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Review: Triangle Strategy

Story und Taktik in 16-Bit-Optik

Als Nintendo „Project Triangle Strategy“ ankündigte, ging jeder davon aus, dass es sich bei dem Titel nur um einen Platzhalter halten würde. Wovon sich allerdings viele begeistert zeigten, war die Mischung aus Taktik-RPG im Stil von Final Fantasy Tactics, Fire Emblem und Konsorten mit der Optik von Octopath Traveller. Mittlerweile wurde aus dem Platzhalter fast ohne Veränderung der tatsächliche, wenn auch ein wenig nichtssagende Titel Triangle Strategy, der nun bereit ist, den Handel zu erobern. Wir haben das Schicksal der Welt beeinflusst, zahlreiche Schlachten geschlagen und herausgefunden, ob sich die Vorfreude ausgezahlt hat.

Game of Thrones in 16 Bit

Die Welt von Triangle Strategy ist eine sehr politische. Auf dem Kontinent Norzelia existieren drei Reiche: das Königreich Glenbrock, reich durch Handel; das Herzogtum Aesfrost, voll mit Rohstoffen; und das Heilige Reich Heissand, ein Wüstenreich, wo es wertvolles Salz gibt. Alle drei haben eine Vergangenheit voller Kriege miteinander hinter sich, doch diese Zeit soll nun endlich vorbei sein: Eine Allianz soll die Kräfte der drei Reiche bündeln und ihnen allen Wohlstand bringen. Dass das nicht lange gut gehen wird, ist wohl jedem klar. Ihr übernehmt die Rolle von Serenoa, seines Zeichens Erbe des Hauses Wolffort (einem großen Haus von Glenbrock), dessen relativ ruhiges Leben schon bald völlig aus der Bahn geworfen wird. Auf die zahlreichen Wendungen, die euch in den kommenden Stunden erwarten, wollen wir hier gar nicht eingehen – halten wir einfach fest, dass die Story nicht frei von Klischees ist, aber sowohl spannend als auch gut geschrieben ist und auch einige durchaus wichtige Themen (Stichwort Rassismus am Beispiel von Serenoas Verlobter Frederica bzw. dem Schicksal ihres Volkes) gelungen aufgreift.

Angriff aus dem Drehbuch

Der Preis für diese große Story ist allerdings, dass das Spiel von zahlreichen Dialog-Events durchzogen ist und ihr euch durch etliche Dialoge klicken müsst, bevor ihr zur nächsten Schlacht gelangt. Wer ein Problem mit langen Cutscenes und noch längeren Gesprächen hat, wird mit Triangle Strategy nicht ganz glücklich werden. Das heißt allerdings nicht, dass ihr in der Geschichte immer nur eine passive Rolle einnehmt: Immer wieder müsst ihr als Serenoa eure Meinung abgeben, die eure Gesinnung festigt. Noch weitreichender sind Abstimmungs-Events, bei denen eure Berater entscheiden, welchen Weg ihr als nächstes einschlagen solltet – die Mehrheit bestimmt und diese Wahl ist bindend. Ihr könnt allerdings versuchen, euer Team mit den richtigen Argumenten in die von euch präferierte Richtung zu lenken. Die dafür nötigen Informationen bekommt ihr wiederum aus Gesprächen, die ihr in der freien Erkundung mancher Orte führen könnt. Hier gut aufzupassen und alles abzusuchen kann sich also auszahlen. Und ja, all diese Entscheidungen haben Gewicht. Sie bestimmen, welche Figuren sich euch anschließen und auch, welchen Weg die Story durch die große Handlung hin zu mehreren Enden nimmt. Und falls euch das noch nicht genug Dialog ist, könnt ihr auf der Weltkarte auch noch optionale Cutscenes ansehen und sogar Nebenevents anwählen, die zum Teil eurer Party mehr Tiefgang geben oder neue Figuren in euren Trupp bringen. Ihr seht: Worldbuilding wird hier großgeschrieben – für manche wohl zu groß, weil das meiste davon mit Unmengen an Text einhergeht.

Qual der Wahl

Das eigentliche Gameplay findet aber, wie es sich für ein Taktik-RPG gehört, auf dem Schlachtfeld statt. Auf den sauber abgegrenzten Kampfarenen (die in vielen Fällen ausgiebig mit Höhenlevels spielen) schickt ihr eure Mannschaft ins Gefecht. Euer Trupp ist dabei ausdrücklich keine anonyme Armee, sondern allesamt Charaktere, die ihr im Laufe des Spiels aufsammelt. Sie alle haben eigene Fähigkeiten und damit sehr spezifische Einsatzfelder, was euch einiges an taktischen Möglichkeiten bietet, aber auch vor die Qual der Wahl stellt: Setzt ihr auf klassische Kämpfertypen (inklusive Schwertkämpfern, Bogenschützen und Schildkämpfern)? Welche Arten von Magie nehmt ihr mit? Welche Support-Charaktere? Oder setzt ihr gar auf Figuren mit einzigartigen Fähigkeiten, wie den Schmied, dessen Leitern und sonstige Gadgets völlig andere Taktiken erlauben? Jede Figur hat eigene Einsatzgebiete, die euren Stärken und Schwächen (und natürlich den Gegebenheiten auf dem Schlachtfeld sowie dem Missionsziel) entgegenkommen können – oder nicht. Selbst eine falsche Auswahl und ein Fehlschlag sind allerdings keine Zeitverschwendung: Versagt ihr in einer Mission, behaltet ihr unter anderem die gesammelte Erfahrung und die dadurch gewonnenen Skills, sodass ihr gestärkt in den nächsten Anlauf starten könnt. Alternativ könnt ihr wenig benutze Charaktere auch in eurem Feldlager mit Übungsmissionen leveln, was – je nach eurem Geschick und Schwierigkeitsgrad – durchaus nötig sein kann, um die Story-Missionen zu überstehen.

Wenig Überraschung im Kampf

Im eigentlichen Gefecht gibt es wenige Überraschungen: Jede Figur hat grundsätzlich eine Bewegungs- und eine Handlungs-Aktion zur Verfügung (Ausnahmen bestätigen die Regel) – wer nur eine oder keine der beiden Aktionen nutzt, ist früher wieder dran. Wichtig für den Sieg ist oft die richtige Positionierung – und das Spiel ist gut darin, euch dabei unter die Arme zu greifen. So seht ihr auf einen Blick, auf welchem Feld euch welche Gegner angreifen können und welche momentan sicher sind, und falls ihr entdeckt, dass vom gewählten Feld die Reichweite eures Angriffs nicht ausreicht, könnt ihr eure Entscheidungen noch einmal revidieren. Das sorgt dafür, dass die Gefechte zumindest in dieser Hinsicht nicht frustrierend werden.

Was euch nicht abgenommen wird? Trotzdem schlau zu agieren und die Gegner möglichst sinnvoll in die Zange zu nehmen. Und das ist durchaus wörtlich zu nehmen, denn eine wichtige Taktik ist, eure Kontrahenten erstens möglichst von hinten zu attackieren (weshalb auch die Blickrichtung eurer Einheiten wichtig ist, um einen solchen Angriff eurer Gegner zu vermeiden), sondern auch zu zweit anzugreifen – steht der Gegner zwischen zwei eurer Einheiten, wird er auch von beiden angegriffen. Das sind aber bei weitem nicht die einzigen Effekte, mit denen ihr euch beschäftigen solltet. So sorgen Knockbacks für zusätzlichen Schaden, wenn die Figur dadurch abstützt oder gegen andere Kämpfer oder Wände knallt, Feuermagie kann für Brände sorgen (Items wie Öl können hier helfen) und Eis die Bewegung der Einheiten verlangsamen. Und damit kratzen wir nur an der Oberfläche – die taktischen Möglichkeiten sind vielseitig. Ein Punkt sei aber noch erwähnt: Ihr braucht euch keine Sorgen machen, dass der Tod in Triangle Strategy endgültig ist – eure Figuren ziehen sich zwar zum Teil mit dramatischen Worten zurück, wenn sie in der Schlacht geschlagen werden, kehren danach aber wieder zurück. Alles andere wäre aber wohl auch aufgrund der Story-Relevanz mancher Charaktere schwierig geworden.

Gefechte in schönen Gegenden

Triangle Strategy ist neben seinen Qualitäten aber auch ein schönes Spiel geworden, das – ähnlich wie schon Octopath Traveller – viel aus seinem 16-Bit-Look herausholt. Die Kampfarenen und Umgebungen sind in 3D gehalten und punkten mit einer Retro-Optik, die trotzdem voller moderner Details steckt. Dazu passen aber auch die Figuren, die – und auch hier fühlen wir uns an Final Fantasy Tactics erinnert – als Sprites realisiert wurden. Die dazugehörigen, schönen Charakter-Artworks bekommt ihr zwar nur selten präsentiert, aber dennoch strahlen die Figuren abseits davon einen eigenen Pixel-Charme aus. Positiv hervorheben wollen wir auch die Musik, die perfekt zum Setting passt, während die Vertonung der Texte zwar aufgrund ihres Umfanges gelobt werden sollte, aber bisweilen in der Qualität ein wenig schwankt. Wer sich mit den englischen Sprechern (die Bildschirmtexte sind auch auf Deutsch verfügbar) nicht anfreunden kann, kann aber auch auf die japanische Vertonung wechseln und sich die langen Dialogsequenzen so versüßen lassen. Die Sprachausgabe hilft auch dabei, die Texte zu entziffern, denn diese waren im Handheldmodus (zumindest auf unserer Switch Lite, die wir zum Testen verwendeten) nicht immer optimal zu lesen – woran sowohl die Schriftgröße als auch auch der verwendete Font schuld waren.

Fazit

Wertung - 8.5

8.5

Viel Story und viel Taktik

Triangle Strategy mag so manchen Spieler überraschen – nicht mit seinem strategischen Tiefgang (hier darf man sich doch von einem Strategie-RPG einiges erwarten), sondern mit seiner Storylastigkeit. Bei diesem Spiel sind im Anschluss an ein Gefecht oftmals eine halbe Stunde oder mehr Story-Sequenzen angesagt, bevor man zum nächsten Kampf gelangt, sodass man mit dem Lesen und Spielen der Geschichte sicherlich gut 50 Prozent der Spielzeit verbringt. Dass das nicht jedermanns Geschmack trifft, ist wohl klar; natürlich könnte man sich an den Dialogen vorbeiklicken, aber das geht zu Lasten der Immersion, zu Lasten der Verbindung mit (zumindest den zentralen) Figuren auf dem Schlachtfeld und dem Verständnis der Handlung. Auf dem Schlachtfeld gibt es hingegen kaum etwas zu meckern: Triangle Strategy erfindet zwar das Rad nicht neu, sorgt aber für Herausforderungen und zahlreiche taktische Möglichkeiten, die die Gefechte vielseitig und spannend machen. Für mich als jemand, der mit Final Fantasy Tactics schon viel Spaß an dem Mix aus komplexer Story und Taktikgefechten hatte, ist Triangle Strategy ein würdiger spritueller Nachfolger. Wer seine Spiele mit weniger Text und Story-Sequenzen bevorzugt, sollte sich aber eher nach Alternativen umsehen.

Genre: Taktik-RPG
Entwickler: Artdink
System: Switch
Erscheint: 04.03.2022
Preis: ca. 60 Euro

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Florian Scherz

Bereits früh entwickelte Florian zwei große Leidenschaften: Videospiele und Theater. Ersteres brachte ihn zu einem Informatikstudium und zu Jobs bei consol.MEDIA und Cliffhanger Productions; zweiteres lässt ihn heute (unter anderem) als Schauspieler, Regisseur, Komponist und Lichtdesigner arbeiten. Wenn er gerade keine Musicals inszeniert, spielt oder schreibt, vermisst er auf Shock2 Videospiele von anno dazumal in seiner Blog-Reihe "Spiele, die ich vermisse".

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