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Spiele, die ich vermisse #57: Sid Meier’s SimGolf

Es gibt Tage und Wochen, in denen ich mir schwer tue, aus meiner Erinnerung ein Spiel heraus zu kramen, das ich vermissen könnte. Diese Woche war ganz anders: Von allen Ecken und Enden prasselten Retro-Erinnerungen auf mich ein – und die größere Qual der Wahl war deshalb, welches Spiel das Rennen machen würde. Und da dachte ich mir: Warum nehme ich nicht dieses Mal den unwahrscheinlichsten Kandidaten, der mir einfällt? Schließlich war eine meiner Prämissen in diesem Blog, auch Spiele vorzustellen, die vielleicht nicht jeder kennt oder die vielleicht auch gar nicht so gut waren. Diesen Vorsatz habe ich zu lange vernachlässigt, also lasse ich mich diesmal wie folgt inspirieren: Ich habe diese Woche mit Ace Patrol ein Spiel von Sid Meier getestet, das leider nicht ganz seinen üblichen Standard erreicht. Ich könnte jetzt natürlich an sein Pirates! erinnern, an Railroad Tycoon – aber stattdessen fiel mir ein anderes Spiel ein, das deutlich kleiner und wesentlich unbekannter ist, mit dem ich aber viel Spaß hatte. Sein Name? SimGolf.

„Moment“, werden da manche sagen, „wie kommst du jetzt von Sid Meier auf ein Spiel mit ‚Sim’ im Titel? Verwechselst du da nicht etwas?“ Nein, ich verwechsle gar nichts – aber ihr habt auch nicht ganz unrecht. Sid Meier’s SimGolf (so der vollständige Titel) entstand in Koproduktion von Maxis, Firaxis und EA. Nicht zu verwechseln ist es mit dem 1996 erschienenen SimGolf (nur von Maxis), das eine durchaus ernstzunehmende Golfsimulation war. Sid Meiers Titel hingegen war eher eine Aufbausimulation: Man kauft sich ein Stück Land und versucht, einen möglichst attraktiven Golfkurs zusammenzustellen. Die klassischen 18 Löcher sind zu Beginn sowohl Platz- als auch Finanzmäßig nicht erreichbar, also müssen zunächst wenige Kurse herhalten. Und damit beginnt schon die Optimierungsarbeit – wie kann man ein Loch interessant machen? Welche Hindernisse stellt man den Spielern in den Weg? Wasser oder doch Sandbunker? Hier ein Hügel oder doch eine Senke? Wo hört „herausfordernd“ auf und fängt „frustrierend“ an? Dazu muss man erst ein wenig Erfahrung sammeln.

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Feedback gibt es in SimGolf unmittelbar – kaum ist euer Golfplatz eröffnet, werden Gäste hereinströmen und ihre Platzrunden spielen (was natürlich Geld bringt). Gefällt ihnen, was sie sehen, werden sie über eine Mitgliedschaft in eurem Club nachdenken, was noch mehr Moneten in die Kassen spült, mit dem ihr euren Platz weiter und weiter ausbauen könnt. Immer wieder werden auch VIPs aufmarschieren und eine Runde auf eurem Kurs spielen. Verlassen sie eure Anlage mit Begeisterung, werden sie euch unterstützen – entweder, indem sie euch erlauben, mehr Land zu kaufen oder ein schönes Wahrzeichen zu erwerben, das natürlich den Golfkurs optisch ansprechender macht. Aber auch sonst dürft ihr euch natürlich nicht nur auf eure möglichst attraktiven, spannenden (und dennoch bezwingbaren) Kurse konzentrieren, sondern müsst auch an die Infrastruktur denken. Ein Hotel, eine Marina, ein Clubhaus, aber auch ein Tennisplatz oder ein Ort, wo man Golf-Equipment (oder gar ein Golf-Kart) bekommen kann, beeindrucken eure Gäste sicherlich und sind ihrem Vergnügen zuträglich.

Apropos Gäste: SimGolf trägt natürlich nicht ganz zufällig das „Sim“ im Namen, allerdings übernimmt es weniger Elemente von SimCity und Konsorten, sondern eher Elemente von Die Sims (was sich auch im Interface zeigt). Nein, SimGolf war nicht auch noch eine Lebenssimulation, sondern gab den einzelnen Golfern „nur“ Persönlichkeiten und Geschichten, die sich im Zuge einer Runde über den Golfplatz entwickeln konnten. Bahnte sich dort eine Romanze an, plauderten andere Golfpartner über UFOs oder das Geschäft. Wie sich die Geschichte entwickelte, hing natürlich wieder davon ab, wie wohl sich die Golfer fühlten. Wer sich damit nicht belasten wollte, konnte diese Geschichten aber auch deaktivieren. Nicht deaktivieren lässt sich hingegen etwas anderes: Eure Gäste brabbeln Simlish – und zwar regelmäßig die gleichen Sätze (zum Glück werden sie aber in den Texten übersetzt, sofern sie wichtig sind).

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Und dann gab es da noch eine weitere wichtige Figur für das Spiel: Euer Alter-Ego, natürlich selbst Golfer, war nicht nur Zierde, sondern konnte auch selbst eine Runde spielen. Entscheidend waren dabei ein paar Eigenschaftswerte, die euch zum Beispiel einen Vorteil bei weiten oder technisch anspruchsvollen Schlägen gaben. Natürlich konntet ihr euch im Laufe der Zeit verbessern, was zu Beginn recht rasch ging, mit fortschreitendem Spielverlauf aber immer länger dauerte. Spielt ihr eine Runde, bleibt die Perspektive unverändert weit weg isometrisch – ihr wählt die Schlagart und das Ziel eures Drives, seht noch ein kleines Preview, ob der Effekt so aussieht, wie ihr ihn euch vorstellt, und schlagt dann auf Mausklick los. Natürlich müssen die Schläge nicht immer so ausgehen, wie ihr das geplant habt – aber je besser eure Figur ausgebildet ist, desto besser gelingen eure Versuche. Immer wieder werdet ihr von einem Profi herausgefordert, den es zu schlagen gilt, und wenn euer Platz die Ansprüche der Golf-Organisation erfüllt, könnt ihr auch Turniere veranstalten und selbst teilnehmen. In dieser Zeit müssen allerdings die Gäste draußen bleiben, dafür winkt ein schönes Preisgeld und natürlich Prestige.

Fragt mich nicht, wie genau mir SimGolf in die Hände gefallen ist – ich weiß es nämlich einfach nicht mehr, denn das Spiel erschien komplett unter meinem Radar. Tatsache ist: Eines Tages hielt ich es in der Hand und das „Sid Meier“ darauf war auch der Grund, es mir zuzulegen. Ich bin ja persönlich überhaupt kein Golf-Spieler, auch wenn mir das Vokabular und die grundsätzliche Spielmechanik spätestens seit Mario Golf auf dem Gameboy vertraut ist. Ein paar Runden Minigolf habe ich in meinem Leben zwar noch absolviert, einen echten Golfkurs aber niemals betreten (auch wenn mich der Sport eigentlich interessieren würde). Fakt ist also: Ich mag Sid Meier und habe mir das Spiel wegen ihm gekauft, hatte aber auch genug Verständnis und Interesse am Golfsport, um auch am Prinzip des Spiels gefallen zu finden.

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Meine persönliche Faszination am Spiel war das Planen des Golfkurses. Man darf nicht vergessen, dass sich das Spielfeld nur langsam rund um die Urparzelle erweitert, muss also durchaus gründlich planen, wie man den Kurs anlegt, wenn sich jemals 18 Löcher ausgehen sollen. Und natürlich war es für mich auch interessant, wie man einen guten, anderen Kurs baut, ohne die Leute zu frustrieren. Ich denke, SimGolf ist eines der wenigen Spiele, bei denen ich mich wenig um die (nicht vorhandenen) Short-Term Goals scherte, sondern meine eigenen festlegte: Mehr Land, noch ein Loch, den VIP zufriedenstellen und endlich mal ein Turnier gewinnen. Außerdem kümmere ich mich in solchen Spielen selten um Verzierungen – hier tat ich das. Schließlich soll der Kurs ja schön aussehen.

Dabei ist SimGolf kein Meisterwerk – das muss man nämlich auch sagen. Eigentlich war es grafisch damals schon hinter seiner Zeit (wenn auch nicht hässlich, aber eben „nur“ zweckdienlich), spielerisch beherrscht es das, was es soll, bietet aber auch nicht wesentlich mehr, denn wenn man gerade keine neuen Kurse bauen kann, kann man eigentlich nur zusehen, wie die Golfer ihre Runden drehen (oder selbst spielen, was aber natürlich auch bedeutet, dass man ständig den eigenen Kurs abklappert). Dennoch habe ich das Spiel schätzen gelernt und immer wieder in meinen langen Abenden in meiner Studentenwohnung gespielt. Und nein, nicht mangels Alternativen, sondern weil mir das Spiel Spaß machte.

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Damit bin ich aber auch schon am Ende dieses etwas kürzeren Blogs: Warum vermisse ich SimGolf? Weil es ungewöhnlich war. Damals war das Grundkonzept von „Baue dein(en) eigenen Park/Hotel/Gefängnis/Krankenhaus“ nicht mehr neu, aber die Idee, einen Golfplatz zu bauen, kannte ich noch nicht. Natürlich ging es auch hier darum, die Besucher glücklich zu machen, aber dennoch war das Setting völlig anders. Gelingt mir ein PAR 6-Loch? Wie viele Sandbunker verträgt der Kurs? Fragen wie diese musste ich mir hier – und nur hier – stellen. Die Kombination aus Wirtschafts- und Aufbausimulation mit Golf war sicher etwas sehr Spezielles, aber bei mir traf sie den genau richtigen Punkt. Leider hat bislang (soweit ich weiß) niemand diese Idee wieder aufgegriffen – „vermissen“ ist in diesem Fall also durchaus legitim. Dazu kamen spielerische Qualitäten, wie die durchdachte Steuerung, die sogar das indirekte Golfen leicht von der Hand gehen ließen, sodass man sich schon auf die nächste Runde freuen konnte (sofern man nicht gleich wieder von vorne anfing, denn dann wurde es zu rasch eintönig). Aber man konnte ja einfach ein neues Gebiet kaufen und dort einen neuen Kurs anfangen – wie wäre es mit einem am Strand? Oder doch mitten im Wald? Das Gute an SimGolf war auch, dass es sich für schnell zwischendurch einigte, auch wenn ich sicherlich öfter in die „nur noch ein Loch“-Falle tappte und länger spielte, als geplant. Aber gut, dafür schätze ich Sid „nur noch eine Runde“ Meier – und auch diese sicherlich unter ihrem Wert geschlagene Simulation.

Florian Scherz

Bereits früh entwickelte Florian zwei große Leidenschaften: Videospiele und Theater. Ersteres brachte ihn zu einem Informatikstudium und zu Jobs bei consol.MEDIA und Cliffhanger Productions; zweiteres lässt ihn heute (unter anderem) als Schauspieler, Regisseur, Komponist und Lichtdesigner arbeiten. Wenn er gerade keine Musicals inszeniert, spielt oder schreibt, vermisst er auf Shock2 Videospiele von anno dazumal in seiner Blog-Reihe "Spiele, die ich vermisse".

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