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Review: Loco Motive

Mord im Retro-Express

Pixel-Adventures sind ein Relikt aus längst vergangenen Spieletagen? Mag sein – und doch haben sie ihren ganz eigenen Charme, der auch heute, über 30 Jahre seit ihrer Blütezeit in den frühen 1990ern, viele Fans hat. Kein Wunder, dass immer wieder neue Spiele erscheinen, die mit der Optik und dem (wenn auch meist modernisierten) Spielgefühl von Anno Dazumal punkten wollen. Ein aktueller Vertreter hört auf den Namen Loco Motive – und wir haben uns für euch auf eine ereignisreiche, spannende und durchaus witzige Zugreise begeben, um herauszufinden, ob hinter diesem Spiel mehr als nur Nostalgie wartet.

Mord im Reuss Express

Eigentlich hätte es ein feierlicher Moment sein sollen – auch wenn das Chaos schon vorprogrammiert war: Die reiche Lady Unterwald sollte eine große Rede halten, die ihr Testament ein für alle Mal klarstellen würde. Doch dann kam alles anders: Die ältere Dame wird mitten in ihrer Rede beim Durchfahren eines Tunnels getötet – und es liegt in den Händen von gleich drei Charakteren, das Mysterium zu lösen: Anwalt und Bürokratie-Fan Arthur A. Ackermann, der sich eigentlich um das aktuelle Testament von Lady Unterwalt kümmern sollte – wenn er es nicht verloren hätte; Krimi-Autor und Hobbydetektiv Herman Merman, der ambitioniert, aber mit der Situation völlig überfordert ist; und I.R.S.S-Agentin Diana Osterhagen, die sich endlich auch bei einem Einsatz beweisen möchte. Können sie den Fall aufklären?

Brutal oder gemütlich?

Auch wenn ein Krimi mit einem Mordfall im Zentrum auch zu einer düsteren, eher trockenen Interpretation einladen könnte, haben sich die Macher von Loco Motive für einen anderen Ansatz entschieden: Euch erwarteten bunte Pixeloptik, die an klassische Point’n’Click-Adventures der Vergangenheit erinnert, sowie schräge Charaktere und Situationen, die weniger düstere Stimmung denn ein amüsant/leichtes Flair aufkommen lassen – dieser Mordfall ist definitiv weniger blutig (das wenige Blut lässt sich in den Einstellungen übrigens herunterdrehen) denn abgedreht. Dazu kommt noch eine etwas eigenwillige Erzählweise: Wir spielen zunächst die Geschichte eines Protagonisten, bevor wir die Geschichte erneut und aus einer anderen persönlichen Perspektive sehen. Das bedingt allerdings, dass die Story nach rund einem Drittel eine Vollbremsung hinlegt, bevor wir zwar die – durchaus wichtigen – Hintergründe zu einigen Ereignissen erfahren und auch sonstige Lücken gefüllt werden, aber die Auflösung des Falls wieder in die Ferne rückt. Je nach persönlicher Vorliebe ist die Art, die Geschichte zu erzählen, deshalb frustrierend, wenn man eigentlich nur wissen will, worauf die Story hinausläuft, oder motivierend, weil es mit unzuverlässigen Erzählern spielt, die alle denselben Fall erlebt haben, aber ihre ganz eigene Perspektive mitbringen. So oder so liefert die Erzählweise aber auch einige humorige Inhalte, wenn man erfährt, wie Situationen, die man vorher lösen musste, überhaupt erst entstanden sind. Schade nur, dass dabei eine Figur deutlich weniger Inhalte bekommt als die anderen, bevor die drei Protagonisten im großen Finale endlich zusammenarbeiten dürfen. Übrigens: Falls das nach einem (für das Genre) langen Spiel klingt, habt ihr durchaus recht: Die Entwickler versprechen rund 15 Stunden Spielzeit, wir haben nach knapp 11 den Abspann gesehen.

Rätseln, dass sich die Schienen biegen

Es kann keinen Krimi ohne Verbrechen geben – und kein Adventure ohne Puzzles. Veteranen des Genres werden sich schon bei der Beschreibung von schrägen Charakteren und Situationen gedacht haben, dass das Spiel auch bei den Rätseln nicht bierernst sein wird – und das zurecht: Die Puzzles schwanken von „sehr logisch, dafür musste ich nur ein wenig im Zug herumlaufen“ bis „wie hätte ich das erraten sollen“, was aber nicht nur daran liegt, dass manche Ideen ein wenig zu sehr an den Haaren herbeigezogen sind, sondern auch daran, dass das Spiel uns manchmal tatsächlich in die Irre führt. Einen gewissen Anteil daran hat ausgerechnet das Hint-System, bei dem wir uns per Telefon Hinweise für die gerade anstehenden Aufgaben holen können. Generell hilfreich (und bei nochmaligem Nachfragen immer konkreter), hatten wir sowohl die Situation, dass das Spiel annahm, dass wir ein Puzzle schon gelöst hatten, oder uns anwies, Sachen zu besorgen, die wir schon hatten, wenn wir eigentlich lieber einen Hinweis gehabt hätten, was damit zu tun ist. Das Hint-System ist aber nicht das einzige an Loco Motion, das ein wenig Polishing vertragen hätte: Wir hatten zwar nur einen Hänger, bei dem das Spiel nach einer Anweisung einfach stecken blieb und die Aktion nicht durchführte, aber uns auch keine andere Eingabe machen ließ, aber dafür zumindest einen Raum, in dem wir eindeutig „falsch“ hinter einem Objekt standen. Zum Glück sind diese Fehler meist eher kosmetisch – und das regelmäßige Autosave verhindert erfolgreich, dass wir Fortschritt verlieren. Ähnliches gilt scheinbar auch für die (von uns nicht getestete) Switch-Version. Hier berichten Reviews aber auch von abgeschnittenen Textboxen und ähnlichen kleineren grafischen Problemen.

Nicht nur Retro

Nur wenige Beanstandungen gibt es übrigens über die deutsche Übersetzung: Klar, der Humor des Spiels ist wohl generell nicht jedermanns Sache (und dass man hier bei der deutschen Version bisweilen tricksen musste, fällt schon deshalb auf, weil nur die Texte auf Deutsch verfügbar sind, während die Sprachausgabe englisch bleibt, was insbesondere bei einem Reim-Rätsel ein wenig verwirrend sein kann), und auch hier fallen eher gegen Ende ein paar kleinere Fehler auf, aber dennoch ist das Resultat (gemeinsam mit dem Voice-Acting) gelungen atmosphärisch und haucht den schrägen Figuren Leben ein. Zum Glück macht man auch bei der Steuerung keine großen Experimente – am PC kommt das Spiel mit zwei Maustasten aus, um unterschiedliche Aktionen auf den diversen Hotspots zu starten (alternativ gibt es aber auch eine Controller-Steuerung). Apropos Hotspots: Das Spiel bietet eine durchaus zeitgemäße Anzeige der Objekte, mit denen wir interagieren können, schränkt aus irgendeinem Grund diese vor allem in Szenen mit vielen Punkten auf jene in unserem unmittelbaren Umfeld ein. Das kann durchaus verwirrend sein, vor allem, wenn man glaubt, man hat alles abgearbeitet, aber dann durch Zufall entdeckt, dass es da mehr gegeben hätte. Aber auch hier: Ärgerlich? Ja. Wirklicher Dealbreaker? Keineswegs. Dafür hatten wir einfach zu viel Spaß mit Loco Motive.

Fazit:

Wertung: - 8.5

8.5

Adventure wie anno dazumal

Loco Motive vermischt die Tugenden von früher mit modernen Elementen zu einem gelungenen, humorigen Krimi-Mix mit schrägen Charakteren und bisweilen noch schrägeren Aufgaben. Abzüge in der B-Note gibt es für einige kleinere Bugs, bisweilen gar obskure Puzzles, ein nicht immer hilfreiches Hint-System und die nicht perfekt gelöste Hotspot-Anzeige. Klar: Wer schon immer mit den Adventures auf Kriegsfuß stand, wird auch hier nicht bekehrt werden. Wer hingegen darüber hinwegsehen kann und eine Rückkehr zu jenen Tugenden, die das Adventure dereinst groß gemacht haben, erleben will, ist hier richtig - und das auch noch zum kleinen Preis. Deshalb: Weiter so!

Genre: Adventure
Entwickler: Robust Games
Erscheint: erhältlich
System: PC, Switch
Preis: ca. 20 €

Florian Scherz

Bereits früh entwickelte Florian zwei große Leidenschaften: Videospiele und Theater. Ersteres brachte ihn zu einem Informatikstudium und zu Jobs bei consol.MEDIA und Cliffhanger Productions; zweiteres lässt ihn heute (unter anderem) als Schauspieler, Regisseur, Komponist und Lichtdesigner arbeiten. Wenn er gerade keine Musicals inszeniert, spielt oder schreibt, vermisst er auf Shock2 Videospiele von anno dazumal in seiner Blog-Reihe "Spiele, die ich vermisse".

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