HighlightNewsVideogame-ReviewVideogames

Review: Die Siedler: Neue Allianzen

Was lange währt, wird endlich ... naja

Wenn das Korn der Bauernhöfe von fleißigen Trägern über Pfade zur Mühle und dann weiter zum Bäcker getragen wird, um knuspriges Brot zu schaffen, wenn das Erz aus den Bergwerken zuerst mit Kohle zu Barren und dann zu Werkzeugen und Waffen gemacht wird, wenn es in der ganzen Siedlung einfach nur wuselt und geschäftig zugeht, dann schlägt die Stunde von „Die Siedler“. Doch kann der jüngste Teil der klassischen Aufbaustrategiereihe nach einer schwierigen Entstehungsgeschichte überzeugen? Wir haben fleißig gesiedelt …

Geschichtsstunde: Die Siedler-Story …

Dreißig Jahre ist es nun her, seit uns „Die Siedler“ als Überraschungshit auf dem Amiga die Augen übergehen ließ: Noch nie war Aufbaustrategie so wuselig/niedlich gewesen! Allein den Trägern zuzusehen, wie sie die Wahren von Gebäude zu Gebäude brachten und so die Warenkreisläufe entstanden, die es für den Sieg brauchte, war oft Lohn für den Spieler genug und ließen die militärischen Konflikte, die für das Erreichen des Ziels auf der Map normalerweise unabdingbar waren, in den Hintergrund treten. Dass es sich dabei um keine Eintagsfliege handelte, bewies der zweite Teil Veni, Vidi, Vici, der bis heute bei vielen als der wohl beste Teil der Reihe gilt – und das lag leider daran, dass es von hier bergab ging. Zwar fand Die Siedler 3 mit getweakter Spielmechanik (die für Teil 4 wiederholt wurde) noch etliche Anhänger, aber spätestens ab dann wurde offensichtlich, dass die Rechteinhaber nicht so wirklich wussten, wo es hingehen soll (begründet wurde dies unter anderem damit, dass das Spielprinzip zwar im deutschsprachigen Markt gut ankam, international aber auf Unverständnis stieß). So kam es zu spielerischen Experimenten mit schwankendem Publikumserfolg, vom Echtzeitstrategiespiel fast ohne Aufbauelemente („Erbe der Könige“) über eine ANNO-isierung des Gameplays („Aufstieg eines Königreiches“), bis hin zur kurzfristigen Aufspaltung der Reihe in eine Evolutions- und Traditionsschiene („Aufbruch der Kulturen“), bevor „Die Siedler 7“ diese Teilung unmittelbar danach wieder beendete, aber aufgrund des erneut anderen Gameplays nicht alle Siedler-Fans überzeugen konnte.

… und die tragische Geschichte von Die Siedler: Neue Allianzen

Danach sollte es (abgesehen von Online-Games) 13 Jahre dauern, bis wir wieder siedeln dürfen. Zwar gab es mit „Die Königreiche von Anteria“ schon 2014 einen neuen Teil der Reihe, der es bis zur Beta schaffte, dann aber aufgrund des Feedbacks zu einem eigenständigen Spiel ohne Siedler-Bezug umgemodelt wurde. 2018 wurden dann die Arbeiten an einem „Die Siedler“-Reboot bekannt gegeben, das an alte Tugenden anschließen sollte und an der Serienerfinder Volker Wertich beteiligt war. Doch auch wenn diese Version von Pressevertretern positiv aufgenommen wurde, verließ Wertich das Projekt und das Spiel wurde erneut maßgeblich umgemodelt. Das Resultat wurde im Jahr 2022 knapp vor der geplanten Veröffentlichung als Beta-Version der Presse und den Fans vorgestellt – und das Feedback war so negativ, dass das Releasedatum eingestampft und das Projekt auf unbestimmte Zeit verschoben wurde. Nun, etwa ein Jahr später, erscheint Die Siedler: Neue Allianzen nach dieser langen und durchaus teuren Entwicklungszeit. Und eins vorweg: Wir sind uns nicht ganz sicher, warum die Macher ein Jahr Verzögerung in Kauf genommen haben, um im Endeffekt kaum etwas zu ändern.

Langsamkeit …

Dabei fühlen sich die ersten Minuten jedes Spielabschnittes durchaus positiv vertraut an: Ausgehend von einem Lagerhaus errichten wir unsere Siedlung, in dem wir erste Warenkreisläufe anlegen: Der Holzfäller schlägt Bäume, die das Sägewerk zu Brettern verarbeitet – zumindest wenn die Gebäude mit Wegen verbunden sind (eine Unterteilung per Fahnen gibt es allerdings nicht mehr) und genügend Träger vorhanden sind (braucht ihr mehr, müsst ihr Wohnhäuser bauen); auf Bauernhöfen wird Korn angebaut, das entweder per Mühle zur Korn und dann weiter zu Brot verarbeitet wird, oder Vieh gefüttert wird, das entweder zur Nahrung (Schweine) wird oder beim Tragen (Esel) hilft. Und nicht zuletzt gibt es die Bergwerke, die diverse Erze (oder Kohle oder Stein) fördern, die dann weiterverarbeitet werden. So weit, so klassisch – doch schon hier zeigen sich erste Risse im klassischen Gameplay-Fundament. War früher alles fein verzahnt und der Aufbau einer funktionierenden Siedlung mit kurzen Wegen in einer Welt der schwindenden Ressourcen eine gewaltige Aufgabe, ist in „Neue Allianzen“ alles ein wenig einfacher, dennoch schlechter steuerbar (eine Warenflusssteuerung oder Ähnliches fehlt) und ganze Warenketten beinahe überflüssig. So ist die Nahrung – früher unabdingbar für den Bergbau (wer hungrig ist, fördert auch nicht) – nun nur noch für Boosts nötig, mit der die Arbeiter optional schneller ans Werk gehen. Auch das alte Problem des Platzmangels existiert fast nicht, weil die Gebiete meist recht großzügig ausfallen und unsere Ingenieure (diesmal wahre Wunderwuzzis, die nicht nur Gebäude aufstellen und Wege bauen, sondern auch unser Gebiet vergrößern und Bergbaugebiete nach Erzvorkommen sondieren) es jederzeit erweitern können. Und selbst Ressourcen sind seltener Mangelware als zuvor, da Bergwerke nie erschöpfen und zumindest manche Wälder nachwachsen, was das regelmäßige Umbauen der Ökonomie nach neuen Gegebenheiten erspart. Ja, es gibt dann doch noch ein paar Tweak-Möglichkeiten, wie Steinstraßen, aber im Endeffekt wurde das ohnehin im Vergleich zur Konkurrenz nie übermäßig komplexe Aufbau-Prinzip der Siedler-Reihe hier nochmal tüchtig weichgespült – und was übrig bleibt, ist viel zu dünn für Serienfans, die wegen des Aufbau-Aspekts gekommen sind.

… und Action

Der Grund dafür liegt wohl darin, dass Neue Allianzen mehr sein will als ein Aufbau-Strategiespiel. Es will ein Hybrid zwischen Aufbau- und Echtzeitstrategiespiel sein, eine Art StarCraft mit aufwendigerem Basenbau. All unsere Arbeit an der Siedlung hat also eigentlich nur ein Ziel: Eine schlagkräftige Armee aufzustellen und uns gegen unsere Widersacher auf der Karte durchzusetzen. Gut, auch diese Idee ist natürlich nicht neu und fand sich schon im ersten Teil (hier aber noch mit einer indirekten Angriffs-Steuerung), aber hier wird dies auf die Spitze getrieben; wenn unsere Truppen unter unserem Kommando über die Karte geschickt werden, kommt schon ein wenig StarCraft-Flair auf – wenn auch in einer ultralight-Variante, denn unsere Einheiten sind nicht besonders abwechslungsreich gestaltet, die Reaktionen auf unsere Kommandos zu träge und die gegnerischen Fraktionen bis auf optische Unterschiede viel zu deckungsgleich, um für mehr als „der größere Trupp gewinnt“ zu sorgen. Ja, natürlich kommen hier noch Forschungsmöglichkeiten sowie diverse Türme und eine erstaunlich mächtige Soldatenattrappe ins Spiel, die als Tank-Item gegnerische Truppen in der Nähe zwingt, sie zuerst zu attackieren, aber dennoch bleibt auch hier ein eher schaler Eindruck zurück: Expandiert nicht zu rasch, bis ihr erste Truppen aufgestellt habt, verteidigt jene Stellen, wo ihr regelmäßig von kleineren Gegnermengen (gescripted!) attackiert werdet, und wartet, bis ihr genügend Soldaten habt (leider haben die Entwickler auf eine Fast-Forward-Funktion verzichtet), um die Kontrahenten platt zu machen – mehr ist eigentlich nicht nötig, und der Weg dorthin auf Dauer viel zu langweilig. Und das beschreibt das gesamte Problem mit „Die Siedler: Neue Allianzen“ – das gesamte Gameplay ist alles andere als ein Beinbruch, keine Komponente so schlecht, dass wir sagen würden: „Hier bringt es das ganze Projekt mit einem klaren Fehltritt zu Fall“. Das Problem ist eher, dass beide Einzelkomponenten und auch der resultierende Mix einfach zu langweilig geraten sind. Das trifft sowohl die Kampagne, in der mit zahlreichen (wenn auch sehr simplen) Zwischensequenzen eine Geschichte erzählt werden soll, die Singleplayer-Varianten (von denen „Extrem“ wenigstens Vorausplanung braucht) als auch die verfügbaren Multiplayer-Modi, in der man einzeln oder in Teams gegeneinander antritt. So wirklich Spaß hat man auf Dauer mit nichts davon. Da hilft auch der serientypische Wuselfaktor, den die eigentlich ansehnliche Grafik gut rüberbringt, nicht mehr.

Fazit

Wertung - 6

6

Der Serie nicht würdig

Die Siedler haben ein Problem: Fans lieben (je nach persönlichem Geschmack) die ersten zwei bis drei Teile – und alles, was danach kam, wird eher kritisch beäugt. Gleichzeitig weigern sich die Macher standhaft, zu jenem Format zurückzukehren, für das die Serie heute noch bekannt ist. Dieses Problem zeigt sich auch in diesem speziellen Fall: Zuerst verwirft man jene Version, die unter der Führung von Serienerfinder Volker Wertich alte Tugenden heraufbeschwor und bei (zumindest deutschsprachigen) Fans gut ankam; dann kehrt man zum RTS-Format zurück, das schon einmal (bei „Erbe der Könige“) Siedler-Fans ihre Reihe vergällte – und selbst das negative Feedback auf die Beta konnte die Richtung nicht mehr ändern. So ist „Neue Allianzen“ eine halbgare Verknüpfung zwischen zu simplem RTS und verdummtem Aufbaustrategiespiel. Und bei aller Offenheit für neue Ideen in einer klassischen Reihe: Das Resultat ist einfach langweilig und begeistert weder als neuer Ansatz für das Franchise noch als Titel, der alte Fans zurückholen soll. Und so bleibt nach Die Siedler: Neue Allianzen eigentlich nur eine Frage übrig: War das das traurige zumindest vorläufige Ende für die Marke – oder ist Ubisoft nach diesem Flop bereit, auf die Fans zu hören, die einfach das Feeling der ersten Teile in modernisiertem Gewand zurückwollen? Die Zeit wird es weisen.

Genre: Strategie
Entwickler: Ubisoft Düsseldorf
System: PC (Xbox und PS4 angekündigt)
Erscheint: erhältlich
Preis: ca. 60 Euro

 

Florian Scherz

Bereits früh entwickelte Florian zwei große Leidenschaften: Videospiele und Theater. Ersteres brachte ihn zu einem Informatikstudium und zu Jobs bei consol.MEDIA und Cliffhanger Productions; zweiteres lässt ihn heute (unter anderem) als Schauspieler, Regisseur, Komponist und Lichtdesigner arbeiten. Wenn er gerade keine Musicals inszeniert, spielt oder schreibt, vermisst er auf Shock2 Videospiele von anno dazumal in seiner Blog-Reihe "Spiele, die ich vermisse".

Ähnliche Artikel

Schaltfläche "Zurück zum Anfang"