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Review: Prim

Puzzeln mit dem Tod

Dass die Beziehung zwischen Vätern und Teenager-Töchtern problematisch sein kann, ist nichts Neues. Dass die Beziehung zwischen entfremdeten Vätern und ihren Teenager-Töchtern umso komplizierter sein kann – keine Überraschung. Und dass die Beziehung zwischen der (mehr oder weniger) menschlichen Teenager-Tochter Prim und ihrem entfremdeten Vater, dem Tod höchst persönlich, nochmal ihre ganz eigenen Probleme mit sich bringt, ist selbsterklärend. Kann man daraus ein unterhaltsames Adventure machen? Das versucht das via Crowdfunding finanzierte Adventure Prim. Aber ist es auch gelungen? Wir waren für euch im Reich der Toten.

Der Tod steht ihr gut

Die fast 16jährige Prim muss mit einem schweren Schicksalsschlag fertig werden: Ihr Mutter starb vor kurzem bei einem Unfall, und da sie ihren Vater nie kennengelernt hat, kommt bei ihren Nachbarn unter. Doch dann kommt alles ganz anders: Auf dem Weg in das Elysium hat ihre Mutter dem Tod höchstpersönlich das Versprechen abgerungen, dass er sich nun nicht mehr aus dem Leben seiner Tochter heraushalten kann, sondern Verantwortung übernehmen muss. Deshalb bringt Thanatos das Mädchen in sein Reich. Während Prim noch mit der Veränderung in ihrem Leben und an sich selbst – schließlich hat sie als Tochter des Todes Kräfte geerbt, sie sich nun auch in äußerlichen Veränderungen manifestieren –, sowie dem Verlust ihres besten Freundes Tristan ringt, kommt es zu einer Tragödie. Und es liegt an Prim, ihren Fehler wieder rückgängig zu machen …

Grüß Gott, ich bin der Tod …

Nehmen wir eines gleich vorweg: Prim erfindet das Rad nicht neu, sondern ist eine Hommage an diverse Klassiker. Grafisch erinnert das Spiel ein wenig an Tim Burton, die Beziehung zwischen Tod und Tochter erweckt bei uns Erinnerungen an Terry Pratchetts Discworld, das gezeigte Totenreich greift zahlreiche Elemente griechischer Sagen auf, und spielerisch merkt man (wie so oft im Point & Click-Genre), dass das große Vorbild LucasArts war. Das ist an sich nicht verwerflich – die hohe Kunst ist es jedoch, diesen Vorbildern gerecht zu werden. Daran sind schon viele kleinere Projekte gescheitert, was uns auch bei diesem Spiel ein wenig skeptisch gemacht hat. Immerhin ist der Hauptentwickler ein deutscher Lehrer, der das Spiel in seiner Freizeit gemeinsam mit einigen freien Mitarbeitern entwickelt hat. Umso erfreuter können wir hier sagen: Man erreicht zwar nicht den Olymp von LucasArts und seinen guten alten AAA-Titeln, aber schafft es immerhin, gut mitzuhalten und ein zwar nicht allzu langes, aber dennoch unterhaltsames Spiel zum Budget-Preis abzuliefern. Einzelne Punkte muss man sogar extra lobend hervorheben: Die reduzierte Grafik funktioniert und hat Stil; die Musikuntermalung ist gelungen, stimmungsvoll und nervt nicht, wenn man mal wieder an einem Puzzle hängen bleibt; und auch die deutsche Sprachausgabe (eine englische ist auch vorhanden) weiß zu gefallen.

Gar nicht todlangweilig

Doch die zentrale Frage ist wohl: Funktioniert das Spiel als Adventure? Die Antwort darauf ist ein „Ja“ – mit ein paar Abstrichen. Verrückte Charaktere, interessante Aufgaben, zahlreiche Puzzles – all das ist vorhanden und weiß zu unterhalten; allerdings gibt es dann doch ein paar Momente, an denen wir uns zumindest zeitweise die Zähne ausgebissen haben, ohne dass das Spiel wirklich weiterhalf. Klar, man kann alles mit Ausprobieren oder manchmal auch einer Pause lösen, aber zahlreiche moderne Genrevertreter bieten dann doch mehr Hilfesysteme als Prim, wo man mit einem Verzeichnis der aktuellen Aufgaben per Tagebuch und (ab einem gewissen Punkt, der aber immerhin sogar innerhalb des Spiels erklärt, warum es das System gibt) einer Hotspot-Anzeige auskommen muss. Natürlich ist es dann Geschmackssache, ob man lieber härtere Rätselnüsse mag oder ein bisschen mehr unter die Arme gegriffen bekommen möchte, aber im Endeffekt hätte ein bisschen mehr Unterstützung wohl nicht geschadet. Das auch deshalb, weil es genretypisch nur einen Lösungsweg für eine Aufgabe gibt – und den muss man oft um ein paar Ecken herumdenken.

Der Tod ist Trumpf

Dass Adventures gern versuchen, Monkey Island nachzumachen, ist nichts Neues. Prim versucht dies ebenfalls mit einem Gameplay-Element, das uns (ohne es spielerisch zu kopieren) an das legendäre Beleidigungsfechten erinnert, aber dennoch ganz anders ist. Hier findet sich nämlich ein Sammelkartenspiel, das man unbedingt meistern muss, um in der Story voranzukommen. Das heißt: Erstmal in der Spielwelt Karten einsammeln, später dann gegen diverse Gegner antreten, bessere Karten sammeln und dann schließlich gegen den „Endboss“ antreten, der die Story wirklich weiterbringt. Das Prinzip dahinter erinnert an Supertrumpf, ist allerdings nur minimal erklärt. Hat man es verstanden, macht es aber durchaus Spaß. Wermutstropfen allerdings: In unserem Durchlauf mussten wir es recht geballt spielen, um in der Story weiterzukommen – als kleines Game zwischen Puzzles hätte es uns besser gefallen. Aber auch ein zweites Minigame findet sich im Spiel, bei dem man seinen Begleiter mit Hilfe von Gartenzwergen(!) zum Ausgang bringen muss, bevor einen die Katze erwischt. Hier hat man immerhin die Wahl, die knifflige Version zu spielen oder es sich per Puzzle leichter zu machen. Ein Überspringen-Button wäre aber zumindest hier eine nette Wahl für jene gewesen, die solche Puzzles nicht schätzen.

Fazit

Wertung - 8

8

Spaß im Totenreich

Prim bietet einen interessanten Stil, eine Story, die trotz ihrer Verrücktheiten mit der Vater/Tochter-Beziehung gute Ansatzpunkte für einen persönlichen Bezug liefert, und solide Adventure-Kost. Natürlich gibt es Kritik – mehr Hilfesysteme sind mittlerweile Standard im Genre, die Puzzles sind bisweilen nicht ganz logisch und die Minigames stoppen einerseits den Fortschritt im Spiel und gefallen wohl nicht jedem Spieler. Dennoch: Das Spiel hat Charme und ist zum Budget-Preis erhältlich – Adventure-Fans können hier definitiv zuschlagen.

Genre: Adventure
Entwickler: Common Colors, Application Systems Heidelberg
System: PC
Erscheint: erhältlich
Preis: ca. 30 Euro

 

Florian Scherz

Bereits früh entwickelte Florian zwei große Leidenschaften: Videospiele und Theater. Ersteres brachte ihn zu einem Informatikstudium und zu Jobs bei consol.MEDIA und Cliffhanger Productions; zweiteres lässt ihn heute (unter anderem) als Schauspieler, Regisseur, Komponist und Lichtdesigner arbeiten. Wenn er gerade keine Musicals inszeniert, spielt oder schreibt, vermisst er auf Shock2 Videospiele von anno dazumal in seiner Blog-Reihe "Spiele, die ich vermisse".

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