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Spiele, die ich vermisse #67: Star Wars: Knights of the Old Republic

Ich muss zugeben: Seitdem ich mich nicht mehr tagtäglich mit Videospielen beschäftige, alle Links zu Newsseiten aus meiner Schnellzugriffsleiste entfernt habe und mich nur noch via Facebook (und natürlich dieser Seite) über elektronische Unterhaltung informiere, fällt es mir schwerer, eine Entscheidung zu treffen, welches Spiel denn diese Woche an der Reihe ist, vermisst zu werden. Immerhin versuche ich, die Titel passend zu meinen Wocheninhalten zu wählen – und welches passt schon zu „Tontechnik bei einem Thementag über Palliativ-Medizin“ oder „bei einem Treffen der Religionslehrer im Bezirk Technik gemacht“? Eben. Aber werfe ich dann doch wieder einen Blick zurück in die Welt der elektronischen Unterhaltung, gibt es Themen genug: Einerseits startet die Xbox One (mit einem für mich leider sehr schwachen Start-Line-up, weshalb ich definitiv noch warte, sie mir zuzulegen), andererseits erscheint ein neues Zelda für den 3DS. Das eröffnete mir einige (nicht immer von außen ganz logische) Möglichkeiten, mich an Spiele zu erinnern. Schlussendlich entschied ich mich, die Inspiration aus dem Xbox One-Launch zu nehmen und mich daran zu erinnern, wegen welchem Spiel ich mir beinahe eine Xbox (1) gekauft hätte. Sein Name? Star Wars: Knights of the Old Republic.

Wir schreiben das Jahr 2003. Zwei Drittel der Star Wars-Prequels sind bereits in den Kinos gelandet, Revenge of the Sith ist allerdings erst ein fernes Raunen im Medienwald ohne eindeutigen Titel. Doch für weit größere Furore als die damals schon umstrittenen Prequels sorgt ein Spiel, das noch weiter in die Vergangenheit der weit, weit entfernten Galaxis eintaucht. Rollenspielspezialist BioWare, damals natürlich noch nicht wegen Dragon Age oder Mass Effect bekannt, sondern vor allem PC-Rollenspielern aufgrund ihrer Hits wie Baldur’s Gate oder Neverwinter Knights vertraut, erschuf eine Welt 4.000 Jahre vor der Schlacht von Yavin. BioWare gelang es dabei, das Universum so abzubilden, dass sich Kenner der Saga „daheim“ fühlten, aber gleichzeitig  zeitlich so viel Abstand zu gewinnen, dass sie zahlreiche Freiheiten hatten, wie sie ihre Story erzählen wollen (dennoch galt auch hier, dass alle Designs vom Lucas-Imperium abgesegnet werden mussten – eine Standardprozedur, wenn man im Star Wars-Universum entwickelt).

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Story ist auch ein gutes Stichwort, denn worum geht es eigentlich? Habt ihr euren Charakter erschaffen (es gibt drei Klassen, zwei Geschlechter, ihr dürft den Namen und das Portrait wählen und dann natürlich Punkte auf eure Fertigkeiten verteilen) erwacht ihr an Bord der Endar Spire, einem Schiff der Republik. Seltsamerweise könnt ihr euch nicht an eure Vergangenheit erinnern, aber zunächst ist das auch gar nicht wichtig: Die Endar Spire wird nämlich von den Truppen von Darth Malak attackiert. Malak wer? Erlaubt mir an dieser Stelle eine kleine Geschichtsstunde: Malak und sein ehemaliger Meister Revan waren beide Jedi, die sich gegen die Entscheidung des Jedi-Rates stellten, die Republik im Kampf gegen die Mandaloreaner alleine zu lassen. Viele Jedi schlossen sich ihrer Bewegung an, doch nach dem siegreichen Kampf verschwanden sie spurlos. Erst ein Jahr später tauchen die verschwundenen Jedi wieder auf – als erbitterte Gegner der Republik. Der nunmehrige Darth Revan hat sein eigenes Sith-Imperium ausgerufen, Malak ist sein Schüler, und ihre gewaltige Flotte bedroht die Republik. Doch wie so oft auf der dunklen Seite kommt es zum Verrat: Malak fällt Revan im Kampf gegen die Jedi Bastila Shan in den Rücken und erklärt sich selbst zum Meister der Sith, während Shan als jene Jedi, die Revan töten konnte, zurückkehrt.

So, kommen wir wieder zurück zur eigentlichen Geschichte: An Bord der Endar Spire befindet sich auch Bastila Shan, sodass unser Auftrag als tapferer Kämpfer für die Republik zunächst darin besteht, die Jedi in Sicherheit zu bringen. Das gelingt uns sogar … zumindest irgendwie: Zwar wird die Endar Spire abgeschossen (ihre Überreste kann man übrigens auch in The Old Republic bewundern), doch Bastila und unser Charakter (sowie sein erster Begleiter, Carth Onasi) gelangen mithilfe von Rettungskapseln auf den Planeten Taris. Die ersten Stunden des Spiels werden wir auch dort verbringen – immer auf der Suche nach Bastila, während wir uns mit rivalisierenden Gangs und den Problemen in den Slums und auf der Oberwelt herumschlagen müssen (ganz zu schweigen davon, dass auch die Flucht von Taris nicht ganz einfach ist, da die Sith eine Blockade errichtet haben und letzten Endes den Planeten sogar dem Erdboden gleich machen).

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Ist dieser Teil des Spiels abgeschlossen, gelangen wir nach Dantooine, wohin sich der Jedi-Rat zurückgezogen hat. Mittlerweile wissen wir, dass unser Spielercharakter stark in der Macht ist, weshalb der Rat zustimmt, ihn trotz seines Alters zum Jedi auszubilden. Dieser Jedi-Crashkurs (besonders viel Zeit für seine Ausbildung bleibt nämlich nicht) bringt ihn auf die Spur der Sternenschmiede, die der Republik zum Sieg verhelfen soll. Deshalb begeben sich unser Spielercharakter, Bastila und ihre Gefährten auf die Jagd nach den Karten zur Sternenschmiede und besuchen dabei bekannte Orte wie Kashyyyk, Tatooine, aber auch Manaan und die Sith-Akademie von Korriban. Im Zuge dieser Reise macht unser Spielecharakter allerdings eine Entdeckung, die wohl zu den größten WTF-Momenten meiner Spielegeschichte gehört (wer das Spiel nicht gespielt hat, aber nachholen will, sollte den Rest des Absatzes überspringen! Ich habe euch gewarnt!): Unser Spielcharakter ist niemand anderes als Revan, der von Bastila nicht getötet, sondern in letzter Sekunde, aber schwer verletzt und ohne Gedächtnis gerettet wurde. Der Jedi-Rat gab ihm eine neue Identität, die allerdings nach und nach von den alten Erinnerungen durchdrungen wurde.Als die Gruppe endlich den Weg zur Sternenschmiede gefunden hat, kommt es zum finalen Showdown zwischen Malak und seinem Meister – doch wird sich dieser für die dunkle oder für die helle Seite der Macht entscheiden?

Diese Frage zwischen der dunklen und der hellen Seite der Macht ist auch ein Dreh- und Angelpunkt des Gameplays: Viele Entscheidungen, die wir im Laufe des Spiels treffen, lassen unsere Ausrichtung zu einem dieser beiden Pole tendieren. Das hat nicht nur spielerische Auswirkungen (einige Macht-Skills werden günstiger, andere teurer), sondern verändert auch, wie eure Mannschaft mit euch umgeht. Einige von ihnen werden sich von euch abwenden, wenn ihr zu eigensinnig handelt, andere euch genau dafür schätzen (und bestimmte Entscheidungen können auch durchaus bedeuten, dass  Mitglieder der Party für immer aus dem Spiel ausscheiden). Allerdings ist nicht immer ganz klar, welche Entscheidung zu welcher Macht-Seite gehört. Ein viel öfter genannter Kritikpunkt ist allerdings, dass die finale Entscheidung, welches Ende man zu sehen bekommt, aufgrund einer einzelnen Wahl getroffen wird. Der dunkelste Jedi kann sich noch für das helle Ende entscheiden und umgekehrt – was ihr zuvor getan habt, ist plötzlich fast unerheblich. Erinnert euch das an ein deutlich späteres BioWare-Spiel, das genau deshalb gescholten wurde? Ja, mich auch. Der unmittelbare Vorteil daraus ist allerdings, dass man die beiden Enden so recht einfach zu Gesicht bekommt – diese wichtige Entscheidung ist nämlich relativ nahe am Finale zu treffen, weshalb man nur einen kleinen Teil des Spiels wiederholen muss. (Technisch gesehen gibt es natürlich Variationen dieser Enden, die z.B. vom Geschlecht eurer Figur abhängen – aber hier sind die Unterschiede deutlich kleiner).

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Doch sollten wir nicht zu lange am Ende verweilen – kommen wir doch zum Gameplay, das euch durch das ganze Spiel begleitet. KotOR lässt euch euren Charakter aus der 3rd-Person-Ansicht durch die abwechslungsreiche Spielwelt steuern, Gespräche werden (typisch BioWare) inszeniert. Inszeniert sind auch die Kämpfe, die allerdings trotz der Tatsache, dass sie nach Echtzeit wirken, in Wahrheit in Runden ablaufen. Ihr könnt das Geschehen jederzeit anhalten und Kommandos geben (was vor allem dann Sinn macht, wenn ihr auch eure NPCs mitkommandieren wollt) oder aber in Echtzeit darauf hoffen, nicht die Übersicht zu verlieren – und glaubt mir, vor allem bei den schwereren Kämpfen WOLLT ihr hin und wieder pausieren und eure Strategie überdenken. Das Resultat schwankt zwischen Kämpfen, in denen die richtige Taktik siegentscheidend ist, und jenen Gefechten, in denen man einfach nur draufhalten muss – klassisches Kanonenfutter eben.

Ein Rollenspiel wäre kein Rollenspiel ohne Werte. Zum Einsatz kommt hier aber nicht das AD&D-System, wie es BioWare bei Neverwinter Nights oder Baldur’s Gate nutzte (kein Wunder, beide Spiele basieren auf dem berühmten Pen & Paper-Werk), sondern dessen Derivat, das d20-System. Jeder Charakter hat sechs Attribute (wie Stärke, Intelligenz oder Charisma), Skills (wie zum Beispiel „Aufmerksamkeit“ oder „überzeugen“) und Feats, die zum Beispiel schwere Panzerungen freischalten. Einige dieser Werte hängen auch von der gewählten Klasse ab. Eventuelle Proben werden ausgewürfelt, wofür das Spiel den namensgebenden zwanzigseitigen Würfel wirft (natürlich nur im Hintergrund). Mit eurem Aufstieg zum Jedi kommt dann noch eine Jedi-Klasse plus Machtfähigkeiten dazu, die eure Möglichkeiten gewaltig erweitern.

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Doch genug der Hintergründe – was verbindet mich mit Star Wars: Knights of the Old Republic? Beginnen wir mit meiner persönlichen Star Wars-Geschichte, nachdem ich diese bislang eher ausgelassen habe, obwohl ich mich ja schon einem Star Wars-Spiel (nämlich X-Wing) gewidmet habe: Ich bin knapp zu jung, um die OT noch im Kino gesehen zu haben (das habe ich erst mit der SE nachgeholt), aber habe die Filme sehr bald auf Videokassette nachgeholt (interessanterweise in völlig verdrehter Reihenfolge, nämlich 6, 4 und 5). Mein Lieblingsteil war lange Jahre Return of the Jedi, auch wenn ich als kleiner Knirps furchtbare Angst vor Jabba hatte und immer nach den ersten Minuten bis zur Segelbarke vorspulte. Interessanterweise war jener Teil, den ich damals nicht leiden konnte, Empire – da ging mir einfach zu viel schief, der war mir zu düster (das hat sich mittlerweile geändert, aber so war ich damals). Als es mit dem Extended Universe so richtig losging (Thrawn-Trilogie, anyone?), bin ich total in die Bücher hineingekippt (mit dem Comics wurde ich hingegen nie warm und habe nur einen Schlüsselband (den geklonten Imperator) nachgeholt). Auf dem Spielesektor ließ ich die Konsolentitel großräumig aus und folgte dem Computer-Pfad – vom alten Star Wars-Arcade über X-Wing und Rebellion bis hin zu Force Commander sollte es mich hier verschlagen. Der Peak meines persönlichen Star Wars-Hypes wurde dann mit den Prequels erreicht – auch wenn ich mich weigere, sie so schlecht zu sehen, wie das viele meiner gleichaltrigen Star Wars-Fans tun (ich halte es da eher mit der jüngeren Generation, die den neuen Episoden offener begegnet sind), war das Ende der Fahnenstange erreicht: Meine Zeit wurde zu knapp, um alle Bücher zu lesen (die NJO hab ich bis heute nur bis Teil 17 gelesen, danach habe ich mir gar keine mehr gekauft), und auch bei den Spielen wurde ich selektiver.

Und damit bin ich auch schon bei jenem Ereignis, wegen dem ich mich heute an dieses Spiel erinnere: Fast wäre Star Wars dafür verantwortlich gewesen, dass ich mir eine Xbox gekauft hätte. Immerhin erschienen damals etliche Titel exklusiv für die Microsoft-Konsole (Star Wars: Obi-Wan, zum Beispiel) und nur deren mindere Qualität hielt mich davon ab, mir das Gerät nachhause zu holen. Bei KotOR wäre ich aber fast schwach geworden – hätte ich nicht gezögert und dann mitbekommen, dass das Spiel sowieso etwas später auch für den PC erscheint. Im Nachhinein (ich habe mittlerweile beide Versionen ausprobiert) für mich die bessere Entscheidung, da ich die Maus/Tastatursteuerung intuitiver empfand.

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Auch wenn ich KotOR mittlerweile als großartiges Spiel im Kopf habe, muss ich aber auch offen zugeben, dass ich meine Probleme mit dem Titel hatte – und das größte hatte mit dem Einstieg zu tun. Auf Taris verbringt man doch einige Stunden, doch die Zeit, bevor man zum Jedi wird, empfand ich persönlich einfach zu lange – da war meine Motivation mehr als einmal am Ende. Kaum ausgebildet und mit dem eigenen Lichtschwert ausgestattet, sah das allerdings schon wieder anders aus – ab diesem Zeitpunkt konnte mich kaum noch etwas aufhalten. Vielleicht kam hier aber auch nur zu tragen, dass ich ja eigentlich kein großer Fan der modernen West-Rollenspiele bin, die sich mir immer ein wenig zu sehr verzweigen und zu sehr in Nebenquests verlieren. Andererseits ist gerade KotOR hier für mich ein Beispiel, dass das nicht so sein muss – man hat zwar gewisse Freiheiten, aber dennoch hat man die dramaturgische Inszenierung nicht völlig aus den Augen verloren. Besonders das atmosphärisch dichte Korriban ist mir hier in Erinnerung geblieben.

Apropos Erinnerungen: Lasst mich zum Ende kommen! Warum vermisse ich Star Wars: Knights of the Old Republic? Platz eins übernimmt hier sicherlich der große WTF-Moment, den ich selbst Jahre später noch immer für einen genialen Kniff halte, den ich nicht kommen sah. Platz zwei geht wohl daran, dass es eine der letzten West-Rollenspielerfahrungen war, die ich von vorne bis hinten genießen konnte – mir persönlich ist ein Teil der Elder Scrolls-Serie einfach zu sehr auf die Erfahrung einer offenen Welt konzentriert (was ja auch okay ist), aber ich bin jemand, der eine Geschichte erleben will. Deshalb ist es wohl auch (Platz drei) jenes Spiel, das bei mir endgültig BioWare auf die Liste der interessanten Spielestudios brachte, deren Projekte ich mir zumindest ansehen will. Ein weiterer wichtiger Platz: Die Charaktere. Zwar kann ich mich nach all den Jahren nicht an alle Figuren erinnern, aber wer hat nicht sein Herz für den Assassinen-Droiden HK-47 entdeckt, der nur sehr dünn übertünchte Beleidigungen gegen Lebewesen ausstößt? Wer könnte sich nicht an Bastila erinnern? Eben. Platz fünf? Oh, es ist wohl eines der letzten wirklich guten Star Wars-Spiele, die erschienen sind – auch dafür sollte man den Titel durchaus vermissen. Auch wenn Teil KotOR II nicht schlecht war (aber eben unfertig und wenig abgeschlossen), ich meinen Spaß mit SWToR hatte, hatte das Ende der wirklich für mich interessanten SW-Spiele bereits begonnen (sorry, Battlefront-Fans, für mich ist ein Shooter nur sehr selten ein interessantes Spiel). Ausnahmen (LEGO Star Wars zum Beispiel) bestätigen allerdings die Regel. Und aus diesem Grund werde ich immer wieder an KotOR zurückdenken – einfach um der guten alten Zeit in einer noch ein wenig weiter entfernten Galaxis wegen …

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Florian Scherz

Bereits früh entwickelte Florian zwei große Leidenschaften: Videospiele und Theater. Ersteres brachte ihn zu einem Informatikstudium und zu Jobs bei consol.MEDIA und Cliffhanger Productions; zweiteres lässt ihn heute (unter anderem) als Schauspieler, Regisseur, Komponist und Lichtdesigner arbeiten. Wenn er gerade keine Musicals inszeniert, spielt oder schreibt, vermisst er auf Shock2 Videospiele von anno dazumal in seiner Blog-Reihe "Spiele, die ich vermisse".

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