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Serien-Review: Hawkeye (Spoilerfreier Ersteindruck)

Der Bogenschütze und sein größter Fan

Nachdem 2020 pandemiebedingt ein Totalausfall in Sachen MCU war, können wir uns über die Menge der Releases im Jahr 2021 wohl kaum beschweren – was auch daran liegt, dass einige Projekte ursprünglich ja schon im Vorjahr hätten erscheinen sollen. Dass hier trotz allem das Timing stimmen muss, liegt in der vernetzen Struktur des Marvel Cinematic Universe – und nun, im Fall der vierten Realserie auf Disney+, auch am Setting: Hawkeye ist nunmal eine Weihnachtsgeschichte. Und so „nebenbei“ auch noch die Gelegenheit, einem altbekannten Avenger neuen Tiefgang zu verleihen, eine neue Figur einzuführen und – wenn man den Gerüchten Glauben schenken kann – Fäden aus bisherigen Phase 4-Filmen aufzugreifen. Wir haben die ersten zwei Folgen der sechsteiligen Mini-Serie gesehen.

Weihnachten in New York City

Auch wenn die Serie Hawkeye heißt, erzählt sie eigentlich die Geschichte von gleich zwei Figuren. Auf der eine Seite natürlich Clint Barton, seines Zeichens Avenger der ersten Stunde und Jahre nach den Ereignissen aus Endgame noch immer gezeichnet von dem, was sich damals zugetragen hat. Vor allem der Tod von Black Widow nagt an ihm – kein Wunder, dass er sich eigentlich aus dem Helden-Business zurückgezogen hat und vor allem der Familie widmen will. Dass ihm dies nicht gelingt, liegt an Kate Bishop. Das Mädchen aus reichem Elternhaus hat im Kampf um New York ihren Vater verloren und sich seitdem ihrer Kampfausbildung gewidmet – inklusive Bogenschießen natürlich, denn Hawkeye ist ihr Idol. Schon bald werden Ereignisse, auf die wir hier aus Spoilergründen nicht eingehen werden, die beiden zur Zusammenarbeit zwingen und eine ganz eigene Dynamik erzeugen: Hier die junge Frau mit idealistischem Gerechtigkeitssinn, dort der Veteran, der die Schrecken seiner zahlreichen Schlachten nicht mehr loswird.

Sing mir das Lied von Steve Rogers

Tatsächlich ist es zunächst die Dynamik der beiden Hauptfiguren, die die Serie trägt. Hawkeye mag der vielleicht am wenigsten stark gezeichnete der ursprünglichen Avengers im MCU sein, aber die Serie hilft, an ihm neue Züge zu entdecken und alte zu vertiefen. Kate schafft es hingegen, über weite Strecken mit einem jugendlich frischen Zugang die eigentliche Hauptfigur zumindest der ersten beiden Folgen zu werden. Spätestens wenn die beiden Figuren zusammenarbeiten müssen, zeigt sich, dass die Chemie zwischen Jeremy Renner und Hailee Steinfeld (Dickinson, True Grit) stimmt – sie geben ein wunderbares Buddy-Paar ab. Bislang etwas dünn bleibt allerdings die eigentliche Handlung, die in den ersten beiden Folgen noch nicht 100%ig in die Gänge kommt und echte Gefahr vermissen lässt. Das liegt aber vielleicht auch am Tonfall der Serie: Hawkeye versucht sich im klassischen MCU-Stil an One-Linern und flapsigen Kommentaren, die allerdings so manche Bedrohung eher lächerlich wirken lassen. Zusätzlich gefällt man sich offensichtlich darin, Clint Barton in ihm unangenehme Situation zu stecken und sein Leiden zu dokumentieren. Es macht durchaus Spaß, ihm dabei zuzusehen, wie er sich ein Musical über Captain America ansehen muss (herrlich überzeichnet und mit echten Broadway-Schauspielern sowie dem Autoren-Team hinter Hairspray umgesetzt, die offensichtlich ihren Spaß haben, „ihr“ Genre zu parodieren), aber man könnte hier und auch in einer späteren Sequenz in der zweiten Folge auch sehr viel Mitleid mit Hawkeye bekommen, weil die Autoren es dem Charakter gern schwer machen. Diese dennoch eher leichten Momente sorgen aber auch dafür, dass die ersten beiden Folgen nicht zu schwermütig geraten, auch wenn Clint eigentlich nur zu Weihnachten zurück bei seiner Familie sein will. Eine klassische Weihnachtsfilm-Motivation eben, nur im MCU.

Ersteindruck

Bislang fühlt sich Hawkeye ähnlich wie Falcon & The Winter Soldier weniger wie ein neuartiges Experiment, das man nur als Serie umsetzen konnte, sondern wie eine auf Miniserienlänge aufgeblasene MCU-Verfilmung an. Und das ist in dem Fall positiv gemeint, denn das gibt allen Figuren Zeit zu atmen und sich zu entwickeln, was gerade im Hinblick auf die Origin-Story von Kate eine gute Sache ist, aber auch dem bislang verhältnismäßig farblosen Clint Barton neuen Tiefgang verleihen könnte. Ob dieser Fokus allerdings die ganze Serie tragen kann (und muss), wird sich noch weisen. Wir haben noch vier Folgen und noch einige Andeutungen und Gerüchte, was in der Serie noch Platz finden sollte – langweilig werden die kommenden Folgen wohl nicht, eher wohl gefüllt, wenn nur ein Teil der Spekulationen wahr ist. Allerdings sollte dabei auch der zentrale Plot der Mini-Serie noch etwas mehr in die Gänge kommen – bislang fehlt es hier – nach immerhin einem Drittel der Spielzeit – noch ein wenig zu sehr an echten Gefahren. Aber wer weiß, wer hier eigentlich im Schatten lauert …

Florian Scherz

Bereits früh entwickelte Florian zwei große Leidenschaften: Videospiele und Theater. Ersteres brachte ihn zu einem Informatikstudium und zu Jobs bei consol.MEDIA und Cliffhanger Productions; zweiteres lässt ihn heute (unter anderem) als Schauspieler, Regisseur, Komponist und Lichtdesigner arbeiten. Wenn er gerade keine Musicals inszeniert, spielt oder schreibt, vermisst er auf Shock2 Videospiele von anno dazumal in seiner Blog-Reihe "Spiele, die ich vermisse".

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