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Spiele, die ich vermisse #164: Flight Simulator

Ãœber den Wolken ... ohne Reinhard Mey

Eigentlich erstaunlich: Momentan komme ich scheinbar oft auf zwei völlig verschiedene Arten zum selben Titel, der darauf wartet, endlich vermisst zu werden. Wie schon bei Final Fantasy VIII spielt einerseits auch diesmal noch die E3 eine Rolle, denn eine Fortsetzung jener Reihe wurde dort überraschend angekündigt; viel wichtiger für die Entscheidung ist allerdings diesmal wohl meine Tochter. Die hat zum Geburtstag ihren ersten Spiellaptop bekommen – allerdings eher als Selbstverteidigung, weil sie jetzt ihren eigenen Laptop hat, auf dem sie rumdrücken kann, sodass ich wieder auf meinem relativ ungestört tippen kann. Gut, ihr Laptop ist ein Spielzeug, kein „echter“ Computer. Aber dennoch denke ich dadurch an meine ersten Gehversuche, meine ersten Spiele auf einem Rechner zurück. Und das bringt mich zurück zum C64 – und einem der ersten „Spiele“, die ich darauf ausprobieren konnte. Und darüber komme ich zu einer Serie, die mehrere Jahrzehnte ein wichtiger Bestandteil der Industrie war und nächstes Jahr nach über zehn Jahren Pause ihr Comeback feiern wird: der Flight Simulator.

 

Flight Simulator (Apple II)

Räumen wir zunächst das Grundsätzliche aus, denn es gibt Dinge, die für jeden Teil der Serie gelten:  Der Flight Simulator ist, wie der Name schon sagt, ein Flugsimulator – und zwar ein ziviler. Wir sprechen hier also ausdrücklich nicht von Kampfflugzeugen (auch wenn es hier durchaus Auftritte von militärischen Maschinen und entsprechenden Modi gab), sondern primär darüber, möglichst realistisch allerhand Fluggeräte zu simulieren, die uns durch die Lüfte von Punkt A nach Punkt B führen. Von einfachen Anfängen (dazu kommen wir gleich) ging es dabei immer mehr in Richtung einer möglichst großen Welt, eines möglichst detaillierten Flugmodells, mehr und mehr Flugzeugtypen – vom Segelflieger bis zum großen Jet – und natürlich all den Details, die zum Fliegen dazugehören.

Für viele ist der Flight Simulator untrennbar mit dem davorstehenden „Microsoft“ verbunden – vielleicht ist es deshalb eine Überraschung, dass das Spiel zunächst gar nichts mit Bill Gates‘ Softwarehaus zu tun hatte. Stattdessen muss man hier den Namen Bruce Artwick nennen, der 1976 einen wissenschaftlichen Artikel über Flugsimulatoren und 3D-Engines veröffentlichte. Sein Text war theoretisch und eher eine Beweisführung, dass damalige Rechner so eine Simulation schon bewältigen konnten, doch die Leser wollten das, worüber er schrieb, auch spielen können. Deshalb gründete Artwick subLOGIC und begann mit der Arbeit. Seine ersten Flugsimulatoren erschienen knapp darauf für Plattformen wie den 8080, den Altair 8800 und den IMSAI 8080.

Microsoft Flight Simulator 1.0

Doch die eigentliche Geburtsstunde des Flight Simulator schlug 1979 mit dem Release des FS1 für den Apple II und den TRS-80. Aus heutiger Sicht liest sich die technische Beschreibung der Apple-Version spartanisch: Die Landschaft wurde in weißem Wireframe-Look präsentiert und bestand aus 36 Kacheln (in einem 6×6-Raster), dazu kam ein simples Instrumentenbrett. In der Werbung pries man die Tatsache an, dass die Engine „150 Linien pro Sekunde“ zeichnen konnte. Es gab nur ein Flugzeug und die Simulation war natürlich sehr einfach. Damals sah man das natürlich anders: Es wurde in Reviews als eines der eindrucksvollsten Computerspiele bezeichnet und 1980 zu einem der meistverkauften Spiele auf der Apple-Plattform. Weniger beeindruckend war hingegen die TRS-80-Version, die aufgrund der technischen Möglichkeiten der Plattform noch weiter abgespeckt werden musste – sogar die Instrumententafel wurde entfernt.

1982 kam das erste Mal Microsoft ins Spiel – subLOGIC vergab eine Lizenz an den Entwickler, eine Fassung ihres Flight Simulators für IBM PCs zu entwickeln. Das Resultat hieß Microsoft Flight Simulator 1.0 und sah dem Original eigentlich nicht mehr ähnlich: Mit einer neuen Grafikengine (in CGA) sah die Landschaft deutlich besser aus (zumindest bestand sie nicht mehr nur aus Gitternetzlinien), die Instrumente waren detaillierter und es gab sogar Wetter, Tageszeiten und verschiedene Flugzeuge, wodurch jetzt doch Kampfflugzeuge ins Spiel kamen: die Sopwith Camel konnte man in Dogfights fliegen. Kaum verwunderlich war, dass Microsoft für dieses Spiel massiv in die technische Trickkiste greifen musste – mit dem Resultat, dass der Flight Simulator ein Testprogramm für die IBM-Kompatibilität der damaligen PCs wurde: Wich die Hardware bzw. das BIOS zu sehr vom Standard ab, verweigerte der Flugsimulator seinen Dienst. Das lag auch daran, dass der MS FS I untypisch für den PC-Markt war und kein Betriebssystem benötigte. Er brachte alles selbst mit, was er brauchte.

Flight Simulator II (C64)

Die diversen Verbesserungen von Microsofts Version wurden von subLOGIC übernommen – das Resultat war der Flight Simulator II, der zunächst für den Apple II, später dann für allerhand 8-Bit-Computer wie den C64 erschien. In der zweiten Hälfte der 80er folgten Ports auf die 16-Bit-Maschinen. Diese waren schon deutlich weiterentwickelt und werden deshalb trotz der weiterhin im Titel vorhandenen „II“ von Fans als Version 3.0 der subLOGIC-Reihe bezeichnet. Der Flight Simulator II ist es auch, bei dem zum ersten Mal zusätzliche Szenarien nachgeladen werden konnten – ein wichtiger Schritt, immerhin ist die Erweiterbarkeit des Flight Simulators heute noch legendär.

Doch auch bei Microsoft wurde am Flight Simulator weitergearbeitet. 1984 erschien die Version 2.0, die viele kleine Verbesserungen enthielt, darunter Joystick- und Maussteuerung, bessere Grafikunterstützung (CGA und Hercules) und die gesamte Landmasse der USA (auch wenn nur wenige Flughäfen in einem kleinen Bereich angeboten wurden). Spätere Updates brachten Kompatibilität mit den Erweiterungen von subLOGICs FS II. Vier Jahre später folgte der MS Flight Simulator 3.0, der Verbesserungen aus der 16-Bit-Version des subLOGIC-Simulators übernahm und selbst noch drauflegte. Endlich gab es EGA-Grafik, drei Flugzeuge und sogar einen Fenstermanager. Erstmals war Bruce Artwick, der mittlerweile subLOGIC verlassen und die Bruce Artwick Organization gegründet hatte, an einer Microsoft-Version beteiligt. Das schien der richtige Schritt gewesen zu sein, denn erstere Firma existierte bald nicht mehr (womit auch die ursprüngliche subLOGIC-Serie des Flight Simulators endete) und die BAO sollte noch lange an der Reihe beteiligt sein.

MS Flight Simulator 3.0

Tatsächlich ruhte man sich nicht lange auf den Lorbeeren des MS FS 3.0 aus, sondern setzte schon 1989 mit dem Microsoft Flight Simulator 4.0 nach. Diese Version machte das Spiel lebendiger und bot dynamische Szenerie (also zum Beispiel Traffic auf Flughäfen), aber natürlich auch detailliertere Umgebung und Flugzeuge. Die wohl wichtigste Entwicklung für die Zukunft der Serie war aber, dass man mit dieser Version endgültig den Weg der Add-ons einschlug. Man konnte nach wie vor die alten subLOGIC-Daten konvertieren, aber das war nur der Anfang. BAO brachte den Aircraft and Scenery Designer, mit dem aus dem Programm heraus Umgebungen und Flugzeuge designend werden konnten. Später folgte das Sound, Graphics and Airplane-Update, das höhere Auflösungen (bis 800×600) und digitalen Sound lieferte. Das dritte Update hieß Aircraft Adventure Factory mit zwei wichtigen Komponenten: Erstens konnten eigene Flugzeugmodelle mit einer Art CAD-Programm erstellt werden (die eigentliche Flugphysik entstand mit den Tools des Aircraft and Scenery Designers); zweitens der Adventure Mode, bei dem mit einer Programmiersprache ähnlich QBasic eigene Ideen für Flugabenteuer umgesetzt werden konnten. Diese selbst erstellten Komponenten wurden fleißig getauscht, unter anderem in eigenen Compuserve-Gruppen. Dazu kamen dann noch einige weitere Add-ons von anderen Anbietern. Unter anderem dadurch war der MS FS 4.0 ein Meilenstein in Sachen Offenheit und Customisierbarkeit – in einer Art und Weise, die man später kaum mehr erreichen sollte.

Leider war die Arbeit der fleißigen Bastler vier Jahre später schon wieder obsolet, denn der MS Flight Simulator 5.0 erschien Ende 1993 und bot eine wichtige grafische Neuerung: Texturen. Und das bedeutete, dass alte Modelle und Szenarien plötzlich nicht mehr ins Spiel passten und ersetzt werden mussten. Dafür war der Umfang des Spiels selbst gewachsen – zum Beispiel gab es endlich eigene Cockpits für jedes Flugzeug und Europa war im Umfang des Basisspiels enthalten. Die zahlreichen Änderungen an der Engine der Version 5 bedeuteten, dass die Add-on Entwickler einiges an Anlaufzeit benötigten, um ihre neuen Projekte umzusetzen. Dann gab es allerdings mit Tools wie Airport (für mehr Flughäfen, denn davon gab es nur 250) und Flightshop einige Möglichkeiten für Bastler. 1995 folgte ein Update auf Version 5.1, das Szenario-Bibliotheken im Spiel erlaubte (darunter auch solche mit Satelliten-Aufnahmen als Texturen) und auf Wettereffekte setzte. Darüber hinaus war es die erste Version auf CD-ROM und die letzte für MS-DOS.

Microsoft Flight Simulator 5

Ende 1995 wurde die Bruce Artwick Organisation von Microsoft aufgekauft. Für die Mitarbeiter bedeutete das vor allem einen Umzug nach Redmond, aber kaum Änderungen an ihrem Arbeitsprogramm: Weiter wurde am Flight Simulator gearbeitet. Bereits Mitte 1996 gab es nämlich eine neue Version, bei der sich allerdings weniger die Inhalte als die Umstände geändert hatten: Microsoft vollzog den Wechsel von MS-DOS auf Windows 95, sodass man natürlich auch einen Flight Simulator dafür benötigte. Offiziell hieß er Flight Simulator for Windows 95; intern trug das neue Spiel zwar die Versionsnummer 6, aber in Wahrheit war es mehr ein Port von 5.1 mit einigen Verbesserungen, der aber aufgrund des neuen Betriebssystems, mangelnder Erfahrung und fehlenden Spieleschnittstellen schlechter lief als sein Vorgänger.

Auch der Flight Simulator 98, der 1997 in den Handel kam, gilt mit seiner Version 6.1 eher als Service Release, der im Grunde genommen auf seinen beiden Vorgängern basierte. Trotzdem gab es einige Verbesserungen und Eigenheiten: So war ein Helikopter im Lineup, die Cessna 182 kam mit einem fotorealistischen Panel und der Learjet Model 45 ersetzte den Learet 35. Außerdem gab es unabhängige Panels und Sounds für die Flugzeuge sowie bessere Objekte für dynamische Landschaften. Apropos Landschaften: 45 Städte wurden ausführlich modelliert, 3.000 Flughäfen standardmäßig angeboten (eine Steigerung um den Faktor 10 gegenüber dem Vorgänger), die allerdings vor allem aus bisher optionalen Szenarien übernommen wurden. Allerdings schlug der FS 98 sich hardwaretechnisch besser, denn erstmals wurde auf die Windows-Spieleschnittstelle DirectX gesetzt und sogar Hardwarebeschleunigung war erstmals möglich. Und auf der Eingabeseite wurde erstmals Force Feedback unterstützt.

MS Flight Simulator 98

Einen größeren Sprung stellte der Flight Simulator 2000 vor, der Ende 1999 in gleich zwei Versionen in den Handel kam – als „normale“ und „Pro“-Variante mit mehr Flugzeugen. Neben verbesserten bestehenden Features – besserem Wetter, schöneren dynamischen Umgebungen und natürlich auch detaillierteren Modellen –, gab es natürlich auch Neuerungen. Erstmals gab es GPS und die Landschaft profitierte von einer großen Änderung: Sie bestand nun nicht mehr aus rechteckigen Flächen einer gewissen Höhe (samt optionalen Objekten, die Berge darstellen sollten), sondern war nun vollständig modelliert. Der Preis dafür: Einmal mehr waren die Szenarios aus den Vorgängern nicht mehr verwendbar, und die Hardwareanforderungen stiegen deutlich. Ja, eigentlich hätte ein Pentium 166 ausreichen sollen, aber im Endeffekt sollten es schon um die 500 MHz sein, um wirklich halbwegs ruckelfrei spielen zu können – und selbst dann gab es Einbrüche in der Framerate.  Trotzdem gilt der FS 2000 als Meilenstein, vor allem in Sachen Umfang. 17.000 neue Flughäfen wurden hinzugefügt, und es hieß, dass man dadurch fast alle dokumentierten Start- und Landeplätze weltweit im Spiel hatte. Dazu kam, dass nun auch Navigationshilfen auf der ganzen Welt simuliert wurden. Dadurch konnte man erstmals sinnvoll Langstrecken im Instrumentalflug zurücklegen. Die Daten dafür kamen teilweise aus öffentlich verfügbaren Datenbanken, aber auch von Jeppesen, einem der wichtigsten kommerziellen Lieferanten von Flugdaten.

Der Flight Simulator 2002 erschien zu einer Zeit, als der Flight Simulator gerade auf eher unangenehme Art und Weise im Fokus der Öffentlichkeit stand: Nur ein Monat vor Release im Oktober 2001 hatten die Anschläge auf das World Trade Center stattgefunden und viele Medien berichteten, dass die Terroristen mit dem Flight Simulator geübt hätten. Microsoft gab zu Protokoll, dass der Flight Simulator allein sicher nicht ausreichte, um die Steuerung eines Jets zu erlernen, aber entschloss sich, die Twin Tower sowie die Kollision mit Gebäuden aus dem Spiel zu entfernen, was eine leichte Releaseverschiebung bedeutete (und von findigen Fans umgehend wieder rückgängig gemacht wurde). Ansonsten bot die Simulation nun erneut verbesserte Grafik, virtuelle Cockpits (wodurch das Cockpit nun beim Herumschauen korrekt dargestellt wurde), Flugzeuge, die von der KI gesteuert wurden, und eine Simulation der Kommunikation mit Fluglotsen.

Flight Simulator 2002

2003 feierte der Flight Simulator ein Jubiläum. Nein, noch nicht Version 10 (wir waren erst bei 9), aber 100 Jahre Flugzeug. Deshalb erhielt der MS Flight Simulator 2004 den Untertitel A Century of Flight und im Spiel fanden sich zahlreiche historische Flugzeuge – darunter auch der Wright Flyer. Trotz des historischen Aufhängers merkte man dem Spiel an, dass es ein Produkt der Internet-Ära war – erstmals war es möglich, das Wetter über das Netz mit den realen Witterungsverhältnissen zu synchronisieren – und das Resultat wurde im Spiel realistischer als zuvor wiedergegeben. Dazu gab es zahlreiche Verbesserungen in Details – sowohl grafisch als auch spielerisch. Allerdings gab es auch einen Abschied: Der Meigs Field-Flughafen in Chicago, der der Reihe über Jahre als Default-Flughafen gedient hatte, war 2003 geschlossen worden – in diesem Spiel war er zum letzten Mal verfügbar.

2006 folgte der MS Flight Simulator X, der – man glaubt es kaum, wenn man sich ansieht, wie dicht die Simulatoren bis dahin veröffentlicht wurden – der aktuelle Teil der Serie ist. Grund genug, hier ein wenig gründlicher hinzuschauen: Es gab (nach dem Vorgänger muss man hier „nur“ sagen) 18 Flugzeuge (Deluxe: 24), 28 detailliertere Städte (Deluxe: 38) und 24.000 Flughäfen. Mit seinem Gameplay wollte man allerhand Spieler ansprechen: Es gab Missionen, die all jenen gefallen sollten, die Aufgaben erfüllen wollten, statt nur herzumzufliegen; es gab eine Flugschule samt virtuellem Fluglehrer, in der man sich vom Privatpilotenschein über den Instrumentalflug bis hin zu den großen Jets qualifizieren konnte. Oder man konnte einfach in ein Flugzeug steigen und die Welt erkunden – und diesmal ging das auch wirklich von Pol zu Pol, denn bisher war die Welt in dieser Hinsicht beschränkt gewesen. Trotz dieser weitläufigen Einsatzmöglichkeiten war das Spiel weiterhin definitiv nicht „Casual“. Wer wollte (und die Deluxe Edition besaß) konnte auch Fluglotse spielen (tatsächlich gibt es Leute, die sich vor allem darauf spezialisiert haben) und Multiplayer war (auch dies gab es schon seit früheren Teilen in diversen Inkarnationen und verschiedenen Formen) inkludiert (die nötigen Gamespy-Server wurden allerdings 2012 abgeschaltet). Selbst ohne Mitspieler konnte man allerdings andere Flugzeuge am Himmel sehen – dafür sorgte die KI. Im Laufe der Zeit wurden zwei Service Packs und später sogar ein Add-on namens Acceleration veröffentlicht, mittels derer Bugs behoben, neue Inhalte hinzugefügt und die Grafik (auch dank DirectX 10) verbessert wurde.

Flight Simulator X

Wie schon gesagt ist der FSX die aktuelle Inkarnation des Flight Simulators – aber Microsoft sollte noch einen Flugsimulator herausbringen. MS Flight richtete sich allerdings an den Casual Markt, war Free2Play und bot nur einen sehr eingeschränkten Bereich der Welt. Das Experiment ging nicht auf: Fans des Flight Simulators waren entsetzt, neue Fans gewann man offensichtlich nur zu wenige, sodass ein halbes Jahr nach dem Release im Februar 2012 schon wieder Schluss war. Mehr noch: Microsoft hatte offensichtlich genug vom Fliegen und schloss im Rahmen des Stellenabbaus aufgrund der Finanzkrise Aces Game Studio, die zuletzt am Flight Simulator gearbeitet hatten. Wer noch mehr Zeichen brauchte, dass die Ära des Flight Simulators vorbei war, konnte erleben, wie Microsoft die Technik und den FS X selbst an Dovetail Games lizenzierte. Diese brachten immerhin den Flight Simulator X auf Steam – und ermöglichten so sogar wieder Multiplayer, der bis heute funktioniert. Ihr Plan, auf dieser großen Geschichte aufzubauen, scheiterte allerdings – von mehreren Ankündigungen erschien nur Flight Sim World (2017), das nach einem Jahr wieder aus dem Programm genommen wurde.

Dass das nicht das Ende der glorreichen Geschichte des Flight Simulators ist, zeigte sich aber auf der E3 2019, als Microsoft selbst eine neue Version ankündigte, die schon 2020 in den Handel kommen soll. Was uns erwartet? Hoffentlich wissen wir es bald mehr, auch wenn einige Hardcore-Simulator-Fans schon Böses ahnen, weil auch eine Xbox One-Version angekündigt ist und die Frage im Raum steht, wie stark man den Simulator abspecken muss, um ihn mit dem Controller steuern zu können …

Nachdem schon dieser Überblick eher ausgeartet ist, will ich mich bei meinen persönlichen Erinnerungen eher kurz fassen – immerhin habe ich nur einen Bruchteil der Geschichte der Serie aktiv erlebt und das trotz der Tatsache, dass der Flight Simulator, wie schon erwähnt, zu meinen ganz frühen Erinnerungen gehört. Schon mehrfach habe ich über die Familien-Osterfeiern meiner Kindheit berichtet – meist als Aufhänger, um über Amiga 500-Spiele zu berichten. Diesmal möchte ich meiner Erinnerung allerdings noch weiter zurückgehen – zu einem Bereich, den ich (glaube ich) nur bei Super Pipeline berührt habe: Zum traditionellen Programm gehörte auch eine Kaffeejause am bei meinem Onkel. Dieser war – gemeinsam mit einem weiteren meiner Cousins – ein großer Flugzeug-Fan und baute eine Menge Modellflugzeuge. Viel spannender für mich und die jüngeren Familienmitglieder war allerdings die Tatsache, dass er auch einen C64 hatte – einen Computer hatte sonst nämlich niemand. Und auf diesem lernte ich eine neue Spielewelt kennen. Erstmals sah ich Spiele wie Uridium, Jumpman Journey … oder eben auch den Flight Simulator II.

Kinder können aus fast allem ein Spiel machen. Während mein Onkel den Flight Simulator ernst nahm, genau nach Checkliste vorging und uns schon damals von der Detailtreue des Spiels vorschwärmte, legten wir den Gashebel um, hoben im Nirgendwo ab und crashten kurz darauf schon in den Boden, denn für die Landung muss man doch nur die Nase nach unten drücken, oder? Aber wir hatten Spaß dabei. Oder wir luden den Kampfsimulator, kamen allerdings nie in die Verlegenheit, überhaupt ein Flugzeug abzuschießen – wir scheiterten einfach schon am Weg zum Gefecht.

Flight Simulator II (C64)

Ein paar Jahre später, ausgestattet mit meinem eigenen C64, kehrte der Flight Simulator II wieder in mein Leben zurück – und sollte sich mit seiner berühmten Lademeldung einbrennen, dass das Laden 2 Minuten 40 Sekunden dauern sollte (da beschwert man sich gleich viel weniger über lange Ladezeiten in heutigen Spielen. Aber wenigstens war die Angabe recht genau.). Ansonsten blieb mein Fliegen ähnlich wie zuvor – abheben, ein wenig herumdüsen, crashen. Drüber lachen. Und wieder von vorne. Wer braucht schon einen ausgewachsenen Simulator, wenn man mit Herumfliegen und Abstürzen Spaß haben kann? Mit allem anderen war ich sowieso eher überfordert.

Danach verließ ich den Flight Simulator – was auch daran lag, dass er die nächsten Jahre nicht für eine Plattform erschien, die ich auch besaß. Während der FS rasch PC-only erschien, blieb ich beim C64, später beim Amiga, wo ich mit dem Airbus A 320 zum ersten Mal „sinnvoll“ in die zivile Luftfahrt hineinschnupperte. Tatsächlich stellte der Thalion-Flugsimulator hier einen persönlichen Standard auf, dem bis heute Flugsimulatoren nachlaufen – mich interessierte mehr das Navigieren denn das eigentliche Fliegen bis in alle Details, was sich mit dem Autopilot der A320 leicht umsetzen ließ. Ein Maßstab, an dem sich andere Flugsimulatoren später messen mussten und der einen völlig anderen Schwerpunkt legte als der Flight Simulator.

Flight Simulator 2004: A Century of Flight

Es war wohl dieser Grund, dass ich selbst auf dem PC zunächst einen Bogen um den Flight Simulator machte und eigentlich nur zwei wirklich Berührungspunkte mit ihm hatte: Die zunehmende Menge an Add-ons im Regal beim Spielehändler meines Vertrauens und gelegentliche Updates von meinem Onkel, was sich wieder im Spiel getan hatte. Das änderte sich beim FS 2004: Century of Flight, da sich die Geschichte wiederholte: Mein Onkel hatte meinem Neffen den Simulator gezeigt, dessen Eltern ihm das Spiel besorgt. Sein „richtig gut fliegen können“ sah erstaunlicherweise ähnlich aus wie mein „Herumfliegen“ in den 80ern – aber das machte nichts. Er hatte die Flugsimulatoren für sich entdeckt – und ich entdeckte den MS Flight Simulator mit ihm erneut. Diesmal mit einem anderen Ehrgeiz, herumfliegen reichte nicht. Es ging eher darum, den nicht erfüllten Traum vom Selbst-Fliegen umzusetzen.

Aus diesem Grund sprang ich dann doch auf die aktuelle Version und holte mir den Flight Simulator X, der das Thema „Fliegen lernen“ mit seiner Flugschule eigentlich genial verpackte – wenngleich mich ja eigentlich (daran ist wohl erneut der A320-Simulator schuld) eher die großen Maschinen interessierten, setzte ich mich in eine Cessna, um das Fliegen von der Pike auf zu lernen. Ich will ehrlich sein: Ich verzweifelte eher. Der Flight Simulator war deutlich komplexer geworden und Themen wie die richtige Trimmung waren in den 80ern noch kein Thema gewesen, jetzt waren sie wichtig und gar nicht so leicht zu treffen. Da half selbst ein nachgekaufter Force Feedback-Joystick nur wenig. Auch dass Karten und Co nur als PDF oder In-Game-Instruktionen beilagen, half nicht. Also legte ich den Simulator recht bald wieder auf Eis.

Flight Simulator X

Erst ein paar Jahre später holte ich mir einen wirklich guten Flugjoystick inklusive Fußpedalen und Schubregler. Die gute Nachricht: Damit machte das Fliegen endlich wirklich Spaß und ich schaffte zumindest die erste Prüfung. Dass ich nicht weitermachte und zumindest zum Instrumentalflug weiterging (der mich ja eigentlich interessierte), lag wohl daran, dass der MS FS X schon damals Patina anlegte. Damit meine ich gar nicht unbedingt die grafische Qualität, auch wenn man ihr schon ihr Alter ansah. Es war eher die Kopplung des Joysticks, die ziemlich bockte und bisweilen einfach nicht das machte, was sie sollte (ganz zu schweigen davon, dass ich ihn ständig auf- und abbauen musste, um Platz auf meinem Schreibtisch zu haben). Der FS X machte Spaß, ja. Aber es war irgendwie immer unbefriedigend, den Joystick einfach nicht optimal einbinden zu können. Vielleicht war er einfach zu neu für das Programm. Also hoffte ich auf eine neue Version des Simulators, die – wie ihr gelesen habt – nicht kommen sollte.

Ja, MS Flight machte mit dem Programm sogar kurzzeitig Spaß (und arbeitete, als Bonuspunkt, besser mit dem Joystick zusammen). Aber es war zu klein, zu eingeschränkt. Und ohne Flugschule war es gleich weniger spaßig. Insofern kehrte ich die nächsten Jahre eigentlich ständig zum FS X zurück (später auch zur Steam-Version), aber irgendwie machte es nie 100%ig „Klick“. Natürlich half es nicht, dass das Programm älter und älter wurde. Aber wohin sollte ich schon ausweichen? XPlane war ein Kandidat, aber die Berichte, wie viel mehr Hardcore diese Version war, schreckten mich ab. Also begrub ich den Traum vom Fliegen – und er ruht noch immer.

MS Flight

So vermisse ich den Flight Simulator bis heute als jenes Programm, das den Traum vom Fliegen erweckt, aber irgendwie nie erfüllt hat. Ich habe mehr Crashes erlebt als erfolgreiche Landungen, habe mehr Zeit in Konfigurationsmenüs verbracht als in der Luft, aber das alles macht nichts. Ich war über den virtuellen Wolken. Und wer weiß, vielleicht kann der neue Flight Simulator endlich die Träume erfüllen, von denen ich damals geträumt habe, ohne Abstriche wie Flight zu machen. Dann geht es wieder über die Wolken …

Florian Scherz

Bereits früh entwickelte Florian zwei große Leidenschaften: Videospiele und Theater. Ersteres brachte ihn zu einem Informatikstudium und zu Jobs bei consol.MEDIA und Cliffhanger Productions; zweiteres lässt ihn heute (unter anderem) als Schauspieler, Regisseur, Komponist und Lichtdesigner arbeiten. Wenn er gerade keine Musicals inszeniert, spielt oder schreibt, vermisst er auf Shock2 Videospiele von anno dazumal in seiner Blog-Reihe "Spiele, die ich vermisse".

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