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Review: Trüberbrook

Deutsche Adventure-Nostalgie

Dr. Hans Tannhäuser, seines Zeichens Quantenphysiker, muss eine wichtige Arbeit fertigstellen. Da kommt ihm gerade recht, dass er in einem Preisausschreiben einen Urlaub im idyllischen Trüberbrook gewonnen hat, denn hier hofft er, die nötige Ruhe zu finden. Dass er sich gar nicht erinnern kann, an einem solchen Gewinnspiel teilgenommen zu haben, sollte ihn schon skeptisch machen. Dass das kleine deutsche Dörfchen darüber hinaus seine Blütezeit schon lang hinter sich hat und die verbleibenden Bewohner eher kauziger Natur sind, ebenfalls. Dennoch lässt sich der Amerikaner von dem Besuch in der Einöde nicht abbringen – nur um schon bald seine Aufzeichnungen los und in einem unwahrscheinlichen Abenteuer gelandet zu sein …

Klassische Ansätze

Das Point’n’Click-Adventure, das in den 80ern und frühen 90ern seine Hochzeit hatte, ist heute ja eher zur Nische verkommen, die vor allem von kleineren Studios bedient wird. Trüberbrook sieht sich hier definitiv in der Tradition der alten Klassiker – was sogar soweit geht, dass manche Dialog-Antworten aus Monkey Island & Co. übernommen wurden. Um Hans‘ Abenteuer zu bestehen, müssen wir also die diversen Locations nach Hotspots absuchen (was durch eine zeitgemäße, wenngleich ein wenig schlecht sichtbare Hotspot-Anzeige erleichtert wird), mit denen wir interagieren können. Vier Aktionen stehen dabei zur Verfügung: Interagieren, ansehen, sprechen oder mit einem Item aus dem Inventar kombinieren. Das erinnert – da sind wir wieder bei den Klassikern – an die späten LucasArts-Adventures mit der Aktionsmünze, wurde allerdings für ein modernes Publikum gestreamlined: Nur Aktionen, die Sinn machen, sind auswählbar. Mehr noch: Das Inventar kann man sich zwar ansehen, doch damit nicht interagieren, nicht einmal ansehen, was man eingesammelt hat. Stattdessen wählt das „Kombinieren“-Kommando auf einem Hotspot einfach die möglichen Objekte aus. Das geht sogar so weit, dass Aktionen, für die man mehrere Inventarobjekte kombinieren muss, oft in einem Aufwasch erledigt werden und Zwischenschritte nicht mehr nötig sind. Das ist gut für Anfänger, für echte Adventure-Veteranen macht es das Spiel aber deutlich zu leicht – auch weil die Puzzles schon so nicht sonderlich komplex sind.

Konsolenspiel?

Das Point’n’Click-Genre ist traditionell eher auf den PCs verankert – kein Wunder: Zeigen und Klicken geht mit der Maus deutlich besser von der Hand als mit dem Controller. Schon öfter haben es Adventures dennoch versucht, den Sprung auf die Konsolen dennoch zu schaffen – oft mit durchwachsenem Erfolg. Wir haben Trüberbrook auf der Switch getestet – haben die Entwickler hier das passende Rezept für Controller gefunden? Nun, nicht ganz. Schon zu Beginn fällt auf, dass die Entwickler auf einen etwas seltsamen Mix aus zwei Steuerungsarten setzen: Wir steuern wir unsere Spielfigur direkt mit dem linken Analogstick, doch um zu interagieren, reicht es nicht, an den Hotspot heranzutreten (tatsächlich ist es überhaupt nicht notwendig, außer der gewünschte Punkt befindet sich außerhalb des Screens). Stattdessen müssen wir mit dem rechten Stick den Cursor auf dem passenden Objekt platzieren und mit den Buttons oder Richtungstasten das passende Kommando auswählen. Im Normalfall funktioniert das eigentlich recht gut: Hans geht sowieso automatisch für seine Aktion zum Hotspot, sodass man die Figur nur selten mit der Hand steuern muss – wenn man es allerdings tun muss, bleibt man gerne an Kanten hängen und insbesondere eine verwinkelte Stiege erwies sich als größerer Stolperstein als die meisten Puzzles. Dazu kommt, dass das genaue Auswählen der Hotspots bisweilen fummeliger als nötig ist: Die Entwickler setzen auf magnetische Hotspots, die uns beim Zielen helfen, aber auch dafür sorgen, dass nahe beieinander liegende Punkte schwerer zu treffen sind, als uns lieb ist. Da hat die PC-Version, die wir ebenfalls angetestet haben, mit ihrer traditionelleren Steuerung die Nase vorn.

Modellbau

Was auf der Switch im Handheld-Modus zunächst gar nicht so auffiel, ist der größte Pluspunkt für Trüberbrook: die Grafik. Anstatt auf vorgerenderte Hintergründe zu setzen, haben die Entwickler nämlich liebevolle Modelle der Locations gebaut und diese dann ins Spiel transferiert. Das gibt dem Titel einen gewissen Modellbau-Look und eine liebevolle Verspieltheit – zumindest auf dem Fernseher oder Monitor kann man einige schöne Details entdecken. Leider gibt es dennoch ein paar schwache Momente, wie matschige Texturen. Positiver auch die Spielfiguren, die in ihrem Animationsstil ein wenig an Claymation-Filme erinnern, bisweilen aber auch ein wenig mehr „Charakter“ vertragen hätten. Und apropos Figuren: Für die Sprecher wurden hier durchaus bekannte Namen wie Jan Böhmermann oder Nora Tschirner engagiert, die ihre Arbeit absolut solide machen. Dennoch – und obwohl Trüberbrook ein deutsches Spiel ist -, würden wir aber empfehlen, die Sprachausgabe auf Englisch umzustellen. Ein Widerspruch? Gar nicht. Bis auf den Sprecher von Hans (der als Amerikaner natürlich akzentfrei sprechen sollte) werden alle Figuren in beiden Versionen von denselben Darstellern synchronisiert, was der englischen Version dank deutschem Akzent das gewisse Etwas gibt. Wer Probleme mit dem – nicht sonderlich komplizierten – englischen Ton hat, kann die Untertitel auf Deutsch aktivieren und hat so das Beste beider Welten.

Fazit

Wertung - 7.5

7.5

Außen hui, innen ... Durchschnitt

Trüberbrook wird gerne mit Twin Peaks verglichen – ein Vergleich, der einerseits auf der Hand liegt (unscheinbare Kleinstadt, kauzige Bewohner, großes Mysterium), andererseits dem Spiel keinen Gefallen tut. Die Handlung ist abstrus, hat aber im Endeffekt zu wenig Substanz, um dem großen Klassiker das Wasser reichen zu können. Ähnliches muss man auch über die Puzzles sagen: Für Einsteiger vielleicht gerade richtig, werden Spieler mit ein wenig Erfahrung kaum hängen bleiben – und selbst wenn, ist es relativ einfach, alle Möglichkeiten durchzuprobieren. Auch die Konsolensteuerung ist intuitiv genug, um nicht im Weg zu sein, lässt aber dennoch die Maus zu oft vermissen. Dafür können Grafik und Sound durchaus punkten, aber das ist zu wenig für eine höhere Wertung. Gereicht hat es für sechs vergnügliche Stunden in Trüberbrook, aber mein Verlangen, das Spiel noch einmal zu erleben, hält sich dann doch in Grenzen.

Genre: Adventure
Entwickler: btf
System: PC, Switch (getestet), PS4, Xbox One
Erscheint: erhältlich
Preis: ca. 30 Euro

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Florian Scherz

Bereits früh entwickelte Florian zwei große Leidenschaften: Videospiele und Theater. Ersteres brachte ihn zu einem Informatikstudium und zu Jobs bei consol.MEDIA und Cliffhanger Productions; zweiteres lässt ihn heute (unter anderem) als Schauspieler, Regisseur, Komponist und Lichtdesigner arbeiten. Wenn er gerade keine Musicals inszeniert, spielt oder schreibt, vermisst er auf Shock2 Videospiele von anno dazumal in seiner Blog-Reihe "Spiele, die ich vermisse".

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