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Review: Egde of Eternity

Ambition ist viel, aber nicht alles

Ein Rollenspiel im modernen JRPG-Stil braucht ein großes Budget und ein noch größeres Team? Mitnichten, wenn man sich Edge of Eternity ansieht: Ein kleines französisches Team versucht sich mit umso größeren Ambitionen und Crowdfunding an einem JRPG einer Größenordnung, an der schon so manche größeren Entwickler scheiterten. Doch ist das Resultat auch gelungen? Wir haben uns das Indie-Rollenspiel angesehen.

Alles im Mixer

Der Beginn des Spiels könnte ein wenig für Verwirrung sorgen: Ist Edge of Eternity denn ein Fantasy-Spiel? Oder haben wir es hier mit einem SciFi-Spiel zu tun? Edge of Eternity lässt sich nicht ganz so einfach in eine Schublade stecken, sondern bedient sich gleich aus beiden Töpfen: So zeigt uns das Intro zunächst eine Alien-Invasion, die die Bewohner Heryons unerwartet trifft, während die eigentliche Spielwelt und die Charaktere darin eher Fantasy-Vibes verströmen. Aber hey, warum sollen auch immer nur fortschrittliche oder zumindest nahezu auf aktuellem technischem Niveau stehende Zivilisationen auf Aliens treffen? Trotz der technischen Überlegenheit fällt es den Invasoren zunächst schwer, Heryon zu unterwerfen – bis sie auf eine mächtige Waffe setzen: die Zersetzung, ein biologischer Kampfstoff, der jene, die damit in Kontakt kommen, mutieren lässt. Und hier kommt ihr ins Spiel: Ihr schlüpft in die Rolle des jungen Soldaten Daryon, dessen Mutter infiziert wurde. Doch es gibt noch Hoffnung: Seine Schwester Selene, eine Priesterin, glaubt, einem Gegenmittel auf die Spur gekommen zu sein. Nach einem fatalen Angriff der Invasoren auf seinen Trupp, der als reichlich düsteres Tutorial dient, desertiert der junge Soldat und macht sich auf, gemeinsam mit Selene die Zersetzung aufzuhalten.

Unterwegs

Die Abenteuerreise, die euch rund 40 Stunden beschäftigen wird, führt euch durch zahlreiche Gebiete, die so einiges an (Landschafts-)Schauwert bieten – eine überraschende Qualität für ein kleines Entwicklerteam, die leider nicht ohne Schattenseiten bleibt: Die Landstriche sind oft zu weitläufig und leer und man würde sich wünschen, dass das Team den Rotstift angesetzt, so manchen Bereich zusammengekürzt und die dadurch freiwerdenden Ressourcen in andere Spielbestandteile investiert hätte. Das gilt generell, denn das Schema „in einigen Dingen genial, in anderen eher Mittelmaß“ zieht sich durch das ganze Spiel. So bekommen wir dynamisches Wetter und einen Tag-/Nachtwechsel, der wirklich schön anzusehen ist, dafür ist das Charakterdesign vor allem bei den NPCs generisch und lieblos. Ähnlich durchwachsen ist auch die Audio-Seite: Die englischen Sprecher machen teilweise einen guten Job, andere sind verbesserungsfähig; auf der Musikseite konnte man Yoshinori Mitsuda (u.a. Chrono Trigger, Xeno-Serie) verpflichten, der für große Soundtracks steht – aber auch er liefert hier kein neues Highlight ab. Auch die Story wirkt an manchen Stellen, als hätte man einfach zu viel gewollt und zu viele Dinge für ein zu kleines Team in das Spiel hineingepackt, auch wenn man hier – wie auch an vielen anderen Stellen – die Ambition des Entwicklers bewundern muss. Von Totalversagen ist man trotz all dieser Kritik nämlich weit entfernt.

Taktik gefragt

Ein Feature, wo es tatsächlich kaum etwas zu meckern gibt, ist das Kampfsystem. Auf dem ersten Blick mag dieses nach einem Final-Fantasy-artigen ATB-Kampfsystem wirken: Sobald der Zugbalken des Charakters gefüllt ist, entscheidet man sich für Angriffe, Verteidigungshaltung oder Einsätze von Items oder Zaubern aus dem Arsenal. Auf den zweiten Blick jedoch entdeckt man die tiefgreifendere taktische Komponente. Die diversen Rollen der Charaktere sind ebenso wichtig wie ihre Positionen – die Gefechte finden nämlich ähnlich wie bei einem Taktik-RPG auf Hexfeldern statt. Wie gelingt ein Flankenangriff, wie kann man einer gegnerischen Aktion doch noch ausweichen? Gibt es gar auf dem Schlachtfeld Orte, wo man spezifische Aktionen setzen kann? All diese Dinge müssen abgewogen und berücksichtigt werden – das macht tatsächlich Spaß und motiviert mehr, als man sich vielleicht denkt. Ob es allerdings genug ist, um über die restlichen Problemstellen hinwegsehen zu können, muss jeder für sich herausfinden. Unser Tipp: Eventuell noch abwarten, denn die Entwickler versprechen, noch einiges an Polishing nachzuliefern.

Fazit

Wertung - 7

7

Ambition ist nicht alles

Man muss Midgar Studio Respekt zollen: Ein Spiel dieses Umfangs mit einem nur rund zehn Personen starken Kernteam aus dem Boden zu stampfen und dann diese Qualität abzuliefern ist bemerkenswert. Leider muss man aber festhalten, dass diese Bewunderung allein nicht genug ist – man muss das Spiel dann doch auch objektiv mit der Konkurrenz vergleichen. Und da frage ich mich dann doch: Wäre nicht weniger doch mehr gewesen? Hätte man dieselben Leute mit demselben Ehrgeiz auf ein kleineres, kompakteres Spiel losgelassen, wäre es vielleicht mit mehr Leben erfüllt, einige Mankos ausgemerzt und so manche Qualitätsschwankung nicht vorhanden? Hätte man hingegen für dieses Konzept nicht ein größeres Team gebraucht, sodass ein runderes Spiel herausgekommen wäre? So ist Edge of Eternity ein interessantes Projekt mit allzu vielen Ecken und Kanten, die allerdings manchmal zu stark herauskommen, um uns wirklich mitzureißen. Wer sich allerdings dafür interessiert, was zehn Mann auch heute noch leisten können: Probiert es aus und lasst euch überraschen. In dieser Hinsicht ist Edge of Eternity nämlich wirklich begeisternd.

Genre: Rollenspiel
Entwickler: Midgar Studio
System: PC
Erscheint: erhältlich
Preis: ca.  30 Euro

 

Florian Scherz

Bereits früh entwickelte Florian zwei große Leidenschaften: Videospiele und Theater. Ersteres brachte ihn zu einem Informatikstudium und zu Jobs bei consol.MEDIA und Cliffhanger Productions; zweiteres lässt ihn heute (unter anderem) als Schauspieler, Regisseur, Komponist und Lichtdesigner arbeiten. Wenn er gerade keine Musicals inszeniert, spielt oder schreibt, vermisst er auf Shock2 Videospiele von anno dazumal in seiner Blog-Reihe "Spiele, die ich vermisse".

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