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Review: Microsoft Flight Simulator (Xbox Series)

Auch auf den Konsolen ist die Freiheit über den Wolken grenzenlos

Als der Microsoft Flight Simulator enthüllt wurde, war es eine doppelte Sensation: Erstens hatten Fans des berühmten Flugspiels gar nicht mehr auf einen Nachfolger gehofft, da Microsoft nach dem Flight Simulator X und Microsoft Flight scheinbar die Lust am gemütlichen Reisen über den Wolken verloren hatte; zweitens aber hatte wohl kaum jemand damit gerechnet, dass die alt-ehrwürdige Serie den Sprung vom PC auf die Konsole wagen würde. Ein Spiel, das für seine Komplexität berühmt ist und optimalerweise Sticks, Schubregler und Pedale mit vielen Knöpfen und/oder zumindest eine Tastatur benötigt, auf einer Konsole, wo die Minimalanforderung „muss auch nur mit einem Controller steuerbar sein“ ist? Jetzt, fast ein Jahr nach dem PC-Release, ist auch der lang ersehnte Port da – und damit muss die Frage erlaubt sein: Kann der Flight Simulator auch auf der Xbox Series überzeugen?

Nur Fliegen ist schöner?

Eines vorweg: Auch auf der Xbox haben wir es im Grunde genommen mit demselben Flight Simulator wie auf dem PC zu tun. Wir verweisen deshalb auf unser Review der PC-Fassung und gehen im Folgenden vor allem auf die Unterschiede beziehungsweise Änderungen ein, die es im vergangenen Jahr und auch direkt für den Konsolenrelease gab. Denn eines ist vom ersten Moment an klar: Dieser Flight Simulator ist nicht im Anflug auf die Xbox, um Kompromisse einzugehen. Hier werden kleine Propellermaschinen ebenso simuliert wie große Verkehrsmaschinen, Cockpits realistisch abgebildet, die ganze Welt mithilfe von Satellitenbildern (und der Power der Cloud, weshalb der Online-Modus empfehlenswert ist, auch wenn es eine Offline-Option mit größerer Installation gibt) dargestellt; wer möchte, kann ebenso Sehenswürdigkeiten überfliegen (hier helfen auch die mittlerweile verfügbaren Regionen-Updates, die gewisse Teile der Erde detaillierter darstellen) wie nach seinem Haus suchen (auch wenn es aufgrund der verwendeten Algorithmen nicht exakt wie euer Zuhause aussehen wird, sondern nur dessen Grundriss folgt) oder sich mit den komplexen Flugsystemen eines modernen Jets auseinandersetzen. Was am PC möglich war, ist es auch auf der Konsole. Und das ist definitiv positiv zu sehen. Allen Unkenrufen zum Trotz wurde hier nicht für eine Konsole „verdummt“, sondern die volle Experience abgeliefert.

Einsteigerfreundlich …

Der vielleicht größte Vorteil der Konsole: Die PC-Version ist in optimaler Optik selbst für aufgerüstete Windows-Rechner eine Herausforderung. Großstädte lassen die Framerate einbrechen, schwächere PCs bekommen schon früher im Tiefflug mehr oder weniger große Probleme. Die Konsole muss zwar an einem Punkt Abstriche machen – die Target-Framerate liegt bei 30 statt 60 FPS –, aber das ist bei einem langsamen Spiel, wie es der Flight Simulator nun einmal ist, bei weitem nicht so schlimm, wie es sich anhört. Auf der anderen Seite bekommt ihr vor allem mit der Series X ein grafisches Flugerlebnis, wie es in derselben Preisklasse am PC-Sektor nur schwer erreichbar wäre (auch wenn es nach wie vor zu Framerate-Drops kommen kann). Und auch die Series S muss nicht viele Abstriche machen, was die Konsolenvariante sicherlich zu einer optimalen, weil kostengünstigen Einsteigervariante ins Flight Simulator-Leben macht.

Zu dieser Einsteigerfreundlichkeit gehört auch, dass der Flight Simulator mit einem Controller komfortabel zu steuern ist. Ja, diese Möglichkeit gab es natürlich auch schon am PC, aber hier bekommt sie noch einmal deutlich mehr Fokus, da der Controller jenes Eingabegerät ist, das jeder Konsolenbesitzer hat und damit erste Wahl ist. Und wie schlägt sich die Gamepad-Steuerung? Gar nicht mal schlecht. Vor allem für Einsteiger sind alle wichtigen Funktionen im Default-Setup schnell zu finden, auch wenn die Vielzahl an Optionen zahlreiche Doppelbelegungen, bei denen die Schultertasten als Modifikatoren dienen, bedingt. Geht man ein wenig weiter in die Tiefe, stößt man aber auf ein klassisches Problem eines PC-Ports: Viele Teile des Cockpits wollen angeklickt, Computer programmiert, Autopiloten bedient werden. Das war am PC ein klassischer Fall dafür, mit dem Mauszeiger im virtuellen Cockpit herumzuklicken, während man mit dem Stick das Flugzeug gerade hielt. Mit dem Controller muss man auf den Cursormodus wechseln, in dem man dann mit dem Stick den Cursor bewegt (und dann natürlich nicht mehr das Ruder steuern kann) und so das Flugzeug bedient. Microsoft hat allerdings mitgedacht und KI-Assistenten eingebaut, die euch in solchen (oder ähnlichen) Situationen helfen können. Generell gibt es aber dennoch so einige Momente, bei denen man merkt, dass der Flight Simulator vor allem für den PC samt Maussteuerung designed wurde – auch die Menüs wurden zum Beispiel 1:1 übernommen und nicht überarbeitet. Nein, auch das ist kein Reinfall, sondern wirkt nur nicht besonders optimiert – und man kann natürlich Abhilfe schaffen, indem man Maus (und Keyboard) an die Konsole anschließt. Apropos anschließen: Für das volle Flugerlebnis bietet es sich natürlich an, dann doch auf einen ordentlichen, mit der Konsole kompatiblen Flightstick zu setzen – mit Schubregler, zahlreichen Buttons und Flughorn oder Joystick ist die Pilotenerfahrung natürlich deutlich näher an der Realität. Leider gibt es noch nicht viele kompatible Eingabegerät und auch die Verfügbarkeit ist begrenzt.

… oder doch nicht?

Damit sind wir aber schon im Bereich für all jene gekommen, die vielleicht mehr vom Flight Simulator erwarten – und damit an jenem Punkt, an dem das Spiel einen Spagat hinlegt. Microsoft weiß, dass man sowohl Gelegenheitsspieler als auch anspruchsvollere Simulatorfans ansprechen muss, wenn ihr Flugsimulator ein Erfolg sein will. Grundsätzlich gelingt das den Entwicklern – allerdings mit einer großen Grauzone dazwischen, in der man sich ein wenig im Stich gelassen fühlt. Grundsätzlich haben die Entwickler zwar im Vergleich zum PC-Release einige Verbesserungen angebracht, doch etliche Probleme, die wir schon damals kritisierten, sind noch immer ungelöst. Das zeigt sich zum Beispiel wie folgt: Die Einsteigerexperience wurde deutlich verbessert – es gibt nun zum Beispiel die Möglichkeit, auf ganz einfache Weise schön anzusehende Flugrunden bei bekannten Sehenswürdigkeiten wie den Pyramiden zu drehen Das funktioniert auch für Anfänger problemlos und passt zu dem „einfach mal ein wenig herumfliegen“, das sich viele Spieler wünschen. Auch die Flugschule wurde verbessert, teilt die bisherigen Lektionen in kleinere Bissen auf, vergibt motivierende Punkte und erweitert den Kursumfang sogar geringfügig. Aber dennoch ist es nicht genug: Zwar wird neuerdings sogar noch kurz auf zumindest den Airbus A320 NEO eingegangen, aber hier wird schon mit nicht erklärten Fachbegriffen herumgeworfen und dennoch nur an den nötigsten Grundlagen gekratzt. Von einer ausführlicheren Flugschule für alle Eventualitäten, wie sie noch der Flight Simulator X bot, sind wir noch immer meilenweit entfernt.

Und das führt zu der schon im vorherigen Absatz erwähnten Diskrepanz: Einsteiger werden sehr schnell Erfolgserlebnisse sammeln, aber all jene, die etwas mehr von ihrem Spiel erwarten, sehen sich plötzlich einer sehr steilen Lernkurve gegenüber, bei denen sie der Flight Simulator nicht unterstützt. Hier ist man auf die Community und zum Beispiel Videos von echten Piloten angewiesen, die jene Lücken füllen, die das Spiel offen lässt. Natürlich: Sieht man sich jene Materialien an, hört man oft die Begeisterung dieser Experten, wie genau die Flugzeuge beziehungsweise die Cockpits dahinter simuliert werden (auch wenn es Auslassungen und Abweichungen gibt) – man kann dem Flight Simulator also nicht vorwerfen, die komplexe Luftfahrt zu sehr vereinfachen zu wollen. Dennoch macht man es den Spielern unnötig schwer, das nötige Level zu erreichen, um diese Komplexität auch wirklich genießen zu können. „Easy to learn, hard to master“ trifft also auch auf der Konsole noch auf das Spiel zu – und das ist ausnahmsweise nicht ganz so positiv gemeint, wie bei vielen anderen Titeln.

Fazit

Wertung - 9

9

Nur Fliegen ist schöner!

Schon bei der PC-Version habe ich dem Spiel attestiert, dass es ein gewaltiger Schritt nach vorne für die Reihe ist. Das muss ich umso mehr bei der Konsolenversion sagen, denn jetzt gelingt es auch, den Flight Simulator gekonnt auf die Xbox Series zu portieren und mit NextGen-Power vielleicht neue Spieler für den alt-ehrwürdigen Flugsimulator zu begeistern – dank Gamepass ist es ja wirklich kein Problem mehr, kostengünstig einfach mal ein paar kurze Runden zu fliegen. Diese Einsteigerexperience ist wirklich gelungen – kurze Touren in der Nachbarschaft oder rund um Sehenswürdigkeiten (hier kann euch auch ein Autopilot unter die Arme greifen) gelingen schnell und die Controllersteuerung erfüllt ihren Zweck vollkommen. Auch grafisch muss die Konsolenfassung gegenüber der PC-Version kaum Abstriche machen und kann sich aufgrund des günstigeren Preises der Konsole im Vergleich zu einem ähnlich leistungsfähigen PC auch als Einsteigeralternative für Flight Simulator-Fans platzieren. Damit nicht genug – denn damit würde man sich noch „nur“ auf der Höhe eines grafisch deutlich verbesserten MS Flight bewegen – hat man aber auch die Profis nicht vergessen, die wirklich wissen wollen, wie man mit einem Airbus A320, einem Dreamliner oder auch Kunstfliegern über den Wolken unterwegs ist – auch hier hat man sich ganz klar um Realismus bemüht. Jetzt wird es nur noch in den nächsten Wochen, Monaten und Jahren nötig sein, Einsteigern diesen Sprung in den Profiflug zu ermöglichen, wenn es nicht bei ein paar schön anzusehenden Platzrunden bleiben soll. Hier sollte Microsoft definitiv nachbessern – das wäre vermutlich auf lange Sicht wichtiger als (schön anzusehende) grafische Updates für einzelne Regionen, die jetzt schon (wie auch schon in der PC-Version) herunterladbar sind.

Genre: Simulation
Entwickler: Asobo
System: Xbox Series (PC schon erhältlich)
Erscheint: 27. Juli 2021
Preis: ab ca. 70 Euro oder Gratis im Gamepass

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Florian Scherz

Bereits früh entwickelte Florian zwei große Leidenschaften: Videospiele und Theater. Ersteres brachte ihn zu einem Informatikstudium und zu Jobs bei consol.MEDIA und Cliffhanger Productions; zweiteres lässt ihn heute (unter anderem) als Schauspieler, Regisseur, Komponist und Lichtdesigner arbeiten. Wenn er gerade keine Musicals inszeniert, spielt oder schreibt, vermisst er auf Shock2 Videospiele von anno dazumal in seiner Blog-Reihe "Spiele, die ich vermisse".

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