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Spiele, die ich vermisse #48: Der Clou!

Stress – und heiß. Diese Woche schlägt nicht nur der Sommer unbarmherzig zu, sondern auch die Gamers-Abgabe, denn das neue Heft wird während ich diese Zeilen tippe fertiggestellt. Seid also froh, dass ihr nicht live lest, sonst hättet ihr immer wieder kurze oder längere Unterbrechungen, während ich mich mit anderen Dingen beschäftigen muss als meinem wöchentlichen Retro-Blick. Trotz der stressigen Abgabe hatte ich diese Woche Gelegenheit, mir beim Subotron (wer das nicht kennt: http://subotron.com/) Pitches junger österreichischer Entwickler anzuhören. Da kam natürlich eine gewisse patriotische Nostalgie auf: Wo sind die Zeiten, als man sagen konnte: Dieses großartige Spiel stammt aus meinem Land? (Nicht, dass es nicht jetzt noch gute österreichische Spiele geben würde – nicht falsch verstehen – aber von AAA sind wir in den meisten Fällen doch eher weiter entfernt). Und das brachte mich zum Nachdenken und zum Thema dieses Blogs, denn wenn ich persönlich an ein gutes österreichisches Spiel denke, fällt mir vor allem ein Spiel ein: Der Clou!

Der Clou! ist ein 1994er PC-, Amiga- und AmigaCD32-Titel, der von neo Software entwickelt wurde. Falls euch diese Firma nichts sagt, liegt das vielleicht daran, dass sie mehrfach ihren Namen gewechselt hat: 1993 gegründet als neo Software wurde sie 2001 von Take-Two gekauft und 2003 zu Rockstar Vienna, die unter anderem die Xbox-Ports von GTA III und GTA: Vice City ablieferten. 2006 wurde das Studio überraschend und unter Medienwirbel geschlossen (die Angestellten fanden sich vor versperrten Türen wieder und das Sicherheitspersonal erlaubte niemandem dem Zutritt). Das war aber noch nicht das Ende, denn 2007 gründeten die ehemaligen Leiter von Rockstar Vienna und etliche ehemalige Mitarbeiter Games That Matter Productions, die allerdings binnen eines halben Jahres von Deep Silver aufgekauft und zu Deep Silver Vienna umgebrandet wurden. Knapp nach Release ihres ersten Spiels, Cursed Mountain, wurde das Studio endgültig geschlossen und die wechselhafte Geschichte der Entwickler endete. An Der Clou! war aber auch ein zweites bekanntes österreichisches Studio beteiligt: Max Design, immerhin die Macher von Burntime und Erfinder der Anno-Serie – und auch diese sind mittlerweile Geschichte.

TheClue-Planning

Gut, genug Firmen-Geschichte, kommen wir zur Spiel-Geschichte. Der Clou! ist eine Mischung aus Adventure und Einbruchs-Simulation und bietet damit einen Genre-Mix, den man in der Form nicht oft findet. Ganz einzigartig ist es aber nicht – zum Beispiel ähnelt Der Clou! dem 1986er-Titel They Stole A Million, das oft als Inspiration zitiert wird. Erzählt wurde die Geschichte von Matt Stuvysunt, der mit wenig Geld in London ankommt und versucht, sein Glück zu machen. Angestiftet von einem Freund seines Vaters begibt er sich in die Londoner Unterwelt und versucht sein Glück mit Einbrüchen. Die Story ist eigentlich über weite Strecken nebensächlich und dient nur dazu, euch einen Bezug zu eurem Avatar zu bieten und euch recht abrupt zum Ende des Spiels zu bugsieren. Der Kern von Der Clou! sind aber definitiv die Einbrüche. Habt ihr ein passendes Objekt entdeckt, müsst ihr euch zunächst dorthin begeben und das Einbruchsziel ausspionieren. Die Details, die ihr dabei sammelt, kommen euch später zugute, heißen aber auch, dass ihr eventuell Passanten auffallt, die euch später identifizieren könnten – und wer will schon ins Gefängnis gehen? Die Balance zwischen „Auffallen“ und „Gründlichkeit“ muss also erstmal gefunden werden.

Bevor ihr euch an den Bruch wagt, müsst ihr allerdings noch ein paar Dinge besorgen. Erstens: die passende Ausrüstung. Zu Beginn genügt ein Brecheisen, später braucht ihr aber auch Schneidbrenner, ein Elektronik-Kit, Chloroform und so weiter und so fort. Sie alle haben gewisse Vor- und Nachteile – so ist ein Dietrich leiser als ein Brecheisen oder gar eine Axt, dafür braucht man mehr Skill, um ein Schloss mit ersterem zu öffnen. Das führt zu zweitens: Ihr braucht Leute, die euch unterstützen. Maximal drei Komplizen könnt ihr auf einen Bruch mitnehmen, die aber natürlich einen Teil der Beute haben wollen und darüber hinaus noch bestimmte Eigenschaften mitbringen – vom passionierten Safeknacker bis zum Elektronikexperten ist alles dabei. Drittens: Nach dem Einbruch muss man die Beute (und sich selbst) ja auch noch irgendwie in Sicherheit bringen, wofür ein Fluchtauto samt Fahrer benötigt wird. Auch hier hat man die Qual der Wahl, vom langsamen Gefährt bis zum schnellen Sportschlitten, der allerdings nur zwei Personen transportieren kann und noch dazu auffällig ist, ist alles beim Händler erhältlich – die nötige Kohle vorausgesetzt.

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Bis zu diesem Punkt erinnert das Spiel an ein Adventure ohne Puzzles – Verben im unteren Bereich des Spiels dienen zur Interaktion mit Personen, sagen dem Spiel, dass ihr gerne an einen anderen Ort gehen oder diesen Ort ausspionieren möchtet. Habt ihr jedoch alles beisammen, begebt ihr euch in euer Hotelzimmer und kommt zum eigentlich interessanten Teil des Spiels: der Planung des Einbruchs. Dafür wechselt das Spiel auf eine Top-Down-Perspektive eures Ziels, in der ihr sekundengenau jeden Schritt eures Vorhabens planen könnt. Die Steuerung davon erfolgt optimaler Weise mit der Tastatur, mit der ihr nach und nach jedem Charakter sagen könnt, wohin er gehen soll und was er dort macht. Während zum Beispiel Matt mit dem Brecheisen die Vitrine öffnet, könnte sich sein Kollege an der Kasse zu schaffen machen. Was simpel beginnt, wird bald ziemlich komplex: Alarmanlagen müssen deaktiviert werden, was ein paar Minuten dauern kann – da steht schon mal einer eurer Mitstreiter herum und muss warten, während der andere arbeitet. Safes müssen geöffnet werden, was entweder mit viel Lärm (könnte die Nachbarn alarmieren) oder einer Menge Zeit und Skill verbunden ist; Suchscheinwerfer produzieren Bilder von euch, wenn ihr in die Lichtkegel tretet. Und dann wären da noch die Wachen, die brav ihre Routen abgehen, solange ihnen nichts seltsames auffällt, aber natürlich sofort Alarm auslösen, sobald sie etwas Verdächtiges bemerken … hoffentlich habt ihr Chloroform eingekauft und einen guten Kämpfer-Typen dabei!

Ist die Planung abgeschlossen und ihr zufrieden, wird es Zeit, die Theorie in die Praxis umzusetzen. An diesem Punkt könnt ihr kaum noch eingreifen, alle eure Kumpanen folgen sekundengenau eurem Plan – zumindest, solange nichts schiefgeht. Dauert das Ausschalten einer Alarmanlage länger oder erwischt man die Wache doch nicht so, wie man sich das vorgestellt hat, endet der Bruch rasch in einer Katastrophe, da eure präzise Planung vorsichtig gesagt beim Teufel ist (mit Funkgeräten könnt ihr euch aber später auch noch via Triggern kommunizieren, sodass zum Beispiel der Alarmanlagen-Entschärfer ein Signal schickt, sobald er bereit ist, was solche Probleme zumindest ein wenig ausgleicht). Ihr könnt auch jederzeit ein (Abbruch-)Kommando an eure Leute funken und so zumindest noch geringfügig eingreifen. Angenommen, dass alles nach Plan gelaufen ist, steigt ihr danach in euer Fluchtauto und rast davon – hoffentlich bevor euch die dann irgendwann doch aufmerksam gewordene Polizei einholt. Danach nehmen unsere Freunde und Helfer die Ermittlung auf und gehen auf Spurensuche. Je nachdem, wie talentiert ihr oder eure Kumpanen waren und je nach Ausrüstung habt ihr nämlich ziemlich sicher in irgendeiner Form Anhaltspunkte hinterlassen, die auf euch deuten. Dabei spielen auch eure Akten aus früheren Einbrüchen (wer amtsbekannt ist, wird leichter identifiziert), eure Kunst beim Ausspionieren (vielleicht seid ihr ja doch jemandem aufgefallen) und euer Fluchtfahrzeug eine Rolle. Seid ihr heil und unverhaftet entkommen, wird eure Beute bei den drei Hehlern der Stadt (mit jeweils unterschiedlicher Spezialisierung) zu Geld gemacht und alles für den nächsten Bruch vorbereitet, der euch vor eine größere Herausforderung stellen wird …

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Als Der Clou! in den Handel kam, war ich gerade mit dem Wechsel auf meinen Amiga zum fleißigen Gaming-Magazin-Leser geworden. Was ich über das Spiel las, faszinierte mich – und die Wertungen waren auch nicht schlecht. Leider war mein Budget äußerst knapp, sodass ich das erste Mal etwa drei Jahre später über einen Freund mit dem Spiel in Kontakt kam (obwohl ich – wie schon so oft erwähnt – auch in diesem Fall einige Lösungen zu dem Spiel gelesen hatte und so meine Freunde noch mehr angeheizt hatte.). Als jemand, der gerne Pläne austüftelt (wenngleich ich das normalerweise nicht für Einbrüche tue), war es gerade dieser Aspekt am Spiel, der mich von vornherein ungemein interessiert hatte – und es auch tat, als ich dann tatsächlich Hand an das Spiel legen konnte. Einen großen Teil am Spielspaß macht dabei für mich – bis heute eigentlich – die minimalistische Optik aus, die alles Überflüssige wegließ und so den Blick auf das Wesentliche lenkte: Wo sind Fenster und Türen? Wo gibt es was zu holen? Und vor allem: Wie ist es gesichert?

Die Optik muss ich auch deshalb erwähnen, weil das Spiel schon bei Release nicht ganz State of the Art war und als ich es spielen konnte noch mehr Staub angesetzt hatte. Das störte nicht, denn die Atmosphäre passte. Was mich – so komisch es für mich klingen mag – eher störte, war die Handlung, die teilweise einfach dahinplätscherte, dann wieder interessante Ansätze hatte, aber im Endeffekt das Spiel an einem gewissen Punkt abrupt beendete und zum letzten Einbruch – immerhin im Tower von London – führte, woraufhin ein unspektakuläres Ende folgte. Ich glaube, ich habe bis heute nicht alle Einbrüche gemacht, weil dieser Vorfall, der einen zum Ende katapultiert, einfach immer zu früh eintrat. Klar, vermutlich hätte ich einfach nicht der Story folgen dürfen, aber irgendwie hätte ich mir doch eine interessantere oder mehr in den Hintergrund getretene Geschichte gewünscht, die den Fokus nicht von dem ablenkt, was Spaß macht – den Einbrüchen. Oder zumindest einen Sandbox-Modus, in dem man sich nicht von der Story ablenken lassen muss.

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Auch hier bin ich freilich nicht ganz kritiklos – am meisten Spaß machten mir jene Aufgaben, die ohne Wachen auskamen. Diese waren nämlich viel zu oft ein Stolperstein, da schwierig auszuschalten, ohne den ganzen Plan durcheinanderzubringen. Einmal waren ihre Kampfwerte zu hoch, ein anderes Mal stand man dann doch nicht ganz richtig hinter ihm (oder er folgte dem Pfad, den man in der Planungsphase gesehen hatte, doch nicht ganz), ein weiteres Mal entdeckte er einen, obwohl man sicher hinter ihm stand – so oder so waren diese Typen immer ein großes Risiko, die oft einen Neustart erforderten. Aber vielleicht liegt es einfach nur daran, dass ich den Puzzle-Aspekt (um dorthin zu kommen, muss ich zuerst Alarmanlage A ausschalten, damit ich dann Alarmanlage B und dann C deaktivieren kann, wobei ich auf dem Weg von A nach B aufpassen muss, nicht in die Lichter zu laufen) mehr schätzte als rohe Waffengewalt.

Trotz aller Mängel habe ich das Spiel immer wieder gerne gespielt – sogar über 15 Jahre nach dem Release. Und das bringt mich auch schon zum Punkt, warum ich Der Clou! vermisse. Die eindeutigste (und eigentlich einzige) Antwort: Weil es nichts vergleichbares gibt. Es gab zwar noch ein Sequel, das allerdings die simple 2D-Grafik gegen eine offene 3D-Welt tauschte und für mich nicht mehr den Charme seines Vorgängers erreichte. Es soll zwar Leute geben, die auf diesen Teil schwören, ich habe allerdings sehr schnell aufgegeben. Zum 2D-Klassiker kehre ich hingegen immer wieder mal zurück, auch wenn es mittlerweile schwierig ist, ihn auf einem modernen Rechner laufen zu lassen – zum Glück gibt es DOS-Box. Die Spielmechanik, die Freude, den Einbrechern bei ihrem Einsatz zuzusehen, das diebische Vergnügen, wenn der Plan aufgeht – all das hat mir sehr viel Spaß gemacht und macht es bis heute. Warum niemand (wenn doch, möge man mir das bitte sagen, damit ich mein Geld dort ausgeben kann) auf die Idee gekommen ist, etwas Ähnliches umzusetzen, weiß ich nicht. Ich habe ein wenig nachgetüftelt und denke mir, heutzutage könnte das Spielprinzip auch auf Tablets gut funktionieren. Und wenn es mit dem Remake nichts wird … vielleicht könnte ja mal der Rechteinhaber – hm, das wäre dann wohl Take-Two, oder? – dafür sorgen, dass wir das Spiel zumindest via GOG bekommen? Danke, das wäre eine nette Geste …

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Florian Scherz

Bereits früh entwickelte Florian zwei große Leidenschaften: Videospiele und Theater. Ersteres brachte ihn zu einem Informatikstudium und zu Jobs bei consol.MEDIA und Cliffhanger Productions; zweiteres lässt ihn heute (unter anderem) als Schauspieler, Regisseur, Komponist und Lichtdesigner arbeiten. Wenn er gerade keine Musicals inszeniert, spielt oder schreibt, vermisst er auf Shock2 Videospiele von anno dazumal in seiner Blog-Reihe "Spiele, die ich vermisse".

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