auf Buttondruck wurde die gerade ausgerüstete Waffe geschwungen oder aufgeladen, um noch mächtigere Angriffe loszulassen. Auch haben die einzelnen Items, die man im Laufe der Zeit sammelt, Spezialfähigkeiten – zum Beispiel kann man mit der Peitsche Abgründe überqueren oder mit der Axt Hindernisse zerstören. Andere Dinge erinnern viel weniger an Zelda – zum Beispiel kann man Waffen aufleveln (wodurch man sie stärker aufladen kann) und nach und nach bekommt man magische Fähigkeiten. Diese stehen allerdings nicht dem Protagonisten zur Verfügung, sondern nur seinen beiden Begleiterinnen, die er nach und nach aufsammelt: Ein Mädchen und eine Kobldin können mit der Hilfe von Elementarwesen (die man ebenfalls aufleveln kann, was die Zauber stärker macht) unterschiedliche Sprüche wirken. Das führt auch zum letzten Unterschied zur Zelda-Reihe (aber auch zu fast allen JRPGs): Ihr müsst das Abenteuer nicht alleine bestreiten, sondern könnt mit maximal drei Spielern die Geschichte kooperativ erleben.

An dieser Stelle möchte ich eine kleine Geschichtsstunde einschieben, damit ihr das Spiel richtig einordnen könnt, denn gerade über Secret of Mana samt der darum liegenden „of Mana“-Reihe gibt es viele Gerüchte, die allerdings Großteils falsch sind. Für einige ist Secret of Mana nämlich der erste Teil der Reihe (falsch), für andere der zweite Teil einer Serie (richtig), deren erster Teil nicht in Europa erschien (falsch). Wieder andere meinen, Secret of Mana hätte ein Sequel gehabt (richtig), das auch in Europa erschienen ist (falsch). Diese Verwirrung gibt es durch eine etwas konfuse Namensgebungin der westlichen Welt (die sich noch dazu teilweise zwischen den USA und Europa unterscheidet). Im japanischen Original heißt die „of Mana“-Reihe Seiken Densetsu und Secret of Mana ist dementsprechend Seiken Densetsu 2. Sein Vorgänger ist ein GameBoy-Titel namens Seiken Densetsu: Final Fantasy Gaiden – und hier erkennt man auch schon (zumindest wenn man weiß, was Gaiden bedeutet), dass Seiken Densetsu seinen Ursprung als Spin-off von Final Fantasy hatte, was einige Gemeinsamkeiten, aber auch die Unterschiede erklären sollte. Genau als Teil dieser Serie wurde der erste Teil auch in den USA vermarktet und hieß dort Final Fantasy Adventure (eine Taktik, die Square auch bei den ersten SaGa-Teilen, die dann zu Final Fantasy Legends wurden, anwendete); in Europa, wo man ja Final Fantasy noch gar nicht kannte, wurde das Spiel als „Mystic Quest“ in den Handel gebracht. Noch mehr Namensverwirrung gefällig? Es gibt auch in den USA ein Spiel, dass „Mystic Quest“ im Namen trägt und von Squaresoft stammt, nämlich ein SNES-Spiel namens Final Fantasy: Mystic Quest (bei uns wurde dann daraus „Mystic Quest Legend“, was wohl wiederum eine Verwandtschaft mit Mystic Quest implizieren hätte sollen). Bei diesem handelt es sich aber nicht um einen Teil der Seiken Densetsu-Reihe, sondern um ein Final Fantasy, das in Japan spezifisch für den Westen entwickelt wurde und gezielt als „Rollenspiel für Einsteiger“ vermarktet wurde (in Japan hieß es dann „Final Fantasy USA: Mystic Quest“ und wurde für sein einfaches Spielprinzip belächelt).

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Bleibt nur noch die letzte Verwirrung aufzulösen, nämlich jene um das Sequel zu Secret of Mana. Die meisten Kenner werden hier wohl sofort Secret of Evermore anführen, doch dabei handelt es sich NICHT um einen Teil der Seiken Densetsu-Saga und um kein echtes Sequel zu Secret of Mana, wie der Titel wohl implizieren hätte sollen. Ganz im Gegenteil: Dieses Spiel wurde im Westen für den Westen entwickelt und übernahm etliche etablierte Gameplaykonzepte von Secret of Mana. Das „echte“ Seiken Densetsu 3 (übrigens auch noch für den SNES) kam hingegen nie in den Westen. In dieser Art ging es auch weiter: Das Spin-off Legend of Mana (PlayStation) sowie Seiken Densetsu 4 (PS2) gelangten nur bis in die USA,  Europäer mussten sich mit Secret of Mana, Sword of Mana (einem GBA-Remake des ersten Teils mit einigen Überarbeitungen und ohne Final Fantasy-Referenzen), Children of Mana und Heroes of Mana (beide DS) zufriedengeben.

So, damit aber genug Geschichtsstunde über die Reihe, kommen wir mit diesem Wissen zu Secret of Mana selbst zurück. Dass sich SoM in einigen Belangen an Zelda orientierte, wisst ihr nun ja bereits. Warum sich Geschichte bzw. Storytelling eher wie ein Final Fantasy anfühlten, ist mit dem Gedanken im Hinterkopf, dass die Serie als ein „Final Fantasy Gaiden“ begann, auch irgendwie logisch. Jede Menge Dialoge (die allerdings in der Ãœbersetzung radikal gekürzt wurden, da man in westlichen Sprachen mit begrenzter Zeichenanzahl wesentlich weniger ausdrücken kann als im japanischen Original), schräge Charaktere, eine recht klare Struktur, wann man wo sein musste – all das erinnert aus heutiger Sicht durchaus an jene Reihe, die man in Europa zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht kannte. Vielleicht war aber genau das der Grund, warum Secret of Mana ein Spiel war, das einfach jeder haben musste, der einen Super Nintendo zuhause hatte, denn Secret of Mana war ein Spiel jener Art, die es hierzulande einfach viel zu selten gab. Ist es also ein Wunder, dass man sich bis heute an den reisenden Katzenhändler Raffi, den kleinen Drachen Lufti und (und da sind wir bei der zweiten erwähnten Querverbindung) dem Ausflug auf die Weihnachtsinsel erinnert? Wer kann sich nicht an spannende Bosskämpfe erinnern, die Jagd nach dem nächsten Manasamen, das Aufleveln von Waffen und Elementarwesen? Wer hat nicht bis heute den entsprechenden Spieleberater auf einem Ehrenplatz liegen? Und wer hat sich nicht ein Multitap gewünscht, einfach nur, um einen dritten Controller anschließen zu können und zu dritt ins Gefecht ziehen zu können?

Mana

Die kurze Antwort darauf? Ich. Nein, keine Angst, natürlich habe ich gute Erinnerungen an das Spiel, sonst würde ich hier nicht davon schreiben. Ich rede von jenen ersten Jahren, in denen das Spiel im Handel war, denn auch wenn jeder das Spiel haben wollte, machte ich eher einen Bogen darum. In der Schule war Secret of Mana wochenlang ein Thema, Spieleberater machten in den Pausen die Runden, Taktiken wurden besprochen – und ich hatte (vor allem mangels der entsprechenden Konsole, was erklärt, warum wir hier nach über 70 Ausgaben zum ersten Mal von einerm SNES-Titel sprechen) keine Möglichkeit mitzureden. Meine Zeit mit dem Spiel begann – und das kann ich aufgrund einer kleinen Anekdote, zu der ich gleich kommen werde, recht genau datieren – erst 1997: Der Bruder einer Freundin hatte einen Super Nintendo, den ich mir eines Tages ausborgte, um – Achtung, dritte Querverbindung – endlich A Link To The Past spielen zu können und damit eine Lücke in meinen Spielerfahrungen zu schließen. Doch so wanderten gleich zwei Spiele in mein Zimmer: Neben dem dritten Zelda gab er mir nämlich auch Secret of Mana mit – zum Reinschauen, wie er sagte. Und es kam wie es kommen musste: Als ALttP durchgespielt war, begann ich, SoM durchzuspielen. Das habe ich damals zwar nicht durchgezogen, sondern irgendwann abbrechen müssen (immerhin musste ich die Konsole wieder zurückgeben), aber damals versprach ich mir, eines Tages zurückzukehren und zu beenden, was ich angefangen hatte.

Dieses Versprechen habe ich auch gehalten: Ziemlich gleichzeitig mit meinem N64 (Stichwort Ocarina of Time) kaufte ich mir endlich  via eBay die fehlende Nintendo-Konsole – passenderweise mit vier Spielen, darunter erneut Zelda und Secret of Mana (die anderen waren Super Mario World und Street Fighter II Turbo). Allerdings sollten einmal mehr zwei Jahre vergehen, bis ich endlich gemeinsam mit meiner damaligen Freundin Secret of Mana von vorne bis hinten durchspielen konnte, ich endlich wusste, was ich verpasst habe, und das Ende gesehen hatte. Das Erlebnis, zu dritt zu spielen, blieb mir allerdings verwehrt (wobei ich das allerdings mittlerweile dank Virtual Console ganz einfach nachholen könnte, was ich aber noch nicht getan habe). Das Spielerlebnis war auch damals, immerhin doch schon fast zehn Jahre nach Release, immer noch großartig – umso trauriger macht es mich, die restlichen „of Mana“-Teile ausgelassen zu haben, die sich allerdings ohnehin Gameplay-mäßig (aus welchen Gründen auch immer, da das Konzept ja eigentlich gut funktionierte) weit von diesem witzigen, interessanten Coop-JRPG entfernten. Schade eigentlich, ich hätte gerne mehr Spiele dieser Art gespielt.

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Und das führt mich schon zu meinem abschließenden Punkt: Warum vermisse ich Secret of Mana? Weil es eigentlich mein erstes JRPG war – Final Fantasy VII kam ja erst ein wenig später in mein Laufwerk. Weil es eines jener Spiele war, wo ich als überzeugter Computer-Spieler begann, darüber nachzudenken, dass man ab und an auch eine Konsole braucht, um gewisse Erfahrungen zu bekommen, was meinen Weg zum echten „Multiformatspieler“ begann. Weil ich mir wünschen würde, dass mehr Rollenspiele einen derart spaßigen Multiplayer-Modus hätten, mit dem man (fast) das ganze Spiel zu mehrt genießen kann. Weil ich hier Kanonen als Transportmittel kennenlernen durfte (inklusive einem genialen Mode 7-Einsatz). Und nicht zuletzt vermisse ist SoM auch aufgrund folgender Anekdote:

Ich bin, wie ihr vielleicht wisst, ein großer Musikfan und lange Jahre liefen bei mir tagein, tagaus CDs als Untermalung und Zusatzunterhaltung rauf und runter, egal, was ich eigentlich tat. Auch während eines Spiels verzichtete ich meistens nicht drauf – viel zu oft waren die Soundtracks ja nur Gedudel, das sich wiederholte. Secret of Mana stellte eine gewisse Trendumkehr dar: Es ist das letzte Spiel, bei dem ich weiß, dass ich teilweise andere Musik hörte. Nicht, dass der Soundtrack von SoM schlecht gewesen wäre – er ist sogar sehr gut – aber alte Gewohnheiten bricht man schwer. Jetzt denke ich jedesmal, wenn ich die CD von „Titanic“ (Musical, nicht Film) ins Laufwerk lege (die 1997 erschien, deshalb weiß ich, wie oben erwähnt, bis heute, wann ich SoM spielte), insbesondere wenn „The Night Was Alive“ kommt, an Secret of Mana … und vermisse meine Abenteuer in dieser bunten, aber dennoch gefährlichen Welt.

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In diesem Sinne wünsche ich euch allen „Frohe Weihnachten“. Nächste Woche gibt es vermutlich keine neue Ausgabe, aber vermutlich schlägt dann der große Jahresrückblick auf die Blogserie auf. In diesem Sinne sicherheitshalber auch schon einen guten Rutsch und wir lesen uns (hoffentlich) 2014!

Florian Scherz

Bereits früh entwickelte Florian zwei große Leidenschaften: Videospiele und Theater. Ersteres brachte ihn zu einem Informatikstudium und zu Jobs bei consol.MEDIA und Cliffhanger Productions; zweiteres lässt ihn heute (unter anderem) als Schauspieler, Regisseur, Komponist und Lichtdesigner arbeiten. Wenn er gerade keine Musicals inszeniert, spielt oder schreibt, vermisst er auf Shock2 Videospiele von anno dazumal in seiner Blog-Reihe "Spiele, die ich vermisse".

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