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Review: Neverwinter Nights Enhanced Edition

Ein Klassiker kommt auf die Konsole ...

Konsolenbesitzer, die Fans von Rollenspielen im BioWare-Stil der Jahrtausendwende sind, haben gerade die Qual der Wahl: Enhanced Editions von Baldur’s Gate I und II, von Icewind Dale und Planescape: Torment sind erst vor kurzem erschienen und sollten mit ihrem gehörigen Umfang die Zielgruppe eine ganze Weile beschäftigen. Dennoch wird jetzt noch einmal nachgelegt: Mit Neverwinter Nights erreichten BioWares Dungeon & Dragons-Rollenspiele 2002 die nächste Evolutionsstufe. Doch kann das Spiel auch heute noch begeistern? Und wie verbessert ist diese „Enhanced Edition“?

Ein neues Zeitalter

Der auffälligste Schritt für Neverwinter Nights im Vergleich zu seinen Vorgängern ist grafisch: Die 2D-basierte Infinity-Engine wurde in Pension geschickt, stattdessen durfte die Aurora-Engine ran, die nicht nur 3D-Umgebungen und -Figuren, sondern auch Licht und Schatten beherrschte. Damals war das eine große Sache, doch heute sieht das Resultat eher antiquiert aus – und das gilt leider auch für die Enhanced Edition. Eine höhere Auflösung täuscht nicht über polygonarme Charaktere, blockige Level und eine niedrige Draw-Distanz hinweg; dazu kommen Videosequenzen, die in die Breite gezogen wurden und jede Menge Kompressionsartefakte aufweisen, sowie eine Kamera, die sich allzu oft hinter Wände verirrt und das mit einer Art Bullaugen-Effekt kompensiert, der seltsam anzusehen ist. Letzteres liegt wohl auch daran, dass das Spiel in der Konsolenvariante eine niedrigere Kameraposition als im Original einnimmt und dadurch allzu oft mit Objekten kollidiert. Dennoch ist die Übersicht durch die neue Perspektive eher suboptimal – dafür passt sie aber gut zur direkten Steuerung der Spielfigur.

Apropos Steuerung: Ein Spiel wie Neverwinter Nights, das im Original stark auf Maus und Tastatur setzte, ist zugegebenermaßen schwer auf einen Controller zu bringen; doch die Umsetzung schwankt zwischen gelungen (die direkte Charaktersteuerung fühlt sich gut an), mittelprächtig (Radialmenüs sind omnipräsent und erfüllen ihren Zweck, sind dann aber doch gerade für häufige Tasks zu umständlich) und furchtbar (das Inventar-Management zeigt nicht nur seine Maus-Vergangenheit, es lässt diese auch noch schmerzlich vermissen). Gut, dass man in vielen Situationen keinen Zeitdruck (selbst in den Kämpfen kann man immerhin auf Pause schalten und Kommandos eingeben) und dadurch auch die Zeit hat, diese Probleme zu umschiffen, aber dennoch haben wir all das schon besser gelöst gesehen. Und das ist schade, denn eigentlich bietet Neverwinter Nights nach wie vor alle Zutaten für ein grandioses Rollenspiel – eine gute Story, erinnerungswürdige NPCs und mit D&D 3rd Edition ein bekanntes Rollenspielregelwerk. Doch eine höhere Auflösung und eine wenig durchdachte neue Steuerung reichen einfach nicht aus, diese ins Heute zu holen. Da hätte es noch etliche, vielleicht auch mutigere Anpassungen gebraucht.

Kein Grafikfehler: Mit diesem etwas „Bullaugen“-Effekt kaschiert das Spiel Momente, in der Wände oder Gegenstände die Kamerasicht blockieren.

Wenn das Toolkit fehlt …

Eine Enttäuschung sei noch erwähnt: Neben der durchaus spannenden Story war einer der wichtigsten Teile von Neverwinter Nights das Aurora Toolkit, mit dem man sich eigene Rollenspielmodule bauen konnte. Diese Option fehlt in der Konsolenfassung völlig, weshalb wir uns nur auf die offiziellen Kampagnen und weitere Zusatzmodule freuen dürfen (die Sektionen für Premium- und normale Modulen blieben allerdings in unserer Switch-Version noch leer). Trotzdem bleibt die Erkenntnis, dass etwas, für was das Original heute noch berühmt ist, im Konsolenport einfach ersatzlos gestrichen wurde. Andererseits – hätten wir wirklich mit dieser Steuerung eigene Module bauen wollen? Wohl nicht.

Fazit

Wertung - 7

7

Großer Klassiker - schwacher Port

Erste Eindrücke sind nicht immer richtig. Neverwinter Nights hat mich zuerst positiv überrascht, die 3D-Optik kam im Handheld-Modus auf der Switch besser rüber als die 2D-Grafik von Baldur’s Gate. Allerdings dauerte es leider nicht lange, bis ich auf dem Boden der Tatsachen landete. Die Grafik ist zumindest auf dem Fernseher dann doch schlechter gealtert als die Pixeloptik, und schon der erste Versuch, neue Ausrüstung zu kaufen und im Inventar zu platzieren kostete mich viel zu viele Nerven. Rasch entstand da ein zweiter Eindruck, der sich dann im Laufe meiner Spielzeit verfestigte: Ja, wir haben es hier einmal mehr mit einem Klassiker zu tun, aber mit dem Konsolenport hat man ihm keinen Gefallen getan. Die Qualitäten von Neverwinter Nights als Rollenspiel stehen nach wie vor außer Frage, wenngleich man schon ein bisschen retro-affin sein sollte, um diese heute noch genießen zu können. Aber wer die Möglichkeit hat, sollte auch heute noch zur PC-Fassung (auch dort gibt es mittlerweile eine Enhanced Edition) greifen.

Genre: Rollenspiel
Entwickler: Bioware (Original)/Beamdog (Enhanced Edition)
System: Switch, PS4, Xbox One
Erscheint: erhältlich
Preis: ca. 45 Euro
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Florian Scherz

Bereits früh entwickelte Florian zwei große Leidenschaften: Videospiele und Theater. Ersteres brachte ihn zu einem Informatikstudium und zu Jobs bei consol.MEDIA und Cliffhanger Productions; zweiteres lässt ihn heute (unter anderem) als Schauspieler, Regisseur, Komponist und Lichtdesigner arbeiten. Wenn er gerade keine Musicals inszeniert, spielt oder schreibt, vermisst er auf Shock2 Videospiele von anno dazumal in seiner Blog-Reihe "Spiele, die ich vermisse".

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