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Spiele, die ich vermisse #182: Command & Conquer: Alarmstufe Rot

Startet den Hell March

Das Jahr hat nicht gut angefangen: Stress in meinem Beruf (auch wenn ich mich hier nicht beschweren will, da ich wenigstens endlich wieder arbeiten darf!), die Omikron-Welle, eine Corona-Infektion und dann auch noch ein Krieg in der Ukraine. Aus all diesen Gründen habt ihr nicht nur länger auf einen neuen Eintrag warten müssen, sondern will ich auch mein Programm – entgegen der schon länger zurückliegenden Ankündigung in einem Shock2-Podcast – ändern und nicht mehr jenen Text bringen, der seit Weihachten fast fertig in einer virtuellen Schublade liegt (vielleicht ist er dann dieses Jahr im Dezember dran, irgendwie mag ich im März Weihnachten einfach nicht mehr so sehr zum Thema machen) und statt in einen bekannten Sternenkrieg zu einem Spiel wechseln, an das mich die Ereignisse in Europa momentan erinnern. Könnt ihr euch an viele Spiele erinnern, in denen ihr die Ukraine spielen könnt? Spiele, in denen es um einen großen Konflikt geht (wobei in diesem Fall Russland und die Ukraine Seite an Seite kämpfen?) Mir fällt da vor allem eines ein: Command & Conquer: Alarmstufe Rot.

Während der erste Teil von Command & Conquer noch in einer (damals nahen, heute schon vergangenen) Zukunft spielt, dreht sich Alarmstufe Rot um eine alternative Zeitlinie. Im Intro reist Albert Einstein mit einer Zeitmaschine in die 1920er, schleudert Hitler aus der Zeit in eine andere Dimension und verändert damit die Zukunft. Statt einem zweiten Weltkrieg, wie wir ihn kennen, kommt es nun zu einem Konflikt zwischen der Sowjetunion unter Stalin, der China und Indien erobert hat und nun nach Westeuropa strebt, und den Alliierten, die als eine Art NATO sich diesen Expansionsplänen entgegenstellen. Wie schon im Vorgänger müsst ihr euch für eine der beiden Seiten entscheiden und führt die Geschichte dadurch zu einem von zwei möglichen Enden.

Apropos Vorgänger: Vor allem durch die Sowjet-Kampagne ziehen sich einige Anspielungen auf „Der Tiberiumkonflikt“, insbesondere durch den Auftritt von Kane als mysteriösen Berater Stalins und der Erwähnung der Bruderschaft von Nod im Extro eben dieser Kampagne. All das passiert wieder in den Videosequenzen, die zwischen den Missionen spielen, wie im Vorgänger vor Greenscreen gedreht wurden und erneut ohne bekannte Schauspieler auskamen. Wie und ob die beiden Spiele allerdings wirklich zusammenhängen, war lange Zeit Inhalt von Spieler-Spekulationen und wurde auch mehrfach von den Entwicklern geändert. Klar ist, dass Alarmstufe Rot im deutschsprachigen Raum als Command & Conquer 2: Alarmstufe Rot herauskam, was eine Verbindung mit dem Vorgänger klar nahelegte; international hingegen verzichtete man auf die 2 und nannte das Spiel nur Command & Conquer: Red Alert. Das führte spätestens beim nächsten Teil der Tiberium-Reihe zur Verwirrung, der hierzulande als Teil 3 bezeichnet wurde, international allerdings logischerweise Teil 2 hieß. Erst mit Teil 3 der Tiberium-Saga (Tiberium Wars) sowie beim zweiten Alarmstufe Rot-Teil wurde eine weltweit einheitliche Nummerierung eingeführt.

Zu diesem Zeitpunkt hatte sich aber auch schon etabliert, dass die Command & Conquer-Reihe eigentlich aus drei Subserien besteht: die Tiberium-Saga rund um Kane, die „Eintagsfliege“ Generals und das zunehmend skurrilere Alarmstufe Rot, das sich im Laufe der Zeit weit weniger ernst nehmen sollte als der erste Teil es noch tat. So ganz einig, ob und wie es jetzt Zusammenhänge zwischen diesen Reihen (bzw. vor allem RA und Tiberium) gibt, war man sich allerdings bis zum Schluss nicht. Im ursprünglichen Plan war Alarmstufe Rot als Prequel gedacht, das ist eindeutig; aber je länger die Serie andauerte, desto verworrener und widersprüchlicher wurde es. Manche Fans vermuteten, dass das Prequel in Wahrheit der Startpunkt beider Serien war: Gewinnen die Sowjets, landet man in der Tiberium-Zeitlinie, sonst in jener, die zu Alarmstufe Rot 2 (wo es keine Anspielungen auf die Tiberiumsaga mehr gab) führt. Diese Theorie hat einige Kontinuitätsprobleme – zum Beispiel, dass Nod im Tiberiumkonflikt keine bekannte politische Macht ist, die sie nach dem Extro der Sowjet-Kampagne aber sein sollten. Designer Adam Isgreen erklärte hingegen, dass der Tiberiumkonflikt an das Ende der Allianz-Kampagne anknüpfte, während Alarmstufe Rot 2 in einem weiteren Paralleluniversum spielt, das durch ein Ereignis aus Tiberian Incursion (der Arbeitstitel des so nie erschienenen dritten Teils der Tiberium-Reihe) ausgelöst wird. Laut ihm soll auch Nicola Tesla, der in der RA-Reihe eine nicht unwichtige Rolle spielte, Schuld daran haben, dass sich die Scrin für die Erde interessieren. Im Endeffekt muss man aber festhalten, dass die Macher sich selbst nicht einig wurden, wie die Reihe zusammenhängt, und ihre Meinung teilweise im Jahresabstand änderten. 2006 hieß es zum Beispiel klar, dass es keine Verbindungen zwischen den drei Subserien gibt, während nur ein Jahr später Tiberium Wars in Begleitmaterialien erwähnte, dass Kane schon Jahrzehnte vor seinem ersten Auftreten fotografiert wurde und deshalb über 100 Jahre alt sein muss – und damit implizit auf Alarmstufe Rot hinwies.

Doch nach diesem Exkurs zurück zum ersten Teil der Alarmstufe Rot-Reihe – hier kann es uns immerhin noch recht egal sein, wie die Einzelteile zusammenhängen. Kurz und knapp könnte man die Frage „wie spielt sich Alarmstufe Rot“ mit „wie der Vorgänger“ beantworten. Die Unterschiede im Grund-Gameplay sind vor allem kosmetisch – statt Tiberium werden Erz und Edelsteine eingesammelt und in einer Raffinerie zu Geld gemacht, mit dem Gebäude und Einheiten gekauft werden können. Zusätzlich galt es noch auf den Energieverbrauch zu achten, denn ohne genügend Strom funktionierten die Gebäude – und die oft sehr energiehungrigen Verteidigungsmaßnahmen – nicht mehr.

Wie schon beim Tiberiumkonflikt waren die beiden Seiten asymmetrisch designed. So haben die Sowjets teurere und langsamere, aber besser gepanzerte Fahrzeuge und die besseren Basisverteidigungsgebäude (Flammenwerfertürme gegen Infanterie, Teslaspulen, die selbst starke Panzer der Alliierten mit wenigen Treffern zerstören); die Alliierten haben flottere und billigere Einheiten. Auch abseits der Bodentruppen gibt es eine deutliche Asymmetrie (die das Spiel in ihrer Diversität auch deutlich vom Vorgänger unterscheidet): Nur die Alliierten haben eine echte Marine, während die Sowjets ausschließlich U-Boote ins nasse Schlachtfeld schicken. Umgekehrtes gilt für die Luftstreitkräfte: Hier sind die Alliierten schwach aufgestellt, während die Sowjets deutlich mehr zu bieten haben – allerdings gegen eine stärkere Luftabwehr antreten müssen. Es gibt also deutliche Unterschiede zwischen den Truppen (wie haben auch gar nicht alle aufgezählt) – bis hin zu den Geheimwaffen, die erst ganz am Ende der Kampagne freigeschaltet werden. Hier haben die Alliierten die Chronosphäre, mit der man Einheiten auf der Karte herumteleportieren kann, während die Russen mit dem Eisernen Vorhang Truppen unverwundbar machen können. All das zieht sich – mit gewissen Balancing-Änderungen – auch in den Multiplayer. Hier wurden für etwas mehr Abwechslung die Fraktionen (Online bzw. LAN, die Regeln gelten aber auch fürs Skirmish gegen den Computer) aufgesplittet: Auf der Sowjet-Seite gibt es wie schon erwähnt die Russen (billiger) und die Ukraine (schneller), bei den Alliierten Deutschland (mehr Feuerkraft), England (mehr Haltbarkeit) und Frankreich (höhere Feuerrate).

Mit all diesen Änderungen gelang es Westwood, nur knapp ein Jahr nach dem Release des Vorgängers ein vertrautes und gleichzeitig anderes Spielgefühl heraufzubeschwören. Das Spiel geriet dabei allerdings in ein völlig anderes Verkaufsumfeld: War Command & Conquer 1995 eine Revolution gewesen, gab es 1996 schon zahlreiche Nachahmer. Trotzdem gelang es Command & Conquer: Alarmstufe Rot aus diesen Spielen herauszuragen und sich die Krone zu sichern. Auch die Kritiken waren durchwegs sehr positiv und lobten die Grafik, die Verbesserungen bei den Einheiten und die neuen Taktiken; einzig die limitierte KI wurde kritisiert. Nicht ganz so positiv aufgenommen wurde hingegen die zwei Jahre später erschienene PlayStation-Version. Kritiken hielten Red Alert zwar noch immer für eines der besten Echtzeitstrategiespiele auf der Konsole, aber das lag auch an der mangelnden Konkurrenz. Kritik gab es für die Controllersteuerung (die PlayStation Mouse wurde zwar unterstützt, war aber nur schwer erhältlich), den Multiplayer nur via Link-Kabel und dass es nicht möglich war, innerhalb der Missionen zu speichern. Das Fazit las sich oft als „ein fantastisches Echtzeitstrategiespiel für die Konsole, aber wenn ihr einen PC habt, spielt es bitte dort“.

Einen Punkt müssen wir noch kurz ansprechen, der auch schon „Der Tiberiumkonflikt“ plagte: der deutsche Jugendschutz. In Deutschland wurde ausschließlich eine geschnittene Version veröffentlicht, in der (mal wieder) aus menschlichen Truppen Cyborgs wurden (die allerdings wohl eher Androiden sein hätten sollen), der berühmte „Hell March“ wurde um Marschgeräusche und Befehle gekürzt – und natürlich auch die Cutscenes zum Teil deutlich entschärft: Gewalt herausgeschnitten, Missions-Ende-Szenen ersetzt, ein Monolog rund um Stalins Weltanschauung entfernt. Zwei der größten Schnitte finden sich allerdings im Alliierten-Extro (hier wird das Ende Stalins nur angedeutet, während die internationale Fassung drastischer ist) und im Intro des Spiels. In der deutschen Fassung sieht man Einstein aus dem Labor via Zeitmaschine verschwinden und gleich wieder zurückkehren und stolz zu berichten, dass Hitler nicht mehr existiert. In der ungekürzten Fassung gibt es dazwischen eine Szene, in der er einem jungen Hitler begegnet und diesen aus der Zeit entfernt. Den Auftritt des noch-nicht-Diktators wollte man dem deutschen Publikum wohl nicht zumuten.

Für mich in Österreich waren diese Schnitte – nachdem ich beim ersten Teil noch irgendwie drüber hinweggesehen hatte – Grund genug, nicht zur USK- sondern zur Pegi-Fassung zu greifen, die zwar englisch war (was ich nicht als großen Nachteil betrachtete), aber auch Alarmstufe Rot so präsentierte, wie es die Entwickler vorhatten. Zum Glück hatte der Spielehändler meines Vertrauens damals beide Versionen ins Sortiment genommen. Nachdem ich den ersten Teil damals noch nicht gekauft hatte (das änderte sich erst mit der Windows 95-Version), hatte ich diesmal meine eigene – und im Vergleich zu Freunden, die sich das Spiel auf Deutsch gekauft hatten, andere – Version, was eine Menge Vergleiche zuließ. Ich muss aber auch festhalten: So stark die Schnitte kritisiert wurden, so wenig relevant waren sie in den meisten Fällen für das Spielvergnügen. Auch wenn man sich gerade beim Schnitt von Hitler fragen durfte, ob das denn wirklich notwendig war.

Mit der Vorerfahrung aus Der Tiberiumkonflikt fiel mir der Einstieg in das Gameplay ziemlich leicht – auch wenn aufgrund des geänderten Balancings und Schwerpunktes der Fraktionen ich etliche meiner einstigen Lieblingstaktiken anpassen musste. Generell zeigte sich einmal mehr, dass mir Strategiespiele zwar Spaß machen, aber ich nicht besonders gut in ihnen bin. Ich bin einfach manchmal zu ungeduldig und lief in zu viele Fallen hinein, aber irgendwie schleppte ich mich dann doch zum Ende beider Kampagnen. Auch dank der von vielen bemängelten KI ist es auch für Spieler wie mich nicht unmöglich, zum Abspann zu gelangen.

Anders sah es – wie schon beim Vorgänger, aber auch bei WarCraft und später StarCraft – im Multiplayer aus. Gegen meine deutlich strategisch begabteren Freunde hatte ich in unseren LAN-Matches höchsten mit Überraschungen Erfolg – und zog am Ende trotzdem meistens den Kürzeren. Aber das war okay. Für mich ging es bei C&C immer mehr darum, den Singleplayermodus zu erleben. Die langfristige Motivation des Multiplayers war mir damals schon ein Buch mit sieben Siegeln. Da spielte ich lieber die Kampagnen noch einmal von vorne.

Und dafür vermisse ich Command & Conquer: Alarmstufe Rot: Hier war ich noch motiviert, die Kampagne zu Ende zu spielen – zum letzten Mal in dieser Reihe. Zwar würde ich mir noch den zweiten Teil der Tiberium-Kampagne zum Release kaufen, aber nicht mehr beenden – und danach von der Reihe langfristig Abstand halten. Ja, mittlerweile habe ich mir zwar einige von ihnen in Sales gekauft, aber so richtig langfristig konnte mich keiner mehr binden – während die Neuauflage 2020 mich sofort wieder fesseln konnte. Was sich genau an der Reihe geändert hat? Ich weiß es nicht. Vielleicht war die KI zu gut für mich geworden, vielleicht war es einfach ein Fall, wo dieser „das muss man gespielt haben“-Faktor sich für mich abgenutzt hatte. Aber ich wurde mit den folgenden Teilen einfach nicht mehr warm – auch mit der neuen Optik und Perspektive, die mit späteren Teilen einzog. Und aufgrund schwindender Zeit nach dem Ende meiner Schulzeit blieben sie einfach liegen. Und das ist eigentlich schade. Aber wer weiß – auch wenn ich es nicht glaube, vielleicht komme ich doch eines Tages zurück. Und selbst wenn nicht, bleiben mir wohlige Erinnerungen an die Gefechte gegen (oder mit) Stalin, an Einstein, der in meiner Version Hitler tatsächlich treffen durfte, und an das vertraute Gameplay, das mich in dieser Form nur noch einmal (nämlich in Dune 2000) begeistern würde dürfen, bevor Westwood die Technik hinter der Serie modernisieren sollte. Schade, dass die Serie heute auf Eis liegt.

Florian Scherz

Bereits früh entwickelte Florian zwei große Leidenschaften: Videospiele und Theater. Ersteres brachte ihn zu einem Informatikstudium und zu Jobs bei consol.MEDIA und Cliffhanger Productions; zweiteres lässt ihn heute (unter anderem) als Schauspieler, Regisseur, Komponist und Lichtdesigner arbeiten. Wenn er gerade keine Musicals inszeniert, spielt oder schreibt, vermisst er auf Shock2 Videospiele von anno dazumal in seiner Blog-Reihe "Spiele, die ich vermisse".

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Notable Replies

  1. Oha, das hab ich nur auf der PSone gezockt.
    Muss mir endlich die Neuauflage holen und die Games richtig nachholen.

    Danke für den schönen Artikel hat mit Lust auf das Game gemacht!

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