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Review: Dune (spoilerfrei)

Hört ihr den Ruf der Sandwürmer?

Intrigen. Verrat. Rivalisierende Häuser und Fraktionen mit mysteriösen Agenden. Mit „Dune – der Wüstenplanet“ erschuf Frank Herbert eine Buchreihe, die großen Einfluss auf nachfolgende Genrewerke haben sollte. Kein Wunder, dass mehrfach versucht wurde, zumindest den ersten Band zu verfilmen – mit wechselhaftem Erfolg. Alejandro Jodorowsky scheiterte in den 70ern, ohne überhaupt zu drehen begonnen zu haben; eine Miniserie des Sci-Fi-Channels Anfang des Jahrtausends war immerhin erfolgreich genug, dass man ein Sequel produzierte (und dafür den zweiten und dritten Band zur Vorlage nahm). Am bekanntesten ist aber wohl die Verfilmung von David Lynch, die 1984 an den Kinokassen floppte, aber Kultstatus erlangte und für Jahre den Stil vorgab, den Umsetzungen in anderen Medien (unter anderem als Videospiele) verwendeten, wenn es ins Universum des Wüstenplaneten ging. Kann Denis Villeneuve (The Arrival, Blade Runner 2049) nun die definitive Dune-Verfilmung vorlegen oder scheitert er wie seine Vorgänger?

Das Spice muss fließen

Wir schreiben das Jahr 10190. Nachdem das Haus Harkonnen über Jahrzehnte das Lehen über Arrakis hielt und den Planeten mit brutalen Methoden ausbeutete, wurde es nun dem Haus Atreides überantwortet. Arrakis – auch Dune genannt – ist sowohl eine Bürde als auch eine Chance auf große Reichtümer, denn nur auf diesem harschen Wüstenplaneten mit gewaltigen Sandstürmen, gefährlichen Sandwürmern und den wilden Ureinwohnern, den Fremen, findet sich die wertvollste Substanz des Universums: das Spice. Dieses Gewürz kann nicht nur lebensverlängernd wirken, sondern wirkt auch als bewusstseinserweiternde Droge und ermöglicht den Navigatoren der Raumfahrergilde, in Windeseile gewaltige Distanzen zurückzulegen. Doch steckt hinter dieser Würde in Wahrheit eine Falle für das populäre Haus Atreides? Welche mysteriösen Fähigkeiten stecken im Sohn des Herzogs, Paul, der von seiner Mutter in den Wegen der Bene Gesserit ausgebildet wurde und vielleicht das Resultat eines jahrhundertelangen Zuchtprogramms des geheimnisumwobenen Frauenordens ist? Und was bedeuten Pauls Träume von einem ihm unbekannten Fremen-Mädchen und einem gewaltigen Krieg in seinem Namen?

Der Schläfer muss erwachen

Ihr seht wohl schon in dieser Zusammenfassung (in der wir, um möglichst spoilerfrei zu bleiben, kaum an der Oberfläche gekratzt haben): Dune ist keine simple Abenteuergeschichte, sondern ein komplexes Werk mit etlichen Fraktionen und Personen, die ihre ganz eigenen Ziele verfolgen. Die Handlung des Romans in einen Film zu quetschen, ohne die Seele des Materials zu verlieren, ist eine Aufgabe, mit der – siehe Einleitung – schon einige Filmemacher gekämpft haben. Denis Villeneuve hat sich allerdings entschieden, es gar nicht erst zu versuchen: Seine Dune-Verfilmung verrät schon innerhalb der ersten Minuten, dass man nur „Teil eins“ abliefert – und damit ist nicht gemeint, dass man hier schon das Versprechen abgibt, im Anschluss den zweiten Band umzusetzen, sondern dass man in den folgenden zweieinhalb Stunden nur etwas mehr als die Hälfte des ersten Romans auf der Leinwand sehen wird. Das ist – gleich vorweg – sowohl Fluch als auch Segen für diese Umsetzung. Ein Segen, weil es dem Film Zeit gibt, die Vielzahl an Charakteren einzuführen und vorzustellen, ohne gehetzt von notwendigem Plotpoint zum nächsten Story-Beat zu springen, um die Handlung in einer sinnvollen Laufzeit präsentieren zu können. Der Film lässt sich Zeit und bietet auch einige nette Details für Romankenner. Andererseits könnte diese Teilung zum Fluch werden, wenn der Film kein Erfolg an den Kinokassen werden sollte (und wir alle wissen, dass dank der Pandemie momentan bei weitem nicht die Einspielergebnisse erzielt werden, die die Studios gerne sehen würden): Zwar laufen bereits die Vorarbeiten für Teil zwei, aber ob dieser auch wirklich gedreht wird, entscheidet der Ticketverkauf. Das Risiko, dass Pauls Geschichte mitten in der Handlung endet, ist leider durchaus gegeben. Und das wäre ungefähr so, als hätte Peter Jacksons Herr der Ringe mit dem Abspann von „Die Gefährten“ geendet.

Doch auch innerhalb des Films ist die Teilung des Films nicht ohne Konsequenzen. Dune: Teil eins fühlt sich in manchen Punkten an, als wäre er vor allem das Setup für Ereignisse, die irgendwann später eintreten werden. Ja, manche werden bis zum Ende des Films stattgefunden haben, andere greifen aber auf die zweite Hälfte des Plots oder sogar schon das zweite Buch vor. Natürlich entspricht das der Handlung des Buches und es liegt in der Natur einer Erzählung, dass sich die Geschichte vom Anfang bis zum Ende aufbaut. Und wir werden auch auf dem Weg gut unterhalten, keine Frage. Aber es sorgt auch dafür, dass man das Kino mit dem Gefühl verlässt, dass man gerne schon wissen würde, dass der zweite Teil es auch wirklich auf die Leinwand schafft oder – noch besser – gleich gemeinsam mit der ersten Ausgabe gedreht worden wäre, sodass das Sequel in absehbarer Zeit zu sehen sein wird.

Was ist der Sohn anderes als das Abbild des Vaters?

Dass das Team durchaus vorhat, einen zweiten Teil zu drehen, merkt man wohl auch daran, dass zum Teil große Namen für (noch) kleine Rollen gecastet wurden. Das trifft insbesondere auf Javier Bardem (als Stilgar), aber auch auf Zendaya (als Chani) zu, die trotz prominenter Platzierung auf den Kinoplakaten nur wenig Screentime bekommen. Ist das in diesem Fall durch den Plot bedingt, wundert es ein wenig, dass Villeneuve auch andere bekannte Figuren eher im Hintergrund lässt. Baron Harkonnen (Stellan Skarsgard) bleibt gegenüber seinem Neffen Rabban (Dave Bautista) ungewöhnlich blass; auch der in der Lynch-Verfilmung eine markante Rolle spielende Harkonnen-Mentat Piter de Vries ist eher eine Figur, bei der Buchkenner kurz wissend nicken werden, während Uneingeweihte ihn kaum bemerken werden. Allerdings zeigen gerade diese Figuren auch, dass Villeneuve einen ganz anderen Film als Lynch abliefern wollte: Der 80er-Film lieferte teils groteske Fantasiewelten und bisweilen stark überzeichnete Figuren; als Kontrast stellt der 2021er-Streifen die Menschen in den Vordergrund und lässt – sofern das Script das zulässt – die Schauspieler statt dem Spektakel glänzen.

Insbesondere gelingt das auf Seite der Atreides: Josh Brolin als Gurney Halleck und vor allem Jason Momoas Duncan Idaho dürfen glänzen und bekommen auch einige der wenigen humorvollen One-Liner in dem ansonsten atmosphärisch dichten, ernsthaften Film; Oscar Isaac gibt einen würdevollen, noblen Leto Atreides, dem man die Last seines Amts abnimmt; und Rebecca Ferguson (Lady Jessica) und vor allem Timothèe Chalamet (Paul) stemmen den Großteil des Plots und überzeugen als Mutter, die zwischen der Liebe zu ihrer Familie und ihrer Bene Gesserit-Erziehung hin- und hergerissen ist, und dem eigentlichen Protagonisten der Handlung, dem trotz seines jungen Alters zunehmend bewusst wird, welch Rolle das Schicksal für ihn und seine Fähigkeiten auserkoren hat. Etwas unverständlich ist allerdings, warum Chang Chen als Dr. Yueh so wenig Raum gegeben wird. Auch warum man aus Dr. Liet-Kynes (Sharon Duncan-Brewster) in dieser Verfilmung eine Frau machte erschließt sich nicht zwingend. Zwar schadet es nicht, in dem männnerdominierten Film eine weitere weibliche Figur zu haben, aber ein neuer Spin, der ganz klar sagt „deshalb haben wir in diesem Film eine Frau für diese Rolle gewählt“, fehlt.

Ich darf mich nicht fürchten. Die Furcht tötet das Bewusstsein

Neben der ausgezeichneten Besetzung bietet Dune aber auch etliche Schauwerte. Das gilt vor allem für die Landschaften von Caladan (der wasserreichen Heimatwelt der Atreides) und natürlich des Wüstenplaneten selbst. Villeneuve und sein Team spielen mit der Größe der Leinwand und bieten einige imposante Einstellungen – der Regisseur log nicht, als er erklärte, dass dieser Film fürs Kino und nicht für den Fernseher gemacht wurde. Dagegen wirken Technik und auch die Architektur bisweilen eher zweckdienlich, bewohnt und technisch unaufgeregt (von den Ornithoptern vielleicht abgesehen). Aber auch das passt zu dem Film, in dem nicht die Technik, sondern die Menschen im Mittelpunkt stehen – und es gibt der Welt eine gewisse Authentizität, wie sie im Sci-Fi-Genre nicht selbstverständlich ist. Auch das unterscheidet den aktuellen Film von der Lynch-Version, die andere, spektakulärere Schauwerte und die Fremdheit der Welt in den Fokus rückte, während Villeneuve in einigen Momenten zeigt, dass die Geschichte zwar weit in der Zukunft, aber dennoch in unserer Realität spielt. Was man bevorzugt, ist Geschmackssache. Geschmackssache ist auch der Soundtrack von Hans Zimmer, der den Vergleich mit der Lynch-Filmmusik von Toto und Brian Eno antreten muss. Zimmer liefert deutlich orientalischere, immer passende Klänge ab, aber ob der Soundtrack den Kultstatus seiner Vorgänger (oder auch einiger anderer Werke aus seiner Schmiede) erreicht, wird sich erst weisen müssen. Aber das gilt für den ganzen Film: Villeneuves Vision unterscheidet sich einfach deutlich von der von David Lynch und liefert aus dem gleichen Ausgangsmaterial ein völlig anderes Werk ab: Nüchterner, authentischer und realistischer, vielleicht mit weniger Potenzial zum Kultfilm, aber sehr gelungen und näher am Original.

Fazit

Wertung - 9

9

Wo bleibt das Sequel?

Ich möchte mein persönliches Fazit mit einer kurzen Einordnung beginnen: Ich bin ein großer Dune-Fan, der die Romanreihe mehrfach verschlungen und knapp vor dem Kinobesuch einen neuen Durchlauf gestartet hat. Ich bin aber kein großer Fan der Lynch-Verfilmung, die manche unnötige Abweichung vom Quellmaterial hingenommen hat und bisweilen eher ins grotesk überzeichnete abgeglitten ist. Spätestens nach The Arrival war ich gespannt, was Denis Villeneuve aus einer meiner Lieblingsbuchreihen machen konnte. Und ich wurde nicht enttäuscht. Ja, der Film ist nicht ohne Fehler: Die Spaltung in zwei Hälften erlaubt dem Film zwar, mehr Zeit mit den Charakteren zu verbringen und sie besser vorzustellen, aber das gelingt nicht in allen Fällen und sorgt auch dafür, dass der Inhalt dieses ersten Teils vor allem aus Exposition besteht, die zu oft auf das Sequel verweist, während die eigentliche Action etwas zu kurz kommt. Das war zwar unvermeidlich, wenn man der Handlung des Romans folgen will, aber man kann nur hoffen, dass es sich nicht an den Kinokassen niederschlägt und den zweiten Teil (und vielleicht ja auch noch weitere Verfilmungen der späteren Bücher) verhindert, ohne den dieser Film einfach nicht komplett wäre. Das zeigt aber auch, dass Villeneuve der Vorlage treu geblieben ist. Dune ist nicht Star Wars, nicht Actionsequenz an Actionsequenz, sondern geht in die Tiefe und lebt von Charakteren, Atmosphäre und Intrigen. Villeneuve hat das gekonnt umgesetzt und einen Film abgeliefert, der mich zum Staunen gebracht hat, mich mit seiner Atmosphäre gefesselt hat und bei dem ich am Ende am liebsten einfach sitzen geblieben wäre, bis das Sequel auf der Leinwand auftaucht. Für mich persönlich die klare Nummer eins der Dune-Verfilmungen – und (bei aller Kritik) heißer Kandidat auf meinen Film des Jahres.

Kurzinformationen
Filmlänge: 156 Minuten
Land, Jahr: CAN, HUN, USA, 2020
Genre: Sci-Fi
Regie: Denis Villeneuve

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Florian Scherz

Bereits früh entwickelte Florian zwei große Leidenschaften: Videospiele und Theater. Ersteres brachte ihn zu einem Informatikstudium und zu Jobs bei consol.MEDIA und Cliffhanger Productions; zweiteres lässt ihn heute (unter anderem) als Schauspieler, Regisseur, Komponist und Lichtdesigner arbeiten. Wenn er gerade keine Musicals inszeniert, spielt oder schreibt, vermisst er auf Shock2 Videospiele von anno dazumal in seiner Blog-Reihe "Spiele, die ich vermisse".

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