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Spiele, die ich vermisse #169: Kerbal Space Program

Wer diese Blogreihe kennt, weiß so einiges über mich – auch wenn manche Seiten sicher stärker herauskommen als andere. Ich vermute, dass zum Beispiel nur eifrige Leser wissen, dass ich ein absoluter Weltraum-Fan bin – und damit meine ich jetzt nicht zwangsläufig Space-Spiele wie Wing Commander oder X-Wing, sondern die echte Weltraumforschung. Diejenigen wird es allerdings nicht verwundern, dass ich letzten Mittwoch stundenlang am Fernseher geklebt bin, um die erste bemannte SpaceX-Mission im Endeffekt nicht starten zu sehen; damit nicht genug, verbrachte ich am Wochenende noch viel mehr Zeit vor Youtube, um die dann schließlich doch erfolgreiche Reise zur ISS zu bewundern. Diese Erfahrung erinnerte mich einmal mehr zu Videospielen – auch wenn gute Spiele über die bemannte Raumfahrt erstaunlich rar sind. Dazu kommt, dass ich zwei meiner absoluten Lieblinge der Vergangenheit mit diesem Thema schon vermisst habe – Buzz Aldrin’s Race Into Space war sogar der Auslöser für die ganze Blogserie und deshalb der erste Eintrag vor fast acht Jahren; SpaceMAX folgte mit einigem Abstand. Und deshalb möchte ich heute zu einem eigentlich aktuellen Spiel kommen, das momentan vermutlich der interessanteste Weg ist, sich mit dem Weltraum spielerisch zu beschäftigen: Kerbal Space Program.

In der Welt von Kerbal Space Program haben kleine grüne Männchen, die Bewohner von Kerbin namens Kerbals (deren Nachname auch immer Kerbal ist), ihren ersten Weltraumbahnhof eröffnet – das Kerbal Space Center (dessen Abkürzung KSC natürlich ganz „zufällig“ sich mit dem Kennedy Space Center deckt – ja, diese Art von Humor zieht sich durchs ganze Spiel). Dessen Leitung bekommt ihr übertragen – und habt ab sofort alle Freiheiten. Nein mehr Story gibt es nicht, mehr Story braucht es auch nicht: Kerbal Space Program ist kein Spiel mit einer Geschichte oder einer klaren Kampagne, es ist ein ganz klassisches Sandbox-Game, bei dem es vor allem darauf ankommt, eure eigenen Ziele zu erreichen oder – am Anfang wahrscheinlicher – spektakulär zu verfehlen und dennoch daraus zu lernen. Dabei kommen zwei Komponenten zusammen, die eigentlich auf den ersten Blick nicht zusammenpassen, aber es dann doch irgendwie tun: Humor, weil sich das Umfeld und die Kerbals nicht ganz ernst nehmen, und die Ernsthaftigkeit einer knallharten Space-Simulation.

Kernstück von Kerbal Space Program ist seine Physik-Engine, die zwar nicht 100%ig akkurat ist (allein schon, weil sie die Berechnung der Gravitation vereinfacht), aber dennoch ihr Aufgabenfeld sauber abdeckt. Das beginnt schon am Boden, wenn allzu ausgefallene Konstrukte noch vor dem Start auseinanderfallen, und geht weiter über eine recht genaue Simulation eures Antriebs, bei der es sehr wohl darauf ankommt, wo der Schub herkommt – wer falsch baut, bekommt im schlimmsten Fall ein unkontrollierbares Gefährt, das schon knapp nach dem Abheben in die völlig falsche Richtung fliegt, oder vielleicht auch erst später im All nicht mehr gut manövrierbar ist. Das heißt, dass ihr schon beim Bauen sehr viel falsch machen könnt – und das Spiel diese Fehler zulässt. Wer unbedingt eine Rakete bauen will, die die Triebwerke an der Spitze hat, kann das durchaus machen – aber sollte sich auch nicht wundern, warum das nicht funktioniert. Unglaublich wichtig ist dabei natürlich auch, sich im Vorfeld zu überlegen, was euer Flug erreichen soll. Für einen kleinen Suborbitalflug mag eine kleine Kapsel mit Feststoffbooster noch reichen, sobald ihr aber in den Orbit Kerbins oder darüber hinauswollt, muss man über mehrere Raketenstufen, steuerbare Triebwerke und ein Hitzeschild für den Wiedereintritt nachzudenken. Und spätestens wer dann Satelliten, eine Raumstation oder gar eine Landung auf fremden Planeten anstrebt, wird sich um einige zusätzliche Aspekte, wie Energieversorgung, Langstreckenkommunikation und Docken kümmern müssen.

Ja, die Lernkurve in Kerbal Space Program ist steil – und das Spiel nur in gewissem Maße beim Lernen hilfreich. Ja, es gibt einige nützliche Anzeigen, über die man zum Beispiel herausfindet, wo der Schwerpunkt sitzt oder wo der Schub ansetzt, aber im Endeffekt muss man schon selbst herausfinden, wie man die einzelnen Komponenten im Editor zu einer flugtauglichen Rakete oder einem Spaceplane zusammensetzt. Ja, es gibt ein Tutorial, aber selbst das ist eher auf Grundzüge bedacht und vieles muss man selbst herausfinden (oder auf die zum Glück sehr aktive Community bzw. Wiki zurückgreifen). Es ist aber auch zugegebenermaßen der Reiz der Sache, nur mit den Grundzügen ausgestattet seine Ziele immer weiter zu setzen und mehr und mehr zu erreichen. Wer zuerst froh ist, schonmal geradeaus nach oben zu fliegen, freut sich umso mehr, wenn er schließlich Missionen in den Tiefen des Alls erledigt.

Für mehr als einen kleinen Hopser müsst ihr euch aber auch noch mit ganz anderen Dingen herumschlagen, die die Lernkurve gleich nochmal steigern. Habt ihr euch schon gefragt, warum die jüngste SpaceX-Mission genau zu einem bestimmten Zeitpunkt gestartet werden musste und auch nur geringe Verzögerungen nicht möglich waren? Oder warum wir auf die zweite Startmöglichkeit gleich vier Tage warten mussten? Das alles hat mit den sogenannten Orbitalmechaniken zu tun. Wer bislang noch nie von Begriffen wie Inklination, Apsis und Periapsis gehört hat oder bei einem Brennvorgang in retrograder Richtung nur Bahnhof versteht, muss sich darauf einstellen, dass man für KSP ein paar theoretische Grundlagen lernen muss – auch hier helfen Tutorials oder im Notfall sogar Wikipedia. Dafür versteht ihr spätestens dann, wenn ihr im Orbit seid, dass Douglas Adams Aussage aus dem dritten Anhalter-Teil „Das Fliegen ist eine Kunst oder vielmehr ein Trick. Der Trick besteht darin, dass man lernt, wie man sich auf den Boden schmeißt, aber daneben“ zumindest im All völlig korrekt ist. Okay, zumindest ich habe mir das gedacht, während ich so lange beschleunigte, bis meine Flugkurve nicht mehr auf Kerbin zurückfiel, sondern den Planeten „verfehlte“ und ich somit in der Umlaufbahn angekommen war.

Aber selbst im Orbit hat das Spiel gerade erst angefangen. In Kerbal Space Program werdet ihr nie aufhören, zu lernen: Wie baut man die perfekte Rakete, die eine optimale Menge Treibstoff an Bord hat, um ihre Mission durchzuführen und zurückzukehren? Wie gelangt man auf fremde Planeten, sei es mit Sonden oder gar bemannt? Und wie baut man seine erste Raumstation? Wie funktioniert das (tatsächlich überhaupt nicht einfache) Docken mit anderen Raumschiffen? Wie bringt man einen Satelliten in die geforderte Umlaufbahn? Jede Aufgabe erfordert neue Herangehensweisen und spezielle Anpassungen – und damit auch oft viel Tüftelei, bis alles so gut funktioniert, wie ihr es euch vorstellt. Und natürlich müsst ihr die meisten Entscheidungen schon vorab treffen – seid ihr mal im All, ist ein Umbauen des Raumschiffes selbstverständlich nicht mehr möglich. Maximal die Staging-Sequenz, also die Reihenfolge, in der gewisse Bauteile aktiviert werden, könnt ihr noch anpassen. Solltet ihr beim Bauen allerdings einen Fehler gemacht haben, heißt es entweder mit dem Fehler leben – oder zurück zum Start (bzw. dem Zusammenbau).

Ist euch der Sinn nicht nur nach von euch selbst immer größer gewählten Aufgaben, dann gibt es mittlerweile drei verschiedene Modi, in denen man das Spiel spielen kann: Sandbox ist der „einfachste“, denn hier geht es tatsächlich hauptsächlich darum, seine eigenen Pläne ohne Einschränkungen abseits eures Skills und der Physik umzusetzen. Falls ihr mehr Realismus wollt, könnt ihr den Wissenschaftsmodus aktivieren. In diesem sind zu Beginn nur wenige Teile freigeschaltet, neue müsst ihr euch über eine Währung erkaufen, die ihr für das Durchführen von Experimenten bekommt; und wer damit auch noch nicht genug hat, kann den Karrieremodus aktivieren, bei dem auch Geld und Reputation relevant sind. Hier spielen dann neben den Inhalten des Science-Modus auch Verträge eine Rolle, die euch gewisse Aufgaben stellen (darunter zum Beispiel das Testen von Bauteilen unter gewissen Bedingungen oder Weltraumtourismus), und das Ausbauen eures Weltraumbahnhofs, sodass ihr von kleinen Anfängen nach und nach zu größeren Herausforderungen gelangt. Wenn man so etwas Ähnliches wie eine Kampagne sucht, ist es noch am ehesten dieser Modus.

Das Konzept hinter Kerbal Space Program ist wohl keines, an das sich eine große Gamingfirma wagen würde – und tatsächlich sind die Ursprünge des Spiels äußerst ungewöhnlich. Das beginnt schon damit, dass Entwickler Squad keine Spielefirma ist. Squad ist eigentlich eine mexikanische Werbefirma, die sich vor rund zehn Jahren mit einigen außergewöhnlichen Werbeinstallationen einen Namen gemacht hatte. Felipe Falanghe wurde dort als 3D-Modellierer eingestellt, um die Werbung schon vorab interaktiv zu entwickeln, arbeitete aber auch als Techniker, der diese Ideen später real umsetzen musste. Die Firma war damit erfolgreich und steigerte den Umsatz massiv, ohne mehr Leute einzustellen. Falanghe war damit nicht auf Dauer glücklich und beschloss eines Tages, dass es Zeit für die Kündigung sei. Der Vizepräsident der Firma nahm dies aber nicht an (das hätte nach seinen Aussagen auch fatal für die Firma geendet), sondern bot ihm stattdessen an, dass er ein Videospiel seiner Wahl umsetzen könnte. Und das war die Geburtsstunde von Kerbal Space Program.

So ein Angebot klingt natürlich ungewöhnlich, doch bei Squad gehörte es irgendwie zur Firmenphilosophie – man versprach den Angestellten, dass sie an einem gewissen Punkt ihrer Karriere ihre eigene kreative Idee pitchen könnten, die man auch umsetzen würde, wenn sie zur Firma passt und finanziell machbar war. In dem Fall war das ein Glücksgriff: Falanghe erledigte seine restlichen Arbeiten, aber ab Anfang 2011 bekam er ein halbes Jahr, um Designdokumente und einen Prototypen abzuliefern, die die Chefs überzeugen konnten, das Projekt durchzuziehen. Damit scheint er Erfolg gehabt zu haben, denn Ende Juni 2011 landete eine frühe Alpha-Version im Internet und fand rasch Fans, die – obwohl das nicht der Plan war – finanziell dazu beitragen wollten, das ungewöhnliche Spiel weiterzuentwickeln. So wurde aus dieser ersten, wirklich rudimentären Version – es gab noch nicht einmal andere Himmelskörper – ein immer größeres Spiel, das weitere Planeten und Monde, die schon erwähnten Tutorials und viele zusätzliche Elemente bekam. Bis 2014 war das Spiel allerdings weiterhin nur in der Alpha-Phase, erst Ende 2014 erreichte man die Beta und veröffentlichte das Spiel am 27. April 2015.

Zu diesem Zeitpunkt hatte man schon eine treue, aktive Community aufgebaut, die natürlich auch fleißig Werbung für ihr Spiel machte, Einsteigern mit Rat und Tat zur Seite stand und viel Zeit in den Titel versenkte. Dabei half auch, dass Kerbal Space Program eine Menge Mod-Möglichkeiten bietet, die von der Community rasch ausgenutzt wurden. So wurden zum Beispiel neue Raumschiffteile integriert, das Sonnensystem angepasst oder Tools eingebaut, die das Leben angenehmer machen – zum Beispiel automatische Berechnungen von relevanten Daten (wie Delta-V) oder sogar die Automatisierung gewisser Arbeitsschritte, wie Forschung oder ganzer Manöver. Aber auch die Entwickler ließen das Spiel nicht einfach so zurück, sondern erweiterten das Spiel laufend, vor allem durch Patches, aber auch durch zwei Add-Ons – und durch Ideen, die aus erfolgreichen Mods übernommen wurden.

Der Erfolg von Kerbal Space Program war für Squad reichlich unerwartet und war rasch für einen signifikanten, aber nicht näher bezifferten Anteil der Gesamtfirmeneinnahmen verantwortlich. Dennoch gab es im Laufe der Zeit einige Veränderungen: Felipe Falanghe verließ das Projekt im Mai 2016, um an einem neuen Projekt zu arbeiten; ein Jahr später kaufte Take-Two das Spiel, um es über ihr Sublabel Private Division zu publishen – Squad blieb allerdings dennoch an Bord, um das Spiel weiterzuentwickeln. Dieser Deal erlaubte unter anderem die Entwicklung der sogenannten Enhanced Edition – 2018 erschienene Ports auf Xbox One und PS4. Das war allerdings nicht die erste Version des Spiels für die beiden Konsolen, denn eigentlich war schon 2016 Kerbal Space Program auf ihnen veröffentlicht worden (eine ebenfalls angekündigte WiiU-Fassung wurde eingestellt). Diese erste Fassung hatte allerdings einige Bugs, bildete einen frühen Status des Spiels ab und wurde rund eineinhalb Jahre nach Release aus den Stores entfernt. Die Enhanced Edition wurde von einem neuen Team entwickelt, setzte eine aktuellere Version des Spiels um und wurde Käufern der ersten Version gratis zur Verfügung gestellt. Spielstände waren allerdings nicht kompatibel.

Das Problem mit inkompatiblen Spielständen hatte ich nie – denn meine Abenteuer mit Kerbal Space Program haben mit nur einer einzigen Plattform zu tun: dem PC. Und das sogar beruflich, denn vielleicht hätte ich trotz seines Themas irrtümlich einen großen Bogen um Kerbal Space Program gemacht (von dem ich einfach nichts wusste), statt in seinen Orbit einzuschwenken: Für eine Ausgabe des Gamers.at/GamersPLUS-Magazins entstand ein Special über allerhand Spiele, die sich auf Steam in Early Access befanden; damals war das Early Access-Programm auf Steam noch recht neu und sorgte immer wieder für allerhand negative Reaktionen von Spielern, die sich nicht bewusst waren, dass sie mit einem Early Access-Titel ein unfertiges Spiel in früher Entwicklungsphase kauften. Wir wollten deshalb uns einige dieser Spiele kurz ansehen und feststellen, welche eher unspielbar waren (*hust*Race to Mars*hust*, das ich sogar in Hoffnung auf ein neues Buzz Aldrin’s Race into Space auf Kickstarter gebackt hatte, aber damals gerade aus ein paar Menüs bestand und bis heute kaum weiterentwickelt wurde) und welche schon jetzt viel Potenzial hatten. Als überzeugter Weltraum-Fan erklärte ich mich natürlich gern bereit, mir ein Spiel wie Kerbal Space Program anzusehen.

Ich habe mich damals für das Special länger mit dem Spiel beschäftigt, als ich es für einen kurzen Text wohl rechtfertigen konnte; aber ich fand sogar schon die Tutorials faszinierned, weil sie mir, der zwar interessiert, aber sicher kein Experte war, viel Neues beibrachten, ohne mit dem Lehrbuchholzhammer zu kommen. Für viel mehr reichte es damals bei mir aber noch nicht – es gab danach einfach zu viele Möglichkeiten und mir war KSP an diesem Punkt definitiv noch zu viel Sandbox; gleichzeitig reden wir hier von 2013, also zu einem Zeitpunkt, als sich das Spiel noch in der Alpha befand und deutlich roher war als heute. Also legte ich das Spiel beiseite, immerhin hatte ich auch noch andere Aufgaben und andere Testmuster.

In der folgenden Zeit schaute ich zwar immer wieder fasziniert kurz vorbei, empfand das Spiel aber weiterhin als eher unfertig – vor allem in Bezug auf das „Drumherum“. Ich kann mich noch erinnern, dass ich eine frühe Version des Karrieremodus startete und von den Systemen verwirrt, von den Menüs sogar eher abgestoßen war. Aber auch zu diesem Zeitpunkt war das Spiel noch nicht fertig. Und dann kam der Moment, wo es „klick“ machte: Irgendwann, als das Spiel released war, als der Karrieremodus so richtig funktionierte, als es klare Zwischenziele gab – da war für mich der Moment gekommen, mich wieder intensiver mit KSP zu beschäftigen. Und intensiv musste ich mich damit auch beschäftigen – denn die Lernkurve war und ist auch jetzt noch steil.

Ein Problem mit KSP ist, dass die Tutorials relativ „spät“ ansetzen. Man hat hier schon eine Menge Hardware und Möglichkeiten, die man im Karrieremodus (und den brauchte ich, um mich zu motivieren) noch lange nicht haben wird; man muss sich mit Dingen herumschlagen, die man im Tutorial nicht mehr erledigen muss – ein Raumschiff zu bauen, dass beim Start nicht umkippt, ist zum Beispiel nie ein richtiges Thema und gerade spätere Tutorials beginnen einfach im All, ohne dass man sich großartig darum kümmert, wie man vom KSC in die optimale Umlaufbahn gelangt. Auch das richtige Positionieren von RCS-Thrustern ist ein Kapitel, das ich bis heute nicht wirklich gemeistert habe. Und dann sind auch noch manche Manöver ziemlich schwierig – gerade das Docken (und wie passend, dass ich diese Zeilen schreibe, während die Dragon-Kapsel an der ISS andockt) war schon im Tutorial für mich ohne Add-ons quasi unmöglich. Da ist also viel Trial and Error dabei.

Dafür macht KSP auch wieder viel richtig. Gerade im Karrieremodus gibt es diesen Fortschritt, bei dem man merkt, wie man durch mehr und mehr Erfahrung bzw. Forschung beständig vorankommt. Wie man von der kleinen Rakete, die gerade mal einen kleinen Hüpfer macht, bis zur großen Mondrakete kommt. Wie man zunächst damit kämpft, überhaupt den Orbit zu erreichen, aber schließlich an den Punkt kommt, an dem das Erreichen der Umlaufbahn nur noch ein kleiner Schritt auf einer größeren Reise ist. Ja, manchmal kann dieser Fortschritt etwas frustrierend sein, gerade weil manche Aufträge nicht so einfach sind – Beobachtungen gewisser Regionen erfordern erstmal das Wissen, wo diese überhaupt sind (das Spiel hilft hier leider nicht), und sind mit Raketen eher schwer zu erledigen (Flugzeuge helfen hier sehr); gewisse Bauteile in die richtige Höhe und auf die korrekte Geschwindigkeit für einen Test zu bringen, wird ein wenig dadurch erschwert, dass man im Spiel nicht vorab kalkulieren kann, ob man mit den Bauteilen diesen Punkt auch erreicht. Und auch die Orbitalmanöver (die man in der Karten-Ansicht plant) sind oft Spielerei, bis man wirklich genau das erreicht, was man will. Und selbst bei der Forschung sollte man sich gut überlegen, welchen nächsten Abschnitt man wirklich erforschen will, weil da immer auch Bauteile sind, die man für seinen Spielstil nicht braucht. Auch hier gilt, dass das Spiel einen oft nicht an der Hand nimmt, aber man gerade deshalb viele Möglichkeiten hat. Und gerade deshalb man muss sich auch die Zeit nehmen sich einzuarbeiten.

Einen Punkt will ich hier nochmals erwähnen: Natürlich gibt es einige Hilfsmittel, also vor allem Add-ons, die das Leben eines Kerbalnauten deutlich erleichtern. Das beginnt mit Forschungs-Add-ons, die dafür sorgen, dass man wirklich in jeder sinnvollen Phase Forschungsergebnisse übermittelt, sodass man den nötigen Fluss an „Forschungswährung“ bekommt und rasch vorankommt. Auch das schon erwähnte Docken kann man automatisieren oder zumindest erleichtern – und wer sich wirklich auf gewisse Aspekte konzentrieren will, findet auch Add-ons, die das Starten oder auch die Orbitalmanöver deutlich vereinfachen. Gerade letzteres nehme ich aber eher ungern an, weil das Spiel im Orbit für mich zu den spannendsten Dingen gehört.

Damit will ich aber jetzt auch zu Ende kommen und ein Fazit ziehen. Kerbal Space Program gibt es natürlich noch, es wird sogar noch weiterentwickelt. Warum jetzt schon vermissen? Weil es für mich sowohl das richtige als auch das falsche Spiel ist. Es ist für mich richtig, weil es ein gutes Thema hat und ich die Spielidee faszinierend finde. Es ist das falsche Spiel für mich, weil mir die Zeit fehlt, mich so gut einzuarbeiten, wie es das Spiel braucht, um so voranzukommen, wie ich es bräuchte, um motiviert zu bleiben. Man merkt KSP auch einfach an, dass es langsam gewachsen ist und deshalb nicht immer aus einem Guss wirkt. Ja, das heißt auch, dass man bei Squad lernfähig war und die Funktionen mancher Add-ons irgendwann implementiert hat, aber während dieses Prozesses sind Ecken und Kanten geblieben. Versteht mich nicht falsch, ich mag Spiele, die nicht unendlich glattgebügelt sind, aber für meine persönliche Motivation brauch ich manchmal einfach ein bisschen mehr klaren Prozess, wie es weiter geht, und auch das Gefühl, dass ich mich tatsächlich weiterentwickeln kann. Und deshalb – klopfen wir auf Holz – freue ich mich jetzt schon auf Kerbal Space Program 2, das 2021 erscheinen soll. Ich hoffe, dass man jetzt, wo man weiß, wie das Spiel funktioniert, viel mehr auf eine rundere Gesamtexperience schaut, ohne den Spielspaß zu verlieren. Hoffen wir nur, dass dieser Traum (übrigens durch einen neuen Entwickler, der auch schon unter etwas seltsamen Umständen ausgetauscht wurde, während sich Squad weiter auf Teil eins konzentriert) auch wahr wird und nicht in einem Desaster endet wie so manche Versuch der Kerbals, die Sterne zu erreichen …

Retro-Gaming: Spiele, die ich vermisse… (Alle Artikel!)

Florian Scherz

Bereits früh entwickelte Florian zwei große Leidenschaften: Videospiele und Theater. Ersteres brachte ihn zu einem Informatikstudium und zu Jobs bei consol.MEDIA und Cliffhanger Productions; zweiteres lässt ihn heute (unter anderem) als Schauspieler, Regisseur, Komponist und Lichtdesigner arbeiten. Wenn er gerade keine Musicals inszeniert, spielt oder schreibt, vermisst er auf Shock2 Videospiele von anno dazumal in seiner Blog-Reihe "Spiele, die ich vermisse".

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Notable Replies

  1. Ich habe in diesem Spiel unzählige Stunden verbracht!

    Sehr schöner Artikel, ich mach mir aber ähnlichen Sorgen wie du. Ob wir jemals einen zweiten Teil sehen werden?

  2. Avatar for Wiesi Wiesi says:

    Da bin ich mir fast sicher, ich glaub der wird nur viel simpler und an die breite Masse angepasst, somit viel weniger Möglichkeiten haben.

    Ich spiel KSP natürlich am Mac, hab aber auch die PS4 Version gespielt, ist halt durch die Steuerung nicht so zugänglich. Wenn man das aber vereinfacht musst auf viel verzichten.

  3. Avatar for Jokus Jokus says:

    @Vino: Das meinte ich mit den „seltsamen Umständen“ - irgendwie wollte ich jetzt in den ohnehin schon langen Artikel diese ganze Geschichte (die ja nochdazu irgendwie ongoing ist, weil da nach gerade während des Schreibens des Artikels wieder neue Fakten rauskamen) nicht mehr mit reinnehmen.

    Aber zum Gesamtthema: Ich gehe davon aus, dass Teil 2 auf jeden Fall kommen wird. Er ist ja angekündigt, das Original erfolgreich. Die Frage ist nur, was sie im Endeffekt damit machen. KSP lebt von seinen Ecken und Kanten und in vielen Belangen von einer gewissen Kompromisslosigkeit. Das macht das Spiel aber auch unzugänglich. Dazu kommt, dass man dem Spiel anmerkt, dass es „natürlich gewachsen“ ist, also nicht von Anfang an alles so geplant war. Was passiert nun, wenn ein Publisher wie Take-Two mitreden darf? Squad war ja - wie im Artikel besprochen - absolut atypisch für ein atypisches Spiel. Aber Take-Two wird vermutlich auf mehr Kommerzialität drängen, und ein neuer Entwickler (jetzt mal egal, wer das genau ist) kann weniger drauf pochen „aber das ist, was die Community will“. Ich hab mir schon beim KSP 2-Trailer letztes Jahr gedacht, dass der ja fast nur auf die Unfälle und Humor getrimmt war - weniger „seriöser Weltraum“, mehr „Incredible Machine meets Stunts“. Das KANN natürlich nur am Trailer gelegen haben, aber im Endeffekt kann es auch die Richtung sein, die der Publisher für das Spiel will.

    Wenn es nach mir geht, sollte KSP 2 einfach an der Zugänglichkeit arbeiten (z.B. indem man Funktionalitäten, die jetzt via Add-ons wie MechJeb2 kommen, hinzufügt), aber am Prinzip festhalten. Ich mach mir aber Sorgen, dass das in eine ganz andere Richtung abbiegt. Da das Spiel im Endeffekt aber noch niemand gesehen hat, kann keiner sagen, was wirklich rauskommt.

  4. Avatar for Vino Vino says:

    Auf alle Fälle hat @Jokus wieder einmal das richtige Spiel zum richtigen Zeitpunkt ausgewählt und einen sehr feinen Artikel dazu geschrieben! :ok_hand:

  5. Avatar for Jokus Jokus says:

    Danke. Wobei ich hier irgendwie Gandalf paraphrasieren muss: Meine Artikel erscheinen immer zum richtigen Zeitpunkt - nach meiner ganz eigenen Logik. Von dem, dass die ganze Geschichte mit dem Studio-Wechsel nun relativ groß geworden ist, hab ich beim Schreiben noch nichts gewusst. Aber manchmal hat man einfach Glück (obwohl ich das Unglück der anderen hier nur widerstrebend „Glück“ nennen will).

  6. Avatar for SHOCK SHOCK says:

    Passt ja auch perfekt zur geglückten SpaceX Mission :slight_smile:

  7. Avatar for Wiesi Wiesi says:

    Podcast Tipp:

    Ein Raumfahrt Ingenieur plaudert mit Tim Pritlove über KSP.

Deine Meinung in der SHOCK2-Community community.shock2.at

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