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Spiele, die ich vermisse #174: Dig Dug

Es ist schon überraschend, wie unterschiedlich manchmal „aktuell“ sein kann. In unserer synchronen Welt, in der (viele) Releases nahezu gleichzeitig passieren und man auf viele Inhalte nicht mehr ewig warten muss (ich erinnere mich mit Schaudern an ewiges Warten auf manche Filme, Serien und Videospiele), ist es ein wenig seltsam, „hinten nach“ zu sein. Case in point: Nach Enola Holmes konnte ich meine bessere Hälfte endlich davon überzeugen, Stranger Things zu schauen. Für viele von euch mögen die Ereignisse und Erinnerungen der Serie nicht mehr aktuell sein, aber für mich sind sie gerade frisch im Kopf, weil wir gerade erst die dritte Staffel abgeschlossen haben. Und nein, ich will jetzt nicht unbedingt auf die Videospiele zur Serie verweisen, aber auf ein kleines Spiel, das in der zweiten Staffel eine kleine Rolle in der Nerd-Welt der jungen Protagonisten spielt und bei mir sofort ein „oh, das hab ich auch gespielt, aber ich habe bislang keinen Platz gefunden, es zu vermissen“ ausgelöst hat: Dig Dug.

Bei Dig Dug handelt es sich um ein ursprünglich 1982 veröffentlichtes, von Namco entwickeltes Arcade-Spiel. Das Gameplay ist schnell erklärt: Unser Protagonist begibt sich unter die Erde, um die dortigen Monster zu vernichten. Dafür hat er zwei Möglichkeiten: Er lässt Steine auf sie fallen, oder (im Vergleich viel einzigartiger) er beschießt sie mit den Enden seiner Luftpumpe, woraufhin er sie mit wenigen (je nach Fassung drei oder vier) Pumpzügen zum Platzen bringen kann. Ebenfalls etwas außergewöhnlich: Die Monster (es gibt zwei, Pooka, eine Art Tomate mit Brille, und Fygar, ein feuerspeiender Drache) leben in unterirdischen Höhlen, die zunächst keine Verbindung zu unserem Protagonisten haben. Deshalb ist auch der Name Dig Dug Programm: Um zu ihnen zu gelangen, muss unser Held nämlich erst seinen Weg freigraben (was einfach durch das Bewegen der Spielfigur geschieht) und erschafft so – im Gegensatz zu vielen anderen Maze-Games der damaligen Ära – das Spiellabyrinth selbst. Die Monster folgen grundsätzlich den schon vorhandenen Pfaden, aber gerade gegen Ende eines Levels verwandeln sie sich in ein Paar Augen und können dann durch das Gestein wandern. Das nutzt insbesondere das letzte Ungetüm des Abschnittes, um die Flucht zu ergreifen. Sind alle Gegner besiegt, startet die Geschichte mit neuen Herausforderungen von vorne – andere Layouts, auch wenn sich diese schließlich wiederholen, mehr Gegner und schließlich auch höhere Geschwindigkeiten.

Dig Dug entstand bei Namco im Jahr 1982, also der Frühzeit der Videospielgeschichte, aber einer Blütezeit der Arcades. Die Programmierer waren Shigeichi Ishimura und Shouichi Fukatani; andere Mitarbeiter kamen aus dem Junior-Kreis rund um Shigeru Yokoyama, dem Erfinder von Galaga, der das Projekt beaufsichtigte. Die erste Kernidee war das Graben des eigenen Labyrinths – ein starker Kontrast zu Pac-Man, das von seinen verschiedenen, aber dennoch fix vorgegebenen Levels lebte. Namco ging sogar soweit, es im Marketing-Material als „strategic digging Game“ zu bezeichnen. Ausgehend von dieser Idee folgte der Rest des Gameplays.

Etwas einzigartig an Dig Dug ist der Soundtrack, der nur zu hören ist, wenn sich der Spieler bewegt. Wieso? Tatsächlich hängt das mit den Limitationen der Hardware und der Unerfahrenheit von Komponistin Yuriko Keino zusammen: Sie hätte eigentlich ein Gehgeräusch ins Spiel einbauen sollen, hatte aber Probleme, einen entsprechenden Sound zu produzieren. Stattdessen entwarf sie einen kleinen Jingle, der jäh unterbrochen wurde, wenn die Figur stehenblieb. Die Figuren wurden von Hiroshi Ono designed, dessen Arbeiten unter anderem in der Pac-Man-Serie, aber auch in Spielen wie Xevious oder Pole Position zu sehen waren.

Das erste Ziel Dig Dugs waren die Arcades – genauer gesagt wurde das Spiel für das Namco Galaga Arcade System Board designed (heute unvorstellbar, damals High-End: drei Z80 CPUs zu 3,072 MHz). 1982 erschien es in Japan, später kam es via Atari auch nach Nordamerika. Das war aber nur der Anfang eines unglaublichen Erfolglaufes, der so ziemlich alle Hardwareplattformen der damaligen Zeit umfasst. Alle aufzuzählen würde den Rahmen des Artikels sprengen, deshalb beschränken wir uns auf einen Auszug: Der erste Heimcomputer-Port war für den Atari 2600 (1983), später kamen Ports für die 8-Bit-Ataris, den C64 und den Apple II. Es gab Ports für das NES (1985), genauso wie einen LCD Tabletop, der aus technischen Limitationen heraus die Luftpumpe gegen einen Flammenwerfer austauschte. Als letztes wollen wir noch den GameBoy-Port aus dem Jahr 1992 erwähnen, der ein neues Spiel namens „New Dig Dug“ beinhaltete, bei dem man auch Schlüssel finden musste, um versperrte Türen zu öffnen.

Das „New“ im Titel sollte aber nicht als Sequel verstanden werden. Dig Dug II erschien nämlich schon 1985, bot aber völlig anderes Gameplay (es wurde aus Top-Down-Perspektive gespielt und es gab Bruchlinien, durch die ganze Teile der Spielarena vesinken konnten) und war auch bei weitem nicht so erfolgreich. Dennoch gab es auch spätere Sequels, darunter Dig Dug Arrangement mit neuen Gegnern, Power-ups, Bosskämpfen und Coop, sowie ein 3D-Remake des Originals namens Dig Dug Deeper von Infogrames. Für den DS folgte später Dig Dug: Digging Strike, das Elemente aus den ersten beiden Spielen kombinierte, und ein MMO namens Dig Dug Island, das erneut Elemente aus Dig Dug II verwendete, aber ähnlich geringen Erfolg hatte – nach weniger als einem Jahr wurden die Server abgeschaltet. An den Erfolg des Originals, das sich auf Platz sechs des Rankings der Killer List of Videogames findet, kamen sie alle nicht heran. Dieser Erfolg des ersten Teils erklärt auch, warum das Spiel bis heute noch Kultstatus besitzt und regelmäßig geportet wird – vor allem dank diversen Nameo Museum-Releases, aber auch der Xbox Live Arcade Version aus dem Jahr 2006, kann man es auch heute noch problemlos spielen.

Eine Querverbindung wollen wir noch erwähnen: Der Protagonist aus Dig Dug heißt zwar im ersten Teil noch einfacherweise Dig Dug, doch später wird aus ihm Taizo Hori – und hat Familienbande zu den Spielfiguren aus anderen Reihen. Er ist nämlich der Vater von Susumu Hori (Mr. Driller) und Ex-Ehemann von Masuyo „Kissy“ Tobi (Baraduke/Alien Sector). Hier versuchte Namco also ein verknüpftes Universum mit allerhand Querverbindungen zu öffnen. Ob diese Details jedem Spieler aufgefallen sind, darf allerdings bezweifelt werden. Und auch die genaue Familiengeschichte, also die Hintergründe für die Hochzeit und spätere Trennung, blieb uns Namco schuldig – auch wenn manche Spiele im Laufe der Zeit durchaus die Spannungen in der Familie aufgriffen.

Eines kann ich gleich festhalten: MIR sind diese Verbindungen damals nicht aufgefallen. Was sicher auch daran lag, dass ich die Sequels und Baraduke gar nicht, sowie Mr. Driller viel später gespielt habe. Oder daran, dass ich keine Ahnung hatte, wie der Protagonist aus Dig Dug überhaupt hieß. Was ich sicher weiß: Ich hatte sehr viel Spaß mit dem Spiel. Gespielt habe ich es nicht in einer Arcade-Halle (zur Zeit, in der Dig Dug groß war, wäre ich dafür sicherlich zu klein gewesen, selbst wenn ich eine gefunden hätte) sondern auf meinem treuen C64. Und genau wie bei vielen anderen Spielen dieser Ära kann ich nicht sagen, wann es in mein Laufwerk gewandert ist. Nur, dass ich es irgendwann auf einer 5 ¼‘‘-Floppy gefunden und mich rasch verliebt habe.

Was mir in meinen frühen Gamerjahren definitiv half: Dig Dug ist kein kompliziertes Spiel. Ein Joystick mit nur einem Feuerknopf (mehr hätte es am C64 auch nicht gegeben) reicht für die Eingabe, das Spielprinzip ist quasi selbsterklärend. Dazu kam, dass es abgesehen von seinen Eigenheiten (selbst Labyrinth-Graben und „Aufpumpen“) etliche Elemente hatte, die ich aus anderen Spielen kannte – vom Maze-Gameplay a la Pac-Man (auch wenn man es eben nicht 100%ig vergleichen kann) bis hin zu den fallenden Felsen im Stil von Boulder Dash. Es war also recht einfach, in Dig Dug hineinzukommen. Aber deutlich schwerer, sich wieder davon loszureißen.

Gut, vielleicht könnte man aus heutiger Blickweise sich fragen, wie es dieses Spiel geschafft hat, die Langzeitmotivation zu halten – es geht ja quasi nur um den Highscore (hier hilft es übrigens, Gegner möglichst tief unter der Erde und/oder per Felsen zu erledigen und Fygars aus horizontaler Position auszuschalten) oder (falls man sich anders motivieren will) um das erreichte Level, die sich nur in Sachen Layout, Farbgebung und Gegnergeschwindigkeit wirklich unterscheiden. Aber damals kannte man es nicht wesentlich anders. Die Herausforderung war einfach der Kampf gegen sich selbst, immer besser zu werden und schließlich weiter zu kommen als bisher. Und das hat auch mich motiviert. Vielleicht nicht genug, um es zur echten Meisterschaft zu bringen, aber doch, um immer wieder zu kommen und mich bis heute besser an dieses Spiel als an viele andere von damals zu erinnern.

Und damit kommen wir schon zum finalen Absatz – und der berühmten Frage, warum ich Dig Dug vermisse. Ich vermisse es, weil es eine gute Erinnerung aus den seligen C64-Zeiten ist – gerade auf dem Gerät, in dem ich in vielen kleinen Spielen „schwamm“, ist es schwer für einen Titel, herauszustechen. Und Dig Dug gelang das mühelos. Vielleicht habe ich es mir vor allem wegen der Pump-Mechanik gemerkt, die nun wirklich relativ einzigartig ist, aber im Endeffekt hätte diese nichts genutzt, wenn es spielerisch nicht gelungen gewesen wäre. Und so hängt das Spiel noch immer in meinem Kopf, auch wenn ich es schon jahrelang nicht mehr gespielt habe. Vielleicht erklärt es aber, wenn ich beim Benutzen der Fahrradpumpe manchmal kurze Erinnerungen in 8-Bit-Optik habe …

Florian Scherz

Bereits früh entwickelte Florian zwei große Leidenschaften: Videospiele und Theater. Ersteres brachte ihn zu einem Informatikstudium und zu Jobs bei consol.MEDIA und Cliffhanger Productions; zweiteres lässt ihn heute (unter anderem) als Schauspieler, Regisseur, Komponist und Lichtdesigner arbeiten. Wenn er gerade keine Musicals inszeniert, spielt oder schreibt, vermisst er auf Shock2 Videospiele von anno dazumal in seiner Blog-Reihe "Spiele, die ich vermisse".

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Notable Replies

  1. oh - ich wusste gar nicht dass „boulder dash“ offensichtlich eine kopie (von dig dug) ist

  2. Avatar for Jokus Jokus says:

    Naja, Kopie würde ich nicht sagen. Ja, es gibt Ähnlichkeiten, aber der Fokus ist ein anderer. Dig Dug lässt dich Gegner jagen, Boulder Dash ist eher Diamanten sammeln und zum Ausgang kommen. Viel Puzzle-lastiger.

  3. Avatar for Jimmy Jimmy says:

    Hui, da hab ich im „Popeye“ den ein oder anderen Schilling versenkt. War aber ned so besonders das Spiel.

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