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Spiele, die ich vermisse #55: X-COM: Terror from the Deep

Schönen Samstag, lieber Lesergemeinschaft! Vermutlich ist euch nicht entgangen, dass diese Woche mit der gamescom die größte Publikumsmesse der Videospielbranche stattfand. Das bedeutete für mich primär zwei Dinge. Erstens: Ich hatte an der Newsfront sehr viel zu tun. Zweitens: Ich hatte auf der Heft-Front sehr viel zu tun, da Chefredakteur Thomas Cap den Weg nach Köln wagte und ich mich zusätzlich mit seinen Agenden herumschlagen musste. Aus diesem Grund kam es mir fast gelegen, dass Firaxis auf der Messe XCOM: Enemy Within enthüllte – das Add-on zu XCOM: Enemy Unknown ist eine willkommene Gelegenheit, mich wieder zurück in die Vergangenheit der X-COM-Serie zu begeben und mich dafür auch kürzer zu fassen, denn vieles, was über das folgende Spiel zu sagen wäre, findet ihr auch schon in meinem „Spiele, die ich vermisse“-Blog zu UFO: Enemy Unknown, den ich Nicht-Kennern vorab ans Herz legen möchte. Doch damit auch schon genug der Vorrede: Taucht mit mir ab in die finsteren Fluten von X-COM: Terror from the Deep.

Wir schreiben das Jahr 2040: Es ist Jahrzehnte her, seit die X-Com zum Mars geflogen ist und Cydonia (und damit die Bedrohung durch die Außerirdischen) zerstört hat. Doch ohne dass sie es merkten, haben sie damit eine neue Gefahr erweckt: Aliens aus den Tiefen des Ozeans bedrohen erneut die Menschheit – und einmal mehr ist es die X-Com, die sich ihnen in den Weg stellt und einen Weg finden muss, sie aufzuhalten …

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Noch heute kennen wir das Phänomen: Wird ein Spiel ein Erfolg, muss ein Sequel her – und zwar so schnell wie möglich. X-COM: Enemy Unknown war ein Überraschungshit, mit dem keiner so wirklich gerechnet hatte, also hatte man nicht bereits im Vorfeld mit der Planung einer Fortsetzung begonnen. Und auch wenn Microprose unbedingt so schnell wie möglich ein Sequel veröffentlichen wollten, bremste Serienerfinder Julian Gollop: Er hatte eine ganz eigene Vision eines Sequels, ein Spiel, das sich völlig anders spielte und andere Möglichkeiten bot, während eine Fortsetzung binnen kurzer Zeit effektiv bedeuten würde, sich mit neuer Grafik und wenig neuen Ideen zu wiederholen. Im Endeffekt wurde ein Kompromiss gefunden: Microprose lizenzierte die Engine und erstellte in Eigenregie ein Sequel, während Gollop die Arbeiten an seiner „echten“ Fortsetzung aufnahm – erstes Spiel war X-COM: Terror From the Deep (zweiteres wurde zu X-COM: Apokalypse). Es darf also nicht verwundern, wenn TftD Enemy Unknown in vielen Belangen glich – man baute genauso seine Basen an verschiedenen Orten auf, transportierte seine Truppen auf die Schlachtfelder, bekämpfte Aliens, erforschte ihre Technologien, kämpfte in Terror-Einsätzen und versuchte, seine Investoren zufrieden zu stellen. Auch das Interface war ident, sodass man sich schnell zurechtfand, und das Kampfsystem mit seinen Zeiteinheiten ebenso. Wer mehr dazu wissen will, sollte also einfach in Ausgabe #09 nachlesen – ich gehe davon aus, dass die meisten von euch bereits wissen, wovon ich rede und werde mich stattdessen auf die Unterschiede konzentrieren.

Der wohl größte Unterschied: In Terror from the Deep kamen die Aliens aus dem Wasser, also bekämpften wir sie großteils, aber nicht ausschließlich im Wasser (aber eigentlich immer zumindest AM Wasser). Statt UFOs gab es jetzt Alien-U-Boote, die wir mit unseren eigenen schnellen Schiffen jagten, und Einsätze fanden sehr oft unter Wasser statt. Auch unsere Hauptquartiere waren nun in den Weltmeeren und nicht mehr an Land positioniert. Auf den ersten Blick hatte das Wasser-Setting keine besonderen Auswirkungen, doch leider bemühte man sich bei Microprose, TftD komplexer und anspruchsvoller zu machen und schoss dabei etwas über das Ziel hinaus. Das begann mit den Waffensystemen, die gerade am Anfang teilweise nur im Wasser funktionierten – Pech für diejenigen, die zu einem Terroreinsatz gerufen wurden (der natürlich an Land spielte) und das falsche Equipment dabei hatten, denn der Torpedowerfer verweigerte zum Beispiel an der Luft ihren Dienst. Spätere Waffen – vor allem die Sonar-Waffen, aber auch die Gauss-Kanonen – hatten diese Limitationen zwar nicht, aber gerade in der Eröffnungsphase des Spiels, in der man sowieso Probleme hatte, mit den Aliens zurecht zu kommen, war das eine unschöne Einschränkung, die für einigen Frust sorgte.

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Das war aber nicht die einzige Veränderung, die nicht unbedingt zum Positiven führte: Im Versuch, TftD schwerer und größer zu machen, vergrößerte man die Maps (was zum Teil dazu führte, dass man gefühlte Ewigkeiten nach dem einen verbleibenden Alien suchte) und führte mehr Zwei-Phasige Missionen ein. Im Original gab es nur eine davon – im finalen Kampf musste man über die Mars-Oberfläche in die Alienbasis und dann in der Schaltzentrale des Feindes bestehen – hier lief schon ein ohnehin kniffliger Terroreinsatz in einem Schiff auf einen langen, langen Kampf hinaus (was auch daran lag, dass die KI scheinbar schlauer, zumindest aber hinterhältiger geworden war). Und das Finale in T’Leth hatte sogar drei Phasen. Noch immer nicht schwer genug? Gut, eine Sache noch: Man bekam gewisse Forschungserkenntnisse nur, indem man eine bestimmte Art von Alien untersuchte. Das Problem dabei: All zu oft stieß man an einen Roadblock gegen Ende des Spiels, an dem man nicht mehr voran kam, wenn man nicht zufällig das richtige Alien lebend gefangen nahm und den Forschern übergab. WELCHES das war, sagte einem das Spiel nicht. Um den Endkampf freizuschalten, benötigte man beispielsweise unbedingt einen lebenden Hummermenschen-Kommandanten. Wie sollte man denn das erraten?

Das klingt jetzt nach ziemlich vielen negativen Dingen, aber darüber wollen wir die positiven Fakten gar nicht verschweigen. Dass man sich so genau an X-COM: EU orientiert hatte, hatte natürlich auch den Vorteil, dass das Gameplay in vielen Belangen einfach schon sehr gut (wenn auch nicht perfekt) war. Und einige Verbesserungen waren durchaus sinnvoll, zum Beispiel Waffen für den Nahkampf (äußerst schmerzhafte Bohrer), die besonders gegen die schwer gepanzerten Hummermenschen effektiv waren. Das bringt uns auch zu den Alien-Designs, die sich diesmal zum Teil am Vorbild orientierten (Aquatoiden), zum Teil aber zumindest in Sachen Design eher an den Cthulhu-Mythos erinnerten. Und das Wasser tat sein Übriges, um die Gegner mächtiger zu machen – stellt euch frei schwimmende Chryssaliden vor, und ihr ahnt vielleicht, was diese Wesen anrichten können. Zugegebenermaßen sind die Aliens bis heute in der Community nicht unumstritten – interessant und eine Herausforderung sind sie auf jeden Fall. Eine weitere Verbesserung war optischer Natur, denn die Grafik hatte deutlich dazu gewonnen und war nicht mehr ganz so comic-haft. Dennoch mussten sich die Entwickler die Frage gefallen lassen, warum TftD ein Sequel und nicht einfach ein Add-on war. Ganz unberechtigt ist die Frage nicht, ich würde aber dennoch sagen, dass man zwar in Sachen Engine und Gameplay wirklich ident blieb, aber es genügend Inhalte gab, um ein Sequel zu rechtfertigen.

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Es gibt nicht viele Spiele, bei denen ich präzise sagen kann, wann ich sie gekauft habe – bei Terror from the Deep kann ich das. Es war in der Karwoche 1995 in einem HMV in Cambridge. Warum ich das so genau weiß? Weil ich zu diesem Zeitpunkt mit meiner Schulklasse auf Sprachreise in England war und eher zufällig in der kurzen Freizeit in das Geschäft ging und mir das Spiel kaufte, das eigentlich (nach meinen Infos) erst deutlich später bei uns in den Geschäften liegen sollte. (Kann sein, dass ich mich da eigentlich getäuscht hatte – aber so oder so – nach meinen Erfahrungen mit Teil eins war Teil zwei einfach ein Blind-Kauf). Was folgte, war – zumindest sobald die Woche endlich vorbei und ich wieder bei meinem PC war – ähnlich wie meine Erfahrungen mit UFO. Das Spiel wurde allein, zu zweit und schlussendlich sogar zu dritt gezockt, wir eroberten Unterwasserobjekt um Unterwasserobjekt – aber selbst als Veteranen des ersten Teils fiel es uns schwer, Erfolg zu haben. Der Schwierigkeitsgrad hatte derart angezogen, dass man sehr lange in der Defensive und im Nachteil ist – und selbst, wenn man schlussendlich technologisch gleichauf ist, macht das Spiel es einem noch schwer. Tatsächlich ist es jener X-COM-Teil (von den drei Originalen) den ich als letztes durchgespielt habe – zwei Anläufe endeten am Forschungs-Roadblock. Da beginnt man ja fast, das etwas schlauchförmige System des neuen XCOM: EU zu schätzen, das einem wenigstens genau sagt, wie man zum Sieg kommt – auch wenn ich die Offenheit der Klassiker in den neuen Teilen vermisse.

Apropos neuer Teil, apropos vermissen. Den ersten Blog zur X-COM-Serie schrieb ich ja, bevor ich das Remake in die Finger bekam. Wie sieht es jetzt aus? Muss ich X-COM: Terror From The Deep auch heute noch vermissen? Die Antwort darauf ist ein klares „Ja“. Das soll nicht das neue Spiel schmälern – sie haben es geschafft, viel vom alten Flair zu behalten und den Titel dennoch ins Heute zu bringen. Ich gebe aber offen zu, dass ich hoffte, dass sich „Enemy Within“ als Erweiterung auf die Ideen von TftD herausstellt (was allerdings nicht passiert ist). Die Gründe dafür sind vielfältig – vom interessanten Setting unter Wasser bis den kreativen Ideen, mehr Einsatztypen einzubauen. Es hängt aber auch damit zusammen, dass TftD jenes X-COM-Spiel ist, das ich nur einmal durchgespielt habe – und da habe ich mir ehrlich gesagt das Alien ercheated, das meiner Forschung gefehlt hat. UFO: EU war nicht perfekt, X-COM: TftD übernahm das Spielkonzept und versuchte, noch fordernder zu sein, was nicht in allen Punkten funktionierte und durchaus für Frust sorgte, aber dennoch ein sehr interessantes Spiel ergab. Und tatsächlich hat es – gemeinsam mit seinem Vorgänger – Vorzüge, die ich am Remake vermisse: Seine Offenheit habe ich bereits erwähnt – ohne Roadmap, die klar den Weg zum Ende vorgibt, an das Spiel heranzugehen, hatte ein eigenes Flair (wobei, wie gesagt: Roadblocks, an denen man ansteht, sind auch nicht besonders nett und sollten eher vermieden werden); die taktischen Freiheiten: Wenn man sich durch Wände ballert, ergibt das ganz andere Möglichkeiten als die neue „wir können nur auf Aliens schießen, wenn wir eine Wand treffen, ist das Zufall“-Zielmethode. Ganz abgesehen, dass ich die Finali in Tlaloc (bzw, wenn wir vom Vorgänger reden, Cydonia) stimmungsvoller und „abschließender“ fand als das Ende von XCOM: EU, das für mich zu deutlich „Sequel“ schreit. Deshalb hoffe ich, dass es eines Tages zurück geht ins Wasser – und man eine gute Möglichkeit findet, die alten Ideen und Tugenden mit einigen Modernisierungen (wie gesagt, viele Dinge an XCOM: EU finde ich großartig gelöst) kombinieren kann. In der Zwischenzeit freue ich mich einfach auf XCOM: Enemy Within und vermisse TftD … oder spiel einfach mal wieder eine Runde. Die Fluten warten ja auf Steam auf mich …

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Florian Scherz

Bereits früh entwickelte Florian zwei große Leidenschaften: Videospiele und Theater. Ersteres brachte ihn zu einem Informatikstudium und zu Jobs bei consol.MEDIA und Cliffhanger Productions; zweiteres lässt ihn heute (unter anderem) als Schauspieler, Regisseur, Komponist und Lichtdesigner arbeiten. Wenn er gerade keine Musicals inszeniert, spielt oder schreibt, vermisst er auf Shock2 Videospiele von anno dazumal in seiner Blog-Reihe "Spiele, die ich vermisse".

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