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Review: Willy Morgan and the Curse of Bone Town

Piraten-Abenteuer ohne Guybrush

Das Adventure-Genre hat einen „interessanten“ Status innerhalb der Videospielszene: Aufgrund etlicher Highlights aus den 80ern und 90ern, als man das Genre zum Mainstream zählen durfte, haben die Point’n’Click-Spiele Kultstatus; andererseits sind sie heute fast in der Versenkung verschwunden. Ja, natürlich gibt es noch immer etliche engagierte Entwickler, die von Indie- bis AA-Titeln neue Puzzle-Abenteuer abliefern, aber im Grunde genommen läuft man noch immer dem Erfolg von Monkey Island & Co. nach und aktuelle Genrevertreter pendeln zwischen „die alte Gameplay-Formel kann noch heute funktionieren“ und „wie modernisieren wir das doch recht festgefahrene Spielprinzip mit neuen Ansätzen“. Willy Morgan and the Curse of Bone Town fällt definitiv in erstere Kategorie – doch kann es auch an die alten LucasArts- und Sierra-Klassiker anschließen? Wir haben uns die Switch-Version des Adventures angesehen.

Ab in das Piraten-Kaff

Falls ihr euch wundert, warum es bei diesem Test ständig zu Vergleichen mit Monkey Island kommt: Daran sind die Entwickler zu einem gewissen Grad selbst schuld, denn hier wird versucht, mit einem ähnlichen Humor und sogar einem Piraten-Kontext zu punkten – von diversen Anspielungen auf die Abenteuer von Guybrush Threepwood und andere Genreklassiker ganz abgesehen. Und das, obwohl die Geschichte zunächst überhaupt nicht nach einem Karibik-Abenteuer der Freibeuter-Ära wirkt, sondern im Heute spielt: Wir schlüpfen in die Haut des jungen Willy Morgan, dessen Vater Henry vor zehn Jahren unter mysteriösen Umständen im naheliegenden Bone Town verschwunden ist. Das Leben des scheuen Teenagers wird durcheinandergewirbelt, als ein Brief des verschollenen Papas endlich Antworten verspricht. Keine Frage, Willy muss nach Bone Town – einen Ort, der anders als sein Zuhause ein wenig aus der Zeit gefallen zu sein scheint, eigenartige Bewohner bietet und Piratenflair ausstrahlt. Aber das ist auch irgendwie zu erwarten, war Willys Vater Henry Morgan dort auf der Suche nach dem Schatz von Captain Kidd …

Genre-Fallen

Im Zuge der rund fünf Stunden, die man braucht, um den Abspann zu erreichen, zeigt sich rasch, dass die Entwickler von imaginarylab nicht nur Stil und Humor, sondern auch das Gameplay der klassischen Adventures genau studiert und mit geringen Abwandlungen beibehalten haben. Nein, das heißt nicht, dass wir es mit einer Verbensteuerung zu tun bekommen, aber dennoch ist Willy Morgan ein Point’n’Click-Spiel der alten Schule mit vielen typischen Vor- und Nachteilen des Genres; dabei verfehlt es aber zu oft die Balance, die nötig wäre, um das klassische Schema auch zum Glänzen zu bringen. Das zeigt sich schon in den ersten Minuten des Spiels: Um mit Willy nach Bone Town zu gelangen, müssen wir sein Fahrrad zusammenbauen. Was eine gute Gelegenheit sein hätte können, um langsam ins Puzzeln (und dann umso schneller in die eigentliche Story) zu kommen und die durchdachte Controllersteuerung zu erlernen (im Handheldmodus kann übrigens auch per Touchscreen gesteuert werden, beides kommt aber nicht an die Maus-Steuerung des PC-Originals heran), wird viel zu schnell eine lästige, weil zu umfangreiche und zu umständliche Aufgabe. Es gilt zehn(!) Teile des Fahrrades einzusammeln, die ganz nach gängigen Adventure-Klischees zum Teil an unmöglichen Orten im Haus versteckt sind und erst erpuzzelt werden müssen.  Nein, die Rätsel sind nicht weiter schwierig (auch das gilt für das gesamte Spiel), aber hier haben es die Designer etwas übertrieben und würgen den Story-Fluss gleich in den ersten Minuten ab.

Strecken nach den Klassikern

Generell muss man aber festhalten, dass die Entwickler sich wirklich bemüht haben, ihre Vorbilder zu erreichen – und das merkt man durchaus: Es gibt viele witzige Details und Anspielungen, auch wenn nicht alle Gags zünden. Auch die Einwohner von Bone Town sind interessant eigenbrötlerisch, bleiben aber nicht wirklich als Charaktere hängen – genauso wenig wie Willy selbst, der etwas zu generisch daherkommt. Das liegt auch an der (englischen) Sprachausgabe, die für die Größe des Projekts ganz gut gelungen ist, aber keine Meisterleistung der Schauspielleistung darstellt. Positiv erwähnen muss man hingegen die Hintergründe: Sie haben einen eigenen Stil, der zur Atmosphäre des Spiels passt, Humor ausstrahlt und Eigensinn beweist – schade nur, dass die restlichen Komponenten hier nicht mithalten können.

All das soll nicht heißen, dass man mit Willy Morgan and the Curse of Bone Town keinen Spaß haben kann – es ist ein nettes kleines Adventure ohne allzu große Denknüsse und damit eher Einsteigertauglich. Aber man merkt doch an zu vielen Ecken, dass noch mehr möglich gewesen wäre. An dieser Enttäuschung sind die Macher aber auch ein wenig selbst schuld, denn man beschwört den Geist der großen Klassiker herauf, gerade dadurch fällt aber auch auf, dass man diese niemals erreicht; und auch wenn sich die Story gegen Ende hin deutlich verbessert, wird sie schließlich enttäuschend, weil zu abrupt, beendet. Irgendwie wollten wir am Ende doch noch ein wenig mehr von der Geschichte erfahren. Und das ist vielleicht die gute, versöhnliche Nachricht am Ende: Bei aller Kritik an Willy Morgan and the Curse of Bone Town hatten wir am Ende doch unseren Spaß mit dem Titel – auch wenn deutlich mehr möglich gewesen wäre.

Fazit

Wertung - 7

7

erreicht nicht die Vorbilder

Wie schon eingangs erwähnt: Das Adventure-Genre ist ein wenig aus der Zeit gefallen, weil sich eigentlich jeder neue Eintrag mit 30 Jahre alten Klassikern messen muss und dabei meist verliert (zum Vergleich: Stellt euch vor, Battlefield oder Call of Duty würden heute regelmäßig gegen Wolfenstein 3D den Kürzeren ziehen). Auch im Fall von Willy Morgan muss man leider sagen: Große Vorbilder ergeben nicht unbedingt ein großartiges Spiel. Die Entwickler haben sich genau angesehen, wie klassische Adventures funktionieren, wie man Charaktere erschafft, an die man sich erinnert, und wie man ein Spiel mit Puzzles füllt – und erreichen trotzdem an eigentlich keinem Punkt die Klasse, die LucasArts oder Sierra erreicht haben. Das liegt auch daran, dass sich das Spiel einigen jener klassischen Adventure-Game-Konventionen verschreibt, für die das Genre heutzutage – zurecht! – bisweilen gescholten wird. Items verstecken sich an obskuren und nicht unbedingt logischen Orten, um noch ein Puzzle mehr ins Spiel zu bringen, und gewisse Orte kann man erst betreten, wenn das Spiel dies vorsieht, Stichwort „Ich muss doch zuerst XYZ erledigen!“. Andere Fallstricke schafft man hingegen zu vermeiden (das berühmte „benutze einfach alles mit allem“ ist kaum nötig), dennoch trägt das Puzzledesign dann doch eine etwas zu dicke Staubschicht, der nicht mit genügend Charme durchbrochen wird. Das ist schade, denn die Autoren hatten eindeutig gute Ideen und auch die richtigen Vorbilder; fürs nächste Spiel der Entwickler wünschen wir uns allerdings mehr Mut, die Konventionen aufzubrechen, und mehr Qualitätskontrolle im Puzzledesign.

Genre: Adventure
Entwickler: imaginarylab
System: Switch (getestet), PC (schon erschienen)
Erscheint: erhältlich
Preis: ca. 25 Euro

Florian Scherz

Bereits früh entwickelte Florian zwei große Leidenschaften: Videospiele und Theater. Ersteres brachte ihn zu einem Informatikstudium und zu Jobs bei consol.MEDIA und Cliffhanger Productions; zweiteres lässt ihn heute (unter anderem) als Schauspieler, Regisseur, Komponist und Lichtdesigner arbeiten. Wenn er gerade keine Musicals inszeniert, spielt oder schreibt, vermisst er auf Shock2 Videospiele von anno dazumal in seiner Blog-Reihe "Spiele, die ich vermisse".

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