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Spiele, die ich vermisse #140: Final Fantasy XII

Manche Themen drängen sich einfach auf: Nur noch ein Tag, dann halten wir – vielleicht und hoffentlich endgültig (solange es nicht wirklich draußen ist, will ich mich nicht zu früh freuen) – Final Fantasy XV in Händen. Dass dies für mich nicht mehr derselbe Grund zur Euphorie ist, wie ich sie rund um den Release von VIII bis XII (exklusive XI) empfunden habe, liegt für mich (wie treue Leser wissen) daran, dass die Serie nach X ein wenig ins Trudeln geraten ist: Die alte Formel, die die Serie groß gemacht hatte, wurde von den Machern als zu veraltet empfunden, um neue Käufer anzulocken. Das Resultat war – und das ist meine ganz persönliche Ansicht, auch wenn ich sie immer wieder in kleineren Details und Gesprächen mit den Machern zumindest indirekt bestätigt gehört habe – ein Schlingern, die Suche nach der Zauberformel, um Final Fantasy ins Heute zu holen. Dieser Gedanke ist es auch, der mich heute zu einer Art „Spiele, die ich (vielleicht irgendwie, aber nur mit Vorbehalt) vermisse“ hinreißen lässt – denn ganz dem klassischen Konzept „diese Spiele werde ich immer vermissen, weil sie für mich einfach großartig/einzigartig waren“ folge ich diesmal nicht. Final Fantasy XII ist für mich (wenn ich mal von XI absehe, das aber als MMO so völlig anders war, dass ich es irgendwie ignorieren kann) jener Teil, in dem das Schlingern begann. Jener Teil, mit dem meine große Vorfreude auf ein neues Final Fantasy vorsichtiger wurde. Und das ist auf seine ganz eigene Art Grund genug, es heute zu vermissen.

Die Königreiche Dalmasca und Nabradia werden vom Archadia ausgerechnet zum Zeitpunkt der Hochzeit zwischen Prinzessin Ashelia (Ashe) und Prinz Rasier überfallen und eingenommen. Danach ist nichts mehr, wie es war: Prinz Rasier fällt im Kampf, der König von Dalmasca wird getötet (wofür Hauptmann Basch von Rosenburg die Schuld gegeben wird, was ihm ein Todesurteil einbringt) und Prinzessin Ashe soll sich – wie die neuen Herren verkünden – aus Trauer das Leben genommen haben. Zwei Jahre später bricht der Straßenjunge Vaan, der bei dem Aufstand seinen Bruder verloren hat, gemeinsam mit seiner Freundin Penelo in den Palast von Rabanastre ein und setzt damit einige unerwartete Dinge in Gang. Zuerst begegnen sie den Luftpiraten Balthier und Fran, die ebenfalls in den Palast eingestiegen sind, später den archadischen Widerstand unter einer gewissen Amalia (die sich später – kleiner Spoiler, der aber niemanden überraschen sollte – als Prinzessin Ashe entpuppt) und knapp darauf im Gefängnis Basch, der doch nicht hingerichtet wurde und laut eigenen Aussagen gar nicht schuld am Tod des Königs ist. Bald ist die Gruppe auf der Flucht – können sie Dalmasca befreien, Ashe auf den ihr zustehenden Thron setzen und Baschs Unschuld beweisen?

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Wie jeder Teil der Hauptreihe war Final Fantasy XII unabhängig von seinen Vorgängern und setzte zwar auf vertraute Elemente (z.B. Chocobos, die Namen der Zaubersprüche, vertraute Monster), aber auf ein neues Setting. Wobei „neu“ gerade in dieser Hinsicht bei diesem Teil etwas vorsichtiger verwendet werden muss, denn tatsächlich wurde das grundsätzliche Setting, die Welt Ivalice, schon zuvor benutzt. Final Fantasy Tactics spielte als erstes in Ivalice, genauso wie Vagrant Story, wo dies allerdings eher durch kleinere Andeutungen denn durch eine klare Aussage ausgedrückt wird. Final Fantasy Tactics Advance (GBA) handelte ebenfalls in dieser Welt, wo sie allerdings eher eine Art Zauberreich in einem Buch war. So kam es, dass Final Fantasy schon das vierte Spiel war, das dieses Setting nutzte. Übrigens: Dafür, dass Ivalice so wichtig für mehrere Spiele war, kommt ein wenig überraschend, dass erst nach dem Release von FF XII in Japan offiziell die „Ivalice Alliance“ gegründet wurde, die weitere Spiele in dieser Welt umfasste – nämlich das FF XII-Sequel Revenant Wings, FF Tactics A2: Grimoire of the Rift, das PSP-Remake von Final Fantasy Tactics und Crystal Defenders. Anders als bei der Fabula Nova Crystallis, die von Anfang an das gesamte FF XIII-Universum umfassen sollte (aber trotzdem im Laufe der Zeit gehörig umgestaltet wurde), wurde hier also eher im Nachhinein ein Deckmantel rund um das Setting gelegt.

Einige Eigenheiten der Ivalice Alliance möchte ich an diesem Punkt noch erwähnen, bevor ich dieses Thema wieder belasse: Erstens ist die Zeitlinie der Spiele an sich vage gehalten – mit Ausnahme von FF XII zu Revenant Wings, wo der Abstand klar definiert ist. Das liegt aber auch daran, dass die Spiele (zweitens) nicht zusammenhängen – auch hier wieder mit der Ausnahme FF XII und Revenant Wings. Das könnte natürlich damit zusammenhängen, dass Ivalice auch nie so genau definiert wurde und von manchen Quellen auch eher als spirituelles Setting denn als tatsächlich „eine Welt“ gesehen wird wird – was natürlich eine gute Erklärung für die völlig andere Gestalt in FFTA sein könnte. Drittens umfasst kein Spiel die gesamte Welt Ivalice, sodass auch FF XII entgegen der typischen FF-Traditionen nicht auf einer ganzen Welt spielt, sondern nur einen kleinen Teil der Landmasse von Ivalice umfasst. Und viertens wäre die Ivalice Alliance wohl nicht komplett, würde ich einen Namen nicht erwähnen: Yasumi Matsuno.

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Matsuno ist ein japanischer Gamedesigner, der seinen Lebenslauf bei Quest begann. Dort erschuf er die Tactics Ogre-Reihe. 1995 wechselte er zu Squaresoft, wo er Final Fantasy Tactics kreierte und uns damit zum ersten Mal nach Ivalice führte. Danach folgte Vagrant Story, das bei Fans der JRPGs als echter Klassiker gilt, aber vielleicht nicht allen heutigen Spielern so bekannt ist, wie der Titel das verdient hätte – und, wie schon vorher erwähnt, ebenfalls zu den Ivalice-Spielen zählt, auch wenn hier die Referenzen eher obskur sind. Auch bei FFTA war er als Produzent an Bord, bevor er gemeinsam mit Hiroyuki Ito (FF IX) mit der Arbeit an FF XII begann. Allerdings war diese Arbeitszeit nicht einfach für ihn – es soll sogar einen ganzen Monat gegeben haben, in dem er sich weigerte, zur Arbeit zu kommen, nachdem ein Teil des FF XII-Teams Square verließ und zu Mistwalker, der neuen Firma von Final Fantasy-Erfinder Sakaguchi, wechselte. Im August 2005 – nicht mal ein Jahr vor Release – verließ er sein Projekt und Square Enix, offiziell aufgrund einer längeren Krankheit, und wurde von Hiroshi Miagawa (der ebenfalls Ivalice-Erfahrung hatte) und Akotoshi Kawazu (SaGa) abgelöst. Es steckt wohl eine gewisse Ironie in der Tatsache, dass der Mann, der Ivalice erfand, Square Enix verließ, bevor die Ivalice Alliance gegründet wurde.

Doch nicht nur Matsuno war ein (Hauptlinien)-FF-Neuling: Generell war FF XII wohl der Titel der Reihe, der den klaren Umbruch in der Final Fantasy-Entwicklerwelt darstellte, denn viele Konstanten, die für die Hauptreihe (auch hier klammere ich mal wieder das MMORPG FF XI aus) lange Jahre zuständig waren, waren an diesem Spiel nicht mehr oder nur noch eingeschränkt beteiligt. So handelt es sich hier um das erste Offline-Final Fantasy, an dem Hironobu Sakaguchi nicht mehr beteiligt war (er erhielt allerdings einen Special Thanks-Credit und hatte wohl die ersten Entwürfe gesehen, denn die Entwicklung des Titels startete schon vor seinem Abgang bei Square Enix. Nach dem Abgang von Matsuno soll er allerdings so enttäuscht gewesen sein, dass er das Spiel nur kurze Zeit spielte). Nobuo Uematsu komponierte nur noch den Titelsong („Kiss me Goodbye“), überließ die Gamemusik allerdings Hitoshi Sakimoto, Hayato Matsuo und Masaharu Iwata. Auch Character-Designer Akihiko Yoshida war ein Neuzugang zur Serie, hatte aber zuvor schon mit Matsuda an den anderen Ivalice-Spielen gearbeitet.

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Das neue Team wollte und sollte frischen Wind in die Reihe bringen und das Spiel wieder schmackhafter für ein internationales Publikum machen. Einer der ersten Schritte dafür war, die zunehmend unbeliebteren Random Encounters loszuwerden, die die Serie bislang in Sachen Kampf geprägt hatten. Stattdessen sollten die Gegner auf der Karte sichtbar sein und es ohne klaren Wechsel in eine Kampfarena zum Kampf kommen, der nun in Echtzeit ablief (was viele an MMOs erinnert und durchaus auch so typische MMO-Probleme wie Adds mit sich brachte). Dadurch konnte man sich aussuchen, wo man gegen einen Gegner kämpft, sich im Kampf auch bewegen bzw. auch tatsächlich weglaufen. Das Kampfsystem dahinter trägt (aufgrund der freien Positionierbarkeit der Charaktere) den Namen Active Dimension Battle (kurz ADB) und zeigt durchaus seine Verwandtschaft zum altbekannten ATB – zumindest insofern, dass es Leisten gibt, die anzeigen, wann eine Aktion ausgeführt wird, die man aus einem Menü auswählen kann. Man steuert nun aber immer nur einen Charakter, kann ihn allerdings jederzeit wechseln; um die Party dennoch sinnvoll einsetzen zu können, gibt es das sogenannte Gambit-System, das man ein wenig als „Programmierung für die Party-KI“ bezeichnen könnte. Es beginnt simpel, aber nach und nach kann man mehr und mehr Regeln erstellen, sodass z.B. ein Charakter die Partymitglieder heilt, wenn zu wenige HP vorhanden sind oder Äther nachwirft, wenn die MP auf 0 sinken. Hat man diese Möglichkeiten erst freigeschaltet und die Regeln definiert, kämpft die Party damit über weite Strecken autonom und minimiert das nötige Eingreifen des Spielers, um einen Kampf zu gewinnen.

Die Freischaltungen (nicht nur der Gambits) erfolgen über das sogenannte Licence Board, das auf den ersten Blick an ein überdimensionales Schachbrett erinnert, aber in der Folge dann doch auch an das Sphereboard aus FFX – mit speziellen Licence Points, die man getrennt von den normalen EXP bekommt, bewegt man sich über das Brett und schaltet Fähigkeiten frei. Darunter befinden sich neben klassischen Skills und Zaubern auch die Möglichkeit, andere Waffenarten zu tragen, aber auch die Quickenings – mehr oder weniger das Äquivalent zu den Limit Breaks – und Summons, die jeweils nur von einem Partymitglied aktiviert werden können. In der Grundversion des Spiels navigiert jede Figur übrigens über dasselbe Brett und kann deshalb nach und nach alles erlernen. Das änderte sich erst mit der „International Zodiac Job System“-Version des Spiels, die nur in Japan erschien – hier muss man sich pro Figur für ein License Board entscheiden, das dadurch quasi die Klasse der Figur festlegt. Es ist diese Version, die nächstes Jahr als „The Zodiac Age“ als HD-Remaster erstmals international erscheinen wird.

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All diese Veränderungen hatten das Ziel, Final Fantasy aus dem doch etwas angestaubten Korsett der Vorgänger in die Moderne zu holen. Ganz einig war man sich im Team allerdings nicht, wie das vonstattengehen soll. Executive Producer Akitoshi Kawazu erklärte in mehreren Interviews, es wäre zu einigen Problemen zwischen jenen Mitgliedern des Teams, die von PlayOnline kamen, und jenen, die zuvor an FFT gearbeitet hatten, gekommen. Als Beispiel wurde beispielsweise erzählt, dass das Team ursprünglich Basch als Hauptfigur haben wollte, dies jedoch verwarf. Stattdessen wurden Vaan und Penelo erschaffen, um den Fokus der Geschichte darzustellen. Ob dies klug war, steht auf einem anderen Blatt, sollte doch gerade Vaan als eher blasser Charakter mit Milchbubi-Look im Gedächtnis bleiben. Begründet wurde dieser Schritt übrigens damit, dass Vagrant Story kein großer Erfolg war, was vor allem Hauptfigur Ashley Riot zugeschrieben wurde, der nicht gut bei den Fans angekommen war. Deshalb wollte man nicht wieder einen abgeklärten, älteren Mann ins Zentrum der Handlung stellen, sondern eine deutlich jüngere Figur. Diese Erklärung mag sich für westliche Spieler, wo Vagrant Story Kultcharakter besitzt, komisch anhören, aber gerade dieses Spiel ist hierzulande deutlich bekannter und beliebter als in Japan, wo es eher als Flop gilt – obwohl es eine perfekte Famitsu-Wertung bekam.

Eine perfekte Famitsu-Wertung bekam übrigens auf FF XII – als erstes Final Fantasy-Spiel überhaupt und als erstes PS2-Spiel. Generell waren die Kritiken durchaus positiv – wenn es Kritik gab, dann vor allem an folgenden Punkten: Die Musik, die als im Vergleich zu den Uematsu-Soundtracks als relativ schwach galt; die Storyline, die mit vorigen FFs einfach nicht mithalten konnte – was Kawazu später den schon erwähnten Differenzen zwischen den Teams zuschob; die langen Laufwege, um an den nächsten Ort zu gelangen, was aber gleichzeitig dem Spiel dieses spezielle Flair der Offenheit der Welt brachte; und die Gambits, bei denen die Meinung zwischen „willkommene Unterstützung“ und „lässt das Spiel sich selbst spielen“ schwankte. Trotzdem: Die Kritiken waren gut. Die Fans zumindest teilweise zufrieden – wenn auch nicht alle. Und das bringt mich zu meiner persönlichen Geschichte.

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FF XII erschien in den USA im Oktober 2006 (knapp ein halbes Jahr nach Japan, aber trotzdem noch vier Monate vor Europa). Nachdem ich ohnehin vorhatte, mir die englischsprachige Version zuzulegen (ihr wisst schon, schlechte PAL-Konversionen und Übersetzungen, obwohl die FFXII-Version tatsächlich ganz gut konvertiert wurde), legte ich mir die US-Fassung zu. Immerhin war dies – wie gesagt – das letzte FF, bei dem ich so total gehyped war. Ich liebte die letzten Teile. Was konnte schon schiefgehen?

Leider ziemlich viel, wenn man mich fragt – und ja, ich weiß, ich stehe weder mit meiner Meinung alleine da noch wird sie von jedem geteilt, denn FF XII war und ist ein kontroverses Spiel. Doch beginnen wir mit den guten Dingen: FF XII hat sich beim System wirklich etwas überlegt und sich von der alten Gestaltung mit separaten Kampfarenen und Random Encounters weit distanziert. Die Kämpfe sind flüssig, vor allem, weil sie ohne Ladepausen dazwischen abgehen, und wer gerade nicht kämpfen möchte, läuft einfach weiter (was auch gehörig schiefgehen kann, wenn einen die Monster bis zum Wechsel auf den nächsten Abschnitt verfolgen); die Welt ist groß und lädt zum Erkunden ein – wenn man das denn möchte, denn nicht jeder ist ein Erkundungstyp. Auch die Grafik ist gut gelungen, auch wenn man über das Charakterdesign sicher diskutieren kann. Aber bei all diesen Veränderungen blieben zwei Dinge auf der Strecke, die für mich die Seele jedes Final Fantasy-Teils sind: Die Charaktere und die Story. Gerade nach meinen zwei Lieblingsteilen IX und X war hier natürlich die Fallhöhe besonders hoch und die Enttäuschung umso größer.

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Für mich ist eines an dieser Entwicklung symptomatisch: Ich kann mich an ziemlich jeden FF-Charakter erinnern, der in den diversen Teilen vorgekommen ist. Aber bei FF XII habe ich in vielerlei Hinsicht keine Ahnung mehr, worum es ihnen ging oder wer sie genau waren. Statt liebgewonnener All-Time-Klassiker wie Wakka, Lulu, Vivi, Steiner, Cloud, Aerith, Terra, Setzer und vielen mehr, die einzigartig waren, waren die Figuren in XII irgendwie uninteressant geraten – vor allem zu Vaan fehlte mir der Zugang. Hätte man den ursprünglichen Plan umgesetzt und Basch zur Hauptfigur gemacht, hätte das vielleicht anders ausgesehen – auch wenn ich offen eingestehen muss, dass er immer derjenige von den sechs Figuren ist, von der ich komplett vergesse, dass er überhaupt dabei war -, aber Vaan blieb einfach ein zu farbloser Fokus. Balthier und Fran würde ich mir vielleicht noch am ehesten als interessante Figuren herauspicken, auch wenn mich letztere mit ihre Playboy-Häschen-Optik zuerst ein wenig verschreckte (aber dann dank ihrer Persönlichkeit doch interessant und nicht so flach blieb, wie das Design wirkte.). Auch Ashe war irgendwie süß, keine Frage, aber keine Yuna. So richtig geklickt hat kein Charakter bei mir.

Vielleicht wäre das Team aber auch interessanter gewesen, wenn sie eine interessantere Story erlebt hätten. Gut, von Matsuno war zu erwarten, dass er sich nicht auf eine mythische Reise konzentrieren würde, sondern eine sehr politische Geschichte verfassen würde, aber das würde mich per se gar nicht stören – eigentlich ist mir das sogar lieber. Vielleicht war auch gar nicht die Geschichte so sehr das Problem, sondern eher die Art, wie sie erzählt wurde. Zu Beginn lief zwar noch alles im typischen FF-Fluss ab, bei dem man rasch in die Story hineingesogen wurde, aber im Laufe der Zeit kam es dann doch dazu, dass man einen Story-Brocken hingeworfen bekam, sich zur neuen Location aufmachte (was aufgrund der recht großen Oberwelt und des Fokus auf Reisen eine Weile dauern konnte) und beim Ankommen eher erstaunt feststellte, dass man eben aufgrund des langen Weges, gefüllt mit Gefahren und Erkundungen gar nicht mehr so recht wusste, warum man eigentlich überhaupt dorthin gegangen war. Wohlgemerkt: Ich hatte damals noch mehr Zeit, ein Spiel zu spielen, und saß viel und regelmäßig vor der Konsole, um voranzukommen. Hätte ich FF XII damals so gespielt, wie ich heute oft privat Spiele spiele – nämlich mit längeren Pausen aufgrund anderer Verpflichtungen – hätte ich wohl endgültig den Faden verloren.

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Gut, vielleicht hätte ich auch einfach der Geschichte mehr folgen sollen, statt mich ständig in Nebenquests zu verheddern. Ich war damals allerdings noch ein totaler Komplettist und wollte einfach alles gesehen haben. Das hält einen in diesem Spiel durchaus beschäftigt, wenn man zwischen den einzelnen Story-Episoden mal eben Monster jagen muss oder auflevelt, um die letzten Bosse zu besiegen. Bis heute sehe ich die Tatsache, dass ich das alles bei diesem Spiel geschafft habe, irgendwie mit einem lachenden und einem weinenden Auge: Es ist das letzte FF, bei dem ich wirklich alles gesehen habe, aber irgendwie auch das erste, bei dem ich mich frage „war das die 250 Stunden, die ich in das Spiel investiert habe, wert?“

Dass mir diese Spielzeit nicht ganz vergeudet vorkam, hat irgendwie auch mit dem Gambit-System zu tun – oder besser gesagt damit, dass es das Spiel gegen Ende wirklich dazu brachte, sich irgendwie selbst zu spielen. Das half vor allem bei zwei Dingen: Dem Aufleveln auf Level 99 für die letzten und schwersten Gegner und bei den zwei Monstern mit einer unglaublichen Menge an Hitpoints. Vor allem einer davon ist darauf ausgelegt, dass der Kampf gegen ihn über mehrere Stunden geht – man kann sogar während des Gefechts rausgehen und speichern. Habe ich die beiden besiegt? Ja, habe ich. Habe ich viel dafür getan? Äh… nein. Ich habe die Gambits eingestellt, die Party in den Kampf gebracht und dann WoW gespielt, während die Helden mehr oder weniger von selbst den Gegner platt machten. Klar, so kann man den Zeitverbrauch optimieren und gleich zwei Spiele auf einmal spielen. Aber ob das eine wirklich befriedigende Gameplay-Erfahrung ist, sei dahingestellt.

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Bei aller Kritik muss ich natürlich schon sagen, dass ich auch meinen Spaß mit dem Spiel hatte – sonst hätte ich vermutlich auch der FF-Bonus nicht ausgereicht, dass ich alles mache -, aber ich hatte JRPGs für mich entdeckt, weil mir die West-RPGs zu offen wurden. Weil sie auf eine große Welt zugunsten einer gut erzählten Story verzichteten. FF XII kam mir immer vor wie der Versuch, die FF-Serie an Elder Scrolls & Co. heranzuführen. Natürlich ist das übertrieben gesagt, denn davon war man trotz allem weit entfernt, aber das Feeling ist für mich ähnlich. Ich will nicht kilometerweit wandern, 20 Sidequests entdecken und dabei vergessen, was eigentlich die Geschichte des Spiels ist. Ich will wissen, wie es weitergeht. Ich will zwar auch keinen Schlauch, der mich einfach weiterführt, aber ich will auch nicht ewig im Gameplay festhängen, sodass die Story völlig den Fokus verliert. Das ist genau der Grund, warum ich z.B. Xenogears Xenoblade jederzeit vorziehen werde. Klar ist das meine eigene Erwartungshaltung an ein Spiel, aber bis zu FF XII hatte mich in dem Punkt kein FF enttäuscht, sondern immer eine packende Geschichte erzählt. Hier scheiterte man allerdings damit, mich zu packen.

Neben all diesen Faktoren war FF XII aber auch für mich als Redakteur eine Lehrstunde in einem kniffligen Thema des Videospieljournalismus, nämlich Objektivität und Subjektivität. Ich habe den Test zu FF XII zwar nicht geschrieben, aber mich mehrfach mit der zuständigen Redakteurin über das Spiel ausgetauscht und meine Meinung eingebracht. Doch wie geht man mit einem Titel um, der objektiv gut ist – und die Tatsache, dass es so viele Fans hat, sagt ja auch ganz klar, dass FF XII bei aller persönlicher Kritik kein schlechtes Spiel war -, aber einem subjektiv nicht wirklich gefallen wollte? Ich hatte zum Glück nicht die Entscheidung zu treffen, welche Wertung im Endeffekt unter dem Test stehen würde, der auch im Endeffekt eine ziemliche Lobeshymne mit kleineren Vorbehalten wurde und vor allem objektiv das Spiel für das, was es tat, lobte. Dennoch muss ich sagen: Würde ich den Test mit der Erfahrung, die ich heute, zehn Jahre später habe, selbst schreiben müssen, würde ich die subjektive Seite stärker betonen, auch wenn die Wertung vermutlich immer noch objektiv hoch (wenn auch vielleicht nicht SO hoch) sein würde. Immerhin kann man bei all seinen persönlichen Vorlieben nicht unter den Tisch fallen lassen, ob ein Spiel an sich gut funktioniert (mein Lieblingsbeispiel: Lasst mich mal Call of Duty oder GTA testen – das wäre ja rein subjektiv auch ein totales Massaker mit Niedrigst-Wertungen, wenn man die Objektivität ganz ausklammert). Gut, das könnte jetzt zu einer Wertungsdiskussion führen, aber das geht wirklich zu weit.

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Wichtig ist mir in diesem Kontext nur: Damals war ich noch der Meinung, ein Test müsse vor allem objektiv sein, und ich kämpfte mit meiner eigenen, subjektiven Sicht. Das führte auch zu einer recht interessanten (und soweit ich weiß zurecht niemals veröffentlichten) Aufnahme für den damals noch jungen consol.AT-Podcast, in der wir uns über FF XII unterhalten. Wenn man uns zuhörte, wie wir rein subjektiv über das Spiel sprachen, konnte man die Wertung überhaupt nicht mehr verstehen – aber wir waren auch einfach allesamt Hardcorefans und diskutierten primär über das, was uns nicht gefallen hatte, und recht wenig über die guten Seiten des Spiels, wie die lebendige Welt, die man hier präsentierte.

Trotz all dieser eher harten Worte vermisse ich FF XII – aus mehreren Gründen. Es war das letzte Final Fantasy, in das ich mit solche einer „muss ich sofort spielen, keine Diskussionen“-Vorfreude hineingestartet bin. Seit ich FF VII kennenlernen durfte, hatte es das zuvor mit jedem (Offline-)Teil gegeben. Natürlich ist FF XII auch wirklich kein schlechtes Spiel. Klar, ich rede regelmäßig schlecht davon, bezeichne es auch (nicht ganz grundlos, wie ihr vielleicht dem restlichen Text entnommen habt) als „persönlich schlechtestes Spiel der Hauptreihe“ – aber ganz ehrlich, das ist so ähnlich, wie bei Zelda oder einer anderen Serie mit konstant hoher Qualität ein schlechtestes Spiel auszumachen. FF XII ist einfach für FF, was bei Zelda für mich Windwaker ist – der Teil, wo Dinge, die mir wichtig sind, einfach nicht funktionieren und die Gewichtung woanders liegt. Das macht es nicht zu einem schlechten Spiel. Nur zu dem Teil, den ich vermutlich nicht unbedingt wieder ins Laufwerk legen werde. Wobei: Zugegebenermaßen würde es mich manchmal reizen, mich wieder in FF XII zu vertiefen – einfach, um die Story mal anders zu erleben, ohne ständig unterbrochen zu werden und ohne Sidequests zu machen. Um einen frischen Blick darauf zu werfen. Vielleicht hilft ja auch die HD-Version mit ihrem Fast Forward-Button, dass mich die Geschichte mehr überzeugen kann. Immerhin hat mir ja auch FF VIII im dritten Anlauf gefallen … aber das ist eine andere Geschichte und soll ein anderes Mal erzählt werden …

 

Florian Scherz

Bereits früh entwickelte Florian zwei große Leidenschaften: Videospiele und Theater. Ersteres brachte ihn zu einem Informatikstudium und zu Jobs bei consol.MEDIA und Cliffhanger Productions; zweiteres lässt ihn heute (unter anderem) als Schauspieler, Regisseur, Komponist und Lichtdesigner arbeiten. Wenn er gerade keine Musicals inszeniert, spielt oder schreibt, vermisst er auf Shock2 Videospiele von anno dazumal in seiner Blog-Reihe "Spiele, die ich vermisse".

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