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Review: Ashwalkers: A Survival Journey

Asche zu Asche

Die Welt liegt in Trümmern: Außerhalb der scheinbar sicheren Kuppeln regnet es auch 200 Jahre nach der Katastrophe immer noch Asche und das Überleben ist ein Kampf. Und doch macht sich ein Team aus vier tapferen Überlebenden auf, um die Zukunft ihrer Kolonie zu sichern. So lautet die Prämisse von Ashwalkers: A Survival Journey, einem Indie-Spiel mit großen Ambitionen. Doch können diese auch eingelöst werden?

Namen sind alles

Mittlerweile gibt es eine Menge Indie Games und -Studios; regelmäßig erscheinen Spiele, die schon aufgrund der schieren Masse untergehen, auch wenn sie vielleicht mehr Aufmerksamkeit verdienen würden. Ashwalkers hat hier einen kleinen Startvorteil, denn man kann mit Hervé Bonin werben (wenn auch bei genauerer Betrachtung „nur“ als Mentor und Produzent). Wenn euch sein Name nichts sagt, klingelt es vermutlich spätestens dann, wenn man erwähnt, dass er Dontnod (Life Is Strange, Tell Me Why) mitgegründet hat. Dennoch kann dies auch eine Last sein, weil es falsche Erwartungshaltungen weckt: Ashwalkers ist ein in vielerlei Hinsicht völlig anderes Spiel als die Dontnod-Titel, auch wenn – und das sei gleich verraten – eure Entscheidungen auch hier eine große Rolle spielen.

Wenn es Asche regnet

Doch was für ein Spiel ist Ashwalkers eigentlich? Man könnte es vielleicht mit einer Mischung aus Walking Simulator, Ressourcen-Management/Survival-Game und „Choose Your Own Adventure“-Buch beschreiben. Ihr steuert euer Team aus vier recht unterschiedlichen Charakteren per Mausklick durch die in tristem Grau gezeigte Spielwelt – der Stil des Spiels erinnert in seinen besten Momenten an eine Graphic Novel, in anderen Momenten wirkt die postapokalyptische Welt fast zu monoton und lässt die Dinge, die im Spieltext grandios beschrieben werden, nicht monumental genug wirken. Per Mausklick bestimmt ihr das Ziel eures Teams, das bedächtig durch die einsame, atmosphärische, aber leider auch ein wenig zu schlauchförmige Landschaft stapft. Große Abstecher sind nicht vorgesehen, der Pfad ist mehr oder weniger deutlich vorgegeben. Leider ist nicht immer klar, ob es sich bei der Landschaft vor euch um „Hintergrund“ oder tatsächlich begehbares Terrain handelt, sodass man ab und an wenig atmosphärisch an unsichtbaren Wänden hängenbleibt. Beim ständigen Voranschreiten solltet ihr auf drei Dinge achten: Erstens eure Charaktere – der einsame Pfad zehrt an ihrem Körper und ihrer Psyche und kann die ganze Expedition in Gefahr bringen. Zweitens auf Artefakte, die die Geschichte der Welt, die vom Spiel nur angerissen werden, ausschmücken, und Ressourcen, die euer Vorankommen erleichtern; und drittens auf jene Ereignisse, die eure Truppe vor knifflige oder auch „nur“ moralische Entscheidungen stellen und euren inneren Kompass, aber auch eure Führungsqualitäten testen.

Nachdem es sich bei diesen drei Punkten eigentlich um das ganze Gameplay handelt, lasst uns noch ein wenig weiter ins Detail gehen: Ja, ein Durchlauf durch das Spiel (der mit maximal zwei Stunden nicht lange dauert) beinhaltet vor allem ein eigentlich recht stupides Weitergehen durch den Ascheregen. Wenn man sich darauf einlässt, kann es allerdings gerade deshalb mehr als das werden: Ihr merkt, warum der lange Marsch an der Psyche des Quartetts zehrt; ihr beginnt ständig nachzudenken, wie ihr eure Ressourcen einteilen müsst und wann es Zeit ist, ein Lager aufzuschlagen, damit ihr eurer Mannschaft Gelegenheit gebt, zu essen, zu rasten, Medizin zu verwenden, mit Plaudereien hoffentlich gegen die Depression anzukämpfen oder sich an einem Feuer aufzuwärmen. Wartet ihr zu lange, kann das in einem Desaster enden, wenn zum Beispiel das Wetter umschlägt und Campieren nur eingeschränkt (oder gar nicht) zulässt. Der Tod ist allgegenwärtig und es ist nicht unwahrscheinlich, dass nur ein Teil des Teams sein Ziel erreicht. Stirbt einer eurer Spezialisten, hat das aber auch Auswirkungen auf eure Entscheidungen, da beispielsweise nur die junge Diplomatin Kali mit Fremden verhandeln kann oder nur Nadir euch erlaubt, mit Vorsicht und Stealth-Taktiken voranzukommen. Schlimmer noch: Sind drei Mitglieder eures Teams verstorben, ist das Spiel verloren – allein im Ödland zu überleben ist selbst dann unmöglich, wenn man das Ziel schon vor Augen hat.

Wenn der Weg Routine wird

Fassen wir noch einmal zusammen: Ein Durchlauf durch Ashwalkers dauert nicht lang, der Weg durch das Spiel ist dennoch – je nach persönlicher Vorliebe – eintönig bis meditativ, die Gameplay-Loops simpel. Warum sollte man sich das Spiel also zulegen? Das ist tatsächlich eine Frage, die sich jeder potenzielle Käufer (unter Berücksichtigung des günstigen Preises) sorgfältig stellen sollte: Ashwalkers ist kein gewöhnliches Spiel, es bietet eine Atmosphäre, auf die man sich einlassen muss, und die Einfachheit des Gameplays gehört da dazu. Das kann so manchem Spieler als Erfahrung durchaus liegen, wird andere aber zurecht abschrecken. Auch die Langzeitmotivation ist eine zweischneidige Sache: Natürlich könnt ihr mit jedem Durchlauf mehr über die Welt herausfinden, weil unterschiedliche Entscheidungen auch unterschiedliche Informationen bedeuten. Mehr noch: Eure Qual der Wahl resultiert in einem von über 30 verschiedenen Enden, die ihr erreichen könnt. Hier greifen euch die Entwickler allerdings ein wenig unter die Arme und zwingen euch nicht, jedes Mal von vorne zu starten – habt ihr eure Mission einmal erfolgreich beendet, könnt ihr an einem späteren Punkt der Handlung starten. All das gibt eine gewisse Motivation, trotz der Kürze viele Stunden mit Ashwalkers zu verbringen – ob es wirklich viele Spieler gibt, die so lange durchs Ödland gehen wollen, bis sie alle Informationen bekommen und sämtliche Enden gesehen haben, darf allerdings bezweifelt werden.

Zum Abschluss noch ein paar Worte zur Technik: Den grafischen Stil in seinem Grau-Look (nur eventuelle Verletzungen leuchten in umso auffälligerem Rot) haben wir bereits angesprochen; auch die Musik ist minimalistisch, effektiv und atmosphärisch, ohne auch nur irgendwie den Anspruch einer melodischen Untermalung zu stellen. Leider gab es in unserem Test ein paar technische Hänger, die zum Teil auch daher rühren, dass das Spiel stehenbleibt, wenn man aus dem Fenster hinausklickt – so blieben zum Beispiel Ladevorgänge endlos stecken, weil wir schnell ein paar Notizen machen wollten (was zum Glück aufgrund der Autosaves keinen großen Zeitverlust bedeutete). Auch ein paar Sprechblasen unserer Gefährten hingen zeitweise fest und zeigten nur den ersten Buchstaben – schade, sind doch gerade solche Unterhaltungen wichtig, um unsere Figuren näher kennenzulernen, da Ashwalkers nur wenig direkt erklärt und viel zwischen den Zeilen passiert. Wir hoffen, dass hier noch ein Patch nachgereicht wird, denn auch wenn nichts davon wirklich Gamebreaking ist, sind diese Bugs doch zumindest atmosphärisch lästig.

Fazit

Wertung - 6.5

6.5

große Stimmung, minimales Gameplay

Es ist ziemlich schwierig, ein Spiel wie Ashwalkers mit einer Wertung zu versehen oder auch nur eine generelle Empfehlung auszusprechen. Ich möchte deshalb diesmal den Ansatz wählen, vor allem meine eigene Spielerfahrung mit dem Titel als Fazit zu verwenden und euch eure eigenen Schlüsse ziehen zu lassen: Ich hatte bis auf den Pressetext und die „Verbindung“ zu Dontnod keine Ahnung, worauf ich mich bei dem Spiel einlassen würde; die ersten Minuten waren eher ernüchternd (die Grafik wirkt im ersten Moment eintönig, die Story ist vage, dazu gab es noch gleich zu Beginn einen Absturz). Und doch: Als ich über diesen Punkt hinausging, schlug das Spiel zu. Ich habe in einem Rutsch (was bei der Spielzeit recht einfach ist) drei Viertel meiner ersten Expedition gespielt, weil ich motiviert war, voranzuschreiten, mich neuen Dilemmas zu stellen und zu erfahren, wie es weitergeht. Als dieser Durchlauf knapp vor dem Ziel scheiterte (wartet nicht zu lange damit, ein Camp aufzuschlagen!), bekam die Motivation einen kurzen Dämpfer („Ich kann nicht einfach laden und den Abschnitt neu starten, nachdem ich gestorben bin?“ gefolgt von „Oh, das ‚alle sind tot‘-Ende zählt nicht als Durchlauf, ich kann also nur ganz von vorne anfangen?“). Trotzdem kam ich nach einer kleinen Pause von wenigen Stunden zurück und trottete wieder durch die Landschaft, sammelte Ressourcen, Informationen und lernte Welt und meine Leute besser kennen. Gleichzeitig war mir hier schon klar, dass meine Motivation nicht ewig anhalten würde. Ein „ordentliches“ Ende, vielleicht ein zweites – dann würde es Zeit für eine Pause werden, eine echte „Ich muss alle Enden sehen“-Motivation stellte sich nicht ein - und selbst so weit kam ich nur, weil für mich die Atmosphäre funktioniert hat. Mit diesen Gedanken im Kopf komme ich auch auf die nebenstehende, relativ wohlwollende, aber auch faire Wertung. Bricht man das Spiel im „Waschmaschinentest“ auf seine Einzelteile herunter und lässt die subjektive Stimmung außen vor, müsste man eigentlich zu einer recht niedrigen Wertung greifen – und dass das einige Tests auch gemacht haben, zeigt ein Blick in die weltweiten Reviews. Deshalb kann man eigentlich nur als Fazit sagen: Ashwalkers ist ein kurzer, atmosphärischer Ausflug mit minimalem, aber passenden Gameplay, das man aufgrund seines niedrigen Preispunktes Fans ambitionierter, künstlerischer Spiele durchaus empfehlen kann. Ein Spiel für die Masse ist es allerdings definitiv nicht.

Genre: Adventure
Entwickler: Nameless XIII
System: PC
Erscheint: erhältlich
Preis: ca. 12 Euro

 

Florian Scherz

Bereits früh entwickelte Florian zwei große Leidenschaften: Videospiele und Theater. Ersteres brachte ihn zu einem Informatikstudium und zu Jobs bei consol.MEDIA und Cliffhanger Productions; zweiteres lässt ihn heute (unter anderem) als Schauspieler, Regisseur, Komponist und Lichtdesigner arbeiten. Wenn er gerade keine Musicals inszeniert, spielt oder schreibt, vermisst er auf Shock2 Videospiele von anno dazumal in seiner Blog-Reihe "Spiele, die ich vermisse".

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